L 2 AS 355/11 B ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 17 AS 2836/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 AS 355/11 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Seite 1 des Beschlusses ist mit dem angehefteten
Berichtigungsbschluss vom 12. Januar 2012 berichtigt worden.

Halle, den 12. Januar 2012
gez. Mahnert, Justizangestellte

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) ab dem 1. Juni 2011 von dem Antragsgegner.

Der am 1960 geborene und geschiedene Antragsteller ist selbständig tätig und beantragte erstmals im Jahr 2001 Sozialhilfe, die er darlehensweise bis November 2002 von der Stadt H. (S. ) als zuständigem Träger für Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) erhielt. Später versagte die Stadt H. (S. ) die Sozialhilfe wegen fehlender Mitwirkung des Antragstellers bei der Aufklärung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse. Das VG Halle wies die Klagen des Antragstellers hiergegen ab (Az. 4 A 576/04 HAL, 4 A 524/03 HAL, 4 A 371/03 HAL).

Erstmals am 24. März 2005 beantragte der Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Seither sind zwischen dem Antragsteller und der ARGE SGB II Halle GmbH (ARGE), der Rechtsvorgängerin des Antragsgegners, viele Rechtsstreitigkeiten über die Leistungserbringung anhängig geworden. Im Zuge dessen fand zwischen den Beteiligten eine Mediation statt, in der sich die Beteiligten am 20. Januar 2010 auf einen Vergleich über strittige Ansprüche auf Leistungen für eine Mietkaution, Hilfe zum Lebensunterhalt im Jahr 2005 und Kosten der Heizung einigten. Sodann einigten sich die Beteiligten in Punkt 5 wie folgt: "Die Beklagte sagt dem Kläger zu, dass bei künftigen Antragstellungen eine formlose Antragstellung ausreicht. Der Kläger verpflichtet sich, unverzüglich sämtliche leistungsrelevanten Änderungen der Beklagten mitzuteilen sowie der Beklagten auf gesonderte Anforderung entsprechende Informationen zukommen zu lassen bzw. Unterlagen auf Anforderung einzureichen. Die Beklagte verpflichtet sich, bei Anforderung von Unterlagen den konkreten Sachverhalt, den es aufzuklären gilt, anzugeben."

Mit Bescheid vom 5. November 2009 bewilligte die ARGE dem Antragsteller Arbeitslosengeld II (Alg II) in Höhe von monatlich 554 Euro (Regelleistungsanteil 279 Euro, Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung 275 Euro) für den Zeitraum vom 1. Dezember 2009 bis 31. Mai 2010.

Mit Schreiben vom 17. April 2010 beantragte der Antragsteller bei der ARGE ohne Verwendung der amtlichen Formulare die Fortzahlung von Leistungen ab dem 1. Juni 2010 für die Dauer von zwölf Monaten "nach SGB II bzw. hilfsweise nach SGB XII". Er sei auf die Sozialleistungen angewiesen. In seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen sei keine Änderung eingetreten bzw. seien diese bereits mitgeteilt. Änderungen seien nicht zu erwarten.

In einer am 29. April 2010 bei der ARGE eingegangenen Erklärung des Antragstellers "zur Ausübung von Erwerbstätigkeiten" versicherte der Antragsteller, dass er seit 1990 selbständig tätig sei und zwischenzeitlich neben dieser Beschäftigung eine unselbständige geringfügige Beschäftigung ausübe. Sowohl aus der nichtselbständigen Tätigkeit bei der A. GmbH A. und M. (Geschäftsführer B. S. und G. F. , Sitz in P. straße in B. ) als auch aus der selbständigen Tätigkeit für die Fa. G. e.K. (eingetragener Inhaber Herr Dr. L. , Sitz in L. straße in H. (S. )) erziele er monatlich jeweils 100 Euro. Er werde regelmäßig an fünf Tagen in der Woche mehr als acht Stunden tätig. Eine weitere Erwerbstätigkeit sei ihm nicht möglich.

