L 1 R 467/07

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 10 R 838/05
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 467/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 24. Oktober 2007 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben sich auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob zugunsten des Klägers Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der "Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen der Deutschen Demokratischen Republik" mit den dabei erzielten Entgelten festzustellen sind.

Der am ... 1944 geborene Kläger schloss sein Studium am 10. Juli 1970 ausweislich der Urkunde der Martin-Luther-Universität H.-W. mit dem akademischen Grad eines Diplom-Biologen ab. In der Zeit vom 6. August 1973 bis zum Juli 1981 war er als wissenschaftlicher Assistent beim Rat der Stadt Gera, Abteilung für Kultur, und bei den Museen der Stadt Gera und später als Leiter des Museums der Stadt Gera beschäftigt. Ab Juli 1981 bis zum 30. Juni 1990 war er beim Urania-Verlag tätig, wobei im Sozialversicherungsausweis die Tätigkeit als "Bereichsleiter/ Lektor" bezeichnet wurde. Eine schriftliche Versorgungszusage aus einem Zusatzversorgungssystem erhielt er zur Zeit der DDR nicht.

Am 21. September 2001 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften und bezog sich auf die Zusatzversorgungssysteme Nr. 19 und Nr. 21 der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG). Die Beklagte lehnte diesen Antrag ab. Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Magdeburg (SG) machte der Kläger erstmals auch eine Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 4 der Anlage 1 zum AAÜG geltend (Az. S 18 RA 302/02). Das SG hat mit Urteil vom 15. Juli 2004 die Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren (Az. L 1 RA 284/04) schlossen die Beteiligten einen Vergleich. Der Beklagte verpflichtete sich, über die Frage der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 4 der Anlage 1 zum AAÜG im Zeitraum vom 6. August 1973 bis zum 30. Juni 1990 einen rechtsbehelfsfähigen Bescheid zu erteilen sowie ggf. tatsächlich erzielte Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 5. April 2005 die begehrte Feststellung ab. Der "Urania-Verlag" habe nicht zum Geltungsbereich des Zusatzversorgungssystems der Intelligenz in wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen gehört. Hiergegen legte der Kläger am 3. Mai 2005 Widerspruch ein und führte aus, er sei in der Zeit vom 18. Juli 1981 bis zum 30. Juni 1990 Cheflektor beim Ziemsen-Verlag gewesen, der zur Urania-Verlagsgruppe gehört habe. Dass er als Cheflektor dort tätig gewesen sei, ergebe sich daraus, dass auch sein Amtsvorgänger Cheflektor gewesen sei. Dies ließe sich anhand eines Auszugs aus der Zeitschrift "Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt" belegen. Verlage seien auch unter die Begrifflichkeiten des § 6 der Verordnung über die Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen der DDR (AVVO-Int) zu fassen. Denn es handele sich bei Verlagen um "Einrichtungen des öffentlichen Bildungs- und Erziehungswesens". Die Ausrichtung der Verlagsgruppe sei mit den heutigen populärwissenschaftlichen Darstellungen vergleichbar. Es seien Sachbücher für die verschiedensten Themengebiete erstellt worden. Diese seien auf die Weiterbildung ausgerichtet gewesen und sollten den Leser über einzelne wissenschaftliche Gebiete unterrichten, aufklären und Lösungsvorschläge unterbreiten. Im Ziemsen-Verlag sei auch die weltbekannte wissenschaftliche Monografien-Reihe "Die Neue Brehm-Bücherei" veröffentlicht worden, für die er vollinhaltlich verantwortlich gezeichnet habe. Die Beklagte wies diesen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 2005 zurück und wiederholte ihre Begründung aus dem Ausgangsbescheid.

Der Kläger hat am 11. August 2005 erneut Klage beim SG erhoben. Zur Begründung hat er sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und ergänzt. Eine Benennung der Verlage in § 6 AVVO-Int sei unterblieben, da es keinen Sinn mache, Verlagsleiter, Chefredakteure und Cheflektoren in § 2a AVVO-Int als Angehörige der wissenschaftlich tätigen Intelligenz zu bezeichnen, die Verlage jedoch dann in § 6 AVVO-Int aus dem Anwendungsbereich herauszunehmen. Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 24. Oktober 2007 die Klage abgewiesen und unter Abweichung von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Begründung ausgeführt, dass eine fiktive Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem nicht möglich sei. Der Kläger habe weder Ansprüche und Anwartschaften aus einer Versorgungsordnung erworben, noch Vertrauen auf deren Erwerb bilden können.

