S 10 R 101/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 10 R 101/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 04.02.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.06.2009 verurteilt, dem Kläger ab dem 01.02.2009 eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Tatbestand:

Im Streit ist die Gewährung einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit und insbesondere die Frage, ob der Zeitraum vom 01.07.1997 bis zum 09.08.1998 zwischen der letzten versicherungspflichtigen Tätigkeit des Klägers und seiner Meldung beim Arbeitsamt als Arbeitssuchender eine Überbrückungszeit darstellt.

Der am 29.01.19xx geborene Kläger absolvierte von April 1964 bis März 1997 eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann und war anschließend mit Ausnahme einer 2-jährigen Fachschulausbildung (Februar 1975 bis Januar 1977) und einer anschließenden zweimonatigen Arbeitslosigkeit (Februar und März 1977) durchgehend bis Juni 1997 versicherungspflichtig tätig. Zuletzt war er bis zum 30.06.1997 als Verkaufsleiter bei der Firma Q. in F. versicherungspflichtig beschäftigt. Das Beschäftigungsverhältnis wurde durch eine Kündigung seitens des Arbeitgebers beendet. Der Kläger suchte damals das Arbeitsamt Fürth auf und ließ sich beraten, ob es für ihn mit Rechtsnachteilen verbunden sei, wenn er einen Antrag auf Arbeitslosengeld nicht sofort stellen würde. Hintergrund des Beratungsersuchens war der Umstand, dass der Kläger zunächst keine Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung wollte. Der Kläger erhielt nach seiner Erinnerung die Auskunft, dass die Ansprüche aus der Arbeitslosenversicherung für einen Zeitraum von zwei Jahren nicht verlorengehen würden, so dass er zunächst keinen Antrag auf Arbeitslosengeld stellte.

Der Kläger lebte in dem Zeitraum von Juli 1997 bis August 1998 von seinen finanziellen Reserven, die er in den Jahren zuvor aufgrund seiner gehobenen beruflichen Position gebildet hatte und von Einkünften der Ehefrau. Das in der Nähe des Beschäftigungsortes F. gemietete Haus gab er wegen der damit verbundenen hohen Mietkosten auf und zog Ende Juni 1997 gemeinsam mit seiner Ehefrau in seine Eigentumswohnung nach E. um. Nachdem der Kläger bis August 1998 keine neue Arbeitsstelle gefunden hatte, beantragte er am 10.08.1998 beim Arbeitsamt E. die Gewährung von Arbeitslosengeld. In der Zeit vom 10.08.1998 bis Oktober 2000 bezog der Kläger Arbeitslosengeld und unmittelbar anschließend bis zum 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe. Wegen einer Ende 2004 angefallenen Erbschaft seiner Ehefrau erhielt der Kläger ab dem 01.01.2005 keine Leistungen nach dem SGB II. Da sich der Kläger alle drei Monate bei der Arbeitsagentur arbeitslos meldete, sind im Versicherungskonto der Beklagten ab dem 01.01.2005 Zeiten der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug gespeichert. In der Zeit ab dem 06.02.2007 war der Kläger unter den erleichterten Voraussetzungen des § 428 Abs 1 SGB III arbeitslos gemeldet.

Am 02.11.2004 suchte der Kläger die Auskunfts- und Beratungsstelle der Beklagten in E. wegen eines Beratungsgespräches auf, das mit der Beraterin Frau K. geführt wurde. Gegenstand des Beratungsgespräches war der Anspruch auf Altersrente wegen Arbeitslosigkeit. Der Kläger teilte im Rahmen des Gespräches mit, dass er ab Januar 2005 wegen einer Erbschaft keinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe mehr haben werde. Im Rahmen des Beratungsgespräches wurde über die im Versicherungskonto des Klägers bestehende Lücke vom 01.07.1997 bis zum 09.08.1998 gesprochen und seitens der Beraterin festgestellt, dass diese Lücke weniger als 24 Kalendermonate betrage. Der Kläger verstand die Ausführungen der Beraterin dahingehend, dass auch ohne weiteren Bezug von Leistungen der Arbeitsagentur ein Anspruch auf Altersrente wegen Arbeitslosigkeit mit Vollendung des 60. Lebensjahres bestehen würde.

Die Beraterin Frau K. führte in einer schriftlichen Stellungnahme zu einer späteren Beschwerde des Klägers aus, sie sei im Anschluss an die Beratung der Meinung gewesen, dass sie die Anrechnungsfähigkeit evtl. Zeiten der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug nicht deutlich und umfassend genug hervorgehoben habe, so dass sie dem Kläger einen Kurzbrief mit diversen Unterlagen übersandt habe, wobei sie die wichtigen Passagen angemarkert habe und handschriftlich vermerkt habe, dass der Altersrentenanspruch wegen Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug von Seiten der Arbeitsagentur unter Umständen nicht gegeben sei. Bei den Unterlagen handelte es sich um den Gesetzestext des § 58 SGB VI, den Auszug einer Kommentierung zu § 58 SGB VI und eine 30-seitige Broschüre über Mini-Job und Niedriglohn/Jobs. Der Kläger hat diese Unterlagen erhalten. Nach Angaben des Klägers war den Unterlagen kein Begleitschreiben beigefügt, so dass er sich die Unterlagen nicht näher angesehen und abgeheftet habe.

Im Rahmen eines am 22.01.2007 eingeleiteten Kontenklärungsverfahrens wurde vom Kläger ein Nachweis über die Arbeitslosigkeit für das Jahr 2005 angefordert. Am 13.02.2007 ergibt ein Bescheid der Beklagten, mit dem eine Vormerkung der Zeit vom 01.01.2005 bis zum 31.12.2005 als Anrechnungszeit abgelehnt wurde, weil eine versicherte Beschäftigung bzw. selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen worden sei.