Mit Schreiben vom 17. Mai 2010 forderte die ARGE den Antragsteller auf, eine dem Schreiben beigefügte Erklärung "EKS" (Erklärung zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft) ausgefüllt einzureichen. Der Antragsteller habe mit seiner Erklärung vom 29. April 2010 ausgeführt, dass er neben einer abhängigen Beschäftigung auch eine selbständige Tätigkeit in einem Umfang von 40 Stunden wöchentlich ausübe. Sie benötige die Angaben zur Feststellung der Einkünfte aus der selbständigen Tätigkeit. Gleichzeitig belehrte die ARGE den Antragsteller, dass sie die Leistungen versagen könne, wenn der Antragsteller nicht bis zum 28. Mai 2010 reagiere oder die erforderlichen Unterlagen nicht einreiche. Dem Schreiben war der Gesetzestext der §§ 60, 66 und 67 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch – Allgemeiner Teil (SGB I) angefügt.

Mit Schreiben vom 19. Mai 2010 teilte der Antragsteller der ARGE mit, dass keine Veränderungen in seinen Verhältnissen eingetreten seien und dass er nicht erst am 29. April 2010 seine selbständige Tätigkeit dargelegt habe. Die ARGE solle sich bis zum 21. Mai 2010 äußern, wenn sie auch weiterhin die Bewilligung von der Einreichung der Unterlagen abhängig mache.

Am 29. Mai 2010 beantragte der Antragsteller bei dem Sozialgericht Halle (SG) vorläufigen Rechtsschutz mit dem Ziel, die ARGE zu verpflichten, ihm vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren. Zur Begründung hat der Antragsteller ausgeführt, dass seine persönlichen Verhältnisse und seine Einkommens- und Vermögenslage seit der letzten Bewilligung mit dem Bescheid der ARGE vom 5. November 2009 unverändert seien. Er erhalte als Bezüge monatlich 200 Euro netto ausgezahlt. Hierüber seien keine schriftlichen Verträge geschlossen worden. Einnahmen aus Vermietung, Verpachtung, Kapitaleinkünfte oder sonstigen Einkünfte beziehe er nicht. Er entrichte auch keine Steuern von seinen Einkünften. Vermögen besitze er nicht. Im Rahmen seiner früheren gewerblichen Tätigkeit habe er Grundstücke in H. , N. , D. und K. sowie zwei Eigentumswohnungen in L. erworben, deren Eigentümer er noch sei. Die ARGE habe die Grundstücke bereits bewertet und festgestellt, dass bedingt durch den baulichen Zustand und die eingetragenen Belastungen kein einsetzbares Vermögen vorliege. Nach Erstellung der Gutachten seien noch weitere Zwangshypotheken von Gläubigern eingetragen worden. Hierzu hat der Antragsteller verschiedene Unterlagen vorgelegt (z.B. Grundbuchauszüge, Schuldanerkenntnisse zugunsten eines Herrn Dr. D. L. aus H. und hierzu bewilligte Hypotheken, Vereinbarungen mit Herrn Dr. D. L. usw.). Herr Dr. L. habe im Jahr 2000 auf die Gewährung von Sicherheiten gedrängt, so dass er abstrakte Schuldanerkenntnisse abgegeben habe, die die ihm gewährten Privatdarlehen ersetzten (Aufstellung der Privatdarlehen Bl. 382 im beigezogenen Verfahren L 2 AS 151/11 B ER). Die Grundstücke seien bereits durch Besicherung zugunsten von Herrn Dr. L. über den Verkehrswert hinaus belastet. Er wohne zur Untermiete in der Wohnung des Herrn Dr. L. und habe eine Gesamtmiete von 275 Euro monatlich zu erbringen. Vergütungen für Strom, Telefon, TV-Anschluss und Warmwasseraufbereitung seien nicht in der Miete enthalten. Er lebe nicht in einer Lebensgemeinschaft oder eheähnlichen Gemeinschaft. Er verfüge nicht über Bankkonten und auch nicht über Ersparnisse. Für laufende Verbindlichkeiten gehe Herr Dr. L. in Vorleistung. Er habe daher verfügt, dass laufende Sozialleistungen auf dessen Konto zu zahlen seien. Seine Vergütung für die Tätigkeiten für die A. GmbH und die Fa. G. e.K. seien jeweils für eine Arbeitszeit von vier Stunden und einem Stundensatz von 25 Euro kalkuliert. Mehrarbeit sei zu vergüten. Zu solcher Mehrarbeit sei er aber außer Stande. Die Ansprüche aus der Vermietung der Eigentumswohnung Nr. 14 in L. (monatlich 360 Euro) habe er an Herrn Dr. L. abgetreten. Die Eigentumswohnung Nr. 33 in L. sei an Herrn Dr. L. vermietet, der sie habe weitervermieten wollen. Miete erhalte er aber nicht, weil diese erst fällig werde, wenn die Wohnung weitervermietet werde. Selbst wenn er eine Miete vereinnahmen würde, stünden den Einnahmen erhebliche Kosten gegenüber. Seine Forderungen gegen Dritte habe er auch Herrn Dr. L. abgetreten. Zwischen ihm und Herrn Dr. L. , den er seit den 1980er Jahren kenne, bestehe ein besonderes Vertrauensverhältnis.

