L 1 R 139/10

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 6 R 485/08
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 139/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 31. März 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob die Klägerin einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) hat.

Die am ... 1955 geborene Klägerin beantragte am 16. Mai 2007 bei der Beklagten eine Rente wegen Erwerbsminderung und gab dazu an, sie leide unter Multipler Sklerose, einer geminderten Belastbarkeit sowie Störungen der Sensibilität, der Feinmotorik und der vegetativen Funktionen.

Im Vorfeld hatte die Beklagte der Klägerin stationäre Rehabilitationsmaßnahmen bewilligt. Die behandelnden Ärzte des Reha-Zentrums Bad Driburg, in dem sie sich vom 11. Mai 2006 bis zum 8. Juni 2006 einer stationären Rehabilitationsmaßnahme unterzogen hatte, diagnostizierten in dem Entlassungsbericht vom 12. Juni 2005 ein pseudoradikuläres Lendenwirbelsäulensyndrom links bei Skoliose sowie eine arterielle Hypertonie. Die Klägerin könne als Krankenschwester und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch täglich sechs Stunden und mehr arbeiten sowie leichte bis mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Sitzen, Stehen oder Gehen ausführen. Nach stationären Aufenthalten im Südharz-Krankenhaus Nordhausen vom 19. Juli 2006 bis zum 27. Juli 2006 sowie vom 23. Januar 2007 bis zum 31. Januar 2007 diagnostizierten die dort behandelnden Ärzte eine Multiple Sklerose mit stabilem Verlauf. Zudem lägen eine arterielle Hypertonie, eine latente Hyperthyreose, ein Kopfschmerz unklarer Genese sowie eine Skoliose vor. In einem weiteren Rehabilitationsentlassungsbericht der Median-Kliniken M. vom 23. April 2007, in denen sie sich vom 22. März 2007 bis zum 19. April 2007 einer stationären Rehabilitationsmaßnahme unterzogen hatte, diagnostizierten die behandelnden Ärzte eine Multiple Sklerose mit stabilem Verlauf, eine arterielle Hypertonie sowie eine latente Hyperthyreose. Die Klägerin sei nicht in der Lage, ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Krankenschwester aufgrund der bestehenden Funktionseinschränkungen im Bereich der oberen Extremität, der psychischen Problematik sowie der geminderten Belastbarkeit und Ausdauerleistung wieder auszuführen. Sie könne jedoch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte bis mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Sitzen, Stehen oder Gehen in Tages-, Früh- oder Spätschicht mit Beachtung von Einschränkungen für den Bewegungs- und Haltungsapparat sowie unter Vermeidung von Gefährdungs- und Belastungsfaktoren sechs Stunden und mehr am Tag ausführen.

Mit Bescheid vom 4. Dezember 2007 gewährte die Beklagte der Klägerin daraufhin eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab dem 1. Mai 2007. Im Übrigen lehnte sie den Rentenantrag der Klägerin ab. Diese könne noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein.

