L 6 U 31/09

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 3 U 30/07
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 31/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 74/11 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge und das Vorverfahren zu einem Drittel zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Anerkennung einer SLAP-Läsion der rechten Schulter als Folge des anerkannten Arbeitsunfalls vom ... 2004.

Der 1964 geborene Kläger suchte am 5. Juli 2004 mit anhaltenden Schmerzen in der rechten Schulter die Durchgangs- und Fachärztin für Chirurgie Dr. Z. auf. Diese nahm in den Durchgangsarztbericht vom 5. Juli 2004 auf, der Kläger habe am 24. März 2004 beim Heben einer Waschtischwand (ca. 150 kg) ein Rucken und Knacken in der rechten Schulter verspürt. Er habe nach dem Vorfall weiter gearbeitet. Es bestehe in der rechten Schulter ein Belastungsschmerz bei deutlichen Reibegeräuschen. Beim Anheben des Armes über 90 Grad nähmen die Schmerzen zu. Die Röntgenbilder der rechten Schulter zeigten einen Kopfhochstand ohne Sehnenverkalkung. Sie diagnostizierte ein Impingementsyndrom der rechten Schulter.

Aufgrund anhaltender Beschwerden fertigte die Chefärztin der Radiologischen Klinik des St. Salvator-Krankenhauses H. Dr. R. am 13. Juli 2004 ein Magnetresonanztomogramm (MRT) des rechten Schultergelenks. In dem Befundbericht führte sie aus, es bestünden Zeichen eines Impingements bei relativ geringer Distanz zwischen Humeruskopf und Acromionunterfläche. Es lägen einzelne Einrisse in der Supraspinatussehne und im Bereich der vorderen Kapsel bei einem geringen Begleiterguss in der Bursa subdeltoidea vor. In der Subscapularissehne seien geringe degenerative Veränderungen erkennbar. Es bestehe eine Schultereckgelenkarthrose mit sehr deutlicher Aktivierung.

In der von der Rechtsvorgängerin der Beklagten (einheitlich Beklagte genannt) veranlassten Stellungnahme vom 23. August 2004 hielt es der Facharzt für Chirurgie Dr. P. nicht für hinreichend wahrscheinlich, dass die nach vier Monaten festgestellte Läsion der Supraspinatussehne auf das Ereignis vom 24. März 2004 zurück zu führen sei, weil eine unfallnahe akute Verletzung mit Symptomen nicht belegt sei. Vielmehr spreche der Krankheitsverlauf für eine degenerative Schädigung der Rotatorenmanschette. Der Unfall sei für die Verursachung von untergeordneter und zu vernachlässigender Bedeutung.

Eine am 21. September 2004 durchgeführte Arthroskopie des rechten Schultergelenks ergab nach dem Bericht des Chefarztes der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie des St. Salvator Krankenhauses Dr. B. vom 26. September 2004 eine SLAP-Läsion Typ II nach Snyder. Laut Operationsprotokoll vom 21. September 2004 fand Dr. B. die Subscapularissehne, die Bizepssehne im Verlauf und im Sulcuseintritt sowie die Außenrotatoren intakt vor. Die Bizepssehne zeige keine Auffaserung. Am SLAP-Bereich bestätige sich der Verdacht einer SLAP-Läsion Typ II nach Snyder. Bei der Tasthakenprüfung von ventral sei der Bizepssehnenanker abgelöst. Bei Abduktion und Außenrotation hebe er sich bogenförmig ab. In Neutralstellung des Gelenks hänge er regelrecht in den Gelenkspalt hinein. Es finde sich in der Bursa subacromialis eine Bursitis. Die Supraspinatussehne sei äußerst diskret aufgefasert ohne Defektbildung.