In einer Erklärung von Dr. D. L. vom 19. April 2010 heißt es "Die fortlaufende Unterstützung beruht darauf, dass der Schuldner sich verpflichtet hat, Forderungen seiner Person gegenüber Dritten zu realisieren und bei erfolgreicher Forderungsumsetzung Zahlungen unmittelbar an meine Person zu bewirken sowie ein Insolvenzverfahren nicht einzuleiten. Unmittelbare Zahlungen durch den Schuldner erhalte ich nicht. Zahlungseingänge werden dadurch bewirkt, dass der Schuldner verfügt hat, für ihn bewilligte Sozialleistungen an meine Person zu überweisen. Weitere Zahlungseingänge werden durch Zahlungen Dritter im Rahmen von Forderungsrealisierungen und Abtretungen auf meine Forderungen gegen den Schuldner realisiert." In einer früheren Aktennotiz vom 10. Juli 2009 zwischen Dr. L. (Gläubiger) und dem Antragsteller (Schuldner) heißt es "Der Gläubiger vereinnahmt für den Schuldner nach SGB II beschiedene Leistungen (z. Z. i. H.v. 554,00 EUR) der Gläubiger erbringt für den Schuldner verschiedene Zahlungen. Es besteht insofern Einigkeit zwischen den Parteien, dass die beim Gläubiger eingehenden laufenden monatlichen Zahlungen zur Tilgung von Verbindlichkeiten des Schuldners zu verrechnen sind. Danach ergibt sich gegenwärtig folgende Aufteilung: Miete 275 EUR, Stromkosten 30,00 EUR, Telefonkosten 35,00 EUR, Bußgelder 100,00 EUR sonstige Gläubigerforderungen Restbetrag (204 EUR)".

Mit Bescheid vom 27. Januar 2011 versagte der Antragsgegner die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts an den Antragsteller ab dem 1. Juni 2010 wegen fehlender Mitwirkung. Gegen den Bescheid vom 27. Januar 2011 erhob der Antragsteller am 4. Februar 2011 Widerspruch, den der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 1. März 2011 zurückwies, wogegen der Kläger Klage vor dem SG erhob ...

Am 6. Januar 2011 hat der Antragsteller den Antragsgegner um die Auszahlung gegebenenfalls offener Leistungen nach den Bewilligungen seit dem Januar 2005 gebeten und mitgeteilt, dass seine Bedürftigkeit noch immer andauere. Unter dem 18. Januar 2011 hat der Antragsgegner mitgeteilt, dass ohne vollständige Unterlagen nicht festgestellt werden könne, ob und inwieweit ein Anspruch besteht und hat den Antragsteller aufgefordert, bis zum 4. Februar 2011 Angaben zu den voraussichtlichen Betriebseinnahmen und –ausgaben zu machen. Das Schreiben enthielt eine Belehrung, dass bei nicht genügender Mitwirkung die Leistungen versagt werden können. Auf das Schreiben vom 18. Januar 2011 hat der Antragsteller geäußert, dass die erklärten Einnahmen aus geringfügiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit die zufließenden Einnahmen darstellen und diesen Einkünften keine Ausgaben entgegenzusetzen seien. Für die Verwendung von bestimmten Formularen habe der Antragsgegner die Rechtsgrundlage zu nennen. Der Antragsteller übersandte auf Anforderung des Antragsgegners eine Gewerbeanmeldung bei der Stadt H. (S. ) vom 25. Juni 1999 ab dem 1. Januar 1999 für einen "sonstigen Betrieb" zur "Durchführung erlaubnisfreier Dienstleistungen wie Dokumentationen, Recherchen, Botendienste, Verwaltungs- und Vertretungstätigkeit". Mit Bescheid vom 15. Februar 2011 versagte der Antragsgegner auch die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab dem 6. Januar 2011. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Antragstellers hat der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 1. März 2011 zurückgewiesen, wogegen der Antragsteller Klage beim SG erhob.

