L 3 R 209/10 B ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 24 R 594/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 3 R 209/10 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 13. August 2010 aufgehoben und der Antrag der Antragstellerin insgesamt abgelehnt.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen. Den Beigeladenen sind Kosten nicht zu erstatten.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 1.267,08 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Nachforderung von Sozialversicherungs- und Umlagebeiträgen für die Geschäftsführertätigkeit des Beigeladenen zu 1.

Die Antragstellerin, im Folgenden Ast., ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), für die der Beigeladene zu 1. nach Vertrag vom 8. Februar 1999 als Fremdgeschäftsführer bestellt worden war. Nach dem mit der Ast. - vertreten durch ihre Gesellschafter - ebenfalls am 8. Februar 1999 geschlossenen Honorarvertrag erhielt der Beigeladene zu 1. ab dem Tag des Vertragsabschlusses für die Dauer seiner Geschäftsführertätigkeit einen monatlichen "Grundbezug" in Höhe von 1.500 DM mit einer Fälligkeit des Honorars jeweils zum 15. des Folgemonats.

Die Antragsgegnerin, im Folgenden Ag., führte an zwei Tagen im Juli und August 2002 eine Betriebsprüfung bei der Ast. für den Zeitraum ab dem 1. Januar 1998 durch. Im Rahmen der Anhörung während der Schlussbesprechung am 6. August 2002 wurden u.a. fehlerhafte Nachweise für Sozialversicherungs- und Umlagebeiträge beanstandet; hinsichtlich der Beurteilung einer Versicherungspflicht bzw. -freiheit für den Beigeladenen zu 1. und den für die Ast. vom 1. November 2000 bis zum 31. November 2001 tätigen Geschäftsführer ergehe ein gesonderter Bescheid. Die Ag. stellte die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. nachfolgend bestandskräftig fest (Bescheid vom 19. Februar 2003, Widerspruchsbescheid vom 3. Februar 2004). In dem als "Folgebe-scheid" bezeichneten Bescheid vom 23. April 2004 stellte die Ag. für den Zeitraum vom 9. Juli 1998 bis zum 30. Juni 2002 eine Beitragsnachforderung in Höhe von insgesamt 10.526,37 EUR fest. Die Gesamtsozialversicherungsbeiträge würden für die gesamte Dauer der Beschäftigungsverhältnisse der beiden versicherungspflichtigen Geschäftsführer nachberechnet. Dem lagen in Bezug auf den Beigeladenen zu 1. folgende Beträge zugrunde: Zeitraum Arbeitsentgelt Umlage Beiträge 08.02. - 31.03.1999 2.650 EUR 1,36 EUR 565,02 EUR 01.04. - 31.12.1999 13.500 EUR 6,90 EUR 2.823,10 EUR 01.01. - 31.10.2000 15.000 EUR 11,96 EUR 3.121,44 EUR Summe: 31.150 EUR 20,22 EUR 6.509,56 EUR

Die Ast. legte am 24. Mai 2004 Widerspruch gegen diesen Bescheid ein. Der Beigeladene zu 1. habe nur von Februar bis September 1999 ein monatliches Entgelt in Höhe von 1.500 EUR (bis Mai 1999 in bar) erhalten. Für die "nicht gezahlten Zeiträume" sei Verzicht erklärt worden. Sie nahm insoweit Bezug auf eine in Kopie übersandte - nur von dem Beigeladenen zu 1. als Geschäftsführer unterzeichnete - "Verzichtserklärung" vom 3. Juni 2000 mit folgendem Wortlaut: "Ich, Herr K. –H. H. , wohnhaft [ ...] Geschäftsführer der Firma Garten- und Landschaftsbau M. GmbH, erkläre hiermit auf mein vertraglich verein-bartes Honorar zu verzichten. Der Verzicht beschränkt sich auf der noch ausstehenden Honorarzahlung für Dezember 1999 und das laufende Jahr 2000."

Im Übrigen sei auch der Beitragsnachforderung für den anderen Geschäftsführer Arbeitsentgelt in unzutreffender Höhe zugrunde gelegt worden.