Unter dem 14. Oktober 2004 berichtete der Kläger, der Unfall habe sich im Militärliegewagen ereignet. Laut technologischer Vorgabe habe die Waschraumwand mit einer Größe von zwei mal zwei Meter zehn und einem Gewicht von ca. 100 kg im Fahrzeug gedreht werden müssen. Dabei sei es zur Kollision mit einem Seitenwandträger gekommen. Die Wand habe gedroht abzustürzen. Bei dem Versuch, diese aufzufangen, habe er einen plötzlichen Schmerz in der rechten Schulter verspürt. Dabei habe sich der gehobene Gegenstand bewegt und sei weggekippt. Er habe nach dem Unfall den Betriebssanitäter aufgesucht. Dieser hat in dem Sanitätsbuch unter dem 24. März vermerkt: "rechte Schulter - Schmerzen nach schwer Heben - Kühlspray. 10:30 Uhr".

Die Beklagte holte die Stellungnahme ihres Beratungsarztes Dr. Z. (Chefarzt der Klinik für Unfall- und Handchirurgie des Städtischen Klinikums D.) vom 5. August 2005 ein. Dieser führte aus, gegen einen ursächlichen Zusammenhang spreche der fehlende zeitliche Zusammenhang zwischen dem Ereignis und der Aufnahme der ärztlichen Behandlung. Vielmehr seien die Schadensanlagen für die Entstehung des Körperschadens wesentlich. Dem Unfallereignis sei allenfalls die Bedeutung eines Anlassgeschehens beizumessen.

Unter dem 28. März 2006 gab der damalige Arbeitgeber des Klägers (VIS GmbH) die Abmessung der Waschtischwand mit zwei Meter mal zwei Meter und einem Gewicht zwischen 80 und 100 kg an. Unter dem 18. April 2006 bestätigte der Arbeitskollege des Klägers Hampel den vom Kläger gegenüber der Beklagten geschilderten Unfallhergang. Bei dem Versuch, die fallende Waschraumwand aufzufangen, hätte sich der Kläger offensichtlich den rechten Arm verletzt. Er habe Erste Hilfe geleistet und den Kläger zum Betriebssanitäter begleitet.

Auf Veranlassung der Beklagten erstattete der Arzt für Chirurgie/Unfallchirurgie des Instituts für Medizinische Begutachtung Dr. S. das Gutachten vom 30. August 2006 nach Untersuchung des Klägers am 23. August 2006. Dr. S. führte aus, der Kläger leide an einer eingeschränkten Beweglichkeit des rechten Arms im Schultergelenk - vor allem bei der Armhebung nach vorn und zur Seite -, an einem deutlichen Bewegungsreiben im rechten Schultergelenk, an einer leichten rechtsseitigen Störung der Griffarten des Schultergürtels und an den in den bildgebenden Befunden ausgewiesenen Veränderungen im rechten Schultergelenk mit einem Verschleiß des Schultereckgelenks. Diese Gesundheitsstörungen erklärten sich nicht als Folgen einer äußeren Einwirkung. Die Ablösung der Verankerung der körpernahen Bizepssehne (sogenannte SLAP-Läsion) sei typisch für ein degeneratives Schadensbild. Mit dem Bewegungsreiben und der eingeschränkten Armbeweglichkeit hätten sich typische Befunde eines degenerativen Verschleißleidens gezeigt und ließen sich nicht auf Folgen eines mehrere Wochen zurückliegenden Ereignisses zurückführen. Eine isolierte SLAP-Läsion sei in der Regel nicht Folge einer Verletzung. Bei einem traumatischen knöchernen Ausriss der langen köpernahen Bizepssehne wäre unverzüglich ein dramatischer schmerzbedingter Funktionsausfall des rechten Arms zu erwarten gewesen, welcher den Kläger veranlasst hätte, unverzüglich die Arbeit einzustellen und ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Darüber hinaus sei der geschilderte Ereignishergang nicht geeignet, zu einer traumatischen Schädigung des Ursprungs der körpernahen langen Bizepssehne zu führen. Es habe sich um einen willentlich gesteuerten Vorgang gehandelt, bei dem das Element einer äußeren Einwirkung nicht erkennbar sei. Selbst wenn man unterstelle, der Schaden an der körpernahen langen Bizepssehne sei teilweise Folge einer äußeren Einwirkung, so ließe sich das Schadensbild nicht wesentlich teilursächlich auf das Ereignis vom 24. März 2004 zurückführen, da an diesem Tag bzw. im zeitnahen Verlauf weder einschlägige Befunde noch eine verletzungsbedingte Schonung des Armes gesichert worden seien. Degenerative Schäden blieben im Übrigen lange Zeit stumm und manifestierten sich ohne erkennbare äußere Einwirkung.