Hiergegen legte die Klägerin am 14. Januar 2008 Widerspruch ein. Wenn sie aktiv sei, sei sie schnell überfordert. Beim Gehen im Dunkeln sei sie unsicher. Die Tätigkeiten des täglichen Lebens, wie Spazierengehen, Einkaufen und Haushaltsführung würden sie schnell ermüden und überfordern. Sie könne daher auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt keine Tätigkeit mehr ausführen. Nach der Einholung von Befundberichten der behandelnden Fachärztin f. Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde Dr. E. und der behandelnden Fachärztin f. Neurologie/Psychiatrie Dr. W. veranlasste die Beklagte eine Begutachtung der Klägerin durch den Facharzt f. Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. W ... In seinem Gutachten vom 19. März 2008 nach Untersuchung der Klägerin an diesem Tag diagnostizierte Dr. W. bei ihr eine erstmals 2006 diagnostizierte Multiple Sklerose mit einer Symptomausprägung, die so leicht sei, dass nach der EDSS-Skala lediglich das Stadium 1 bis 1,5 vorliege, eine Neurasthenie mit angstneurotischen Schwankschwindelerscheinungen, Tinnitus, Weichteilrheumatismus, arterielle Hypertonie sowie eine latente Hyperthyreose. Die Klägerin sei trotz dieser Leiden noch für die Tätigkeit als Krankenschwester für täglich drei bis unter sechs Stunden und für den allgemeinen Arbeitsmarkt für täglich sechs Stunden und mehr einsatzfähig. Sie könne leichte bis mittelschwere Tätigkeiten zeitweise im Stehen, Gehen oder überwiegend im Sitzen in Tagesschicht ausführen, wobei Einschränkungen im Hinblick auf die geistige und psychische Belastbarkeit sowie auf den Bewegungs- und Haltungsapparat bestünden. Die Beklagte veranlasste desweiteren eine Begutachtung der Klägerin durch die Fachärztin f. Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde Dr. T ... Dr. T. diagnostizierte nach Untersuchung der Klägerin am 28. März 2008 in ihrem Gutachten vom 4. April 2008 einen beidseitigen Tinnitus, der derzeit nicht therapiert werden müsse. Die peripheren Gleichgewichtsorgane würden keine pathologischen Abweichungen zeigen. Aus HNOärztlicher Sicht bestünden keine Einschränkungen des Leistungsbildes. Die Klägerin könne noch täglich sechs Stunden und mehr als Krankenschwester sowie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2008 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin unter Bezugnahme auf die Ergebnisse ihrer medizinischen Ermittlungen zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 16. Juli 2008 Klage beim Sozialgericht Halle (SG) erhoben. Sie sei nur unter drei Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einsatzfähig. Erschöpfung und Abgeschlagenheit würden ständig zunehmen. Sie leide unter Konzentrationsstörungen und Ermüdbarkeit. Das SG hat Befundberichte der behandelnden Ärzte, der Fachärztin f. Neurologie und Psychiatrie Dr. W. vom 7. Oktober 2008, des Hausarztes S. vom 13. Oktober 2008, des Orthopäden Dr. H. vom 4. November 2008 und der Internistin Dr. F. vom 7. November 2008 eingeholt. Nach Einschätzung von Frau Dr. W. kann die Klägerin eine leichte Tätigkeit ohne Belastung durch Hitze, Kälte, Lärm, Zeitdruck und erhöhte feinmotorische Anforderungen mit regelmäßigen Pausen sechs Stunden täglich ausüben. Sie diagnostizierte eine undifferenzierte Kollagenose mit zentraler Beteiligung und fügte einen Bericht der behandelnden Ärzte des Krankenhauses M.-M. vom 3. September 2008 bei, in dem sich die Klägerin vom 2. September 2008 bis zum 3. September 2008 in stationärer Behandlung befunden hat. Hiernach sind die neurologischen Symptome der bereits im Jahr 2006 erstdiagnostizierten Multiplen Sklerose rückblickend am ehesten frühe zentralnervöse Symptome einer undifferenzierten Kollagenose gewesen. Nach dem Bericht des Hausarztes S. erfolgte im September 2008 eine entsprechende Diagnosekorrektur. Nach seiner Einschätzung kann die Klägerin nur noch bis zu vier Stunden täglich erwerbstätig sein. Der Orthopäde Dr. H. hat ausgeführt, dass die Klägerin nicht mehr sechs Stunden leichte Tätigkeiten am Tag verrichten könne, da ihr die Ausdauer bei psychomotorischer Funktionsstörung fehle. Nach dem Befundbericht der Internistin Dr. F. liegt bei der Klägerin eine undifferenzierte Kollagenose mit zentralnervöser Beteilung vor. Sie sei höchstens für drei Stunden täglich einsetzbar.