Das einstweilige Rechtsschutzverfahren gegen die Versagungsentscheidung ab 1. Juni 2010 war im Ergebnis erfolglos. Mit Beschluss vom 29. April 2011 hob der Senat einen gegenteiligen Beschluss des SG auf und lehnte den Antrag des Antragstellers ab (L 2 AS 151/11 B ER).

Am 17. Mai 2011 stellte der Antragsteller einen Folgeantrag bei dem Antragsgegner für Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum 1. Juni 2011 bis 31. Dezember 2011. Hierbei verwies er auf seine frühere Antragstellung vom 6. Januar 2011 (für ein Jahr), es handele sich nur um einen Fortzahlungsantrag. Ein besonderer Bedarf bestehe für eine Kostenübernahme von Kosten zur Rechtswahrnehmung (Forderungen gegen Dritte). Er sei seit 1989 selbständig. Vorsorglich beantragte er die Übernahme eines Zusatzbeitrages einer gesetzlichen Krankenkasse bzw. vorsorglich einen Zuschuss zu den Beiträgen zur privaten oder freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung. Hierbei gab er an, hauptberuflich selbständig zu sein. In der beigefügten Anlage EKS (Erklärung zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft) gab er an, Dienstleistungen für die G. e. K. zu verrichten. Er erziele monatliche Einnahmen von 100 EUR, Änderungen seien bis Dezember 2011 nicht zu erwarten. Die Betriebsausgaben betrügen 0,00 EUR, so dass sich ein Jahresgewinn von 1.200 EUR ergebe. Zu den Vermögensverhältnissen (Anlage VM) gab der Antragsteller an, keine Freistellungsaufträge gestellt zu haben und nicht über ein Girokonto oder Ersparnisse zu verfügen. Für das Grundstückseigentum als Vermögen verwies er auf die bereits eingereichten Unterlagen.