Mit Bescheid vom 5. Oktober 2006 lehnte die Beklagte die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus Anlass der Erkrankung des rechten Schultergelenks ab, weil der Abriss der Bizepssehne nicht durch das Ereignis vom 24. März 2004 verursacht worden sei. Hiergegen erhob der Kläger am 6. November 2006 Widerspruch und führte im Wesentlichen aus, die Beeinträchtigung der rechten Schulter sei Folge des Unfalls vom 24. März 2004. Er legte der Beklagten das ärztliche Gutachten von Dr. B. vom 7. Oktober 2005 vor. Darin führte Dr. B. aus, der Abriss des Bizepssehnenankers an der rechten Schulter sei durch das Ereignis vom 24. März 2004 verursacht worden. Der Riss der langen Bizepssehne sei in der Regel degenerativ bedingt. Degenerative Veränderungen, wie beispielsweise ein subacromiales Impingementsyndrom, hätten die Röntgenaufnahmen jedoch nicht gezeigt. Die Bizepssehne habe sich auch bei der Arthroskopie glatt und eben ohne degenerative Auffaserungen dargestellt. Bei dem Unfallmechanismus habe es sich um eine plötzliche erhebliche Gewalteinwirkung durch Auffangen eines Gewichts von 100 kg gehandelt und nicht um eine körpereigene Bewegung.

Unter dem 13. November 2006 nahm Dr. S. hierzu Stellung: Das MRT der rechten Schulter vom 13. Juli 2004 habe Engpasszeichen im Rotatorenmanschettengleitraum, degenerative Veränderungen an der Rotatorenmanschette und einen deutlich aktivierten Verschleiß des Schultereckgelenks gezeigt. Auf den Röntgenaufnahmen vom 23. August 2006 sehe man auf der Outletvideoaufnahme eine deutliche zapfenförmige knöcherne Ausziehung der Unterkante der knöchernen Schulterhöhe am Schultereckgelenk sowie flache Ausziehungen des körperfernen Schlüsselbeins. Im Operationsbericht vom 21. September 2004 sei ein deutliches Bewegungsreiben im Rotatorenmanschettengleitraum beschrieben. Außerdem habe man eine sogenannte Acromioplastik durchgeführt mit Abtragung knöcherner Randkantenausziehungen, d. h. einen Eingriff, welcher der Beseitigung degenerativer Veränderungen diene. Damit seien die wesentlichen Argumente von Dr. B. gegenstandslos. Ganz außer Acht gelassen werde auch die Tatsache, dass überhaupt keine Brückensymptomatik zwischen dem Ereignis und der erst sieben Monate später durchgeführten ersten ärztlichen Untersuchung und Behandlung der rechten Schulter vorgelegen habe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 1. Februar 2007 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch des Klägers unter Bezugnahme auf das Gutachten und die Stellungnahme von Dr. S. zurück. Der Unfall vom 24. März 2006 sei nur ein Anlassgeschehen für die vier Monate später festgestellte Zusammenhangstrennung der körpernahen Bizepssehne gewesen.

Mit der am 28. Februar 2007 vor dem Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt.