Die Klägerin hat ein vom SG in dem dort geführten Verfahren mit dem Aktenzeichen S 1 SB 314/07 eingeholtes Gutachten des Neurologen Dr. H. (Krankenhaus M.-M.) vom 14. August 2008 eingereicht, das aufgrund der dort vorhandenen Unterlagen erstellt wurde. Dr. H. hat eine undifferenzierte Kollagenose mit Beteiligung der Nieren, des zentralen Nervensystems, der Haut und der Gelenke diagnostiziert und als Differenzialdiagnose Multiple Sklerose mit primär chronischprogredientem Verlauf genannt. Es liege zudem eine Konzentrationsminderung, eine depressive Verstimmung sowie eine schlaffe Tetraparese vor. Hieraus ergebe sich ein Gesamt-GdB von 70. Nach einem vom SG aus dem Verfahren mit dem Aktenzeichen S 1 SB 314/07 beigezogenen vorläufigen Entlassungsbrief des Dr. H. vom 27. März 2009 ist die Klägerin vom 20. März 2009 bis zum 27. März 2009 in stationärer Behandlung im Krankenhaus M.-M.gewesen. Hiernach sind eine diagnostizierte Kollagenose mit zentralnervöser Beteilung und Nierenbeteiligung, ein Fatigue-Symptom, ein chronisch generalisiertes Schmerzsymptom, ein entzündliches Liquorsyndrom sowie eine Hypertonie diagnostiziert worden. Eine klinisch relevante Depression oder Angststörung bestehe nicht. Sie habe sich in gutem Allgemein- und Ernährungszustand befunden.

Die Beklagte hat der Klägerin im Klageverfahren eine weitere stationäre Rehabilitationsmaßnahme gewährt. Nach dem Entlassungsbericht der M-Klinik i. Bad K. vom 30. April 2009, in der sich die Klägerin vom 14. April 2009 bis zum 5. Mai 2009 der Rehabilitationsmaßnahme unterzogen hat, sind eine nicht näher eingegrenzte Kollagenose, eine leichte Hemiparese links, eine leichte kognitive Störung, ein chronisches Müdigkeitssyndrom sowie eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD Grad II) zu diagnostizieren. Hiernach sei die Klägerin nicht mehr in der Lage, ihre letzte Tätigkeit als Krankenschwester auszuführen. Auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt besteht nach der Einschätzung der behandelnden Ärzte aufgrund der wechselnden Beschwerden mit Kopfschmerzen, Gliederschmerzen, Schwindel, Gelenkschmerzen, Taubheitsgefühl, allgemeiner Schwäche und kognitiver Leistungsminderung keine Leistungsfähigkeit für Tätigkeiten von wirtschaftlichem Wert.

Auf Veranlassung des SG hat der Neurologe und Psychiater D ... B. nach Untersuchung der Klägerin am 17. Juni 2009 ein nervenärztliches Gutachten vom 27. Oktober 2009 erstattet. Dr. B. hat dargelegt, dass die nervenärztlich zu beurteilende Symptomatik bei ihr vielschichtig sei und zusammenfassend eine leicht bis mittel ausgeprägte Beeinträchtigung der geistigseelischen und sozialen Fertigkeiten ergebe. Er hat eine somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert. Als Verdachtsdiagnose ergebe er sich ein hirnorganisches Psychosyndrom, wobei differenzialdiagnostische Unsicherheiten verblieben. Die nervenärztlich zu beurteilende Symptomatik begründe eine leicht bis mittel ausgeprägte Beeinträchtigung der allgemeinen geistigen, seelischen und sozialen Leistungsfähigkeit/Belastbarkeit. Bei Berücksichtigung der hieraus entstehenden Einschränkungen könne die Klägerin aber regelmäßig vollschichtig (ca. acht Stunden pro Arbeitstag an fünf Tagen pro Woche) erwerbstätig sein. Auf Veranlassung des SG hat auch der Internist F. nach Untersuchung der Klägerin am 17. Juli 2009 ein Gutachten von diesem Tag erstattet. Er hat bei der Klägerin eine nicht näher differenzierte Bindegewebserkrankung in geringer Ausprägung, eine chronischobstruktive Bronchitis sowie einen Bluthochdruck diagnostiziert. Sie könne trotz dieser Leiden noch leichte körperliche Arbeiten vollschichtig verrichten, wobei Einschränkungen im Hinblick auf eine hohe Beanspruchung der Hände, insbesondere den kraftvollen Einsatz der Hände, bestünden. Schreib- und Büroarbeiten seien hingegen möglich. Nicht zumutbar seien Tätigkeiten, bei denen sie atemwegsreizenden Stoffen, Gasen und Dämpfen ausgesetzt sei, sowie Tätigkeiten mit erhöhter nervlicher Belastung und unter Zeitdruck. Die Klägerin war mit diesen gutachterlichen Bewertungen nicht einverstanden. Sie hat einen Arztbrief des Krankenhauses M-M.(Dr. H.) vom 16. Dezember 2009 zu den Akten gereicht, in dem sie sich vom 10. Dezember 2009 bis zum 16. Dezember 2009 in stationärer Behandlung befunden hat. Bei gleichbleibenden Diagnosen wird eine aktuelle Verschlechterung der zugrundeliegenden undifferenzierten Kollagenose festgestellt, wobei sich während des Aufenthaltes eine deutliche Besserung gezeigt habe.