Nach einer telefonischen Nachfrage bei der Auskunfts- und Beratungsstelle wurde der Kläger am 02.04.2007 bei der Auskunfts- und Beratungsstelle der Beklagten in E. vorstellig und fragte nach, ob die Voraussetzungen für eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit vorliegen würden, wie es ihm zuvor mehrfach von der Beklagten mündlich in Aussicht gestellt worden sei. Er bat um eine schriftliche Bestätigung, dass sein Rentenanspruch mit Vollendung des 60. Lebensjahres gegeben sei. Der Berater Herr B. verfasste ein Schreiben an die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin und veranlasste eine entsprechende Überprüfung durch die Hauptverwaltung. Am 03.04.2007 wurde dem Kläger im Rahmen einer weiteren, durch die Leiterin der Auskunfts- und Beratungsstelle in E. vermittelten Beratung durch Herrn L. mitgeteilt, dass die Voraussetzungen für eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit nicht vorliegen würden, weil der Kläger seit dem 01.01.2005 nicht mehr im Leistungsbezug stehen würde und die Zeiten der Arbeitslosigkeit nicht berücksichtigungsfähig seien. Es wäre erforderlich gewesen, dass der Kläger ab dem 01.01.2005 eine geringfügige Beschäftigung aufgenommen und auf die Versicherungsfreiheit verzichtet hätte. Mit Schreiben vom 27.04.2007 wurde dem Kläger auch von der Hauptverwaltung der Beklagten mitgeteilt, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab dem 01.02.2009 nicht vorliegen würden. In dem davorliegenden 10-Jahres-Zeitraum habe der Kläger statt der erforderlichen 96 Kalendermonate lediglich 71 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen belegt.

Am 01.06.2007 bat der Kläger um Übersendung eines Bescheides über die Arbeitslosigkeit vom 01.07.1997 bis zum 10.08.1998 und über einen Rentenanspruch aufgrund von Arbeitslosigkeit ab Vollendung des 60. Lebensjahres. Daraufhin erging am 17.07.2007 ein Bescheid der Beklagten, mit dem die Vormerkung der Zeit vom 01.07.1997 bis zum 10.08.1998 als Anrechnungszeit abgelehnt wurde, weil während dieser Zeit der Arbeitslosigkeit keine Meldung bei einer Deutschen Arbeitsagentur erfolgt sei. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 07.08.2007 Widerspruch und wies ua darauf hin, dass er in der Zeit vom 01.07.1997 bis zum 09.08.1998 ohne Arbeit gewesen sei und intensiv nach einer neuen Anstellung gesucht habe. Er sei sich sicher gewesen, sehr schnell wieder eine neue Anstellung zu finden und habe sich deshalb nicht sofort
arbeitslos gemeldet. Beim Arbeitsamt F. habe man ihm auf seine entsprechende Nachfrage mitgeteilt, dass keine Nachteile für ihn entstehen würden, wenn er sich nicht sofort arbeitslos melden würde.

Der am 29.10.2007 von der Beklagten erteilte Widerspruchsbescheid, der sich mit der Frage befasste, ob dem Kläger eine verbindliche Zusage für einen Anspruch auf Altersrente wegen Arbeitslosigkeit gemacht worden sei, wurde in einem anschließenden Verfahren vor dem Sozialgericht Duisburg (Az: S 34 R 364/07) von der Beklagten aufgehoben, weil dies nicht Gegenstand des mit dem Widerspruch angefochtenen Bescheides gewesen sei. Am 13.06.2008 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 17.07.2007 mit der Begründung zurück, die Zeit vom 01.07.1997 bis zum 10.08.1998 könne nicht als Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit vorgemerkt werden, da nach dem eigenen Vorbringen des Klägers eine Meldung bei einer Arbeitsagentur als Arbeitssuchender nicht erfolgt sei.

Der Kläger beantragte am 08.12.2008 bei der Beklagten die Gewährung einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab dem 01.02.2009. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 04.02.2009 die Gewährung einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit mit der Begründung ab, der Kläger habe in den letzten 10 Jahren vor Beginn der Rente keine 96 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen nachgewiesen. In dem maßgeblichen 10-Jahres-Zeitraum vom 10.01.1997 bis zum 31.01.2009 seien insgesamt nur 83 Monate mit Pflichtbeiträgen nachgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 11.02.2009 Widerspruch und trug zur Begründung vor, der Verlust seines Anspruches auf Altersrente wegen Arbeitslosigkeit sei nachweislich auf die falsche Beratung der Auskunfts- und Beratungsstelle der Beklagten in E. zurückzuführen. Im Rahmen des Beratungsgespräches bei der Beraterin Frau K. am 02.11.2004 sei intensiv über die Lücke im Versicherungsverlauf vom 01.07.1997 bis zum 09.08.1998 gesprochen und ihm mitgeteilt worden, dass diese Lücke keinen Einfluss auf seinen Rentenanspruch haben werde. Er habe die Beraterin darauf hingewiesen, dass er ab dem 01.01.2005 keine Leistungen vom Arbeitsamt mehr erhalten werde. Die Beraterin habe ihm die Auskunft erteilt, dass sich an seinem Anspruch auf Rente wegen 60 Jahren wegen Arbeitslosigkeit nichts ändern würde und er nur weiterhin arbeitslos ohne Leistungsbezug gemeldet sein müsse. Diese Auskunft sei falsch gewesen. Bei richtiger Beratung hätte er die Möglichkeit gehabt, eine geringfügige Beschäftigung aufzunehmen und auf die Versicherungsfreiheit zu verzichten.

Am 03.04.2009 erging ein weiterer Bescheid der Beklagten, mit dem ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch abgelehnt wurde. Zur Begründung wurde ausgeführt, mit dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch könnten nicht Gegebenheiten tatsächlicher Art, wie die Ausübung einer geringfügigen Beschäftigung und der Verzicht auf die Versicherungsfreiheit geschaffen werden. Das Vorhandensein von mindestens 96 Kalendermonaten Pflichtbeiträgen vor Beginn der Altersrente könne nicht nachträglich im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches begehrt werden. In dem Bescheid wurde ausgeführt, dass dieser Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden sei.