Mit Bescheid vom 19. Mai 2011 lehnte der Antragsgegner die Leistungsbewilligung ab, weil der Kläger über verwertbares Grundvermögen verfüge, welches die Vermögensfreibeträge i. H. v. 8.400 EUR übersteige. Das Vermögen bestehe im Eigentum folgender Grundstücke: 1. Grundbuch von K. , Blatt 2051, Lfd. Nr. 1, Gemarkung 716b, Gebäude und Freifläche, B. Straße , 710 qm 2. Grundbuch von H. , Blatt 1934, Lfd. Nr. 1, Gemarkung H. , Flur 11, Flurstück 1546/29, L. str. , 411 qm 3. Grundbuch von N. , Blatt 551,Lfd. Nr. 1, Gemarkung N. , Flur 2, Flurstück 117, Garten, 940 qm 4. Grundbuch von D. , Blatt 365, Lfd. Nr. 2, Gemarkung D. , Flur 9, Flurstück 71, Wohnbaufläche R. Str. , 636 qm 5. Grundbuch von W. , Blatt 2173, Lfd. Nr. 1 Gemarkung 7, 967/1000 Miteigentumsanteil an dort bezeichnetem Grundstück, Wohnung mit Kellerraum, A. S. , L. (teilweise auch als Eigentumswohnung Nr. 33 in L. bezeichnet) 6. Grundbuch von W. , Blatt 2074, Lfd. Nr. 1, Gemarkung 2, 655/1000 Miteigentumsanteil an dort bezeichnetem Grundstück, Kfz.-Abstellplatz, S. F. , L. (teilweise auch als Eigentumswohnung Nr. 14 in L. bezeichnet) Der Wert des Vermögens könne wertmäßig nicht konkret beziffert werden; der Antragsteller tätige hierzu keine hilfreiche Angaben. Es sei davon auszugehen, dass der Wert der vorbenannten Grundstücke in der Summe den Vermögensfreibetrag von 8.400 EUR übersteige. Hiergegen legte der Antragsteller am 27. Mai 2011 Widerspruch ein: Er sei unverändert bedürftig und besitze kein einsetzbares Vermögen. Bereits in der Vergangenheit eingereichte Unterlagen müssten berücksichtigt werden. Danach wies das Grundstück Nr. 1 in K. einen Verkehrswert von 1 EUR ebenso wie das Grundstück in D. (Nr. 4), das Grundstück Nr. 2 in H. einen Verkehrswert von 20.000 EUR, das Gartengrundstück Nr. 3 in N. von 282,00 EUR, das Grundstück Nr. 5 in L. 15.575 EUR und das Grundstück Nr. 6 in L. 23.225 EUR. Die Grundstücke seien über ihren Wert hinaus mit Grundpfandrechten und Zwangssicherungshypotheken belastet. Allein für Dr. L. seien Hypotheken im Wert von 117.597,13 EUR (230.000 DM) eingetragen.

Mit Schreiben vom 27. Mai 2011 legte der Antragsgegner dem Antragsteller einen Fragenkatalog von 28 Fragen vor (Frist bis 17. Juni 2011). Gegenstand waren konkrete Fragen zu den Darlehensverbindlichkeiten gegenüber Dr. L. , zu Angaben zu Kontoverbindungen, zur Verwertung des Grundvermögens, zu den bestellten Hypotheken sowie zu Vollstreckungsmaßnahmen von Dr. L ... Für die genauen Einzelheiten wird auf Bl. 37, 38 Bd. V der Verwaltungsakten verwiesen. Hierzu erklärte der Antragsteller, dass nicht ersichtlich sei, weshalb die nunmehr gestellten Fragen die aktuellen Vermögensverhältnisse aufklären könnten. Es sei weder zumutbar noch notwendig sämtliche Verbindlichkeiten darzulegen. Hilfreich sei vielmehr die Einholung aktueller Grundbuchauszüge, welches ihm aber aus Gründen der Bedürftigkeit nicht möglich sei. Dies solle der Antragsgegner veranlassen. Seine Hilfebedürftigkeit könne beseitigt werden, wenn ihm bei der Eintreibung seiner Forderung (500.000 DM) gegen die S. - und S. sparkasse geholfen werde. In einem weiteren Schreiben beantwortete er überwiegend pauschal die betreffenden Fragen ohne einzelne Summen, Zahlungszeitpunkte, usw. zu nennen (Schreiben vom 14. Juni 2011).

Am 31. Mai 2011 hat der Antragsteller den streitgegenständlichen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz für laufende Leistungen beim SG gestellt.

Der Antragsgegner stelle zu Unrecht die auf den Grundstücken lastenden Hypotheken von Dr. L. in Abrede. Eine Vielzahl anderer Gläubiger hätten ebenfalls Hypotheken eintragen lassen. Er habe keine Abtretung seiner SGB II Leistungen vorgenommen. In gerichtlichen Verfahren sei er aber darauf hingewiesen worden, dass er auch SGB II-Leistungen zur Tilgung der vollstreckbaren Forderungen einsetzen müsse. Zudem habe er erfolglos versucht, die Grundstücke zu verwerten. Die SGB II-Leistungen benötige er zur Grundsicherung. Lebensmittel und den persönlichen Bedarf bestreite er aus seinen Einkünften in Höhe von 200 EUR. Weitere laufende Lebenshaltungskosten gewähre der Gläubiger (Dr. L. ), indem jener in Vorleistung gehe. Diese Vorleistung würden dann durch seine Verfügung, SGB II-Leistungen auf das Konto von Dr. L. zu überweisen, ausgeglichen. Die bewilligten Leistungen seien nicht zur Schuldentilgung, sondern zum Ausgleich seiner laufenden Verbindlichkeiten bestimmt.