Gegen den ihm am 9. November 2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 29. November 2007 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Er hat bemängelt, dass das SG nicht der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur fiktiven Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem gefolgt sei. Eine dem Kläger bekannte Cheflektorin habe eine Versorgungszusage erhalten. Hieraus werde deutlich, dass nach der gängigen Praxis auch der Kläger zum begünstigten Personenkreis zugehörig gewesen sei. Die Entscheidungen des SG und der Beklagten würden den Gleichheitsgrundsatz verletzen. Es wird die geschwärzte Urkunde zur Einbeziehung der Kollegin vom 17. Oktober 1990 vorgelegt. Mit einer vom Senat angeregten Zurückverweisung des Verfahrens an das SG war der Kläger nicht einverstanden, da dies nur zu einer Zeitverzögerung führen würde.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 24. Oktober 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. April 2005 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 18. Juli 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Zeit vom 6. August 1973 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen sowie die in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte verteidigt ihre Verwaltungsentscheidung und beantragt,

die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 24. Oktober 2007 zurückzuweisen.

Die Beteiligten sind darauf hingewiesen worden, dass der erkennende Senat der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur fiktiven Einbeziehung nicht folgt.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der anschließenden Beratung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Sachvortrags der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt dieser Akten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung hat keinen Erfolg.

Der Senat hat sich im Rahmen seines Ermessens gem. § 159 SGG entschieden, den Rechtsstreit nicht gem. § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG an das SG zurückzuverweisen. Zwar hat das SG verfahrensfehlerhaft durch Gerichtsbescheid entschieden, da es bewusst von der ihm bekannten Rechtsprechung des BSG abgewichen ist (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 27. Mai 2010 – L 1 R 225/09). Jedoch ist das im Berufungsverfahren geäußerte Interesse des Klägers an einer möglichst zeitnahen Erledigung des Rechtsstreits höher zu gewichten als die Nachteile durch den Verlust einer Tatsacheninstanz, zumal die Sache entscheidungsreif ist.

Die Berufung ist unbegründet, weil die angefochtene Verwaltungsentscheidung rechtmäßig ist und den Kläger nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert. Das SG hat die dagegen gerichtete Klage deshalb zu Recht abgewiesen.

Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass gem. § 8 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 und § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG Zugehörigkeitszeiten zu einem Zusatzversorgungssystem festgestellt werden. Er unterfällt nicht dem Geltungsbereich des § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG, weil er weder tatsächlich noch im Wege der Unterstellung dem Zusatzvorsorgungssystem Nr. 4 der Anlage 1 zum AAÜG angehörte.

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind. Der Kreis der potentiell vom AAÜG erfassten Personen umfasst diejenigen Personen, die entweder (1.) durch einen nach Art. 19 Einigungsvertrag (EVertr) bindend gebliebenen Verwaltungsakt der DDR oder einer ihrer Untergliederungen oder (2.) später durch eine Rehabilitierungsentscheidung oder (3.) nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EVertr (wieder) in ein Versorgungssystem einbezogen waren (BSG, Urteil vom 9. April 2002 – B 4 RA 31/01 R – SozR 3-8570 § 1 AAÜG Nr. 2, S. 11).

Der Kläger erfüllt keine dieser Voraussetzungen. Weder ist ihm von Organen der DDR eine Versorgung zugesagt worden noch ist er aufgrund einer Rehabilitierungsentscheidung in ein Versorgungssystem einbezogen worden. Auch ein rechtsstaatswidriger Entzug einer Versorgungsanwartschaft hat in seinem Falle nicht stattgefunden.

Im Ergebnis kommt es nicht darauf an, dass der Senat nicht der Rechtsprechung des früheren 4. Senats des BSG folgt, wonach die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG auch im Wege der Unterstellung vorliegen kann (siehe unter I.), da auch die dafür vom BSG aufgestellten Voraussetzungen nicht vorliegen (II.).

I.