Mit Urteil vom 31. März 2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin könne noch sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein. Dies ergebe sich aus den Gutachten der Nervenärzte Dr. B. und Dr. W. sowie des Internisten F ... Die abweichenden ärztlichen Einschätzungen könnten hingegen nicht überzeugen.

Gegen das am 29. April 2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 28. Mai 2010 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Sie hält das Urteil des SG für unzutreffend. Die Gutachten des Nervenarztes Dr. B. und des Internisten F. würden nicht überzeugen.

Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 31. März 2010 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 4. Dezember 2007 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2008 abzuändern und

die Beklagte zu verurteilen, ihr ab dem 1. Mai 2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgericht Halle vom 31. März 2010 zurückzuweisen.

Sie erwidert, die Klägerin könne auch nach den neueren medizinischen Ermittlungen weiterhin täglich sechs Stunden und mehr auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein.

Der Senat hat die Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt. Die Fachärztin f. Innere Medizin, Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. M. hat mit Befundbericht vom 17. August 2010 mitgeteilt, dass eine bekannte Kollagenose sowie eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung bestünden. Zuletzt habe die Klägerin bei einem Belastungs-EKG nach vier Minuten und 68 Watt die Tretfrequenz wegen Erschöpfung, Müdigkeit und Atembeschwerden nicht mehr geschafft. Sie sei dabei kardial nicht ausbelastet gewesen. Lungenfunktionell sei es in der Zeit ihrer Behandlung zwischen November 2009 und Oktober 2010 zu keiner Veränderung gekommen. Nach einem Befundbericht der H. -Klinik H. vom 26. August 2010, in der die Klägerin vom 11. Mai 2010 bis zum 25. Juni 2010 behandelt worden ist, lag eine mittelgradige depressive Episode vor. Depressivität und Grübeleineigung hätten aber nachgelassen. Die körperliche Belastbarkeit habe sich nicht wesentlich verändert. Nach einem Befundbericht der Nervenärztin Dr. W. vom 28. Juni 2010 ist es gelegentlich, jedoch nie anhaltend zu einer leichten Linderung der Schmerz- und Depressionssymptomatik gekommen. Nach dem Befundbericht des Orthopäden Dr. H. vom 20. Oktober 2010 ist seit Juni 2010 eine schmerzhafte Funktionsstörung der Lendenwirbelsäule hinzugekommen. Nach einem beigefügten Bericht über eine spinale Magnetresonanztomographie der Lendenwirbelsäule am 18. März 2010 in der Radiologischen Gemeinschaftspraxis Dr. A. u. a. konnte der Verdacht auf eine lumbale Spinalkanalstenose nicht bestätigt werden. Es bestünden keine Gefügestörungen, jedoch verschiedene Bandscheibenerkrankungen. Der Hausarzt S. berichtet unter dem 1. Oktober 2010, dass er im Hinblick auf eine Veränderung der Befunde seit Juli 2010 keine Daten habe, da sich die Patientin hauptsächlich in fachärztlicher Behandlung befände. Nach einem Bericht der Diplom-Psychologin R. vom 18. November 2010 hat sich der Gesundheitszustand der Klägerin seit Juni 2009 stabilisiert. Eine Prävention von Krisen und Verschlechterungen sei gelungen. Die Stabilisierung sei jedoch auf dem Niveau einer leichten depressiven Episode mit kurzen Phasen mittelgradiger Depressionen erfolgt. Gegenüber Januar 2009 sei ein unveränderter Zustand zu verzeichnen. Die Klägerin hat einen Bericht der neurologischen Klinik d. Krankenhauses M. -M. vom 11. Oktober 2010 zu den Akten gereicht, in der sie sich vom 8. Oktober 2010 bis zum 14. Oktober 2010 in stationärer Behandlung befunden hat. Hiernach ist die medikamentöse Therapie der undifferenzierten Kollagenoseerkrankung fortgeführt worden. Es sei für die Klägerin eine leichte Verbesserung der Symptomatik schon spürbar, in der Regel setze der Effekt aber erst nach zwei Wochen ein. Die Klägerin hat im Erörterungstermin am 11. Mai 2011 mitgeteilt, dass das Verfahren vor dem SG (Az: 1 SB 314/07) im Hinblick auf einen höheren Grad der Behinderung (GdB) ohne Erfolg rechtskräftig abgeschlossen worden sei.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages wird auf deren Inhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil sich beide Beteiligte damit einverstanden erklärt haben.

