Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 12 R 246/05
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 32/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 18. Dezember 2007 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger streitet mit der Beklagten über die Gewährung einer Rente wegen Arbeitslosigkeit.
Der am ... 1944 geborene Kläger errichtete zum 1. August 1996 mit einem weiteren Mitgesellschafter eine Bitte Eintrag suchen und anpassen., an der er 50 Prozent der Gesellschaftsanteile hielt. Der Kläger wurde zum alleinigen Geschäftsführer der Gesellschaft bestellt. Mit Bescheid vom 26. August 1996 stellte die IKK Sachsen-Anhalt fest, dass eine Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung als Geschäftsführer der GmbH nicht bestehe, da er auf Grund seines Gesellschaftsanteils erheblichen Einfluss auf die Gesellschaft nehmen könne. Der Bescheid ist bestandkräftig geworden. Von September 1996 bis Juli 1998 zahlte der Kläger freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung. Vom 1. August 1998 bis zum 9. April 2000 war der Kläger arbeitslos und bezog Leistungen von der Bundesanstalt für Arbeit, die zur Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung führten. Vom 10. April 2000 bis zum 2. Juli 2000 nahm der Kläger an einer aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) finanzierten Maßnahme (Existenzgründerlehrgang) teil und bezog Unterhaltsgeld vom Arbeitsamt S ... Ab dem 8. Juli 2002 war der Kläger arbeitslos, stand der Arbeitsvermittlung jedoch nur eingeschränkt zur Verfügung (§ 428 des Dritten Buchs des Sozialgesetzbuchs, SGB III).
Am 3. November 2003 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab dem 1. März 2004. Mit Bescheid vom 29. Januar 2004 lehnte die Beklagte den Antrag ab, da im Zehnjahreszeitraum vom 1. März 1994 bis zum 29. Februar 2004 nur 95 Kalendermonate statt der erforderlichen 96 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen belegt seien. Dabei ging sie von folgender Belegung im Zehnjahreszeitraum aus:
März 1994 bis August 1996: 30 Kalendermonate Pflichtbeitragszeiten wegen versicherter Beschäftigung
September 1996 bis Juli 1998: 23 Kalendermonate freiwillige Beiträge
August 1998 bis April 2000: 21 Kalendermonate Pflichtbeitragszeiten wegen des Bezuges von Lohnersatzleistungen
Mai, Juni 2000: 2 Kalendermonate Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug
Juli 2000 bis Februar 2004: 44 Kalendermonate mit Pflichtbeitragszeiten wegen versicherungspflichtiger Beschäftigung bzw. wegen des Bezuges von Lohnersatzleistungen
Den gegen den Bescheid am 2. Februar 2004 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. März 2004 zurück. Darin führte sie u. a. aus, dass die Zeit der ESF-Maßnahme vom 10. April 2000 bis zum 2. Juli 2000 den Zehnjahreszeitraum nicht nach § 237 Abs. 1 Nr. 4 des Sechsten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) verlängere, da es sich dabei nicht um eine Anrechnungszeit nach § 58 SGB VI handele.
Am 15. April 2004 stellte der Kläger einen Überprüfungsantrag. Er sei nicht darauf hingewiesen worden, dass der Bezug des Unterhaltsgeldes während der ESF-Maßnahme nicht zur Rentenversicherungspflicht führe. Außerdem sei er weiterhin arbeitslos gewesen. Die Beklagte sei im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs verpflichtet, die Monate Mai und Juni 2000 als Beitragszeit anzuerkennen, da er ohne eigenes Verschulden daran gehindert gewesen sei, Pflichtbeiträge zu zahlen. Mit Bescheid vom 24. Mai 2004 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag ab. Der Kläger sei nicht unzureichend beraten worden. Das ihm gezahlte Unterhaltsgeld führe nicht nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI zur Versicherungspflicht. Deshalb sei auch keine Pflichtversicherung auf Antrag nach § 4 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI möglich gewesen. Gegen den Bescheid erhob der Kläger am 16. Juni 2004 Widerspruch. Gleichzeitig stellte er den Antrag, die Zahlung von Pflichtbeiträgen für die Monate Mai und Juni 2000 zuzulassen. Mit Widerspruchbescheid vom 29. März 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Am 22. April 2005 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Dessau (SG) erhoben und zur Begründung ausgeführt, der Zehnjahreszeitraum verlängere sich um den Zeitraum der ESF-Maßnahme. Während dieser Zeit sei er nicht in der Lage gewesen, an einer anderen versicherungspflichtigen Bildungsmaßnahme teilzunehmen bzw. eine zumutbare Arbeit aufzunehmen. Bei rechtzeitigem Hinweis hätte er außerdem Pflichtbeiträge für die Zeit der ESF-Maßnahme gezahlt. Eine Versicherungspflicht auf Antrag wäre auch möglich gewesen, da das während der ESF-Maßnahme gezahlte Unterhaltsgeld nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI zur Versicherungspflicht führe. Außerdem sei er nach Aufnahme seiner Tätigkeit als Geschäftsführer 1996 und der erfolgten Statusfeststellung von der Krankenkasse nicht zur Rentenversicherung beraten worden. Er habe bei der Beklagten einen Termin vereinbart, um über die Weiterversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung beraten zu werden. In dem Beratungstermin am 3. Dezember 1996 sei von der Beraterin in der Auskunfts- und Beratungsstelle der Beklagten der Antrag auf freiwillige Versicherung ausgefüllt und von ihm, dem Kläger, unterschrieben worden. Eine umfassende Beratung zu den Möglichkeiten einer Pflichtversicherung sei nicht erfolgt. Auch später sei eine entsprechende Beratung nicht erfolgt.
Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass die Zeit der ESF-Maßnahme nicht als Anrechnungszeit nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI anerkannt werden könne, da eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit nicht unterbrochen worden sei (§ 58 Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Die Zeit könne auch nicht als Anrechnungszeit nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI anerkannt werden, da kein überwiegend theoretischer Unterricht stattgefunden habe. Ein Beratungsmangel lasse sich nicht mehr sicher feststellen.
Das SG hat die Beklagte und die IKK Sachsen-Anhalt schriftlich zu einer Beratung des Klägers im Jahr 1996 befragt.
Seit dem 1. März 2007 bezieht der Kläger eine Altersrente für langjährig Versicherte.
Mit Urteil vom 18. Dezember 2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es u. a. ausgeführt, der Zeitraum der Teilnahme des Klägers an dem Existenzgründerseminar in der Zeit vom 10. April bis zum 2. Juli 2000 sei weder eine den Zehnjahreszeitraum des § 237 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI verlängernde Anrechnungszeit noch könne im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nachträglich eine Antragspflichtversicherung für diese Zeit zugelassen werden. Ebenso sei, auch im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs, eine Antragspflichtversicherung für den Zeitraum September 1996 bis Juli 1998 nicht möglich. Der Zeitraum vom 10. April bis zum 2. Juli 2000 sei zwar grundsätzlich anerkennungsfähig als Anrechungszeit nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI (Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit). Aufgrund der unbelegten Zeit von September 1996 bis Juli 1998 sei die Voraussetzung der Unterbrechung einer versicherten Beschäftigung nicht erfüllt. Auch eine Berücksichtigung des Zeitraums vom 10. April bis zum 2. Juli 2000 als Anrechungszeit wegen Fachschulausbildung nach § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI sei nicht möglich, da nach der Darstellung des Klägers und der Auskunft des Bildungsträgers kein überwiegend theoretischer Unterricht stattgefunden habe. Der Kurs hätte kein halbes Jahr und auch keine 600 Unterrichtsstunden umfasst. Eine Zulassung zur Antragspflichtversicherung für den Zeitraum der Arbeitslosigkeit vom 10. April bis zum 2. Juli 2000 nach § 4 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI sei nicht möglich, weil der Kläger während dieses Zeitraums keine der in § 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI genannten Leistungen bezogen habe. Das ESF-Unterhaltsgeld sei keine Entgeltersatzleistung nach § 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI (unter Verweis auf Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 19. Januar 2005, Az: B 11 a/11 AL 17/04 R, dokumentiert in juris). Da bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen der Versicherungspflicht kraft Gesetzes und auf Antrag gemäß den genannten Vorschriften nicht vorgelegen hätten, sei eine Entscheidung über einen behaupteten Beratungsmangel entbehrlich, weil im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nur ein dem geltenden Recht entsprechender Zustand geschaffen werden könne. Schließlich sei auch eine nachträgliche Zulassung des Klägers zur Antragspflichtversicherung im Zeitraum seiner selbständigen Tätigkeit als Geschäftsführer im Zeitraum September 1996 bis Juli 1998 im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht möglich. Die Beratungspflicht der Sozialleistungsträger umfasse deren Verpflichtung, negative Folgen, die für den Betroffenen durch eine Falsch- oder Nichtberatung eingetreten seien, dadurch auszugleichen, dass sie ihn hinsichtlich seiner Ansprüche so stellten, wie er gestanden hätte, wenn er in seinem Handeln nicht durch einen Verwaltungsfehler beeinflusst worden wäre. Ein Verwaltungsfehler habe sich jedoch nicht nachweisen lassen, was sich nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Klägers auswirke. Die Sozialgerichte dürften nicht etwa nach dem Grundsatz "im Zweifel für den Versicherten oder Versorgungsberechtigten" entscheiden. Billigkeitsgesichtspunkte könnten nicht herangezogen werden. Die eingeholten Einkünfte hätten ein Beratungsverschulden nicht bewiesen.
Gegen das ihm am 10. Januar 2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 8. Februar 2008 Berufung bei dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Er vertieft seine bisherigen Ausführungen. Er trägt nunmehr im Wesentlichen vor, er sei im Rahmen der Aufnahme seiner Geschäftsführertätigkeit nicht umfassend zu den Möglichkeiten einer Pflichtversicherung beraten worden. Dass die Krankenkasse nicht zur Pflichtversicherung in der Rentenversicherung beraten habe, sei von dieser bestätigt worden. Auch von der Beklagten sei er in einem Termin am 3. Dezember 1996 nicht hinreichend aufgeklärt worden. Es sei zu vermuten, dass hinsichtlich der Selbständigenpflichtversicherung ein genereller Beratungsmangel bestehe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 18. Dezember 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. März 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihren Bescheid vom 29. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. März 2004 zurückzunehmen und ihm ab 1. März 2004 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit zu gewähren, hilfsweise,
Zug um Zug nach Zahlung von Pflichtbeiträgen als Selbständiger für den Zeitraum von September 1996 bis Juli 1998 unter Einberechnung der bereits gezahlten freiwilligen Beiträge ihm ab 1. März 2004 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 18. Dezember 2007 zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG für zutreffend.