Die Ag. setzte den Vollzug der Beitragsforderung bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens aus (Schreiben vom 24. August 2004). Mit Bescheid vom 30. September 2004 half die Ag. dem Widerspruch teilweise mit einer verbleibenden Gesamtbeitragsnachforderung in Höhe von 8.014,77 EUR ab. Die Beitragsberechnung für den Beigeladenen zu 1. sei auf der Grundlage eines Arbeitsentgeltes von monatlich 1.500 EUR bis einschließlich Juni 2000 erfolgt. Da der nachgereichte Gehaltsverzicht das Datum vom 3. Juni 2000 trage, sei dieser als rückwirkender Gehaltsverzicht bis einschließlich Dezember 1999 nicht zulässig. Nach der Anlage zum Bescheid berücksichtigte sie in Bezug auf den Beigeladenen zu 1. nun folgende Berechnungsgrundlagen: Zeitraum Arbeitsentgelt Umlage Beiträge 08.02. - 31.03.1999 3.000 EUR 1,53 EUR 639,63 EUR 01.04. - 31.12.1999 13.500 EUR 6,91 EUR 2.823,10 EUR 01.01. - 30.06.2000 9.000 EUR 6,44 EUR 1.872,86 EUR Summe: 25.500 EUR 14,88 EUR 5.335,59 EUR

Die Ast. hielt den Widerspruch im Übrigen aufrecht. In Bezug auf den Beigeladenen zu 1. führte sie ergänzend aus, dieser sei an der Ast. zu keiner Zeit beteiligt gewesen. Mangels einer die Gesellschaft beherrschenden Stellung des Beigeladenen zu 1. bestehe auch kein Verbot für dessen rückwirkenden Gehaltverzicht. Im Übrigen habe das unter dem 3. Juni 2000 verfasste Schriftstück "lediglich noch einmal zur beidersei-tigen schriftlichen Klarstellung der bereits mündlich, monatlich getroffenen Verzichtserklärung" gedient. Dies erscheine auch vor dem Hintergrund logisch, dass der Beigeladene zu 1. über die finanzielle und auftragspezifische Situation der Ast. bestens informiert gewesen sei und als "Nur-Geschäftsführer" wohl ansonsten seinen Gehaltsanspruch zivilrechtlich geltend gemacht hätte.

In einem weiteren Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Halle (S 10 RJ 192/04) vereinbarten die Beteiligten am 22. Februar 2006 im Rahmen eines Vergleichs eine Versicherungsfreiheit des ab dem 1. November 2000 für die Ast. tätigen Geschäftsführers in der Krankenversicherung und einer darauf beruhenden Versicherungspflicht in der Pflege-versicherung mit einer Beschränkung der insoweit nachzuentrichtenden Beiträge. In Ausführung dieses Vergleichs half die Ag. dem Widerspruch mit Bescheiden vom 10. Juli 2006 und 5. Mai 2008 weitergehend mit einer zunächst auf 6.991,32 EUR und dann auf 6.709,17 EUR reduzierten Gesamtbeitragsforderung ab. Die Ag. berücksichtigte nun für den Beigeladenen zu 1. einen ab dem 4. Juni 2000 wirksamen Gehaltsverzicht. Die Berechnungsgrundlagen in Bezug auf den Beigeladenen zu 1. änderten sich wie folgt: Zeitraum Arbeitsentgelt Umlage Beiträge 08.02. - 31.03.1999 3.000 EUR 1,53 EUR 639,63 EUR 01.04. - 31.12.1999 13.500 EUR 6,91 EUR 2.823,10 EUR 01.01. - 03.06.2000 7.650 EUR 5,20 EUR 1.591,95 EUR Summe: 24.150 EUR 13,64 EUR 5.054,68 EUR

Die Ag. wies den Widerspruch, soweit sie diesem nicht abgeholfen hatte, mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juli 2008 zurück. Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung seien auch für geschuldetes und bei Fälligkeit noch nicht gezahltes laufendes Arbeitsentgelt zu entrichten. Auf die zivilrechtliche Durchsetzbarkeit des Zahlungsanspruchs komme es insoweit nicht an. Der Beigeladene zu 1. habe auf das geschuldete Arbeitsentgelt erst ab dem 4. Juni 2000 wirksam verzichtet. Ein Verzicht auf Arbeitsentgelt müsse kumulativ arbeitsrechtlich zulässig, nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 des Gesetzes über den Nachweis der für ein Arbeitsverhältnis geltenden wesentlichen Bedingungen (Nachweisgesetz) schriftlich niedergelegt und nur auf künftig fällig werdende Arbeitsentgeltbestandteile gerichtet sein, um beitragsrechtlich berücksichtigt werden zu können. Durch eine rückwirkende Erklärung könne auf Arbeitsentgelt nicht mit der Folge einer Reduzierung der Beitragsforderung verzichtet werden, da der Beitragsanspruch in diesem Fall bereits entstanden sei.

