L 5 AS 315/11 B

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 4 AS 1056/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 315/11 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin wendet sich gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau (SG), das ihren Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt hat.

Am 17. Februar 2011 beantragte die aus O. zugezogene Antragstellerin beim Antragsgegner Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Der Antragsgegner lehnte die Leistungsgewährung mit Bescheid vom 23. Februar 2011 ab, weil die Antragstellerin – so der Bescheid – nicht erwerbsfähig sei. Einen Antrag auf Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe (SGB XII) lehnte die Stadt D. -R. mit der Begründung ab, eine volle Erwerbsminderung der Antragstellerin stehe nicht fest. Einen daraufhin gestellten Überprüfungsantrag lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 9. Mai 2011 ab und führte zur Begründung aus, die Antragstellerin habe selbst bei Antragstellung angegeben, dass sie nur noch weniger als drei Stunden täglich erwerbsfähig sei und dass darüber ein Gutachten vorliege. Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin Widerspruch ein und stellte am 10. Juni 2011 einen erneuten Leistungsantrag nach dem SGB II.

Am 21. Juni 2011 hat sie bei dem SG einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sowie einen Antrag auf PKH gestellt. Sie hat beantragt, ihr "Leistungen nach dem SGB II ab dem 21.06.11 nach den gesetzlichen Vorschriften zu bewilligen", und vorgetragen, ihr Renteneinkommen iHv 439,72 EUR reiche nicht aus, um eine Wohnung anzumieten. Sie habe einen Leistungsanspruch, denn es stehe nicht positiv fest, dass sie erwerbsunfähig sei. Es sei auch ein Anordnungsgrund gegeben, denn ohne Leistungsbewilligung durch den Antragsgegner könne sie ihren Lebensunterhalt nicht sichern, insbesondere keine Wohnung anmieten. Sie sei bisher behelfsmäßig in der Wohnung ihrer Schwester untergekommen.

Mit Beschluss vom 24. Juni 2011 hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und den PKH-Antrag abgelehnt. Die Antragstellerin habe derzeit keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Ihren Regelbedarf iHv 364,00 EUR sowie einen möglicherweise bestehenden krankheitsbedingten Mehrbedarf könne sie aus ihrem nach § 11 SGB II voll anrechenbaren Renteneinkommen iHv 435,38 EUR decken. Ein möglicherweise in der Zukunft entstehender Unterkunftsbedarf sei nicht zu berücksichtigen, da nur "tatsächliche Aufwendungen" einen Leistungsanspruch auslösten. Das Gesetz sehe in § 22 Abs. 4 SGB II die Einholung einer Zustimmung des bisher zuständigen Leistungsträgers vor, wenn der Bezug einer Wohnung geplant sei. Der Antrag auf Erteilung einer Zusicherung müsse sich auf ein konkretes Wohnungsangebot beziehen. Die Rechtsverfolgung habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten.

Gegen den ihr am 28. Juni 2011 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 28. Juli 2011 Beschwerde eingelegt. Die Entscheidungen des SG seien rechtswidrig, denn sie habe einen über den Regelbedarf hinausgehenden Hilfebedarf in Form von Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU). Sie wolle dringend eine Wohnung anmieten. Dazu sei sie nur in der Lage, wenn sie eine Zusicherung vom Antragsgegner erhalte. Sie hätte – auf Hinweis – konkrete Wohnungsangebote vorlegen können. Aufgrund ihrer wirtschaftlichen Lage sei ihr jedoch der Abschluss eines Mietvertrags ohne vorherige Zusicherung des Antragsgegners nicht möglich und nicht zumutbar. Ihr gehe es im gerichtlichen Verfahren um die Feststellung, dass sie grundsätzlich einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II habe.

Die Beschwerde in der Sache (L 5 AS 314/11 B ER ) hat die Antragstellerin (einseitig) für erledigt erklärt, nachdem der Antragsgegner – nach Anmietung einer Wohnung durch die Antragstellerin zum 1. August 2011 – mit Bescheid vom 26. Juli 2011 für den Zeitraum vom 1. August bis zum 30. November 2011 Leistungen iHv 276,28 EUR monatlich bewilligt hatte. Zur Begründung der PKH-Beschwerde, die die Antragstellerin weiterführt, hat sie dargelegt, das SG habe ihren Hilfebedarf verkannt. Es hätte sie darauf hinweisen müssen, dass ein anderer Antrag zweckmäßiger sei. Spätestens nach Umstellung des Antrags hätte ihre Rechtsverfolgung Aussicht auf Erfolg gehabt. Der Antragsgegner habe ihr nur deshalb keine Zusicherung für die KdU erteilt, weil er fälschlich der Auffassung gewesen sei, sie sei auf Grund von Erwerbsunfähigkeit vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen. Diesen "Teufelskreis" habe sie nicht durchbrechen können, da es ihr nicht möglich gewesen sei, mit irgendwelchen Kosten in Vorleistung zu gehen. Sie habe ein Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellung eines SGB II-Leistungsanspruchs dem Grunde nach gehabt.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 24. Juni 2011 aufzuheben und ihr für das erstinstanzliche Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt S. aus D. –R. zu bewilligen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er bezieht sich zur Begründung auf die Ausführungen im angegriffenen Beschluss.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners ergänzend Bezug genommen. Die Unterlagen waren Gegenstand der Beratung des Senats.