Der Senat ist zum Einen nicht der Auffassung, dass das AAÜG den Kreis der "potenziell vom AAÜG ab 1. August 1991 erfassten" Personen erweitert und das Neueinbeziehungsverbot modifiziert hat (so aber BSG, Urteil vom 9. April 2002 – B 4 RA 31/01 R – SozR 3-8570 § 1 AAÜG Nr. 2, S. 12). Erst diese Annahme führt jedoch zu einer vom BSG behaupteten Ungleichbehandlung ("Wertungswiderspruch"), die durch eine verfassungskonforme Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG zu korrigieren sei. Zum Anderen ist der Senat der Ansicht, dass, wenn die Annahme des BSG tatsächlich zutreffen sollte und mit dem AAÜG der einbezogene Personenkreis erweitert worden ist, zumindest keine verfassungskonforme Auslegung erforderlich ist, da die behauptete Ungleichbehandlung zu rechtfertigen wäre. Im Übrigen hätte das BSG wegen des von ihm unterstellten "Wertungswiderspruchs" keine erweiternde Auslegung vornehmen dürfen, sondern eine konkrete Normenkontrolle an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) veranlassen müssen. Denn die vom BSG vorgenommene Rechtsfortbildung überschreitet nach Auffassung des erkennenden Senats die sich aus Art. 20 Abs. 2 und 3 GG ergebenden Grenzen der richterlichen Entscheidungsbefugnis, weil der eindeutige Wortlaut des § 1 Abs. 1 AAÜG die vom BSG vorgenommene Interpretation nicht hergibt. Es ist deshalb schon nicht möglich, die bei einem unklaren oder nicht eindeutigen Wortlaut heranzuziehenden einschlägigen Auslegungskriterien anzuwenden (BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 10 EG 1/08 R – juris, Rdnr. 19). Auch für eine richterliche Rechtsfortbildung im Wege der Analogie fehlt es – wie noch auszuführen sein wird – an der erforderlichen Regelungslücke.

In den Gesetzesmaterialien findet sich kein Hinweis dafür, dass durch das AAÜG außer den Personen, die durch einen nach Art. 19 EVertr bindend gebliebenen Verwaltungsakt der DDR oder einer ihrer Untergliederungen oder später durch eine Rehabilitierungsentscheidung oder nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EVertr (wieder) in ein Versorgungssystem einbezogen worden waren (BSG, Urteil vom 9. April 2002 – B 4 RA 31/01 R – a.a.O., S. 11), weitere Personen einbezogen werden sollten (siehe BTDrs. 12/405, S. 113, 146; BTDrs. 12/786, S. 139; II A, IV A; BTDrs. 12/826, S. 4, 5, 10, 11, 21). Vielmehr wird in den Gesetzesmaterialien immer auf den EVertr Bezug genommen. Zwar wird dann ausgeführt, dass die Einhaltung der Vorgaben des EVertr zu nicht sachgerechten und zu nicht nur sozialpolitisch unvertretbaren Ergebnissen führen müsste und sich deshalb die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung ergebe (BTDrs. 12/405, S. 113). Aus der weiteren Gesetzesbegründung ist jedoch ohne Schwierigkeiten ablesbar, dass sich diese Regelungen auf die Bereiche der Rentenberechnung, Leistungsbegrenzung, Abschmelzung laufender Leistungen, des Besitzschutzes bei der Neufeststellung von Leistungen, der Auszahlungen von Leistungen, eines Vorbehaltes der Einzelüberprüfung und der Kostenerstattung durch den Bund beziehen (a.a.O., S. 113, 114). Nicht angesprochen ist hingegen eine Ausweitung des erfassten Personenkreises. Auch bei der Begründung des § 1 AAÜG wird ausgeführt, dass diese Vorschrift den Geltungsbereich der nach dem EVertr vorgeschriebenen Überführung (und gerade keine darüber hinausgehende) festlegt (BTDrs. 12/405, S. 146).

Auch überzeugt den Senat nicht, dass aus dem Wortlaut von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG auf eine Modifizierung des Verbots der Neueinbeziehung zu schließen sei (BSG, Urteil vom 9. April 2002 – B 4 RA 31/01 R – a.a.O., S. 12). In den Gesetzesmaterialien findet sich nämlich kein Anhaltspunkt für die vom BSG vorgenommene Unterscheidung zwischen "Einbeziehung in ein Versorgungssystem" und der "Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem". Der Gesetzgeber benutzt im Gegenteil auch zur Beschreibung des Personenkreises des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, der auch nach Ansicht des BSG konkret einbezogen war (BSG, a.a.O., S. 12), den Terminus "Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem" (BTDrs. 12/826, S. 21) und nicht etwa "Einbeziehung in ein Versorgungssystem".