Mit Urteil vom 10. März 2009 hat das Sozialgericht Magdeburg die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es stehe nicht mit Wahrscheinlichkeit fest, dass das Auffangen der etwa 100 kg schweren sowie 2 mal 2,1 Meter großen Waschraumwand am 24. März 2004 die rechtlich wesentliche Ursache für die erst am 21. September 2004 gefundene und operierte Ablösung der Verankerung der körpernahen Bizepssehne gewesen sei. Dr. S. habe überzeugend dargelegt, dass das MRT, die Röntgenbilder und der Operationsbericht offensichtlich degenerative Veränderungen im Schultergelenk des Klägers zeigten.

Gegen das am 17. März 2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15. April 2009 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, das plötzliche Auffangen der ca. 100 kg schweren Waschraumwand sei sehr wohl ein plötzlich einwirkendes äußeres Ereignis mit einer außergewöhnlichen Kraftanstrengung und unwillentlichen Steuerung gewesen. Er habe sofort und auch nachfolgend erhebliche Schmerzen gehabt, der Arm sei kraftlos gewesen und es seien Lähmungserscheinungen aufgetreten. Aufgrund der Tätigkeit als Gruppenführer und mit Hilfe seiner Arbeitskollegen sei er in der Lage gewesen, den rechten Arm in der Folgezeit weitgehend zu schonen. So habe er u. a. Dienstpläne erstellt, an der Dienstberatung des Meisters teilgenommen und den Materialvorlauf sicher gestellt. Die eingeschränkte Armbeweglichkeit und das Bewegungsreiben seien Folgen der am 24. März 2004 erlittenen Läsion. Die SLAP-Läsion sei keine typisch degenerative Verletzung, sondern traumatisch bedingt. Zudem habe das MRT vom 13. Juli 2004 keine wesentlichen degenerativen Veränderungen gezeigt. Die aktivierte Schultergelenksarthrose spreche für eine unfallbedingte Verursachung der Läsion, ebenso die Ödembildung und die Begleitbursitis. Eine isolierte SLAP-Läsion liege damit nicht vor. Auch sei das Unfallereignis geeignet gewesen, die Läsion hervorzurufen. Schließlich fehle es an einer Schadensanlage, die so stark ausgeprägt gewesen sei, die SLAP-Läsion zu annähernd gleicher Zeit und in annähernd gleicher Schwere zu verursachen. Der vom Landessozialgericht beauftragte Sachverständige Dr. S. bestätige überzeugend und nachvollziehbar den Kausalzusammenhang.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 10. März 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 5. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Februar 2007 aufzuheben und eine SLAP-Läsion des rechten Schultergelenks Typ II nach Snyder als Folge des Arbeitsunfalls vom 24. März 2004 festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf ihre Ausführungen im Verwaltungsverfahren, die

Entscheidungsgründe:

des Urteils des Sozialgerichts Magdeburg und die im Berufungsverfahren vorgelegte Stellungnahme des Chirurgen/Unfallchirurgen Prof. Dr. T ...

Das Landessozialgericht hat den Arzt für Orthopädie Dr. S. mit der Erstattung des Gutachtens vom 14. Januar 2010 nach Untersuchung des Klägers am gleichen Tag beauftragt. Dieser hat ausgeführt, der Kläger habe berichtet, beim Nachfassen der Waschtischwand habe er eine Art Geräusch in der rechten Schulter wahrgenommen. Schmerzempfindungen habe er zunächst kaum verspürt, habe aber den Arm nicht mehr richtig in der Schulter anheben können. In der darauffolgenden Nacht habe er ausgeprägtere Schmerzen in der Schulter gehabt. Da die Beschwerden wechselnd ausgeprägt gewesen seien, habe er nicht den Eindruck gehabt, etwas Gravierendes sei mit der Schulter passiert. Er habe in den nächsten drei Monaten die ständig vorhandenen, mal mehr oder weniger ausgeprägten Schulterbeschwerden in Kauf genommen und so gut es gegangen sei seine berufliche Tätigkeit weiter ausgeübt. Er habe auch den Arm dann wieder einigermaßen in der Schulter bewegen können. Anfang Juli 2004 habe ihm beim Löffeln einer Suppe plötzlich die Kraft im Unterarm gefehlt, um den Suppenlöffel zu halten. Sein Unterarm sei einfach nach unten weggesackt. Dies sei mit vermehrten Schulterbeschwerden einhergegangen.