Das Gericht hat mit den Beteiligten den Sach- und Streitstand in einem Termin erörtert und weitere Ermittlungen zu der behaupteten Falschberatung des Klägers 1996 angestellt. Wegen des Ergebnisses wird auf den Inhalt der Gerichtsakten verwiesen. Diese und die Verwaltungsakten der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Der Bescheid vom 24. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. März 2005 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.
Er hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte den Bescheid vom 29. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. März 2004 aufhebt und ihm ab 1. März 2004 Rente wegen Arbeitslosigkeit gewährt. Dabei hängt der Erfolg nicht von der Zahlung von Pflichtbeiträgen, die der Kläger im Berufungsverfahren hilfsweise im Rahmen einer Zug um Zug Leistung zur Entscheidung gestellt hat, ab.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB X) ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.
Bei Erlass des Bescheides vom 29. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. März 2004 hat die Beklagte jedoch das Recht nicht unrichtig angewandt.
Nach § 237 Abs. 1 SGB VI (in der hier anzuwendenden Fassung des Art. 4 des Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002, BGBl. I S. 4621) haben Versicherte Anspruch auf Altersrente, wenn sie
1. vor dem ... 1952 geboren sind,
2. das 60. Lebensjahr vollendet haben,
3. entweder
a) bei Beginn der Rente arbeitslos sind und nach Vollendung eines Lebensalters von 58 Jahren und 6 Monaten insgesamt 52 Wochen arbeitslos waren oder Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus bezogen haben
oder
b) die Arbeitszeit aufgrund von Altersteilzeitarbeit im Sinne der §§ 2 und 3 Abs. 1 Nr. 1 des Altersteilzeitgesetzes für mindestens 24 Kalendermonate vermindert haben,
4. in den letzten zehn Jahren vor Beginn der Rente acht Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben, wobei sich der Zeitraum von zehn Jahren um Anrechnungszeiten, Berücksichtigungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente aus eigener Versicherung, die nicht auch Pflichtbeitragszeiten aufgrund einer versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit sind, verlängert, und
5. die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt haben.
Bei dem Kläger lag, ungeachtet der anderen Voraussetzungen, bei einem Rentenbeginn zum 1. März 2004 die erforderliche 8/10-Belegung des § 237 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI nicht vor. Im originären Zehnjahreszeitraum vom 1. März 1994 bis zum 29. Februar 2004 hatte er statt der erforderlichen 96 Kalendermonate nur 95 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen. Eine Streckung des Zehnjahreszeitraums ist nicht möglich. Auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts, die sich der Senat zu Eigen macht, wird verwiesen.
Auch im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kann der Kläger nicht berechtigt werden, entweder für den Zeitraum vom 10. April bis zum 2. Juli 2000 Pflichtbeiträge nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VI bzw. für den Zeitraum von September 1996 bis einschließlich Juli 1998 Pflichtbeiträge wegen einer selbständigen Tätigkeit nach § 4 Abs. 2 SGB VI zu entrichten.
Aus der Beratungspflicht nach § 14 Satz 1 des Ersten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB I) folgt, dass der Leistungsträger bei Vorliegen eines konkreten Anlasses den Versicherten auf solche Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen hat, die klar zutage liegen und deren Wahrnehmung offenbar so zweckmäßig sind, dass jeder verständige Versicherte sie mutmaßlich nutzen würde. Verletzt der Versicherungsträger diese ihm obliegende Nebenpflicht, so kann dem Versicherten daraus ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch erwachsen. Dieser ist auf Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung desjenigen Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Versicherungsträger die ihm aus dem Versicherungsverhältnis erwachsenen Nebenpflichten ordnungsgemäß wahrgenommen hätte. Voraussetzung ist allerdings, dass die Verletzung der Nebenpflicht ursächlich für einen Schaden des Versicherten gewesen ist (siehe z. B. BSG, Urteil vom 17. Februar 1982, Az: 1 RJ 122/80, dokumentiert in juris, dort Rdnr. 25).
Die Zulassung zur Antragspflichtversicherung für den Zeitraum vom 10. April bis zum 2. Juli 2000 im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs scheitert bereits daran, dass die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VI nicht vorlagen. Auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts, die sich der Senat zu Eigen macht, wird verwiesen.
Aber auch die Zulassung zu einer Pflichtversicherung auf Antrag als Selbständiger ab September 1996 ist nicht möglich. Zweifelhaft ist, ob ein der Beklagten zurechenbarer Beratungsmangel der IKK Sachsen-Anhalt oder ein Beratungsmangel der Beklagten vorliegt. Außerdem konnten die für die Kausalität nötigen Feststellungen nicht getroffen werden. Die objektive Beweislast hierfür trägt der Kläger.
