Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 3 U 27/10
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 85/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob ein Unfallereignis als Arbeitsunfall nach Bundesrecht festzustellen ist.
Der 1955 geborene Kläger verunglückte am 18. Mai 1984 anlässlich eines Fußballspiels. Der Arbeitgeber des Klägers meldete den Unfall der Inspektion für Arbeits- und Produktionssicherheit als Arbeitsunfall und kennzeichnete ihn mit der Abkürzung "GT". Der Unfall wurde der Beklagten durch ein Erstattungsbegehren der Krankenkasse des Klägers am 20. Oktober 2009 bekannt. Dieser gegenüber hatte der Kläger mit Eingangsdatum vom 13. Juli 2009 die Prüfung zur Weiterleitung an die zuständige Berufsgenossenschaft beantragt.
In dem Parallelverfahren zum Az. , einen Unfall beim Fußballspiel vom 2. Juli 1984 betreffend, teilte die Nachfolgefirma der Arbeitgeberin schriftlich mit, sie könne keine weiteren Angaben machen. Mitarbeiter aus der damaligen Zeit, denen das Ereignis bekannt sei, seien dort nicht mehr beschäftigt. Lediglich der frühere Betriebsarzt sei noch bekannt.
Mit Schreiben vom 14. Januar 2010 teilte die Beklagte der Krankenkasse des Klägers unter Übersendung eines Doppels an den Kläger mit, ein Arbeitsunfall liege nicht vor. Nach § 215 Abs. 1 SGB VII gälten Arbeitsunfälle der Sozialversicherung im Beitrittsgebiet nur dann als Arbeitsunfälle im Sinne des Dritten Buches der RVO, wenn sie dem zuständigen Träger der Unfallversicherung bis zum 31. Dezember 1993 bekannt geworden seien. Bei späterer Kenntnis komme es darauf an, ob der Unfall auch nach dem Dritten Buch der RVO zu entschädigen wäre.
Dagegen legte der Kläger am 11. Februar 2010 Widerspruch ein und meinte, die Unfallmeldung sei – 1984 – rechtzeitig erfolgt und liege der Beklagten vor.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18. März 2010 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück und führte aus, die Beklagte habe erst am 20. Oktober 2009 Kenntnis von dem 1984 anerkannten Arbeitsunfall erhalten. Der Unfall sei in der DDR auf der Grundlage von § 1 Abs. 1 der Zweiten Verordnung über die Erweiterung des Versicherungsschutzes bei Unfällen in Ausübung gesellschaftlicher, kultureller und sportlicher Tätigkeiten anerkannt worden. Die entsprechenden Unfälle seien jedoch nach dem Recht der Reichsversicherungsordnung nicht als Arbeitsunfälle anzuerkennen. Dies sei nach § 1150 Abs. 2 S. 2 RVO für Unfälle zu prüfen, die dem zuständigen Träger der Unfallversicherung der Bundesrepublik erst nach dem 31. Dezember 1993 bekannt geworden seien. Ein solcher Unfall wie der des Klägers unterliege nach § 8 SGB VII nicht dem Schutz der bundesdeutschen gesetzlichen Unfallversicherung. Den Bescheid übersandte die Beklagte auf dem Postwege.
Mit der am 19. April 2010 beim Sozialgericht Dessau-Roßlau eingegangenen Klage hat der Kläger sein Anliegen weiter verfolgt.
Mit Gerichtsbescheid vom 13. September 2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, nach § 1150 Abs. 2 S. 1 RVO gälten vor dem 1. Januar 1992 eingetretene Arbeitsunfälle im Sinne des im Beitrittsgebiet geltenden Rechts ohne weiteres als Arbeitsunfälle nach dem Dritten Buch der RVO. Würden sie dem für das Beitrittsgebiet zuständigen Träger der Unfallversicherung aber erst nach dem 31. Dezember 1993 bekannt, sei nach § 1150 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 RVO zusätzlich zu prüfen, ob sie auch nach der RVO zu entschädigen wären. Dieser Fall liege hier vor, weil der Arbeitsunfall einem nach Januar 1991 zuständigen Unfallversicherungsträger erst im Oktober 2009 bekannt geworden sei. Die Entschädigungsfähigkeit nach der RVO liege hier nicht vor, weil der Unfall sich bei organisierter gesellschaftlicher Tätigkeit in der DDR ereignet habe. Die Anerkennung sei in der DDR nur aufgrund der Zweiten Verordnung über die Erweiterung des Versicherungsschutzes bei Unfällen in Ausübung gesellschaftlicher, kultureller und sportlicher Tätigkeit erfolgt. Der Gerichtsbescheid ist dem Kläger am 17. September 2010 zugestellt worden.