Die Ast. hat am 13. August 2008 Klage vor dem Sozialgericht Halle (Verfahren S 24 R 557/08) erhoben und die Beitragsnachforderung durch den Ag. angefochten. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, die Verzichtserklärung des Beigeladenen zu 1. sei nicht rückwirkend abgegeben worden. Mit dieser Erklärung habe er, der Beigeladene zu 1., lediglich den erklärten Verzicht noch einmal bestätigt, da das vor dem Verzicht erstellte Dokument nicht mehr auffindbar gewesen sei. Sie, die Ast., habe jedoch "vor dem Verzicht" des Beigeladenen zu 1. (im Dezember 1999) die drei kumulativ erforderlichen Voraussetzungen für den Verzicht auf Arbeitsentgelt erfüllt, nämlich den arbeitsrechtlich zulässigen Verzicht auch schriftlich niedergelegt und zwar für den zukünftigen Zeitraum. Die Hauptgründe für diesen Verzicht hätten in der wirtschaftlich angespannten Situation des Unternehmens gelegen, die es dem Beigeladenen zu 1. nicht gestattet habe, seine Vergütung auszuzahlen. Nach dem Hinweis des Ag. auf die Diskrepanzen zwischen dem Vorbringen im Widerspruchs- und im Klageverfahren hat die Ast. ergänzend ausgeführt, es könne nicht mehr geklärt werden, weshalb im Rahmen des Widerspruchsverfahrens auf einen ursprünglich nur mündlich erklärten Gehaltsverzicht verwiesen worden sei.

Dem von der Ast. am 23. September 2008 gestellten Antrag auf "Aussetzung der sofortigen Vollziehung" hat die Ag. nicht entsprochen (Schreiben vom 24. September 2008). Die Beigeladene zu 2. als zuständige Einzugstelle verwies in Bezug auf eine Ratenzahlungsvereinbarung über die noch offenen Beiträge an das Hauptzollamt (Schreiben vom 27. Oktober 2008). Nachfolgend ist nach Angaben der Ast. ein Betrag von 3.600 EUR vollstreckt worden, dessen Zuordnung zu der hier noch streitigen Beitragsforderung nicht eindeutig erkennbar ist.

Die Ast. hat am 28. Mai 2010 bei dem Sozialgericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage beantragt. Die Fortsetzung der bereits angekündigten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen stelle für sie eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte dar. Sie habe regelmäßig über die Wintermonate schlechte Geschäftsumsätze, sodass es ihr nicht möglich sei, ein finanzielles "Polster" anzulegen. Bei einer Pfändung würden die anlaufenden Aufträge zum Erliegen kommen, weil es ihr dann nicht möglich sei, für die Material- und Arbeitskosten in Vorleistung zu treten. Folge wäre ihre "drohende Insolvenz".

Auf den an die Ag. gerichteten Hinweis des Sozialgerichts, die Ruhendstellung der Beitragsforderung während des laufenden Klageverfahrens sei sachdienlich, hat die Beigeladene zu 2. mitgeteilt, das Hauptzollamt angewiesen zu haben, die laufenden Zwangsvollschreckungsmaßnahmen gegenüber der Ast. ruhend zu stellen (Schreiben vom 4. August 2010).

In seinem am 13. August 2010 bei dem Sozialgericht eingegangenem Schriftsatz vom 10. August 2010 hat der Beigeladene zu 1. ausgeführt, er könne über den Vorgang keine Auskunft geben, "da er über 10 Jahre her" sei und er sich an die Einzelheiten nicht mehr erinnern könne.

Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 27. Juli 2010 die Beiladungen bewirkt sowie mit Beschluss vom 13. August 2010 die aufschiebende Wirkung der Klage vom 13. August 2008 gegen den Bescheid der Ag. vom 23. April 2008 (gemeint ist 23. April 2004) in der Fassung der Änderungsbescheide vom 10. Juli 2008 (gemeint ist 10. Juli 2006) und 5. Mai 2008 und des Widerspruchsbescheides vom 10. Juli 2008 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens angeordnet und den Antrag im Übrigen abgelehnt. Dabei ist das Sozialgericht von einer noch streitigen Beitragsforderung in Höhe von 6.709,17 EUR ausgegangen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung überwiege hier das private Interesse an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Vollziehung der angefochtenen Bescheide. Ob diese rechtmäßig seien, lasse sich anhand der bisher durchgeführten Ermittlungen noch nicht feststellen. Es sei lediglich bestandskräftig festgestellt, dass der Beigeladene zu 1. in seiner Tätigkeit für die Ast. versicherungspflichtig zur Sozial-versicherung gewesen sei. Gehalt sei dem Beigeladenen zu 1. aber nur bis einschließlich September 1999 gezahlt worden. Die Ag. habe es versäumt, im Rahmen ihrer Beitragsberechnung zu berücksichtigen, dass die Ast. geltend gemacht habe, dass einem von dem Beigeladenen zu 1. mit Schreiben vom 3. Juni 2000 erklärten Verzicht auf Zahlungen für die Vergangenheit auch mündliche Abreden über die Nichtzahlung des Gehalts vorausgegangen seien. Es sei hier nicht ganz unwahrscheinlich, dass das Arbeitsentgelt tatsächlich bereits zu einem früheren Zeitpunkt nicht mehr geschuldet gewesen sei und damit Sozialversicherungsbeiträge ab einem früheren Zeitpunkt nicht mehr zu erheben seien. Soweit die Vollziehung der Beitragsforderung bereits erfolgt sei, werde die Rückgängigmachung nicht angeordnet, da insoweit das private Interesse der Ast. nicht überwiege. Denn es stehe fest, dass der Beigeladene zu 1. versiche-rungspflichtig zur Sozialversicherung gewesen sei und für diesen Beiträge zumindest für den Zeitraum von Februar 1999 bis ca. September 1999 zu entrichten gewesen seien. Streit bestehe in erster Linie noch über die Frage, ob die Ast. dem Beigeladenen zu 1. für den Zeitraum von September 1999 bis Juni 2000 Entgelt geschuldet habe. Der genaue Zeitpunkt des Verzichts sei im Hauptsacheverfahren zu klären. Anhaltspunkte dafür, dass in Bezug auf die bereits erfolgte Vollstreckung durch die Beigeladene zu 2. eine unbillige Härte vorliege, bestünden nicht. Die Vollstreckung in Höhe von 3.600 EUR liege inzwischen mehr als ein Jahr zurück.

Die Ag. hat gegen den ihr am 16. August 2010 per Telefax übersandten und am 17. August 2010 als Ausfertigung zugestellten Beschluss des Sozialgerichts am 23. August 2010 Beschwerde bei dem Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, streitbefangen sei nur die Beitragsnachforderung für die versicherungspflichtige Beschäftigung des Beigeladenen zu 1. bei der Ast. vom 1. Dezember 1999 bis zum 3. Juni 2000. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide könnten nicht daraus abgeleitet werden, dass die Angaben im Vorverfahren nunmehr revidiert worden seien und "in eine für der Ast. günstigere Aussage `umgewandelt´ würden". Zumindest im Zeitpunkt des Bescheiderlasses seien die Beitragsforderungen rechtmäßig gewesen. Die Notwendigkeit einer umfangreichen Beweisaufnahme in der Hauptsache führe nicht zu ernstlichen Zweifeln im hier maßgebenden Sinne (Hinweis auf LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25. Oktober 2007 - L 5 B 2/07 R ER - juris). Dem rechtlichen Maßstab der überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Obsiegens in der Hauptsache werde es nicht gerecht, dass das Sozialgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt habe, es sei "nicht ganz unwahrscheinlich", dass auch ein mündlicher Gehaltsverzicht zu berücksichtigen sei. Für eine die Anordnung der aufschiebenden Wirkung rechtfertigende unbillige Härte genüge die pauschale Aussage, die Ast. verfüge über "kein finanzielles Polster", nicht als Begründung. Insoweit sei auch die Möglichkeit einer Ratenzahlungsvereinbarung mit der Beigeladenen zu 2. weiter aufzuklären gewesen. Ein Anordnungsgrund sei im Übrigen nach der Ruhendstellung der Beitrags-forderung durch das Hauptzollamt entfallen.

Die Ag. beantragt sinngemäß, den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 13. August 2010 aufzuheben und den Antrag der Ast. insgesamt abzulehnen.

Die Ast. beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verweist im Wesentlichen auf ihr Vorbringen in der ersten Instanz.

Die Beigeladenen haben im Beschwerdeverfahren nicht Stellung genommen und keinen Antrag gestellt.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten der Ag. Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung des Senats gewesen sind.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

Das Sozialgericht hat zu Unrecht die Voraussetzungen der Anordnung der aufschiebenden Wirkung für die Klage der Ast. gegen den Bescheid der Ag. vom 23. April 2004 in der Gestalt der Bescheide vom 30. September 2004, vom 10. Juli 2006, vom 5. Mai 2008 und des Widerspruchsbescheides vom 10. Juli 2008 bejaht.