Der Gesetzgeber ging auch, soweit erkennbar, nicht davon aus, dass die in § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG angesprochene Personengruppe eine Erweiterung der "potenziell vom AAÜG ab 1. August 1991 erfassten" Personen darstellt. Ursprünglich war Satz 2 in der Gesetzesvorlage nicht enthalten (BTDrs. 12/405, S. 77). Erst in den Ausschussberatungen wurde dann die Anfügung des Satzes 2 empfohlen (BTDrs. 12/786, S. 139). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass diese Anfügung nur eine Klarstellung bedeute (BTDrs. 12/826, S. 21). Der Gesetzgeber nahm also an, dass diese Personengruppe ohnehin von Satz 1 und vom Überführungsauftrag des EVertr umfasst ist.

Auch mit einer verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG (über den Wortlaut hinaus) lässt sich ein Anspruch auf eine fiktive Einbeziehung nicht begründen (so aber BSG, Urteil vom 9. April 2002 – B 4 RA 31/01 R – a.a.O., S. 12).

Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist jedoch nicht jede Differenzierung ausgeschlossen. Das Grundrecht wird indes verletzt, wenn eine Gruppe von Rechtsanwendungsbetroffenen anders als eine andere behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (z.B. BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 2005 – 1 BvR 1921/04 u. a. – juris, Rdnr. 36).

Für den Senat ist bereits nicht nachvollziehbar, weshalb das BSG der Personengruppe des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, also der Personen, die irgendwann vor dem 30. Juni 1990 (aber nicht am 30. Juni 1990) konkret einbezogen waren (BSG, a.a.O.), die Personengruppe gegenüberstellt, die nie konkret einbezogen war, aber zumindest am 30. Juni 1990 nach den Regeln der Versorgungssysteme alle Voraussetzungen für die Einbeziehung an diesem Stichtag erfüllt hatte. Verfassungsrechtlich relevant ist nämlich nur die Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem (z. B. BVerfG, Beschluss vom 13. März 2007 – 1 BvF 1/05 – juris, Rdnr. 89). Hier unterscheiden sich jedoch die Tatbestände in wesentlichen Gesichtspunkten. § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG knüpft nämlich an ein in der Vergangenheit verliehenes Versorgungsprivileg an, welches ein Bedürfnis nach der im AAÜG vorgesehenen Sonderprüfung der Rentenwirksamkeit erzielter Arbeitsentgelte anzeigt. Bei Personen, die nie in ein Zusatzversorgungssystem einbezogen waren, besteht ein solches Bedürfnis hingegen nicht.

Richtiger wäre es nach Ansicht des Senats ohnehin, der Personengruppe des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG als Vergleichsgruppe die Personen gegenüberzustellen, die nicht konkret einbezogen waren, irgendwann vor dem – aber nicht am – 30. Juni 1990 jedoch alle Voraussetzungen für die Einbeziehung erfüllt hatten.

Das Bundesverfassungsgericht führt zum Vergleich dieser Personengruppen aus (Beschluss vom 26. Oktober 2005, a.a.O., Rdnr. 45):

"Der von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG erfasste Personenkreis hat seine Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem als Folge eines Ausscheidens vor dem Leistungsfall verloren. Es bestanden also zunächst nach dem Recht der Deutschen Demokratischen Republik rechtlich gesicherte Anwartschaften. Diese wollte der gesamtdeutsche Gesetzgeber erhalten (vgl. BTDrs. 12/826, S. 21). Der hier in Frage stehende Personenkreis (gemeint ist der Personenkreis, der irgendwann vor dem 30. Juni 1990, aber nicht am 30. Juni 1990 alle Voraussetzungen für die Einbeziehung erfüllt hatte) hatte dagegen solche Rechtspositionen im Recht der Deutschen Demokratischen Republik zu keinem Zeitpunkt inne. Für eine rechtlich gesicherte Verbesserung der Altersversorgung über die Leistungen der Sozialpflichtversicherung hinaus stand dem betroffenen Personenkreis im Rentenrecht der Deutschen Demokratischen Republik der Beitritt zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung offen, war dort allerdings - anders als in vielen Systemen der Zusatzversorgung - mit eigenen Beitragsleistungen verbunden. Es bestand daher keine verfassungsrechtliche Verpflichtung der gesamtdeutschen Gesetzgebung und Rechtsprechung, diesen Personenkreis den durch § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG begünstigten Personen gleichzustellen und insoweit die Grundentscheidung des Gesetzgebers abzuschwächen, eine Einbeziehung von Sozialpflichtversicherten in die Zusatzversorgungssysteme über den 30. Juni 1990 hinaus im Interesse einer schnellen Herbeiführung der rentenrechtlichen Renteneinheit zu untersagen."