Dr. S. hat weiter ausgeführt, Vorerkrankungen am Haltungs- und Bewegungsapparat seien bei dem Kläger nicht zu finden. Die angegebenen sportlichen Aktivitäten seien kaum geeignet, vorauseilende Verschleißveränderungen an den Strukturen der Schulter herbeizuführen. Für den 24. März 2004 sei von einer altersüblichen Beschaffenheit der Gewebestrukturen auszugehen. Bei dem Transport der relativ schweren Waschtischwand habe eine erhebliche Belastung auf die Arme eingewirkt. Dabei habe es sich nicht nur um einen Hebe- und Tragevorgang, sondern infolge des Anstoßes der Wand an die Waggonwand um eine Unfalleinwirkung gehandelt. Die Hebe- und Tragebelastungen mit angewinkeltem Ellenbogengelenk – besonders in Supinationsstellung der Hände – pflegten allein schon zu einer erheblichen Zugbelastung des Bizepssehnenapparates zu führen. Beim Nachfassen hätten sich die Unterarme in nur leichter Anwinkelung (geschätzt zwischen 20 bis 40 Grad) befunden. Erfolge dann eine ruckhafte Zugbelastung über den supinierten Unterarm auf den Oberarm und damit das Schultergelenk, so entspreche dies dem klassischen Hergang für die Herbeiführung einer SLAP-Läsion Typ II nach Snyder. Typische degenerative Schadensbilder würden ausschließlich für eine SLAP-Läsion Typ I nach Snyder gelten. Aufgrund der klassischen Belastungsmechanik und der fehlenden Vorerkrankungen liege eine Unfallkausalität mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit vor. Insbesondere der bei der Arthroskopie erhobene Befund - intakte Bizepssehne im Verlauf bei Ablösung des Bizepssehnenankers - entspreche dem klassischen Befundbild einer unfallbedingten SLAP-Läsion Typ II nach Snyder und nicht einer der möglichen anatomischen Varianten und auch nicht einer degenerativ veränderten Bizepssehne. Schließlich spreche für eine unfallbedingte Verursachung des Abrisses der Bizepssehne auch das optimale Ergebnis der Ausheilung. Bei einer degenerativ bedingten Ablösung des Bizepssehnenankers vom oberen Rand der Schultergelenkpfanne würden in aller Regel keine derart guten Ausheilungsergebnisse erzielt werden. Derartige Ausrissverletzungen am Bizepssehnenanker würden sich erfahrungsgemäß eher in einer funktionellen Störung – auch nicht in sonderlich eindrucksvoller Art – als in einer Schmerzsymptomatik bemerkbar machen. Der Schmerz setze meistens erst dann ein, wenn die sekundären Einblutungen zu einer Anspannung der Schultergelenkkapsel geführt hätten, was mit den Angaben des Klägers, es sei in der Nacht zu stärken Schmerzen gekommen, gut übereinstimme. Es sei prinzipiell vorstellbar, dass der Kläger bei der Ablösung der Verankerung der körpernahen Bizepssehne lediglich ein Rucken und Knacken in der Schulter vernommen und seine versicherte Tätigkeit über einen Zeitraum von 206 Tagen ohne wesentliche Funktionsbeeinträchtigung fortgesetzt habe, weil der Ausriss des Bizepssehnenankers sich nur bei der Armhebung ab der Horizontalen aufwärts nachteilig bemerkbar mache, nicht jedoch bei Armbewegungen und –belastungen darunter.