Der Kläger hat gegen diesen Bescheid vom 20.04.2009 Klage erhoben. Während des Klageverfahrens hat die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 12.06.2009 zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, in dem maßgeblichen 10-Jahres-Zeitraum vom 01.01.1997 bis zum 31.01.2009 seien nur insgesamt 83 Kalendermonate Pflichtbeiträge nachgewiesen, so dass die in § 237 Abs 1 Nr 4 SGB VI geforderten Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Der geltend gemachte Anspruch auf Altersrente könne auch nicht über einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch aufgrund einer fehlerhaften Beratung anerkannt werden, weil eine unvollständige oder fehlerhafte Beratung nicht nachgewiesen sei. Dem Akteninhalt sei nicht zu entnehmen, dass dem Kläger während der Beratungen am 02.11.2004, 22.01.2007 und 02.04.2007 durch die Mitarbeiter der Auskunfts- und Beratungsstelle in E. eine vorbehaltlose Zusage hinsichtlich einer Bewilligung einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab dem 01.02.2009 gemacht worden sei.

Der Kläger ist der Auffassung, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit lägen vor. Der Zeitraum vom 01.07.1997 bis zum 09.08.1998 sei als Überbrückungszeit zwischen der Beendigung seiner versicherungspflichtigen Beschäftigung und seiner Arbeitslosmeldung beim Arbeitsamt E. zu berücksichtigen, da er arbeitslos gewesen sei und sich aktiv und intensiv um eine neue Arbeitsstelle gekümmert habe. Er habe die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz mit höchster Intensität betrieben, da ihm bewusst gewesen sei, dass die Suche nach einer Arbeitsstelle mit jedem weiteren Tag der Arbeitslosigkeit schwerer werden würde. Seine hohe Motivation, alles zu tun, um eine neue Arbeitsstelle zu finden, ergebe sich auch daraus, dass er bereit gewesen sei, von seinen eigenen Ersparnissen zu leben und keine staatlichen Unterstützungsleistungen in Anspruch zu nehmen. Zudem ergebe sich aus seinem beruflichen Werdegang, wie wichtig im die Ausübung einer Erwerbstätigkeit immer gewesen sei. Unter Berücksichtigung der Überbrückungszeit sei die Arbeitslosigkeitszeit nach dem Bezug des Arbeitslosengeldes bzw. der Arbeitslosenhilfe vom 01.01.2005 bis zum 29.01.2009 als Anrechnungszeit zu berücksichtigen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 04.02.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.06.2009 zu verurteilen, ihm ab dem 01.02.2009 eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, der Zeitraum vom 01.07.1997 bis zum 09.08.1998 könne nicht als Überbrückungstatbestand im Sinne des § 58 Abs 2 SGB VI anerkannt werden. Es fehle an einem ausreichenden Nachweis der subjektiven Arbeitslosigkeit und der erforderlichen Eigenbemühungen des Klägers zur Beendigung der Beschäftigungslosigkeit. An den Nachweis seien im Hinblick auf die Dauer des Überbrückungstatbestandes strenge Anforderungen zu stellen. Insoweit sei es erforderlich, dass über die Eigenbemühungen des Klägers entsprechende Unterlagen, vor allem Bewerbungsschreiben und die entsprechenden Antwortschreiben vorgelegt würden. Zudem seien auch keine konkreten Daten und Termine der Bewerbungen mitgeteilt worden. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die rentenrechtliche Lücke vom 01.07.1997 bis zum 09.08.1998 eigentlich nicht ohne Verschulden des Klägers entstanden sei. Er hätte sich beim zuständigen Arbeitsamt regelmäßig arbeitslos melden und gleichzeitig auf die Beantragung von Leistungen verzichten können.

Das Gericht hat den Kläger im Erörterungstermin vom 30.10.2009 zu den Einzelheiten seiner Bemühungen, in der Zeit vom 01.07.19097 bis 09.08.1998 eine Arbeitsstelle zu finden, angehört. Darüber hinaus ist im Termin vom 27.11.2009 über die Arbeitslosigkeit des Klägers in diesem Zeitraum Beweis erhoben worden durch Vernehmung der Zeuginnen B. J. und E. H ... Wegen der Einzelheiten der Anhörung des Klägers und der Vernehmung der Zeuginnen wird auf die Sitzungsniederschriften vom 30.10.2009 und 27.11.2009 Bezug genommen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach-und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtswidrig im Sinne des § 54 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), da der Kläger einen Anspruch auf Gewährung einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit hat.

Nach § 237 Abs 1 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Altersrente wegen Arbeitslosigkeit, wenn sie

1. vor dem 01.01.1952 geboren sind
2. das 60. Lebensjahr vollendet haben
3. bei Beginn der Rente arbeitslos sind und nach Vollendung eines Lebensalters von 58 Jahren und 6 Monaten insgesamt 52 Wochen arbeitslos waren
4. in den letzten 10 Jahren vor Beginn der Rente 8 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben, wobei sich der Zeitraum von 10 Jahren um Anrechnungszeiten, Berücksichtigungszeiten und Zeiten des Bezuges einer Rente aus eigener Versicherung, die nicht auch Pflichtbeitragszeiten aufgrund einer versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit sind, verlängert, und
5. die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt haben.

Anspruch auf Altersrente wegen Arbeitslosigkeit haben auch Versicherte, die während der Arbeitslosigkeit von 52 Wochen (§ 237 Abs 1 Nr 3 SGB VI) nur deshalb der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung standen, weil sie nicht arbeitsbereit waren und nicht alle Möglichkeiten nutzten und nutzen wollten, um die Beschäftigungslosigkeit zu beenden (§ 237 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB VI).

Der vor dem 01.01.1952 geborene Kläger hat die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt, ist bei Vollendung des 60. Lebensjahres arbeitslos und nach Vollendung eines Lebensjahres von 58 Jahren und 6 Monate insgesamt 52 Wochen arbeitslos im Sinne des § 237 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB VI gewesen. Der Kläger erfüllt darüber hinaus die in § 237 Abs 1 Nr 4 SGB VI geregelte Voraussetzung, wonach er in den letzten 10 Jahren vor Beginn der Rente 8 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben muss. Der Zeitraum von 10 Jahren verlängert sich um Anrechnungszeiten, die nicht auch Pflichtbeitragszeiten aufgrund einer versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit sind. Der 10-Jahres-Zeitraum verlängert sich um die Zeit vom 01.01.2005 bis zum 31.01.2009, weil es sich insoweit um eine Anrechnungszeit der Arbeitslosigkeit nach § 58 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB VI handelt. Der Kläger war in dem Zeitraum als Arbeitssuchender wegen Arbeitslosigkeit bei einer deutschen Arbeitsagentur gemeldet und hat nur wegen zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens keine öffentlich-rechtliche Leistung bezogen. Der Umstand, dass der Kläger ab dem 06.02.2007 bis zum 31.01.2009 unter den erleichterten Voraussetzungen des § 428 Abs 1 SGB III arbeitslos gemeldet war, steht der Berücksichtigungsfähigkeit als Verlängerungstatbestand nach § 237 Abs 2 S 2 Nr 1 und Abs 2 S 1 Nr 1 SGB VI nicht entgegen.