Die gemäß § 143 SGG statthafte und auch in der Form und Frist des § 151 SGG eingelegte Berufung ist nicht begründet.

Der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist insoweit rechtmäßig, als die Beklagte die Bewilligung einer vollen Erwerbsminderungsrente abgelehnt hat. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf diese Rente. Das die Verwaltungsentscheidung bestätigende Urteil des SG ist daher nicht zu beanstanden.

Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI haben Versicherte, wenn die entsprechenden versicherungsrechtlichen Voraussetzungen vorliegen, dann einen Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind. Nach Satz 2 der genannten Vorschrift ist derjenige voll erwerbsgemindert, der wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Der Senat ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die Klägerin noch in der Lage ist, mindestens sechs Stunden täglich zumindest einer körperlich leichten Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachzugehen. Nicht möglich sind dabei Arbeiten, die besondere Ansprüche an die geistig/seelische und soziale Belastbarkeit einschließlich Konzentrationsfähigkeit und Aufmerksamkeitsspanne sowie Arbeiten, die den kraftvollen Einsatz der Hände erfordern. Nicht zumutbar sind weiterhin Tätigkeiten, bei denen die Klägerin atemwegsreizenden Stoffen, Gasen und Dämpfen ausgesetzt wäre. Insoweit folgt der Senat aufgrund eigener Überzeugungsbildung den schlüssigen nachvollziehbaren Ausführungen in dem Gutachten des Facharztes. für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. vom 27. Oktober 2009 und den Ausführungen des Facharztes. für Innere Medizin F. in dessen Gutachten vom 17. Juni 2009. Beide Gutachter gehen davon, dass die Klägerin mit den genannten Einschränkungen noch täglich acht Stunden arbeiten kann.

Nach den ärztlichen Unterlagen liegen bei der Klägerin eine nicht näher differenzierte Bindegewebserkrankung in geringer Ausprägung, eine chronischobstruktive Bronchitis, Bluthochdruck, eine leicht bis mittel ausgeprägte Beeinträchtigung der geistigseelischen und sozialen Fertigkeiten sowie Ohrgeräusche vor.