Mit Beschluss vom 17. August 2011 hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Es fehle schon ein Anordnungsgrund. Nach dem Inhalt der Erklärung von Dr. L. vom 19. April 2010 und der Aktennotizvereinbarung vom 10. Juli 2009 sei davon auszugehen, dass die vom Antragsgegner bewilligten Leistungen nicht zur Sicherung des Lebensunterhaltes verwendet würden. Nach der Erklärung stehe fest, dass die ihm bewilligten Sozialleistungen nach dem SGB II nicht ihrem eigentlichen Zweck entsprechend, zur Sicherung des Lebensunterhaltes verwendet würden, sondern allein zur Schuldentilgung.

Gegen den ihm am 20. August 2011 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 24. August 2011 Beschwerde eingelegt und diese wie folgt begründet: Das SG habe den Anordnungsgrund zu Unrecht verneint und die Erklärung von Dr. L. unzutreffend ausgelegt. Er komme durch die Vorenthaltung von Sozialleistungen in eine wirtschaftliche Notlage, wodurch sich auch sein gesundheitlicher Zustand verschlechtere. Zudem gefährde er durch den Mietzahlungsverzug seine Unterkunft. Er könne mit seinen Einkünften weder die Kosten der Unterkunft noch die laufend anfallenden Lebenshaltungskosten bestreiten. Darüber hinaus besitze er ab dem 1. Juni 2011 keinen Krankenversicherungsschutz mehr und für eine freiwillige Krankenversicherung würden monatliche Kosten von 285,52 EUR und 42,16 EUR für die Pflegeversicherung anfallen.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

unter Aufhebung des Beschlusses des SG vom 17. August 2011 den Antragsgegner zu verpflichten, ihm ab dem 1. Juni 2011 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung und die Begründung des SG für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen. Gegenstand war auch die als Beiakte geführte Gerichtsakte L 2 AS 151/11 B ER nebst dort beigezogener Akten.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt sowie statthaft im Sinne der §§ 173, 172 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. 144 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Der vom Antragsteller als Leistung für die Zeit vom 1. Juni 2011 bis 31. Dezember 2011 geforderte Betrag liegt über 750,00 Euro.

Die Beschwerde ist nicht begründet. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf vorläufige Leistungen gegen den Antragsgegner ab dem 1. Juni 2011.

Im Rahmen des § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, oder eine Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, weil sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung (ZPO) gelten entsprechend. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist stets, dass sowohl ein Anordnungsgrund (d. h. die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile) als auch ein Anordnungsanspruch (d. h. die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs) glaubhaft gemacht werden (vgl. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. mit § 920 Abs. 2 ZPO).

Im Ergebnis zutreffend hat das SG einen Anordnungsgrund für Leistungen an den Antragsteller verneint. Durch den "Finanzier" Dr. L. , der mit dem Antragsteller in vielfältigen Vertragsbeziehungen steht, und diesem den notwendigen Bedarf erfüllt, entfällt eine Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung bis zur Entscheidung in der Hauptsache.

Vermieden werden soll durch den einstweiligen Rechtsschutz, dass der Antragsteller vor vollendete Tatsachen gestellt wird, bevor er wirksamen Rechtsschutz erlangen kann. Zu prüfen ist, ob es dem Antragsteller zuzumuten ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. An einem Anordnungsgrund fehlt es, wenn der Antragsteller den Bedarf in zumutbarer Weise anderweitig abdecken kann. Eine Notlage kann sich in der Regel immer nur daraus ergeben, dass aktuell keine Mittel vorhanden sind, um den laufenden Lebensunterhalt einschließlich der Kosten der Unterkunft zu sichern.