Die Arbeitslosigkeitszeit vom 01.01.2005 bis zum 31.01.2009 stellt eine Anrechnungszeit dar, obwohl § 58 Abs 2 S 1 SGB VI voraussetzt, dass dadurch eine versicherte Beschäftigung unterbrochen wird. Der Anschluss an die bis zum 30.06.1997 zuletzt ausgeübte versicherte Beschäftigung wird durch Überbrückungszeiten gewahrt. Dabei handelt es sich nach der höchtrichterlichen Rechtsprechung um Zeiten, die die vorhandene Lücke zwischen dem Ende der versicherten Beschäftigung und dem Beginn einer Anrechnungszeit ausfüllt, wobei diese Zeiten selbst keine Anrechnungszeiten darstellen. Sie gewährleisten lediglich, dass der Zurechnungszusammenhang mit nachfolgenden Tatbeständen rentenrechtlicher Zeiten bestehen bleibt (BSG SozR 4-2600 § 58 Nr 3; Kasseler Kommentar -Gürtner § 58 Rn 75).

Der unmittelbar vor dem 01.01.2005 liegende Zeitraum vom 10.08.1998 bis zum 31.12.2004 ist eine Überbrückungszeit, da der Kläger während dieser Zeit regelmäßig beim Arbeitsamt bzw. bei einer Arbeitsagentur arbeitslos gemeldet war und öffentlich-rechtliche Leistungen bezogen hat, aufgrund derer Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt worden sind. Diese Zeit ist nur deshalb keine Anrechnungszeit der Arbeitslosigkeit, weil in § 58 Abs 1 S 3 SGB VI geregelt ist, dass Zeiten, in denen Versicherte nach Vollendung des 25. Lebensjahres wegen des Bezuges von Sozialleistungen versicherungspflichtig waren, keine Anrechnungszeiten sind. Der Umstand, dass alle sonstigen Voraussetzungen einer Anrechnungszeit der Arbeitslosigkeit vorliegen und gleichzeitig der Tatbestand einer Beitragszeit im Sinne des § 55 SGB VI erfüllt ist, begründet den Tatbestand einer Überbrückungszeit und lässt den Zurechnungszusammenhang mit der anschließenden Zeit der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug bestehen (vgl. Kasseler Kommentar-Gürtner § 58 Rn 77).

Auch der davorliegende Zeitraum vom 01.07.1997 bis zum 09.08.1998 stellt eine Überbrückungszeit dar, so dass der Anschluss an die zuletzt bis zum 30.06.1997 ausgeübte Beschäftigung gewahrt ist. Der zeitliche Zusammenhang zwischen der Pflichtbeitragszeit aufgrund versicherter Beschäftigung und der Anrechnungszeit wird auch durch ein lücken¬loses Aufeinanderfolgen mehrerer unterschiedlicher Überbrückungstatbestände hergestellt (vgl. BSG SozR 3-2600 § 58 Nr 16; Hauck-Klattenhoff § 58 SGB VI Rn 156). Die Zeit vom 01.07.1997 bis zum 09.08.1998 erfüllt den Überbrückungstatbestand der Arbeitslosigkeit ohne Arbeitslosmeldung beim Arbeitsamt. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung kommen als Überbrückungstatbestand insbesondere Zeiten in Betracht, die mit Anrechnungszeittatsachen im Sinne des § 58 SGB VI belegt sind, die aber deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil eine Tatbestandsvoraussetzung nicht erfüllt ist (vgl. zu den unterschiedlichen Fallgruppen: Verbandskommentar § 58 Anmerkung 11.3.4.1; KaKo-Gürtner § 58 Rn 77). Rechtfertigender Grund für die Anerkennung einer Überbrückungszeit ist im Wesentlichen, dass der Versicherte im jeweiligen Zeitraum noch dem Kreis der Arbeitssuchenden im Sinne des § 58 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB VI zuzuordnen und nach den Gesamtumständen noch dem eine Versicherungspflicht begründenden aktiven Erwerbsleben zuzurechnen ist (BSG SozR 4-2600 § 58 Nr. 9). Diese Voraussetzung ist insbesondere dann erfüllt, wenn eine nicht als Anrechnungszeit anrechenbare Arbeitslosigkeitszeit vorgelegen hat oder wenn der Versicherte versucht hat, die Arbeitslosigkeit durch einen Selbsthilfeversuch zu überbrücken (BSG SozR 2200 § 1259 Nr 72 mwN).