Nach § 86a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung entfällt nach § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG u.a. bei einer Entscheidung über die Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. In den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 4 SGG durch Beschluss die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. In entsprechender Anwendung der Regelung in § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG liegen die Voraussetzungen der Anordnung der aufschiebenden Wirkung vor, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Die Voraussetzungen einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage liegen hier nicht vor.

Dabei legt der Senat den Antrag der Ast. dahin gehend aus, dass nur die aufschiebende Wirkung der Klage geltend gemacht wird, soweit die Beitragspflicht für das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis des Beigeladenen zu 1. im Streit steht. Dafür spricht insbesondere, dass sich die außergerichtlichen Einigungsversuche der Ast. ausschließlich auf die Beigeladene zu 2. als Einzugstelle bezogen haben. In Bezug auf den Geschäftsführer B. ist vor dem Sozialgericht in dem Verfahren S 10 RJ 192/04 bereits eine abschließende Regelung des Rechtsverhältnisses erfolgt, sodass für eine Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes kein Raum mehr ist.

Soweit die Bescheide der Ag. noch angefochten werden können, stellen sich diese bei summarischer Prüfung nicht als rechtswidrig dar.

Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit der von der Ag. festgestellten Verpflichtung der Ast., Beiträge für die versicherungspflichtige Beschäftigung des Beigeladenen zu 1. in der festgestellten Höhe zu entrichten, bestehen zurzeit nicht.

Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - SGB IV) sind Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. In der auf Grund der Ermächtigung in § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IV erlassenen Verordnung über die Bestimmung des Arbeitsentgelts in der Sozialversicherung (ArEV) mit Geltung für den Prüfzeitraum wird bestimmt, wie das Arbeitsentgelt zu ermitteln und zeitlich zuzurechnen ist. Arbeitsentgelt unterliegt der Beitragspflicht, wenn es geschuldet ist. Es wird insoweit in entsprechender Anwendung von § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts Bezug genommen.

Es steht derzeit nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit fest, dass ein wirksamer Entgeltverzicht zwischen der Ast. und dem Beigeladenen zu 1. erfolgt ist. Vielmehr sprechen die Umstände nach Aktenlage für eine Barauszahlung von Entgelt und einen behaupteten Entgeltverzicht zur Vermeidung von Steuern und Sozialabgaben.

Die Verzichtsvereinbarung müsste hier zu ihrer Wirksamkeit besonderen Anforderungen genügen. Nach § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kann ein Vertreter, soweit nicht ein anderes ihm gestattet ist, im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten ein Rechtsgeschäft nicht vornehmen, es sei denn, dass das Rechtsgeschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht. Der Beigeladene zu 1. war nach den nach § 10 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) maßgebenden Eintragungen im Handelsregister nicht befugt, für die Ast. Rechtsgeschäfte mit sich selbst oder mit sich als Vertreter Dritter abzuschließen. Da die Nichtvergütung der Tätigkeit eines nicht am Geschäftserfolg der Gesellschaft teilnehmenden Geschäftsführers Auswirkungen auf das Engagement zur Wahrnehmung der Belange der Gesellschaft haben kann, hängt die Wirksamkeit des Gehaltsverzichts davon ab, ob die Gesellschafter im Einzelnen einer entsprechenden Vereinbarung zugestimmt haben. Auch der Honorarvertrag vom 8. Februar 1999 ist für die Ast. von sämtlichen Gesellschaftern unterzeichnet worden. Das bloße Vorbringen mündlicher oder schriftlicher Abreden genügt zur Darlegung der an diesen Maßstäben zu konkretisierenden Willenserklärungen nicht, bestätigt aber, dass auch die Ast. für eine Verzichtsvereinbarung von der Notwendigkeit einer dem Beigeladenen zu 1. gegenüber abzugebenden Willenserklärung für die Gesellschaft ausgeht.