Der Antragsteller erhält seine laufenden Verbindlichkeiten bezahlt. Dies galt für die Vergangenheit, in der Dr. L. alle Verbindlichkeiten, die der Antragsteller nicht von seinem Einkommen selbst erfüllen konnte, nach den Angaben des Antragstellers übernommen hat. Diese Regelung gilt auch für die Zukunft. Insoweit haben der Antragsteller und Dr. L. eine Abrede getroffen, dass dieser den Antragsteller unterstützt, dafür aber die bewilligten SGB II-Leistungen und andere vom Antragsteller von Dritten gezahlte Beträge auf das Konto von Dr. L. zu dessen Verfügung gezahlt werden. In der Erklärung von Dr. L. vom 19. April 2010 bzw. der Aktennotiz vom 10. Juli 2009 ist festgelegt, dass Dr. L. für den Antragsteller "verschiedene Zahlungen erbringt" (Aktennotiz vom 10. Juli 2009) bzw. den Antragsteller für laufende Verbindlichkeiten fortlaufend unterstützt. Eine Begrenzung auf eine bestimmte Höhe der laufenden Kosten ist nicht erkennbar oder vorgetragen. Insbesondere gibt es keine Anhaltspunkte, dass der Antragsteller bei den "Vorleistungen" auf einen Betrag unterhalb der SGB II-Leistungen limitiert ist. Der Senat sieht daher - auch in Bezug auf Kosten für den Abschluss einer Kranken- und Pflegeversicherung - keine Gefahr, dass die Bedürfnisse des Antragstellers bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache nicht ausreichend erfüllt werden und er unter dem sozioexistenziellen Minimum leben muss. Durch die Entscheidung in der Hauptsache kann ein etwaiger vorgeleisteter Anspruch noch ausgeglichen werden, Dies gilt auch für eine etwaige zu Unrecht erfolgte freiwillige Weiterversicherung bzw. private Krankenversicherung. Denn läge rückwirkend durch eine Alg II Leistungsbewilligung ein Pflichtversicherungstatbestand vor, müsste die Krankenversicherung die zu Unrecht entrichteten Beiträge erstatten.

Es liegt unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles hier auch kein Fall vor, bei dem eine für den Anordnungsgrund unbeachtliche Nothilfe durch Freunde oder Verwandte vorliegt. Die Nothilfe durch Freunde und Verwandte für den Fall, dass Leistungen nach dem SGB II nicht geleistet werden, lässt den Anordnungsgrund grundsätzlich nicht entfallen. Denn der Antragsteller kann nicht auf materiellrechtlich nicht abverlangte Selbsthilfemöglichkeiten verwiesen werden; dies gilt jedoch nur, solange nicht die Bereitschaft des Dritten feststeht (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 86b Rn. 35).

Vorliegend liegt ein Fall vor, in dem der Hilfebedürftige durch vielfältige finanzielle Verbindungen und unterschiedliche geschäftliche Verbindungen so eng mit einem Dritten verbunden ist, welcher ohne Aufstellung von gezahlten Leistungen den Hilfebedürftigen tatsächlich umfassend unterstützt, dass eine Notwendigkeit einer vorläufigen Zahlung durch den Grundsicherungsträger nicht besteht. Der Senat braucht dabei nicht aufzuklären, aus welchen Gründen Dr. L. den Antragsteller so umfassend unterstützt. Er muss insbesondere nicht abschließend bewerten, ob der Antragsteller entgegen seinen eigenen Angaben tatsächlich einen Teil seiner Schulden ohne weiteres Entgelt bei Dr. L. "abarbeitet". Hierfür bestehen Anhaltspunkte, da der Antragsteller in seiner Erklärung zur Ausübung der Erwerbstätigkeit vom 29. April 2010 ausgeführt hat, dass er – zusammen oder neben seiner geringfügigen Beschäftigung bei der A. GmbH - an fünf Tagen in der Woche mehr als acht Stunden tätig sei und ihm daher eine weitere Erwerbstätigkeit nicht möglich sei. Als freiwillige Tätigkeit habe er dabei für die Erfüllung aller im Rahmen der gewerblichen Tätigkeiten des Unternehmens anfallenden Aufgaben Sorge zu tragen, wobei das Risiko der Inhaber Dr. L. trage (Schriftsatz vom 17. Juni 2010 im beigezogenen Verfahren L 2 AS 151/11 B ER). Im Widerspruch dazu stehen spätere Aussagen im Verfahren, wonach er nur vier Stunden im Monat zu einem Stundensatz von 25 EUR für die Firma von Dr. L. tätig sei, von der er nach seinen Angaben 100 EUR monatlich gezahlt bekomme.