Unter Heranziehung dieser Grundsätze hat die höchstrichterliche Rechtsprechung die Überbrückung einer zeitlichen Lücke zwischen versicherungspflichtiger Beschäftigung und Anrechnungszeit der Arbeitslosigkeit anerkannt, wenn mit der Beendigung der Beschäftigung zwar bereits Arbeitslosigkeit eingetreten ist, die Meldung beim Arbeitsamt und der Leistungsbezug aber erst später erfolgt ist (BSGE 21, 21,23; BSG SozR 2200 § 1259 Nr 72). Dabei hat die höchstrichterliche Rechtsprechung anders als im Fall des Selbsthilfeversuches durch Ausübung einer selbständigen Tätigkeit keine zeitliche Obergrenze für die Dauer des Überbrückungstatbestandes der Arbeitslosigkeit ohne Arbeitslosmeldung festgelegt (so ausdrücklich: BSG SozR Nr 50 zu § 1259 RVO). Dementsprechend wurde eine Überbrückungszeit von 11 Monaten zwischen der versicherungspflichtigen Beschäftigung und der Meldung beim Arbeitsamt anerkannt (BSG SozR 2200 § 1259 Nr 72 mit 9 Monaten Bezug von Anpassungsgeld) und bei einem Zeitraum von 12 Monaten bzw. 23 Monaten die Anerkennung einer Überbrückungszeit grundsätzlich in Betracht gezogen (BSGE 29, 120, 123; BSG SozR 4-2600 § 58 Nr 3). Allerdings ist die Dauer einer fehlenden Arbeitslosmeldung beim Arbeitsamt für die Frage von Bedeutung, ob Arbeitslosigkeit vorgelegen hat bzw. als nachgewiesen angesehen werden kann. Arbeitslosigkeit im Sinne des § 58 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB VI liegt vor, wenn jemand vorübergehend unfreiwillig ohne Arbeit ist sowie arbeitswillig und arbeitsfähig ist. Der Versicherte muss somit objektiv in der Lage (objektiv verfügbar) und subjektiv ernstlich bereit (subjektiv verfügbar) gewesen sein, eine zumutbare Tätigkeit zum nächstmöglichen Termin aufzunehmen (KaKo Niesel § 58 Rn 21). Der Arbeitslosmeldung kommt die Bedeutung eines – nicht zwingenden – Indizes der subjektiven Verfügbarkeit zu. Das bedeutet, dass die Verfügbarkeit auch beim Fehlen der Arbeitslosmeldung vorliegen und durch andere Umstände dargetan werden kann (BSGE 21, 21, 22). Allerdings wird die Überzeugung, dass ein Versicherter auch ohne Meldung beim Arbeitsamt als Arbeitsloser angesehen werden kann, um so schwerer zu gewinnen sein, je größer die zu überbrückende Lücke zwischen dem Verlust der Arbeitsstelle und der später arbeitsamtlich anerkannten Arbeitslosigkeit ist (BSGE 29, 120, 123). Dagegen wird man für die erste Zeit nach dem unfreiwilligen Verlust einer Beschäftigung bei einem Versicherten, der beruflich als pflichtversicherter Arbeitnehmer tätig zu sein pflegt, regelmäßig davon ausgehen können, dass Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit vorgelegen haben. Die Frage, für wie lange man eine Fortdauer dieses Zustandes annehmen kann, ist nach den besonderen Einzelfallumständen zu beurteilen (BSGE 29, 120, 123).

Zur Überzeugung des Gerichts steht aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme unter Berücksichtigung der besonderen Einzelfallumstände fest, dass der Kläger in der Zeit vom 01.07.1997 bis zum 09.08.1998 objektiv in der Lage und subjektiv ernstlich bereit war, eine zumutbare Tätigkeit zum nächstmöglichen Termin aufzunehmen, obwohl er sich während dieser Zeit nicht beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet hat. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist insbesondere nachgewiesen, dass der Kläger fortdauernd vielfältige eigenständige Bemühungen unternommen hat, um eine neue Beschäftigung zu finden.

Der Kläger hat insoweit vorgetragen, er sei bei Beginn seiner Arbeitslosigkeit im Juli 1997 zu 100 % sicher gewesen, dass er sehr schnell wieder eine Arbeit finden würde. Er habe aus eigener Kraft sehr schnell wieder eine Arbeitsstelle finden wollen und sei davon überzeugt gewesen, dass ihm dies auch gelingen würde, da er herausragende Zeugnisse und gute Qualifikationen gehabt habe. Er habe sich in der Zeit von Juli 1997 bis August 1998 ständig um eine Arbeitsstelle bemüht. Dabei habe er mindestens 25 bis 30 Bewerbungsschreiben verfasst, insgesamt schätzt er die Zahl der schriftlichen Bewerbungen auf etwa 40 ein. Darüber hinaus habe er sich über seine damals noch bestehenden guten persönlichen Kontakte bei leitenden Führungskräften anderer Unternehmen bemüht, eine neue Arbeitsstelle zu finden. Er habe sehr viele telefonische Kontakte geknüpft und sehr viele Telefonate geführt und darüber versucht, eine Stelle zu bekommen. Dabei habe er zunächst versucht, in seiner Branche und in seiner bisherigen Tätigkeit als Betriebsleiter und als Bezirksverkaufsleiter im Außendienst eine neue Arbeitsstelle zu finden. Konkret habe er sich beispielsweise bei Kaufhauskonzernen wie Karstadt, Kaufhof, Horten, etc. beworben. Später habe er sich auch auf Stellen in Personalabteilungen und in der Personalsachbearbeitung beworben, da er über eine Qualifikation zum Betriebswirt -Schwerpunkt Personalwesen – verfüge. Im Rahmen dieser Bewerbungen sei er mit dem Einwand konfrontiert worden, dass er überqualifiziert sei. Insgesamt sei er in der Zeit von Juli 1997 bis August 1998 ausschließlich damit befasst gewesen, eine neue Stelle zu finden. Er habe in dieser Zeit nichts anderes gemacht, als sich vielfältig zu bemühen, wieder eine Erwerbstätigkeit zu bekommen.