In der von der Beklagten vorgelegten beratungsärztlichen Stellungnahme vom 13. März 2010 hat Prof. Dr. T. ausgeführt, eine Vorerkrankung der rechten Schulter sei nicht beweisbar. Das vom Kläger gegenüber Dr. S. geschilderte Ereignis könne grundsätzlich geeignet sein, eine Abrissverletzung des Ankers der langen Bizepssehne an der Schulterpfanne zu verursachen. Demgegenüber sei jedoch der im Durchgangsarztbericht dokumentierte alleinige Hebevorgang nicht geeignet gewesen, eine unfallbedingte Abrissverletzung hervorzurufen. Gegen den Zusammenhang spreche auch, dass der Kläger zunächst über drei Monate vollschichtig weitergearbeitet habe, bis er einen Arzt aufgesucht habe. In dem Operationsbericht sei neben der SLAP-Läsion II ein anlagebedingtes subacromiales Impingement dokumentiert. Es bestünden daher begründete Zweifel, dass es durch das Ereignis vom 24. März 2004 zu einer unfallbedingten SLAP-Läsion gekommen sei.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 20. Januar 2011 hat die Beklagte das Ereignis vom 24. März 2004 als Arbeitsunfall anerkannt. Der Kläger hat das Teilanerkenntnis angenommen.

Dem Gericht hat bei der Verhandlung und Entscheidungsfindung die Verwaltungsakte der Beklagten mit dem Aktenzeichen vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Beklagte ist infolge der zum 1. Januar 2011 erfolgten Fusion mehrerer Berufsgenossenschaften Rechtsnachfolgerin der Berufsgenossenschaft, die den streitigen Verwaltungsakt erlassen hat.

Die Beteiligten streiten in dem Berufungsverfahren noch darüber, ob die SLAP-Läsion des rechten Schultergelenks Typ II nach Snyder Folge des anerkannten Arbeitsunfalls vom 24. März 2004 ist. Die als kombiniertes Anfechtungs- und Feststellungsbegehren zulässige Klage ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Anerkennung der SLAP-Läsion als Folge des Arbeitsunfalls, weil die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit Folge des Arbeitsunfalls ist.

Für die Feststellung einer Verursachung eines Gesundheitsschadens durch den Versicherungsfall (vgl. § 26 Abs. 2 Nr. 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches - SGB VII - vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254), hier den anerkannten Arbeitsunfall (zu den Versicherungsfällen § 7 Abs. 1 SGB VII), gilt der Maßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden. Die bloße Möglichkeit einer Verursachung reicht nicht aus (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 42700 § 8 Nr. 17 m.w.N.). Diese Beweisvoraussetzungen sind hier nicht erfüllt; der Senat hegt ernste Zweifel an dem Zusammenhang.

Die SLAP-Läsion muss nicht durch das Unfallereignis vom 24. März 2004 entstanden sein. Durch eine über vierzehnwöchige Behandlungsfreiheit von Unfallfolgen fehlt es an jeglichem Nachweis andauernder Verletzungsfolgen, die mittelbar den Schluss begründen könnten, der am 21. September 2004 erhobene Befund einer SLAP-Läsion hätte schon unmittelbar nach dem Unfall bestanden.

Auch spricht der Anlass, die Durchgangsärztin am 5. Juli 2004 aufzusuchen, gegen eine Verursachung der Anfang Juli 2004 aufgetretenen Beschwerden durch den Arbeitsunfall. Gegenüber dem Sachverständigen Dr. S. hat der Kläger angegeben, Anfang Juli 2004 beim Löffeln einer Suppe plötzlich keine Kraft mehr im Unterarm gehabt und vermehrt Beschwerden in der Schulter verspürt zu haben. Dabei hatten sich die aus dem Arbeitsunfall herrührenden Beschwerden nach der eigenen Darstellung des Klägers bereits in den ersten Wochen nach dem Arbeitsunfall gebessert; der Kläger hatte den Arm wieder "einigermaßen" in der Schulter bewegen können. Es ist daher nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die plötzliche Verschlechterung des fast beschwerdefreien Zustands Anfang Juli 2004 ursächlich auf den Arbeitsunfall zurückzuführen ist.