Im Einzelnen: Nach der Rechtsprechung des BSG muss der Versicherte, der sich wegen der Absicherung der selbständigen Tätigkeit in der Kranken- und der Rentenversicherung an den Krankenversicherungsträger wendet, von diesem wenigstens darauf hingewiesen werden, dass er sich wegen der Fortführung seines rentenversicherungsrechtlichen Schutzes an den Rentenversicherungsträger wenden soll (BSG, Urteil vom 26. April 2005, Az: B 5 RJ 6/04 R, dokumentiert in juris, dort Rdnr. 23). Ob dies im vorliegenden Fall geschehen ist, konnte nicht mehr ermittelt werden. Der Mitarbeiter oder Beauftragte der IKK, der den Kläger 1996 im Zusammenhang mit der Änderung seines Versicherungsverhältnisses bei der IKK betreut hat, konnte nicht mehr benannt werden. Außerdem hat sich der Kläger ohnehin zur weiteren Beratung an die Beklagte gewandt. Dies könnte dafür sprechen, dass von der IKK der erforderliche Hinweis erteilt worden ist. Jedenfalls wäre der fehlende Hinweis der IKK auf die weitere Beratung durch die Beklagte dann nicht mehr für den Schaden kausal, wenn sich der Kläger tatsächlich an die Beklagte wendet und um weitere Beratung nachsucht.
Die IKK hat eingeräumt, den Kläger zur Antragspflichtversicherung als Selbständiger in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht beraten zu haben. Es kann im Ergebnis offen bleiben, ob sich die Beklagte diese Nichtberatung zurechnen lassen muss, da eine weitere Voraussetzung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs, die Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden, nicht mehr aufzuklären war. Der Beratungsfehler eines Dritten (hier: der IKK) soll nach der Rechtsprechung dem Rentenversicherungsträger dann zurechenbar sein, wenn sich beim Kontakt des Bürgers mit dem "Dritten" ein rentenversicherungsrechtlicher Beratungsbedarf zwingend ergibt (BSG, Urteil vom 26. April 2005, a. a. O., Rdnr. 30). Ein solcher zwingender Beratungsbedarf soll bestehen, wenn ein dringendes Interesse offensichtlich ist, eine Anwartschaft in der Rentenversicherung für eine Rente aufrechtzuerhalten (BSG, a. a. O). Hier ist schon fraglich, ob bei dem damals 52jährigen Kläger, der kurz zuvor selbständig geworden war, ein dringendes Interesse an der Aufrechterhaltung seiner möglichen Anwartschaft auf eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit bestand. Ob dieses Interesse für die IKK offensichtlich war, hätte sich nur aus einer Befragung des Mitarbeiters der IKK, die nicht durchgeführt werden konnte, ergeben können.
Ob die IKK von sich aus wegen einer arbeitsteiligen Aufgabenerfüllung mit der Beklagten auch ohne Vorliegen eines zwingenden Beratungsbedarfs bei dem ihr bekannten Wechsel des Klägers von einer abhängigen Beschäftigung in eine selbständige Tätigkeit auf die Möglichkeiten der weiteren Absicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung hinzuweisen hat (ausdrücklich offen gelassen von BSG, Urteil vom 26. April 2005, a. a. O., Rdnr. 31), kann ebenfalls unentschieden bleiben, weil sich die nötigen Feststellungen für die Kausalität zwischen der möglichen Pflichtverletzung nicht mehr durchführen ließen.
Dass die Beklagte den Kläger falsch beraten hat, ließ sich ebenfalls nicht mehr feststellen. Bereits die eigenen Angaben des Klägers sind widersprüchlich. Nachdem er zunächst vorgetragen hatte, bei einer persönlichen Vorsprache bei der Beklagten den Antrag auf die freiwillige Versicherung unterschrieben und abgegeben zu haben, schilderte er in dem Verfahren vor dem Landessozialgericht, die Räume der Beklagten aus Zeitmangel ohne eine persönliche Vorsprache verlassen zu haben. Dann kann ihn aber die Beklagte nicht falsch beraten haben.
Die Kausalität muss beim Herstellungsanspruch nach der im Sozialrecht herrschenden Kausaltheorie der wesentlichen Bedingung unter Abwägung der vom Sozialleistungsträger und dem Versicherten selbst gesetzten Ursachen geprüft werden (BSG, Urteil vom 26. April 2005, a. a. O., Rdnr. 32). Welcher Beteiligte welche Ursache gesetzt hat, ließ sich ebenfalls nicht mehr ermitteln. Fest steht nach dem letzten Vortrag des Klägers nur, dass er die Möglichkeit einer persönlichen Vorsprache bei der Beklagten nicht genutzt hat. Damit hat er eine Ursache gesetzt, die als wesentlich anzusehen ist und in die Abwägung mit einzubeziehen wäre. Sofern er einen anberaumten Beratungstermin nicht wahrgenommen hat, unterbricht er den Kausalverlauf zwischen der möglicherweise der Beklagten zuzurechnenden Pflichtverletzung der IKK und dem Schaden, wegen der Falschberatung die erforderlichen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für den Bezug der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit nicht zu erfüllen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG bestehen nicht.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger streitet mit der Beklagten über die Gewährung einer Rente wegen Arbeitslosigkeit.