Aus internistischer Sicht schließt sich der Senat der Auffassung des Gutachters. F. an, dass bei der Klägerin eine Autoimmunerkrankung mit Beteilung des Bindegewebes in geringer Ausprägung vorliegt. Dabei lassen sich jedoch keine wesentlichen Funktionseinschränkungen an den inneren Organen feststellen, die die Leistungsfähigkeit und die Arbeitsfähigkeit im stärkeren Ausmaß beeinträchtigen würden. Soweit eine Lungenbeteiligung angenommen werden kann, wofür der Röntgenbefund sowie die nachgewiesene Bronchialverengung sprechen, ist diese nach der überzeugenden Einschätzung des Gutachters. F. nicht derart schwerwiegend, dass hieraus weitergehende Funktionseinschränkungen entstünden. Insoweit sind jedoch inhalative Belastungen zu vermeiden. Aus dem nicht sehr stark ausgeprägten Bluthochdruck folgt ebenfalls keine weitere Funktionseinschränkung im Hinblick auf leichte körperliche Tätigkeit. Bei der übrigen körperlichen Untersuchung bei dem Gutachter F. ließ sich im Hinblick auf die inneren Organe kein krankhafter Befund erheben, u. a. waren Ruhe- und Belastungs-EKG im Bereich eines Normalbefundes. Bei der Belastungsuntersuchung auf dem Fahrradergometer stieg die Pulsfrequenz bis zu einer Belastung von 75 Watt und einem Abbruch wegen Schmerzen und Kraftlosigkeit nur gering an und ging in der Erholungsphase schnell wieder zurück. Auch aus dem Blutbild ergab sich kein Befund, der für weitere Leistungseinschränkungen sprechen würde. Nicht anschließen kann sich der Senat der Einschätzung der Internistin Dr. F. in deren Befundbericht vom 7. November 2008, wonach die Klägerin nur noch höchstens drei Stunden einsetzbar sei. Denn dies wird von Frau Dr. F. nicht näher begründet; sie verweist nur auf die subjektiv von der Klägerin beklagten Leiden. Auch die Einschätzung des Hausarztes und Facharztes. für Allgemeinmedizin S.r, die Klägerin könne eine leichte Tätigkeit innen, sitzend, ohne Notwendigkeit großer Konzentration bis zu vier Stunden, aber nicht sechs Stunden täglich ausüben, teilt der Senat nicht. Der Arzt bezieht sich zur Begründung auf einen unsicheren Gang, rezidivierende Kopf- und Gliederschmerzen und Dranginkontinenz. Seine Ableitung, dass die Klägerin deswegen nur vier, aber nicht sechs Stunden arbeiten könne, ist für den Senat nicht nachvollziehbar. Auch aus dem im Berufungsverfahren eingeholten Befundbericht des Hausarztes S. vom 1. Oktober 2010 ergibt sich keine abweichende Einschätzung, da die Klägerin sich nach seinen Angaben nunmehr hauptsächlich in fachärztlicher Behandlung befindet. Aus dem Befundbericht der Internistin und Lungenärztin M. vom 17. August 2010 folgt ebenfalls keine abweichende Einschätzung des Leistungsbildes aus internistischer Sicht. Auch hiernach hat die Klägerin wegen Muskelschwäche ein Belastungs-EKG abgebrochen, ohne dass ein krankhafter Befund festgestellt werden konnte. Lungenfunktionell ist es nach Angaben von Frau M. in dem kurzen Zeitraum der Behandlung durch sie zu keiner Veränderung gekommen, insbesondere nicht im Anschluss an die Begutachtung durch den Internisten F ...