Die gleichen Überlegungen gelten für einen Vergleich zwischen den von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG betroffenen Personen und denjenigen, die nach der Rechtsprechung des BSG vom fiktiven Anspruch profitieren sollen. Auch die fiktiv in den Anwendungsbereich des AAÜG Einbezogenen hatten zu Zeiten der DDR keine Rechtsposition inne, die ihnen einen Zugang zu einer zusätzlichen Altersversorgung aus einem Zusatzversorgungssystem ermöglicht hätte. Auch ihnen stand die Möglichkeit offen, der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung beizutreten. Diese Punkte lässt das BVerfG genügen, um eine Ungleichbehandlung mit den von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG erfassten Personen zu rechtfertigen. Dasselbe muss dann auch bei einem Vergleich der von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG erfassten Personen und den Personen gelten, die am 30. Juni 1990 die Voraussetzungen für die Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem erfüllt hatten.

Aus diesen Gründen liegt auch keine Gesetzeslücke vor, die möglicherweise im Wege einer Analogie zu schließen gewesen wäre.

Im Übrigen hat auch die Bundesregierung mehrfach betont, dass das AAÜG nach dem ursprünglichen Willen des Gesetzgebers nur anwendbar sein sollte, wenn eine ausdrückliche Versorgungszusage vorliegt (Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage, BTDrs. 16/11127 vom 28. November 2008; Antwort des Staatssekretärs im Bundesministerium für Arbeit und Soziales Franz-Josef Lersch-Mense auf eine Frage der Abgeordneten Dr. M. B. , BTDrs. 16/13916 vom 21. August 2009). Sie hat darauf hingewiesen, dass Verdienste oberhalb von 600 Mark für Beschäftigungszeiten ab März 1971 ohne Versorgungszusage wie bei allen übrigen Versicherten, die keinem Zusatz- oder Sonderversorgungssystem angehört haben, nur bei entsprechenden Beitragszahlungen zur FZR rentenrechtlich hätten berücksichtigt werden können. Dieser Hinweis der Bundesregierung auf die FZR ähnelt der soeben dargestellten Argumentation des Bundesverfassungsgerichts.

II.

Nach der Rechtsprechung des früheren 4. Senats des BSG haben auch alle diejenigen eine Versorgungsanwartschaft erworben, denen aus bundesrechtlicher Sicht nach den Gegebenheiten der DDR eine Anwartschaft auf eine Versorgung durch Einzelfallregelung am 30. Juni 1990 hätte eingeräumt werden müssen. Hierzu zählen diejenigen, die, wäre der Versorgungsfall zu diesem Zeitpunkt eingetreten, zum 1. Juli 1990 Leistungen aus dem Versorgungssystem hätten beanspruchen können.

Hiernach hatte der Kläger jedoch keinen fiktiven Anspruch auf eine Versorgungsanwartschaft nach der Rechtsprechung des BSG. Denn er war kein Angehöriger der wissenschaftlich tätigen Intelligenz im Sinne des hier nur in Frage kommenden § 2 Buchst. a) AVVO-Int. Hiernach galten als Angehörige der wissenschaftlich tätigen Intelligenz u. a. auch Cheflektoren.

Für den Senat ist nicht feststellbar, dass der Kläger am 30. Juni 1990 beim Urania-Verlag als Cheflektor eingestellt oder als solcher geführt worden war. Dies ergibt sich aus einer Gesamtwürdigung der Aktenlage und der Aussagen des Klägers. Von einer solchen Tätigkeit kann ausgegangen werden, wenn der Betreffende arbeitsrechtliche Unterlagen vorlegen kann, aus denen sich zweifelsfrei ergibt, dass er als Cheflektor eingestellt worden ist und diese arbeitsvertragliche Abrede auch noch am 30. Juni 1990 bestanden hat (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 18. November 2009, L 1 R 443/06 zur Tätigkeit des Konstrukteurs, vgl. BSG, Urteil vom 23. August 2007 – B 4 RS 1/06 R – juris).