Diese Angaben des Klägers werden bestätigt durch die Aussagen der Zeuginnen H. und J ... Die Zeugin H. hat bekundet, den Kläger habe der Verlust seiner Stelle sehr belastet, da die Arbeit einen sehr hohen Stellenwert in seinem Leben gehabt habe, was sich auch darin äußere, dass er im Rahmen seiner letzten Beschäftigung bei der Firma Quelle mindestens 12 bzw. 14 Stunden täglich gearbeitet habe. Der Kläger habe nach der Kündigung das Heft selbst in die Hand nehmen wollen und sich um eine neue Stelle kümmern wollen. Die Zeugin hat aus eigener Anschauung bestätigt, dass der Kläger sich regelmäßig mehrere Tageszeitungen gekauft hat, Stellenangebote herausgesucht und Bewerbungen geschrieben hat. Nach ihren Angaben gab es in der maßgeblichen Zeit kein anderes Gesprächsthema als das, dass der Kläger einen neuen Job bekommen müsste. Die Zeugin hat glaubhaft dargelegt, dass die vielen Absagen für den Kläger sehr belastend gewesen seien und dass ihre Ehe zu der damaligen Zeit sehr darunter gelitten habe. Der Umstand, dass die Zeugin sich an Einzelheiten der Bewerbungen, insbesondere an konkrete Firmen nicht mehr erinnern konnte, erhöht ihre Glaubwürdigkeit, da dies bei einem zeitlichen Abstand von 12 Jahren der Regelfall sein dürfte. Die Zeugin konnte sich insoweit lediglich erinnern, dass sich der Kläger für Tätigkeiten im kaufmännischen Bereich, aber auch auf Sachbearbeiterstellen beworben hat. Der Umstand, dass sie von zwei bis drei geschriebenen Bewerbungen pro Woche ausgegangen ist, spricht nicht gegen die Glaubhaftigkeit ihrer Aussage. Die Zeugin hat in diesem Zusammenhang selbst eingeräumt, dass sie sich an Einzelheiten der Bewerbungen nicht mehr erinnern könne. Vor diesem Hintergrund ist die Angabe, der Kläger habe "bestimmt" zwei bis drei Bewerbungen pro Woche geschrieben, als eine von ihr vorgenommene Schätzung anzusehen, die zum Ausdruck bringt, dass die Bewerbungen und die Absagen das beherrschende Thema während dieser Zeit gewesen sind.

Die Zeugin J. hat ebenfalls bekundet, dass das einzige Bestreben des Klägers in der Zeit von Juni 1997 bis August 1998 gewesen sei, so schnell wie möglich wieder eine neue Arbeit zu finden. Die Zeugin J. hat hervorgehoben, dies sei vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Arbeit für den Kläger immer einen sehr hohen Stellenwert gehabt habe, dass er sehr mit seiner Arbeit verbunden gewesen sei und sich ein Leben ohne Arbeit überhaupt nicht habe vorstellen können. Dementsprechend sei der Kläger von der Kündigung sehr betroffen gewesen und habe anschließend nur das eine Ziel verfolgt, nämlich so schnell wie möglich eine neue Arbeit zu finden. Er habe dieses Ziel aus eigener Kraft schaffen wollen und dies zielstrebig verfolgt. Die Zeugin hat aus eigener Anschauung keine konkreten Angaben zu einzelnen Bewerbungen machen können, weil sie bei der Abfassung bzw. Versendung von Bewerbungsschreiben nicht zugegen war. Sie hat jedoch
anschaulich beschrieben, dass der Kläger sie häufig aufgesucht habe, wenn er wieder eine Absage auf eine Bewerbung bekommen habe. Der Kläger sei dann völlig fertig gewesen. Die Zeugin ist trotz der verwandtschaftlichen Nähe zu dem Kläger glaubwürdig, da sie ihre Angaben darauf beschränkt hat, was sie aus eigener Anschauung und aus eigenem Erleben erinnern konnte. Sie hat ihre Angaben sehr zurückhaltend und in dem erkennbaren Bemühen gemacht, nur das zu sagen, woran sie sich wirklich erinnern konnte. Dementsprechend hat sie keine Angaben zu einzelnen Bewerbungsschreiben des Klägers gemacht, weil sie diese Bewerbungsschreiben nicht gesehen hat. Sie konnte sich auch nicht an einzelne Firmen erinnern, von denen der Kläger eine Absage erhalten hat. Eine diesbezügliche Erinnerung nach 12 Jahren wäre eher ungewöhnlich und würde gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugin sprechen. Die Zeugin hat bestätigt, dass der Kläger in der Zeit von Juni 1997 bis August 1998 ständig mit Bewerbungen befasst war und mit nichts anderem beschäftigt war. In diesem Zusammenhang ist ihre Angabe zu sehen, dass dies sicher mehr als eine Bewerbung pro Woche gewesen sei. Auch das hat den Charakter einer Schätzung, da die Zeugin den Kläger in diesem Zeitraum so erlebt hat, dass er außer Bewerbungen nichts anderes gemacht hat. Bezieht man die vielfältigen telefonischen Bewerbungsbemühungen des Klägers mit ein, ergibt sich insoweit keine Abweichung zu den Angaben des Klägers.

Die fehlende Arbeitslosmeldung des Klägers in der Zeit von Juli 1997 bis August 1998 indiziert nicht eine fehlende Verfügbarkeit des Klägers und insbesondere nicht eine fehlende Bereitschaft des Klägers, sich intensiv um eine neue Arbeitsstelle zu bemühen und jede zumutbare Tätigkeit anzunehmen. Grund für die fehlende Arbeitslosmeldung und die fehlende Inanspruchnahme von Leistungen des Arbeitsamtes war allein der Umstand, dass sich der Kläger dafür schämte, arbeitslos geworden zu sein und Leistungen in Anspruch nehmen zu müssen. Dies erscheint nachvollziehbar vor dem Hintergrund, dass die Berufstätigkeiten und der berufliche Erfolg für den Kläger in seinem Leben einen sehr hohen Stellenwert hatte und der Kläger zuvor mit Ausnahme einer Fachschulausbildung und einer anschließenden 2-monatigen Arbeitslosigkeit über einen Zeitraum von 33 Jahren ununterbrochen eine Arbeitsstelle inne hatte. Da der Kläger gleichzeitig aufgrund seiner bisherigen beruflichen Erfolge und seiner Qualifikation davon überzeugt war, er würde alsbald eine neue Arbeitsstelle finden, war er bereit, auf ihm zustehende Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung zu verzichten und finanziell von seinen Rücklagen zu leben. Insoweit hatte er sich zuvor beim Arbeitsamt beraten lassen und die zutreffende Information erhalten, dass er das ihm zustehende Arbeitslosengeld auch noch zu einem späteren Zeitpunkt beantragen und beziehen könne, falls er längere Zeit arbeitslos sein sollte.