Ferner spricht auch das Verhalten des Klägers nach dem Unfall gegen einen Ursachenzusammenhang. Denn der Kläger hat am Unfalltag lediglich den Betriebssanitäter aufgesucht und in der Folgezeit nach dem Arbeitsunfall seine beruflichen Tätigkeiten ohne Unterbrechung weiter ausgeübt. Dass sich der Kläger bei dem Arbeitsunfall eine schwerwiegendere Verletzung zugezogen hat, ist aufgrund der an diesem Tag allein festgehaltenen Schmerzen nicht ersichtlich. Der Kläger ist selbst davon ausgegangen, dass er sich bei dem Arbeitsunfall nicht "gravierend" verletzt hatte.

Dem steht nicht entgegen, dass der Sachverständige Dr. S. das Unfallereignis für geeignet gehalten hat, die SLAP-Läsion an der rechten Schulter hervorzurufen. Auch lassen die Befunde, die nach Ansicht von Dr. S. für eine unfallbedingte Verletzung des Bizepssehnenankers sprechen (der Typ der SLAP-Läsion und das optimale Ausheilungsergebnis), nicht auf eine unfallbedingte Verletzung am 24. März 2004 schließen. Denn weder aus der Art der Verletzung noch aus den ärztlichen Befunden kann auf den genauen Unfalltag geschlossen werden. In diesem Sinne hat es Dr. S. nicht nur für möglich, sondern auch wahrscheinlich gehalten, dass sich der Kläger die SLAP-Läsion nach dem Unfalltag zugezogen hat. Aufgrund des langen Zeitraums zwischen dem Arbeitsunfall und der ersten ärztlichen Behandlung hatte der Kläger ausreichend Gelegenheit, sich diese Verletzung anderweitig zuzuziehen. In diesem Zusammenhang lässt sich auch aus dem vom Durchgangsarzt berichteten Rucken und Knacken, welches der Kläger in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der schädigenden Verrichtung in der rechten Schulter bemerkt haben will, kein Ursachenzusammenhang herleiten. Denn Dr. R. hat bei dem Kläger auf dem MRT vom 13. Juli 2004 eine deutliche aktivierte Schultereckgelenksarthrose rechts erkannt, die als Ursache für ein Rucken und Knacken in der rechten Schulter in Betracht kommt. Ein deutliches Bewegungsreiben hat noch Dr. S. bei der Untersuchung am 23. August 2006 im rechten Schultergelenk festgestellt, welches nach erfolgter Operation des Biszepssehnenankers nicht auf die SLAP-Läsion zurückgeführt werden kann. Hierdurch lassen sich auch die Schmerzen des Klägers unmittelbar nach dem Arbeitsunfall erklären.

Entgegen der Ausführungen von Dr. S. sind keine Brückensymptome, die für eine SLAP-Läsion als Folge des Arbeitsunfalls sprechen, ersichtlich. Um welche Symptome es sich dabei handelt, hat Dr. S. nicht näher dargelegt. So sind ärztliche Befunde bis zum 5. Juli 2004 keine erhoben. Den Betriebssanitäter hat der Kläger nur einmal am Unfalltag aufgesucht. Die Schilderung des Geschehensverlaufs nach dem Unfalltag bis zur ersten ärztlichen Untersuchung am 5. Juli 2004 beruht allein auf den Angaben des Klägers.

Nach alledem ist es nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die SLAP-Läsion Unfallfolge ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Da der Kläger nur zu einem geringen Teil hinsichtlich der Anerkennung des Arbeitsunfalls obsiegt hat, hat ihm die Beklagte lediglich ein Drittel der notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe nach § 160 Abs. 2 SGG, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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