Nach dem Sozialversicherungsausweis war der Kläger am 30. Juni 1990 als Bereichsleiter und Lektor, aber eben nicht als Cheflektor im Urania-Verlag eingestellt und geführt. Gemäß § 286c Sechstes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) beinhalten Eintragungen im Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung eine Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit. Diese Vermutung hat der Kläger zur Gewissheit des Senats nicht widerlegen können. Seinen letzten Arbeitsvertrag vor dem 30. Juni 1990 konnte er nicht mehr vorlegen. Dass der Amtsvorgänger im Ziemsen-Verlag in einer Zeitschrift als Cheflektor benannt wurde (Zeitschrift "Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt", Jahrgang 40, Heft 1, Seite 38), widerlegt die Vermutung nicht. Es kann offen bleiben, ob aus dieser einzelnen Fundstelle überhaupt auf die arbeitsvertragliche Stellung des Amtsvorgängers geschlossen werden kann. Jedenfalls kann der Senat daraus nicht die vom Kläger begehrte Feststellung ableiten, dass dieser von seinem Arbeitgeber als Cheflektor eingestellt oder als solcher geführt worden war. Auch aus den Angaben des Klägers in der öffentlichen Sitzung des SG vom 15. Juli 2004 wie aus den weiteren Äußerungen des Klägers dahingehend, dass er seine Rolle als diejenige eines Cheflektors verstanden hat, lässt sich nichts anderes ableiten. Maßgeblich ist insoweit die Berufsbezeichnung in den arbeitsrechtlichen Unterlagen. Es hätte nach Auffassung des Senats auch nahegelegen, den Kläger als Cheflektor und nicht als Bereichleiter / Lektor einzustellen, wenn eine Beschäftigung als Cheflektor beabsichtigt gewesen wäre. Schließlich lässt sich auch aus der schriftlichen Auskunft des ehemaligen Verlagsleiters Friedrich-Karl Künne vom 5. Juli 2004 nicht entnehmen, dass der Kläger als Cheflektor eingestellt oder als solcher geführt worden ist. Herr K. teilt vielmehr mit, dass der Kläger als Lektoratsleiter tätig war. Er habe damit alle jene Aufgabenbereiche ausgeführt, die das Arbeitsfeld eines Cheflektors ausmachen. Eine Einstellung des Klägers als Cheflektor ergibt sich hieraus jedoch gerade nicht.

Eine korrigierende Auslegung des § 2 Buchst. a) AVVO-Int dahingehend, dass nicht nur Cheflektoren erfasst waren, sondern auch solche Lektoren, die die Aufgaben eines Cheflektors ausübten, kommt nicht in Betracht. Die Auslegung der abstraktgenerellen Regelungen des Versorgungsrechts hat sich strikt an deren Wortlaut zu orientieren. Einer erweiternden Auslegung steht das Analogieverbot entgegen (BSG, Beschluss vom 14. Februar 2008 - B 4 RS 133/07 B - juris, vgl. Urteil vom 10. April 2002 - B 4 RA 18/01 R - juris).

Die Entscheidung wird nicht dadurch zu Gunsten des Klägers beeinflusst, dass die Beklagte in gleichgelagerten Fällen Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung möglicherweise festgestellt hat. Darauf kann sich der Kläger selbst bei gleicher Sachlage nicht berufen. Denn auf eine rechtswidrige Verwaltungsentscheidung kann ein Dritter wegen der vorrangigen Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz (Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG) kein schutzwürdiges Vertrauen in dem Sinne gründen, dass bei gleicher Sachlage wiederum in gleicher (rechtswidriger) Weise entschieden werden müsste. Einen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht kennt die Rechtsordnung nicht (BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 1979 – 1 BvL 25/77BVerfGE 50, 142, 166).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen. Insbesondere weicht der Senat nicht in entscheidungserheblicher Weise von der Rechtsprechung des BSG ab.
Rechtskraft
Aus
Saved