Die Kammer hat keine Zweifel an der Richtigkeit der diesbezüglichen Angaben des Klägers. Es erscheint nachvollziehbar, dass der Kläger die Inanspruchnahme des Arbeitsamtes als noch größeren persönlichen Rückschlag erlebt hätte und es seinem damaligen Selbstbild entsprach, sich ohne fremde Hilfe und allein aus eigener Kraft aus der Misere herauszuziehen und eine neue Arbeitsstelle zu finden. Dies wird in vollem Umfang bestätigt durch die Aussagen der Zeuginnen H. und J ... Die Zeugin H. hat geschildert, der Kläger sei zunächst aufgrund der Kündigung sehr in sich gekehrt gewesen und habe dann so reagiert, dass er das Heft selbst in die Hand nehmen und sich selbst um eine neue Stelle kümmern wollte. Er habe sich geschämt, zum Arbeitsamt zu gehen und habe sich deshalb in eigener Regie die neue Stelle suchen wollen. Sie selbst sei trotz der damit verbundenen finanziellen Einbußen einverstanden gewesen, da sie das Gefühlsleben des Klägers gesehen und verstanden habe. Die Zeugin J. hat bestätigt, dass es für den Kläger sehr schwer gewesen sei, seine gute berufliche Position und das damit verbundene Umfeld verloren zu haben und dass es sein einziges Bestreben gewesen sei, aus eigener Kraft eine neue Arbeit zu finden. Für ihn sei es die allerletzte Konsequenz gewesen, zum Arbeitsamt zu gehen. Er habe immer die Hoffnung gehabt, es aus eigener Kraft zu schaffen, eine Arbeitsstelle zu finden. Als ihm dies nicht gelungen sei und er schließlich im August 1998 zum Arbeitsamt gegangen sei, sei das für ihn wie ein Gang nach Canossa gewesen, weil er genau das hätte vermeiden wollen mit all seinen Bewerbungsbemühungen und Aktivitäten. Die Aussagen der Zeuginnen H. und J. sind auch insoweit schlüssig und völlig widerspruchsfrei. Aufgrund der nahen verwandtschaftlichen Beziehung und des regelmäßigen Kontaktes der Zeuginnen zu dem Kläger erscheint es glaubhaft, dass der Kläger ihnen gegenüber seine Gemütslage und seine Motivation offenbart hat. Somit kann aus dem Umstand, dass sich der Kläger nicht regelmäßig beim Arbeitsamt gemeldet hat, nicht geschlossen werden, dass er nicht bereit gewesen sei, eine zumutbare Tätigkeit jederzeit aufzunehmen.

Dagegen gibt es objektive Indizien, die dafür sprechen, dass der Kläger auch ohne die Meldung beim Arbeitsamt ernstlich bereit gewesen ist, eine zumutbare Tätigkeit zum nächstmöglichen Termin aufzunehmen. Der objektive Umstand, dass der Kläger in dem Zeitraum von 1964 bis Juni 1997 mit Ausnahme einer 2-jährigen Fachschulausbildung mit anschließender 2-monatiger Arbeitslosigkeit ununterbrochen versicherungspflichtig beschäftigt war, spricht für eine hohe Motivation des Klägers, eine berufliche Tätigkeit auszuüben. Die Zeugin J. hat bis dahingehend beschrieben, dass der Kläger immer mit seiner Arbeit sehr verbunden gewesen sei und sich ein Leben ohne Arbeit nicht habe vorstellen können. Es sind keine Gründe dafür erkennbar, dass diese hohe Arbeitsmotivation nach der Kündigung durch die Firma Q. nicht mehr vorgelegen haben sollte und der Kläger nicht mehr ernstlich bereit gewesen sein sollte, weiterhin einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.

Es ist ferner zu berücksichtigen, dass der Kläger freiwillig zunächst auf ihm zustehende Leistungen des Arbeitsamtes verzichtete und von seinen finanziellen Reserven lebte. Damit hat er eine Lebenssituation geschaffen, die darauf ausgerichtet war, möglichst schnell seinen Lebensunterhalt wieder durch eine Erwerbstätigkeit zu finanzieren, da jeder weitere Monat ohne Ausübung einer Erwerbstätigkeit zum Verbrauch der finanziellen Rücklagen führte. Dies ist ein objektiver Umstand, der dafür spricht, dass der Kläger aus eigenen wirtschaftlichen Interessen alles in seiner Macht stehende getan hat, um eine neue Arbeitsstelle zu finden.

Schließlich ist die Motivation des Klägers zu würdigen, aus der heraus er eine Unterstützung des Arbeitsamtes abgelehnt hat. Wer aus Scham über den Verlust der Arbeitsstelle und den Makel der Arbeitslosigkeit keine Leistungen des Arbeitsamtes in Anspruch nehmen will, wird in jeder Hinsicht motiviert sein, diesen Zustand zu beenden und eine neue Erwerbstätigkeit zu finden. Auch dies spricht dafür, dass der Kläger in dem Zeitraum von Juli 1997 bis August 1998 ernstlich bereit war, eine zumutbare Tätigkeit zum nächstmöglichen Termin aufzunehmen und vielfältige Bemühungen unternommen hat, um dieses Ziel zu erreichen.