Das bisherige Vorbringen der Ast. ist auch widersprüchlich. Im Widerspruchsverfahren ist eine mündlich geschlossene Verzichtsvereinbarung behauptet worden. Nach dem Vorbringen im Klageverfahren soll eine solche Vereinbarung schriftlich (zu einem nicht konkret angegebenen Zeitpunkt) geschlossen worden sein. Dass dieses Dokument nicht mehr vorhanden ist, wenn es denn verfasst worden wäre, ist fern liegend. Insoweit bedarf ein Verlust vor dem Hintergrund der gesetzlichen Aufbewahrungspflichten besonderer Darlegungen, die bisher nicht erfolgt sind. Der Beigeladene zu 1. war nicht Gesellschafter der Ast., sodass die behauptete Rücksichtnahme auf die Belange des Unternehmens keine nachvollziehbare Grundlage hat. Eine anderweitige soziale Absicherung des Beigeladenen zu 1. ist bisher nicht vorgetragen worden, sodass mit dem vollständigen Entgeltverzicht für ihn nicht nur der Verlust von Einkommen aus altruistischen Gründen behauptet wird, sondern darüber hinaus die freiwillig übernommene Verpflichtung, sich gegen das Risiko der Krankheit etc. aus dem anderweitig vorhandenen Einkommen oder Vermögen abzusichern. Besondere Umstände, die einen solchen Sachverhalt plausibel machen könnten, sind während des seit April 2004 durch die Ag. betriebenen Verfahren nicht dargelegt worden. Nachvollziehbar wird der Geschehensablauf nur, wenn die fehlende soziale Absicherung für den Beigeladenen zu 1. durch die mit dem fingierten Verzicht auf Entgelt bewirkte fehlende Besteue-rungsgrundlage kompensiert wurde. Für eine solche Handhabung spricht u.a. die zumindest teilweise erfolgte Auszahlung des Gehalts in bar.

Auch eine nähere Aufklärbarkeit des Sachverhalts ist nicht wahrscheinlich. Der Beigeladene zu 1. hat bereits im Verfahren vor dem Sozialgericht schriftlich erklärt, sich an die den Streitgegenstand betreffenden Vorgänge nicht mehr erinnern zu können. Bereits die Beteiligtenstellung im Verfahren steht einer Zeugenvernehmung des Beigeladenen zu 1. in Bezug auf die ihn betreffenden Verhältnisse entgegen (vgl. hierzu Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Kommentar, § 75 RdNr. 17b). Bezüglich der Gesellschafter der Ast. sind bisher konkrete Rechtshandlungen, über die im Rahmen einer Zeugenvernehmung Beweis erhoben werden könnte, nicht vorgetragen worden.

Im Rahmen der Interessenabwägung überwiegt auch im Übrigen das öffentliche Vollzugsinteresse gegenüber dem Interesse der Ast. an der Herstellung der aufschiebenden Wirkung.

Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung kommt hier auch nicht deshalb in Betracht, weil die sofortige Zahlung der nachgeforderten Beiträge eine unbillige Härte für die Ast. darstellt.

Der Annahme einer unbilligen Härte steht hier nicht bereits entgegen, dass die zuständige Einzugstelle das Hauptzollamt angewiesen hat, den Forderungseinzug gegenüber der Ast. ruhend zu stellen. Denn diese Entscheidung ist im Zusammenhang mit der entsprechenden Aufforderung des Sozialgerichts zu sehen, der aber mit der durch den Senat vorgenommenen Bewertung der Rechtslage die Grundlage entzogen sein dürfte.

Der Senat ist aber nicht überzeugt, dass der Ast. bei einem entsprechenden Bemühen nicht die Möglichkeit einer Stundung der Beitragsforderung gegen Ratenzahlung, der sich die Ag. nicht entgegen stellt, offen stehen würde. Denn die Ast. ist vor der Anweisung zur Ruhendstellung des Forderungseinzugs mit Schreiben vom 27. Oktober 2008 in Bezug auf eine Ratenzahlungsvereinbarung über die noch offenen Beiträge an das Hauptzollamt verwiesen worden. Eine Existenzgefährdung auch durch - an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu orientierende - Raten bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache ist von der Ast. nicht vorgetragen worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 ff. Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Kosten sind den Beigeladenen nach § 162 Abs. 3 VwGO nicht zu erstatten.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG). Als Grundlage der Festsetzung hat der Senat ein Viertel der streitigen Beitragsforderung für die Beschäftigung des Beigeladenen zu 1. in Höhe von 5.068,32 EUR angesetzt (vgl. ständige Rspr. des erkennenden Senats: Be-schluss vom 14. Juli 2008 - L 3 B 16/08 R - nicht veröffentlicht; Beschlüsse vom 17. Mai 2010 - L 3 R 408/09 B ER - und - L 3 R 18/10 B ER - beide juris).

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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