Der Antragsteller kann faktisch auf das Konto von Dr. L. zurückgreifen bzw. dieser gewährt dem Antragsteller die Leistungen, die er benötigt. Hierbei ist der Antragsteller aktuell weder einer konkreten bezifferten Rückzahlungsforderung ausgesetzt noch findet überhaupt eine Aufstellung der von dem Dritten geleisteten Beträge statt. Die auf das Konto von Dr. L. gezahlten SGB II-Leistungen wurden auch in der Vergangenheit nicht konkret gegen vorgeleistete Zahlungen gegen gerechnet. Vielmehr lautet der Vortrag, dass der Antragsteller Dr. L. ohnehin hohe Beträge schulde, weshalb eine Gegenrechnung in jedem Fall gerechtfertigt ist. So war nach der Aktennotiz vom 10. Juli 2009 ein Teil der gezahlten SGB II-Leistungen (207 EUR) auf sonstige Gläubigerforderungen von Dr. L. angerechnet worden. Hinzu kommt, dass der Antragsteller in vielfältiger Weise finanziell mit Dr. L. , verbunden ist. Der Antragsteller hat nach seinen Angaben eine eigene Immobilie L. str. in H. an die betreffende Firma von Dr. L. vermietet und direkt an Dr. L. eine ihm gehörende Wohnung in L. (Nr. 5 der Aufstellung im Tatbestand). Zudem wohnt der Antragsteller zur Untermiete im Haus bei Dr. L ... Er lässt die Sozialleistungen auf das Konto von Dr. L. zahlen und besitzt überhaupt kein eigenes Konto. Seine Forderungen gegen Dritte, wie auch die Mietzinsforderung für seine andere Wohnung in L. (Nr. 6 der Aufstellung im Tatbestand), hat er an Dr. L. abgetreten. Dr. L. fungierte auch in der Vergangenheit als Kreditgeber für den Antragsteller, wohl damit dieser Immobilien erwerben konnte.

Diese Besonderheiten rechtfertigen es, die Vorleistungen von Dr. L. als ausreichende tatsächlich vorhandene Mittel – auch für die Zukunft – für die Abdeckung des Bedarfs des Antragstellers bis zu einer Hauptsacheentscheidung anzusehen.

Für die Rechtsverfolgung in der Beschwerde sind Kosten in entsprechender Anwendung von § 193 Abs. 1 und 4 SGG nicht zu erstatten.

Aus den oben dargestellten Gründen bestehen auch keine hinreichenden Erfolgsaussichten für die Beschwerde, weshalb der Antrag auf Prozesskostenhilfe abzulehnen war.

Dieser Beschluss ist nicht mit einer Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).

Landessozialgericht Sachsen-Anhalt
L 2 AS 355/11 B ER
S 17 AS 2836/11 ER (Sozialgericht Halle)
Aktenzeichen

BESCHLUSS

in dem Beschwerdeverfahren

– Antragsteller und Beschwerdeführer –

gegen

– Antragsgegner und Beschwerdegegner –

Der 2. Senat des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt in Halle hat am 12. Januar 2012 durch den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht Lauterbach beschlossen:

Der Beschluss des Senats unter dem Datum vom 16. September 2011 wird wie folgt berichtigt:

Auf der ersten Seite wird das angegebene Aktenzeichen der Vorinstanz (Sozialgericht Halle) "S 17 2836/11 ER" ergänzt und lautet "S 17 AS 2836/11 ER".
Weiter wird auf der ersten Seite die Angabe zum Datum der Entscheidung "16. September 2011" durch die Datumsangabe "26. September 2011" ersetzt.

Gründe:

Die Berichtigung erfolgt gemäß § 138 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), der für Beschlüsse entsprechende Anwendung findet. Es lagen von Amts wegen zu berichtigende Schreibfehler vor.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

gez. Lauterbach
Rechtskraft
Aus
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