Unter Berücksichtigung und Würdigung der Zeugenaussagen, der objektiven Indizien und der besonderen Einzelfallumstände steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass sich der Kläger in dem Zeitraum von Juli 1997 bis August 1998 fortlaufend und ernsthaft um eine neue Arbeitsstelle bemüht hat. Dabei geht auch das Gericht davon aus, dass besondere Umstände vorliegen müssen, um bei einem Zeitraum von 13 Monaten zu der Überzeugung gelangen zu können, dass die ernstliche Bereitschaft, einen Arbeitsplatz zu finden, und eigenständige Bemühungen um eine neue Arbeitsstelle fortdauernd vorgelegen haben. In diesem Sinne sind strenge Anforderungen an den Beweis zu stellen. Diese besonderen Umstände sind vorliegend aufgrund der Berufsbiografie des Klägers, aufgrund des hohen Stellenwertes seiner Berufstätigkeit im Leben des Klägers, aufgrund des freiwilligen Verzichtes auf finanzielle Unterstützung durch das Arbeitsamt und aufgrund der vom Kläger empfundenen Scham über den Makel der Arbeitslosigkeit gegeben. Dabei hat das Gericht insbesondere auch die Persönlichkeitsstruktur des Klägers berücksichtigt, die durch hohe Gewissenhaftigkeit und ein hohes Sicherheitsstreben gekennzeichnet ist, was sich dahingehend äußert, dass er sich intensiv um seine Angelegenheiten kümmert. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger zu irgendeinem Zeitpunkt seine Bewerbungsbemühungen eingeschränkt oder sogar eingestellt hätte bzw. dass Lebensumstände vorgelegen haben, aufgrund derer die Arbeitssuche in den Hintergrund getreten sein könnten. Soweit die Beklagte auf den Umzug des Klägers hingewiesen hat, war dieser bereits Ende Juni 1997 durchgeführt worden und kann den Bewerbungsbemühungen des Klägers ab Juli 1997 nicht entgegengestanden haben. Zu dem Zeitpunkt, zu dem der Kläger erkannte, dass es ihm trotz seiner vielfältigen Bewerbungsbemühungen aus eigener Kraft nicht gelingen würde, eine neue Arbeitsstelle zu finden, meldete er sich beim Arbeitsamt arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger nicht bereit gewesen ist, sich um Beschäftigungen zu bemühen, deren Ausübung ihm unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten abverlangt werden konnten. Vielmehr hat der Kläger insoweit glaubhaft angegeben, er habe sich zunächst um eine Tätigkeit als Vertriebsleiter und Bezirksverkaufsleiter im Außendienst beworben, später aber auch um Sachbearbeiterstellen im Personalwesen. Damit hat er den Vorgaben der damals geltenden Zumutbarkeitsanordnung (Z-AO) vom 16.03.1982 entsprochen, nach der nach der ersten Zeit der Arbeitslosigkeit (4 bis 6 Monate) auch Beschäftigungen der nächstniedrigeren Qualifikationsstufe zumutbar waren (vgl. §§ 9, 12 Z-AO – abgedruckt bei Niesel Kommentar zum AFG 2. Auflage § 103 Rn 5). Auch hinsichtlich der notwendigen Mobilität bestehen keine Bedenken, da der Kläger angegeben hat, es sei für ihn kein Thema gewesen, eine Arbeitsstelle mit einer Fahrzeit von 1 bis 1 ½ Stunden pro Weg anzunehmen (vgl. § 3 Z-AO).

Soweit die Beklagte die Auffassung vertreten hat, wegen der besonderen Anforderungen an den Nachweis müssten entsprechende Unterlagen, insbesondere Bewerbungs- und Antwortschreiben vorgelegt werden, werden aus Sicht des Gerichtes die Beweisanforderungen überzogen. Eine Beschränkung auf bestimmte Beweismittel, insbesondere den Urkundenbeweis, kennt das Gesetz in diesem Zusammenhang nicht (vgl. für Arbeitslosmeldung beim Arbeitsamt: LSG Niedersachen-Bremen vom 30.10.2003, Az: L 1 RA 112/03). Es können auch keine gegen aktive Bewerbungsbemühungen des Klägers sprechende Schlüsse aus dem Umstand gezogen werden, dass entsprechende Unterlagen nach 12 Jahren nicht mehr vorgelegt werden können. Dementsprechend kann dem Kläger auch nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, er habe keine konkreten Bewerbungstermine oder Bewerbungsdaten genannt. Dies ist nach einem Zeitablauf von 12 Jahren kaum möglich, wenn man nicht auf schriftliche Unterlagen zurückgreifen kann. Im Übrigen haben sowohl der Kläger als auch die Zeuginnen angegeben, dass es nicht zu einem einzigen Vorstellungsgespräch gekommen sei, so dass auch insoweit mögliche Erinnerungsmerkmale entfallen. Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung die Auffassung vertreten hat, eine Gesamtzahl von etwa 40 Bewerbungsschreiben sei grundsätzlich nicht als ausreichend anzusehen, kann nach Ansicht des Gerichts darauf allein nicht abgestellt werden. Zu berücksichtigen ist vielmehr das Gesamtbild der Bemühungen des Klägers, eine neue Arbeitsstelle zu erlangen. Der Kläger hat nicht nur schriftliche Bewerbungen eingereicht, sondern er hat sich unter Nutzung seiner zahlreichen beruflichen Kontakte zu Führungskräften in anderen Unternehmen immer wieder bemüht, in eine neue Arbeitsstelle vermittelt zu werden. In diesem Zusammenhang hat er vor allem über viele telefonische Kontakte versucht, eine neue Stelle zu bekommen, was sicherlich aufgrund der persönlichen Kenntnis der Personen ein durchaus erfolgversprechender Weg gewesen ist. Betrachtet man das Gesamtbild der Bemühungen des Klägers, hat das Gericht die volle Überzeugung gewonnen, dass der Kläger alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten genutzt und sich fortdauernd intensiv bemüht hat, eine neue Beschäftigung zu finden.

Da der Zeitraum vom 01.07.1997 bis zum 09.08.1998 eine Überbrückungszeit der Arbeitslosigkeit ohne Arbeitslosmeldung und die Zeit vom 10.08.1998 bis zum 31.12.2004 eine Überbrückungszeit der Arbeitslosigkeit mit versicherungspflichtigem Leistungsbezug darstellen, unterbricht die anschließende Anrechnungszeit der Arbeitslosigkeit die bis zum

30.06.1997 ausgeübte versicherte Beschäftigung. Somit verlängert sich der 10-Jahres-Zeitraum um die Anrechnungszeit der Arbeitslosigkeit vom 01.01.2005 bis zum 31.01.2009, so dass sich ein berücksichtigungsfähiger Gesamtzeitraum vom 01.01.1995 bis zum 31.01.2009 ergibt. Darin sind 30 Kalendermonate Pflichtbeiträge aufgrund Beschäftigung (01.01.1995 bis 30.06.1997) und 77 Kalendermonate Pflichtbeiträge wegen des Bezuges von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe (10.08.1998 bis 31.12.2004), dh insgesamt 107 Kalendermonate enthalten. Die Pflichtbeiträge wegen Bezuges von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe sind im Rahmen des § 237 Abs 1 Nr 4 SGB VI berücksichtigungsfähig, weil § 55 Abs 2 SGB VI diese Pflichtbeiträge den Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung gleichstellt. Somit hat der Kläger in dem verlängerten 10-Jahres-Zeitraum 8 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung bzw. gleichgestellte Pflichtbeiträge zurückgelegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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