Auch aus psychiatrischer Sicht ergibt sich das vorgenannte Leistungsbild. Der Gutachter Dr. B. hat insoweit nachvollziehbar und detailliert die mit der festzustellenden nervenärztlichen Erkrankung bestehende leicht bis mittel ausgeprägte Beeinträchtigung der geistigseelischen und sozialen Fertigkeiten beschrieben und die dahingehenden funktionellen Beeinträchtigungen auf die berufliche Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zutreffend bewertet. Die psychische Störung, die sich in den nicht hinreichend organmedizinisch begründbaren körperlichen und vegetativen Beschwerden zeigt, ist nicht so stark ausgeprägt, dass die Klägerin nicht noch täglich sechs und mehr Stunden leichte körperliche Arbeiten verrichten könnte. Dr. B. meint, dass insoweit acht Stunden pro Arbeitstag möglich seien, wobei Einschränkungen im Hinblick auf die geistigseelische und soziale Belastbarkeit einschließlich Konzentrationsfähigkeit und Aufmerksamkeitsspanne bestünden. Diese Einschätzung lässt sich vereinbaren mit derjenigen der behandelnden Fachärztin f. Neurologie und Psychiatrie Dr. W ... Sie hat in ihrem Befundbericht vom 7. Oktober 2008 mitgeteilt, dass die Klägerin noch sechs Stunden mit regelmäßigen Pausen ohne Hitze, Kälte, Lärm, Zeitdruck, erhöhten Feinmechanikanforderungen tätig sein könne. Nach dem im Berufungsverfahren eingeholten Befundbericht der Frau Dr. W. vom 28. Juni 2010 hat sich zwischenzeitlich eine gelegentlich leichte Linderung der Schmerz- und Depressionssymptomatik gezeigt, so dass auch zu diesem Zeitpunkt sich die Einschätzung der psychischen Belastbarkeit bestätigt. Zudem ergibt sich diese Bewertung auch aus dem bereits im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten des Facharztes. für Neurologie und Psychiatrie Dr. W. vom 19. März 2008. Dr. W. geht davon aus, dass die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für sechs Stunden und mehr täglich einsetzbar ist. Aus dem im sozialgerichtlichen Verfahren zur Feststellung eines GdB eingeholten Gutachten des Facharztes. für Neurologie Dr. H. vom 26. Januar 2009 folgt nichts anderes. Der Arzt berichtet von einer depressiven Verstimmung, welche jedoch nicht den Schweregrad einer klinisch zu behandelnden manifesten Depression erreicht. Soweit er zu dem Ergebnis kommt, dass ein GdB von 70 bei der Klägerin festzustellen ist, führt dies ebenfalls nicht zu einer abweichenden Bewertung. Die Klage vor dem Sozialgericht Halle (Az. S 1 SB 314/07) ist im Jahre 2010 mit rechtskräftigem Urteil abgewiesen worden. Auch die weiteren Äußerungen des Dr. H. und der übrigen behandelnden Ärzte im Krankenhaus M.-M. führen nicht zu einer anderen Einschätzung. Zwar ist die Klägerin dort mehrfach stationär behandelt worden. Im Rahmen dieser Krankenhausaufenthalte ist insbesondere die Medikation geprüft und ggf. angepasst worden. Insgesamt hat sich jedoch die Klägerin dort stets in gutem Allgemein- und Ernährungszustand befunden. Nach dem letzten Arztbrief des Krankenhauses M. -M. vom 11. Oktober 2010 war sie vom 8. Oktober bis 14. Oktober 2010 in stationärer Behandlung zur medikamentösen Therapie der undifferenzierten Kollagenoseerkrankung. Hierbei konnte eine leichte Verbesserung der Symptomatik erzielt werden. Nach dem Bericht der Diplom-Psychologin R. der H. -Klinik H. vom 18. November 2010 hat sich der Gesundheitszustand stabilisiert. Es sei eine Prävention von Krisen und Verschlechterungen gelungen. Auch hieraus ergibt sich keine abweichende Bewertung. Der Senat folgt nicht der Einschätzung der behandelnden Ärzte der M. -Klinik B. Kl. im Reha-Entlassungsbericht vom 30. April 2009, da es die Bewertung der Fachärzte Dr. B. und F. für überzeugend hält. Die Ärzte der Rehabilitationseinrichtung begründen ihre Einschätzung, dass die Klägerin keine "Leistungsfähigkeit für Tätigkeiten von wirtschaftlichem Wert" mehr hat, auch nicht mit objektiven Befunden, sondern beziehen sich auf die geklagten Kopf-, Glieder- und Gelenkschmerzen sowie den Schwindel, das Taubheitsgefühl und die allgemeine Schwäche.