Der am ... 1944 geborene Kläger errichtete zum 1. August 1996 mit einem weiteren Mitgesellschafter eine Bitte Eintrag suchen und anpassen., an der er 50 Prozent der Gesellschaftsanteile hielt. Der Kläger wurde zum alleinigen Geschäftsführer der Gesellschaft bestellt. Mit Bescheid vom 26. August 1996 stellte die IKK Sachsen-Anhalt fest, dass eine Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung als Geschäftsführer der GmbH nicht bestehe, da er auf Grund seines Gesellschaftsanteils erheblichen Einfluss auf die Gesellschaft nehmen könne. Der Bescheid ist bestandkräftig geworden. Von September 1996 bis Juli 1998 zahlte der Kläger freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung. Vom 1. August 1998 bis zum 9. April 2000 war der Kläger arbeitslos und bezog Leistungen von der Bundesanstalt für Arbeit, die zur Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung führten. Vom 10. April 2000 bis zum 2. Juli 2000 nahm der Kläger an einer aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) finanzierten Maßnahme (Existenzgründerlehrgang) teil und bezog Unterhaltsgeld vom Arbeitsamt S ... Ab dem 8. Juli 2002 war der Kläger arbeitslos, stand der Arbeitsvermittlung jedoch nur eingeschränkt zur Verfügung (§ 428 des Dritten Buchs des Sozialgesetzbuchs, SGB III).
Am 3. November 2003 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab dem 1. März 2004. Mit Bescheid vom 29. Januar 2004 lehnte die Beklagte den Antrag ab, da im Zehnjahreszeitraum vom 1. März 1994 bis zum 29. Februar 2004 nur 95 Kalendermonate statt der erforderlichen 96 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen belegt seien. Dabei ging sie von folgender Belegung im Zehnjahreszeitraum aus:
März 1994 bis August 1996: 30 Kalendermonate Pflichtbeitragszeiten wegen versicherter Beschäftigung
September 1996 bis Juli 1998: 23 Kalendermonate freiwillige Beiträge
August 1998 bis April 2000: 21 Kalendermonate Pflichtbeitragszeiten wegen des Bezuges von Lohnersatzleistungen
Mai, Juni 2000: 2 Kalendermonate Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug
Juli 2000 bis Februar 2004: 44 Kalendermonate mit Pflichtbeitragszeiten wegen versicherungspflichtiger Beschäftigung bzw. wegen des Bezuges von Lohnersatzleistungen
Den gegen den Bescheid am 2. Februar 2004 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. März 2004 zurück. Darin führte sie u. a. aus, dass die Zeit der ESF-Maßnahme vom 10. April 2000 bis zum 2. Juli 2000 den Zehnjahreszeitraum nicht nach § 237 Abs. 1 Nr. 4 des Sechsten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) verlängere, da es sich dabei nicht um eine Anrechnungszeit nach § 58 SGB VI handele.
Am 15. April 2004 stellte der Kläger einen Überprüfungsantrag. Er sei nicht darauf hingewiesen worden, dass der Bezug des Unterhaltsgeldes während der ESF-Maßnahme nicht zur Rentenversicherungspflicht führe. Außerdem sei er weiterhin arbeitslos gewesen. Die Beklagte sei im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs verpflichtet, die Monate Mai und Juni 2000 als Beitragszeit anzuerkennen, da er ohne eigenes Verschulden daran gehindert gewesen sei, Pflichtbeiträge zu zahlen. Mit Bescheid vom 24. Mai 2004 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag ab. Der Kläger sei nicht unzureichend beraten worden. Das ihm gezahlte Unterhaltsgeld führe nicht nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI zur Versicherungspflicht. Deshalb sei auch keine Pflichtversicherung auf Antrag nach § 4 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI möglich gewesen. Gegen den Bescheid erhob der Kläger am 16. Juni 2004 Widerspruch. Gleichzeitig stellte er den Antrag, die Zahlung von Pflichtbeiträgen für die Monate Mai und Juni 2000 zuzulassen. Mit Widerspruchbescheid vom 29. März 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Am 22. April 2005 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Dessau (SG) erhoben und zur Begründung ausgeführt, der Zehnjahreszeitraum verlängere sich um den Zeitraum der ESF-Maßnahme. Während dieser Zeit sei er nicht in der Lage gewesen, an einer anderen versicherungspflichtigen Bildungsmaßnahme teilzunehmen bzw. eine zumutbare Arbeit aufzunehmen. Bei rechtzeitigem Hinweis hätte er außerdem Pflichtbeiträge für die Zeit der ESF-Maßnahme gezahlt. Eine Versicherungspflicht auf Antrag wäre auch möglich gewesen, da das während der ESF-Maßnahme gezahlte Unterhaltsgeld nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI zur Versicherungspflicht führe. Außerdem sei er nach Aufnahme seiner Tätigkeit als Geschäftsführer 1996 und der erfolgten Statusfeststellung von der Krankenkasse nicht zur Rentenversicherung beraten worden. Er habe bei der Beklagten einen Termin vereinbart, um über die Weiterversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung beraten zu werden. In dem Beratungstermin am 3. Dezember 1996 sei von der Beraterin in der Auskunfts- und Beratungsstelle der Beklagten der Antrag auf freiwillige Versicherung ausgefüllt und von ihm, dem Kläger, unterschrieben worden. Eine umfassende Beratung zu den Möglichkeiten einer Pflichtversicherung sei nicht erfolgt. Auch später sei eine entsprechende Beratung nicht erfolgt.
Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass die Zeit der ESF-Maßnahme nicht als Anrechnungszeit nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI anerkannt werden könne, da eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit nicht unterbrochen worden sei (§ 58 Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Die Zeit könne auch nicht als Anrechnungszeit nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI anerkannt werden, da kein überwiegend theoretischer Unterricht stattgefunden habe. Ein Beratungsmangel lasse sich nicht mehr sicher feststellen.
Das SG hat die Beklagte und die IKK Sachsen-Anhalt schriftlich zu einer Beratung des Klägers im Jahr 1996 befragt.
Seit dem 1. März 2007 bezieht der Kläger eine Altersrente für langjährig Versicherte.
Mit Urteil vom 18. Dezember 2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es u. a. ausgeführt, der Zeitraum der Teilnahme des Klägers an dem Existenzgründerseminar in der Zeit vom 10. April bis zum 2. Juli 2000 sei weder eine den Zehnjahreszeitraum des § 237 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI verlängernde Anrechnungszeit noch könne im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nachträglich eine Antragspflichtversicherung für diese Zeit zugelassen werden. Ebenso sei, auch im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs, eine Antragspflichtversicherung für den Zeitraum September 1996 bis Juli 1998 nicht möglich. Der Zeitraum vom 10. April bis zum 2. Juli 2000 sei zwar grundsätzlich anerkennungsfähig als Anrechungszeit nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI (Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit). Aufgrund der unbelegten Zeit von September 1996 bis Juli 1998 sei die Voraussetzung der Unterbrechung einer versicherten Beschäftigung nicht erfüllt. Auch eine Berücksichtigung des Zeitraums vom 10. April bis zum 2. Juli 2000 als Anrechungszeit wegen Fachschulausbildung nach § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI sei nicht möglich, da nach der Darstellung des Klägers und der Auskunft des Bildungsträgers kein überwiegend theoretischer Unterricht stattgefunden habe. Der Kurs hätte kein halbes Jahr und auch keine 600 Unterrichtsstunden umfasst. Eine Zulassung zur Antragspflichtversicherung für den Zeitraum der Arbeitslosigkeit vom 10. April bis zum 2. Juli 2000 nach § 4 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI sei nicht möglich, weil der Kläger während dieses Zeitraums keine der in § 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI genannten Leistungen bezogen habe. Das ESF-Unterhaltsgeld sei keine Entgeltersatzleistung nach § 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI (unter Verweis auf Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 19. Januar 2005, Az: B 11 a/11 AL 17/04 R, dokumentiert in juris). Da bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen der Versicherungspflicht kraft Gesetzes und auf Antrag gemäß den genannten Vorschriften nicht vorgelegen hätten, sei eine Entscheidung über einen behaupteten Beratungsmangel entbehrlich, weil im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nur ein dem geltenden Recht entsprechender Zustand geschaffen werden könne. Schließlich sei auch eine nachträgliche Zulassung des Klägers zur Antragspflichtversicherung im Zeitraum seiner selbständigen Tätigkeit als Geschäftsführer im Zeitraum September 1996 bis Juli 1998 im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht möglich. Die Beratungspflicht der Sozialleistungsträger umfasse deren Verpflichtung, negative Folgen, die für den Betroffenen durch eine Falsch- oder Nichtberatung eingetreten seien, dadurch auszugleichen, dass sie ihn hinsichtlich seiner Ansprüche so stellten, wie er gestanden hätte, wenn er in seinem Handeln nicht durch einen Verwaltungsfehler beeinflusst worden wäre. Ein Verwaltungsfehler habe sich jedoch nicht nachweisen lassen, was sich nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Klägers auswirke. Die Sozialgerichte dürften nicht etwa nach dem Grundsatz "im Zweifel für den Versicherten oder Versorgungsberechtigten" entscheiden. Billigkeitsgesichtspunkte könnten nicht herangezogen werden. Die eingeholten Einkünfte hätten ein Beratungsverschulden nicht bewiesen.
Gegen das ihm am 10. Januar 2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 8. Februar 2008 Berufung bei dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Er vertieft seine bisherigen Ausführungen. Er trägt nunmehr im Wesentlichen vor, er sei im Rahmen der Aufnahme seiner Geschäftsführertätigkeit nicht umfassend zu den Möglichkeiten einer Pflichtversicherung beraten worden. Dass die Krankenkasse nicht zur Pflichtversicherung in der Rentenversicherung beraten habe, sei von dieser bestätigt worden. Auch von der Beklagten sei er in einem Termin am 3. Dezember 1996 nicht hinreichend aufgeklärt worden. Es sei zu vermuten, dass hinsichtlich der Selbständigenpflichtversicherung ein genereller Beratungsmangel bestehe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 18. Dezember 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. März 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihren Bescheid vom 29. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. März 2004 zurückzunehmen und ihm ab 1. März 2004 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit zu gewähren, hilfsweise,
Zug um Zug nach Zahlung von Pflichtbeiträgen als Selbständiger für den Zeitraum von September 1996 bis Juli 1998 unter Einberechnung der bereits gezahlten freiwilligen Beiträge ihm ab 1. März 2004 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 18. Dezember 2007 zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG für zutreffend.