II.

Die Beschwerde gegen den Beschluss des SG vom 24. Juni 2011 ist form- und fristgerecht erhoben gemäß § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Sie ist auch statthaft. Ihre Zulässigkeit folgt aus § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 127 Abs. 2 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO); die Regelungen sind durch das Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 444) mit Wirkung vom 1. April 2008 durch die Einführung von § 172 Abs. 3 Ziff. 2 SGG modifiziert worden. Seitdem ist die Beschwerde bei einem Wert des Beschwerdegegenstandes über 750,00 EUR nur noch zulässig, wenn PKH (auch) wegen mangelnder Erfolgsaussicht abgelehnt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr i.S.v. § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG im Streit sind. Die Beschwerde ist hingegen ausgeschlossen, wenn das Gericht in diesen Fällen ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen verneint.

Das SG hat PKH ausschließlich wegen mangelnder Erfolgsaussichten abgelehnt. Legt man wegen der erstinstanzlich ausdrücklich begehrten SGB II-Leistungen einen Monatsbetrag von 322,00 EUR (für KdU – wie im Bescheid vom 26. Juli 2011) für einen sechsmonatigen Regelbewilligungszeitraum zugrunde, ergibt sich ein den Beschwerdewert von 750,00 EUR übersteigender Betrag.

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, da das SG zu Recht die Bewilligung von PKH abgelehnt hat.

Nach § 73a Abs. 1 SGG iVm § 114 ff. ZPO ist auf Antrag PKH zu bewilligen, soweit der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dabei hat der Antragsteller gem. § 115 ZPO für die Prozessführung sein Einkommen und Vermögen einzusetzen, soweit ihm dies nicht auf Grund der dort genannten Tatbestände unzumutbar ist.

Als hinreichend sind die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels einzuschätzen, wenn der Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gewiss, eine Erfolgschance jedoch nicht unwahrscheinlich ist (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 13. März 1990, Az.: 1 BvR 94/88, NJW 1991 S. 413 f.). PKH kommt hingegen nicht in Betracht, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, die Erfolgschance nur eine entfernte ist (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 17. Februar 1998, Az.: B 13 RJ 83/97 R, SozR 3-1500 § 62 Nr. 19).

PKH war hier nicht zu bewilligen, da die Rechtsverfolgung der Antragstellerin im einstweiligen Anordnungsverfahren nach der vorzunehmenden summarischen Prüfung keine hinreichende Erfolgsaussicht hatte. Die Antragstellerin hatte weder im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des gerichtlichen Eilrechtsschutzes am 21. Juni 2011 noch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung am 24. Juni 2011 gegen den Antragsgegner einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Da sie tatsächlich zum damaligen Zeitpunkt keine Unterkunftskosten zu tragen hatte, war sie in der Lage, ihren Bedarf für den Lebensunterhalt (Regelleistung iHv 364,00 EUR) aus ihrem Renteneinkommen zu finanzieren und bedurfte keiner ergänzenden Sozialleistungen.

Gemäß § 22 Abs. 1 Satz SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Wie das SG im angegriffenen Beschluss zutreffend ausgeführt hat, muss es sich um einen aktuellen Bedarf handeln, d.h. gegenwärtig müssen den Leistungsberechtigten Kosten für eine Unterkunft treffen. In der Regel handelt es sich um Mietzinsen. Da die Antragstellerin jedoch keine eigene Wohnung angemietet und sie anderweitige Unterkunftskosten nicht geltend gemacht hatte, war sie keinen Forderungen zur Finanzierung ihrer Unterkunft ausgesetzt. Sie hatte daher keinen dahingehenden Leistungsanspruch gegen den Antragsgegner.

Erstinstanzlich hatte die anwaltlich vertretene Antragstellerin die Bewilligung von SGB II-Leistungen in gesetzlicher Höhe beantragt. Folgerichtig hat das SG seine Prüfung der Erfolgsaussichten im PKH-Verfahren an dem schriftsätzlich gestellten Antrag orientiert. Es bestand erstinstanzlich auch kein Anlass, der Antragstellerin eine andere Antragstellung zu empfehlen. Zwar hatte sie erklärt, keine Wohnung anmieten zu können, weil ihre finanziellen Mittel dazu nicht ausreichten. Jedoch war insoweit ein erfolgversprechender Antrag auf Gewährung des einstweiligen Rechtsschutzes nicht ersichtlich. Der im Beschwerdeverfahren ansatzweise formulierte Feststellungsantrag hätte keine Aussicht auf Erfolg gehabt. Einer denkbaren "vorläufigen Feststellung der Erwerbsfähigkeit" hätte die Unzulässigkeit der sog. Elementenfeststellungsklage entgegengestanden. Einer weiterhin denkbaren "Feststellung einer vorläufigen Leistungsverpflichtung dem Grunde nach bis zum Abschluss des Verfahren nach § 44a SGB II über die Feststellung der Erwerbsfähigkeit" hätte nicht zum Erfolg geführt, weil die Antragstellerin mangels tatsächlich anfallender KdU keinen Leistungsanspruch gegen den Antragsgegner hatte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist gem. § 177 SGG nicht mit der Beschwerde anfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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