Auch aus orthopädischer Sicht folgt kein geringeres Leistungsvermögen. Der behandelnde Orthopäde Dr. H. hat zwar mit Befundbericht vom 4. November 2008 mitgeteilt, dass die Klägerin nicht mehr sechs Stunden täglich arbeiten könne. Zur Begründung hat er sich auf eine psychomotorische Funktionsstörung, nicht jedoch auf orthopädische Erkrankungen bezogen. Mit Befundbericht vom 20. Oktober 2010 hat er im Klageverfahren mitgeteilt, dass das Krankheitsbild überwiegend neurologisch bedingt sei. Nach einer MRT. der Lendenwirbelsäule am 18. März 2010 konnte eine Spinalkanalstenose nicht nachgewiesen werden. Es bestanden keine Gefügestörungen. Der bestehenden Wirbelsäulenerkrankung wird damit hinreichend Rechnung getragen, dass die Klägerin nur noch leichte körperliche Arbeiten verrichten kann.

Auch aus HNOärztlicher Sicht ergibt sich keine andere Bewertung. Die Fachärztin Dr. T. hat mit im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten vom 4. April 2008 mitgeteilt, dass die Klägerin sechs Stunden und mehr leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten ohne wesentliche Einschränkungen verrichten könne. Der beidseitige Tinnitus würde dem nicht entgegen stehen.

Schließlich lässt sich auch aus dem Bericht der H. -Klinik H. vom 26. August 2010 eine andere Leistungsbewertung nicht entnehmen. Hier ist der Erstkontakt im Mai 2010 erfolgt. Danach hätten Depressivität und Grübelneigung nachgelassen. Nach dem Arztbrief der Klinik v. 29. Juni 2010 ergaben sich ein guter Allgemeinzustand und ein deutlich gebesserter psychischer Zustand nach stationärer Behandlung vom 11. Mai 2010 bis zum 25. Juni 2010.

Bei der Klägerin liegen auch weder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor, die eine Verschlossenheit des allgemeinen Arbeitsmarktes bedingen würden. Das Restleistungsvermögen der Klägerin reicht vielmehr noch für körperlich leichte Verrichtungen im Wechsel der drei Körperhaltungen wie z.B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw. aus (vgl. die Aufzählung in dem Beschluss des Großen Senats des Bundessozialgerichts vom 19. Dezember 1996 – GS 2/95 –, Rdnr. 34, juris). Der Klägerin ist auch nicht deshalb der Arbeitsmarkt verschlossen, weil sie nur unter nicht betriebsüblichen Bedingungen arbeiten könnte. Schließlich ist sie auch nicht aus gesundheitlichen Gründen gehindert, einen Arbeitsplatz aufzusuchen. Es ist nicht zweifelhaft, dass sie täglich viermal Wegstrecken von knapp mehr als 500 m mit einem zumutbaren Zeitaufwand von bis zu 20 Minuten zu Fuß zurücklegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten benutzen kann. Die Sachverständigen. Dr. B. und F. begründen überzeugend, dass die Klägerin noch wegefähig ist. Soweit die behandelnden Ärzte des Krankenhauses M.-M. im Schreiben vom 11. Oktober 2010 eine Gehstrecke von 98 m angeben, spricht dies nicht dafür, dass die Klägerin die genannten Anforderungen nicht erfüllen kann. Die behandelnden Ärzte dort haben regelrechte Stand- und Gangproben sowie eine unauffällige Koordination festgestellt. Auch der durchweg festgestellte gute körperliche Allgemeinzustand spricht gegen eine fehlende Wegefähigkeit, die auch durch orthopädische Diagnosen nicht hinreichend belegt ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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