Das Gericht hat mit den Beteiligten den Sach- und Streitstand in einem Termin erörtert und weitere Ermittlungen zu der behaupteten Falschberatung des Klägers 1996 angestellt. Wegen des Ergebnisses wird auf den Inhalt der Gerichtsakten verwiesen. Diese und die Verwaltungsakten der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Der Bescheid vom 24. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. März 2005 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.
Er hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte den Bescheid vom 29. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. März 2004 aufhebt und ihm ab 1. März 2004 Rente wegen Arbeitslosigkeit gewährt. Dabei hängt der Erfolg nicht von der Zahlung von Pflichtbeiträgen, die der Kläger im Berufungsverfahren hilfsweise im Rahmen einer Zug um Zug Leistung zur Entscheidung gestellt hat, ab.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB X) ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.
Bei Erlass des Bescheides vom 29. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. März 2004 hat die Beklagte jedoch das Recht nicht unrichtig angewandt.
Nach § 237 Abs. 1 SGB VI (in der hier anzuwendenden Fassung des Art. 4 des Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002, BGBl. I S. 4621) haben Versicherte Anspruch auf Altersrente, wenn sie
1. vor dem ... 1952 geboren sind,
2. das 60. Lebensjahr vollendet haben,
3. entweder
a) bei Beginn der Rente arbeitslos sind und nach Vollendung eines Lebensalters von 58 Jahren und 6 Monaten insgesamt 52 Wochen arbeitslos waren oder Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus bezogen haben
oder
b) die Arbeitszeit aufgrund von Altersteilzeitarbeit im Sinne der §§ 2 und 3 Abs. 1 Nr. 1 des Altersteilzeitgesetzes für mindestens 24 Kalendermonate vermindert haben,
4. in den letzten zehn Jahren vor Beginn der Rente acht Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben, wobei sich der Zeitraum von zehn Jahren um Anrechnungszeiten, Berücksichtigungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente aus eigener Versicherung, die nicht auch Pflichtbeitragszeiten aufgrund einer versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit sind, verlängert, und
5. die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt haben.
Bei dem Kläger lag, ungeachtet der anderen Voraussetzungen, bei einem Rentenbeginn zum 1. März 2004 die erforderliche 8/10-Belegung des § 237 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI nicht vor. Im originären Zehnjahreszeitraum vom 1. März 1994 bis zum 29. Februar 2004 hatte er statt der erforderlichen 96 Kalendermonate nur 95 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen. Eine Streckung des Zehnjahreszeitraums ist nicht möglich. Auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts, die sich der Senat zu Eigen macht, wird verwiesen.
Auch im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kann der Kläger nicht berechtigt werden, entweder für den Zeitraum vom 10. April bis zum 2. Juli 2000 Pflichtbeiträge nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VI bzw. für den Zeitraum von September 1996 bis einschließlich Juli 1998 Pflichtbeiträge wegen einer selbständigen Tätigkeit nach § 4 Abs. 2 SGB VI zu entrichten.
Aus der Beratungspflicht nach § 14 Satz 1 des Ersten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB I) folgt, dass der Leistungsträger bei Vorliegen eines konkreten Anlasses den Versicherten auf solche Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen hat, die klar zutage liegen und deren Wahrnehmung offenbar so zweckmäßig sind, dass jeder verständige Versicherte sie mutmaßlich nutzen würde. Verletzt der Versicherungsträger diese ihm obliegende Nebenpflicht, so kann dem Versicherten daraus ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch erwachsen. Dieser ist auf Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung desjenigen Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Versicherungsträger die ihm aus dem Versicherungsverhältnis erwachsenen Nebenpflichten ordnungsgemäß wahrgenommen hätte. Voraussetzung ist allerdings, dass die Verletzung der Nebenpflicht ursächlich für einen Schaden des Versicherten gewesen ist (siehe z. B. BSG, Urteil vom 17. Februar 1982, Az: 1 RJ 122/80, dokumentiert in juris, dort Rdnr. 25).
Die Zulassung zur Antragspflichtversicherung für den Zeitraum vom 10. April bis zum 2. Juli 2000 im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs scheitert bereits daran, dass die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VI nicht vorlagen. Auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts, die sich der Senat zu Eigen macht, wird verwiesen.
Aber auch die Zulassung zu einer Pflichtversicherung auf Antrag als Selbständiger ab September 1996 ist nicht möglich. Zweifelhaft ist, ob ein der Beklagten zurechenbarer Beratungsmangel der IKK Sachsen-Anhalt oder ein Beratungsmangel der Beklagten vorliegt. Außerdem konnten die für die Kausalität nötigen Feststellungen nicht getroffen werden. Die objektive Beweislast hierfür trägt der Kläger.
Im Einzelnen: Nach der Rechtsprechung des BSG muss der Versicherte, der sich wegen der Absicherung der selbständigen Tätigkeit in der Kranken- und der Rentenversicherung an den Krankenversicherungsträger wendet, von diesem wenigstens darauf hingewiesen werden, dass er sich wegen der Fortführung seines rentenversicherungsrechtlichen Schutzes an den Rentenversicherungsträger wenden soll (BSG, Urteil vom 26. April 2005, Az: B 5 RJ 6/04 R, dokumentiert in juris, dort Rdnr. 23). Ob dies im vorliegenden Fall geschehen ist, konnte nicht mehr ermittelt werden. Der Mitarbeiter oder Beauftragte der IKK, der den Kläger 1996 im Zusammenhang mit der Änderung seines Versicherungsverhältnisses bei der IKK betreut hat, konnte nicht mehr benannt werden. Außerdem hat sich der Kläger ohnehin zur weiteren Beratung an die Beklagte gewandt. Dies könnte dafür sprechen, dass von der IKK der erforderliche Hinweis erteilt worden ist. Jedenfalls wäre der fehlende Hinweis der IKK auf die weitere Beratung durch die Beklagte dann nicht mehr für den Schaden kausal, wenn sich der Kläger tatsächlich an die Beklagte wendet und um weitere Beratung nachsucht.
Die IKK hat eingeräumt, den Kläger zur Antragspflichtversicherung als Selbständiger in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht beraten zu haben. Es kann im Ergebnis offen bleiben, ob sich die Beklagte diese Nichtberatung zurechnen lassen muss, da eine weitere Voraussetzung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs, die Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden, nicht mehr aufzuklären war. Der Beratungsfehler eines Dritten (hier: der IKK) soll nach der Rechtsprechung dem Rentenversicherungsträger dann zurechenbar sein, wenn sich beim Kontakt des Bürgers mit dem "Dritten" ein rentenversicherungsrechtlicher Beratungsbedarf zwingend ergibt (BSG, Urteil vom 26. April 2005, a. a. O., Rdnr. 30). Ein solcher zwingender Beratungsbedarf soll bestehen, wenn ein dringendes Interesse offensichtlich ist, eine Anwartschaft in der Rentenversicherung für eine Rente aufrechtzuerhalten (BSG, a. a. O). Hier ist schon fraglich, ob bei dem damals 52jährigen Kläger, der kurz zuvor selbständig geworden war, ein dringendes Interesse an der Aufrechterhaltung seiner möglichen Anwartschaft auf eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit bestand. Ob dieses Interesse für die IKK offensichtlich war, hätte sich nur aus einer Befragung des Mitarbeiters der IKK, die nicht durchgeführt werden konnte, ergeben können.
Ob die IKK von sich aus wegen einer arbeitsteiligen Aufgabenerfüllung mit der Beklagten auch ohne Vorliegen eines zwingenden Beratungsbedarfs bei dem ihr bekannten Wechsel des Klägers von einer abhängigen Beschäftigung in eine selbständige Tätigkeit auf die Möglichkeiten der weiteren Absicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung hinzuweisen hat (ausdrücklich offen gelassen von BSG, Urteil vom 26. April 2005, a. a. O., Rdnr. 31), kann ebenfalls unentschieden bleiben, weil sich die nötigen Feststellungen für die Kausalität zwischen der möglichen Pflichtverletzung nicht mehr durchführen ließen.
Dass die Beklagte den Kläger falsch beraten hat, ließ sich ebenfalls nicht mehr feststellen. Bereits die eigenen Angaben des Klägers sind widersprüchlich. Nachdem er zunächst vorgetragen hatte, bei einer persönlichen Vorsprache bei der Beklagten den Antrag auf die freiwillige Versicherung unterschrieben und abgegeben zu haben, schilderte er in dem Verfahren vor dem Landessozialgericht, die Räume der Beklagten aus Zeitmangel ohne eine persönliche Vorsprache verlassen zu haben. Dann kann ihn aber die Beklagte nicht falsch beraten haben.
Die Kausalität muss beim Herstellungsanspruch nach der im Sozialrecht herrschenden Kausaltheorie der wesentlichen Bedingung unter Abwägung der vom Sozialleistungsträger und dem Versicherten selbst gesetzten Ursachen geprüft werden (BSG, Urteil vom 26. April 2005, a. a. O., Rdnr. 32). Welcher Beteiligte welche Ursache gesetzt hat, ließ sich ebenfalls nicht mehr ermitteln. Fest steht nach dem letzten Vortrag des Klägers nur, dass er die Möglichkeit einer persönlichen Vorsprache bei der Beklagten nicht genutzt hat. Damit hat er eine Ursache gesetzt, die als wesentlich anzusehen ist und in die Abwägung mit einzubeziehen wäre. Sofern er einen anberaumten Beratungstermin nicht wahrgenommen hat, unterbricht er den Kausalverlauf zwischen der möglicherweise der Beklagten zuzurechnenden Pflichtverletzung der IKK und dem Schaden, wegen der Falschberatung die erforderlichen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für den Bezug der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit nicht zu erfüllen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG bestehen nicht.
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