Mit der am Montag, dem 18. Oktober 2010, eingegangenen Berufung vertritt der Kläger die Auffassung, die Unfallerstmeldung sei am 23. Mai 1984 erfolgt. Die Beklagte könne sich als Funktionsnachfolgerin insoweit nicht auf Unkenntnis berufen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 18. September 2010 und den Bescheid der Beklagten vom 14. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. März 2010 aufzuheben und
festzustellen, dass der Unfall vom 18. Mai 1984 ein Arbeitsunfall ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bleibt bei ihrer Ablehnung und der dafür abgegebenen Begründung.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung mit Schriftsätzen vom 17. Juni 2011 – der Kläger – und 29. Juni 2011 – die Beklagte – zugestimmt. Sie haben weiterhin einer Entscheidung allein durch den Berichterstatter – die Beklagte insoweit mit Schriftsatz vom 22. August 2011 – zugestimmt.
Die Akte der Beklagten bezüglich des Unfalls – Az. – hat bei der Entscheidung vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung hat keinen Erfolg.
Darüber konnte das Gericht nach § 155 Abs. 3, 4 SGG allein durch den Berichterstatter entscheiden, weil die Streitsache rechtlich und tatsächlich einfach ist. In rechtlicher Hinsicht ergibt sich dies daraus, dass die Streitfragen – soweit sie nicht ohnehin unmittelbar aus dem Gesetz zu beantworten sind – bereits Gegenstand der rechtlichen Klärung durch das Bundessozialgericht waren. In tatsächlicher Hinsicht ist zwar letztlich eine Würdigung der vorliegenden Beweismittel vorzunehmen. Diese ist aber einfach, wie auch daraus hervorgeht, dass darüber nicht gestritten wird.
Die Berufung ist nicht begründet, weil der Bescheid der Beklagten vom 14. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. März 2010 den Kläger nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG beschwert. Denn der Bescheid ist rechtmäßig. Die Beklagte hatte das Ereignis vom 18. Mai 1984 nicht als Arbeitsunfall nach Bundesrecht festzustellen.
Der Kläger hat mangels einer Versicherung in der Bundesrepublik Deutschland keinen Arbeitsunfall nach den dortigen Vorschriften erlitten. Die Rechtsfolge des § 1150 Abs. 2 S. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO – in der Fassung durch Gesetz vom 25. 7. 1991, BGBl. I S. 1606), wonach (auch) in der Deutschen Demokratischen Republik abgelaufene Unfälle als Arbeitsunfälle im Sinne des Dritten Buches der RVO gelten können, tritt für das Ereignis vom 3. Juli 1984 nicht ein. Darauf kommt es hier an, weil § 215 Abs. 1 S. 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches die weitere Anwendung der Vorschrift anordnet. Deren Rechtsfolge ist aber durch § 1150 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 RVO ausgeschlossen, wonach ein sachlich nicht weiter eingeschränkter Eintritt der Geltung als Arbeitsunfall daran gebunden ist, dass der Unfall vor dem 31. Dezember 1993 einem ab 1. Januar 1991 für das Beitrittsgebiet zuständigen Träger der Unfallversicherung bekannt geworden ist. Solche Kenntnis trat hier nicht ein, weil der Unfall einem bundesdeutschen, nach dem 1. Januar 1991 (überhaupt) für die Durchführung der gesetzlichen Unfallversicherung zuständigen Träger erstmals im Jahre 2009 in der Person der Beklagten bekannt geworden ist. Eine frühere anderweitige Mitteilung geht aus der Akte nicht hervor und wird vom Kläger nicht behauptet.
Der Meldestichtag ist nicht – wie der Kläger meint – dadurch gewahrt, dass der Unfall sofort nach den seinerzeit geltenden Vorschriften der DDR gemeldet worden ist. Auch wenn darüber ein Träger der Sozialversicherung der DDR Kenntnis von dem Unfall erhalten haben wird, handelt es sich dabei nicht um den im obigen Sinne zuständigen Träger. Dies folgt schon aus dem Text des § 1150 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 RVO, weil das Abstellen auf den Zuständigkeitsstichtag des 1. Januar 1991 gegenstandslos wäre, wenn über die Funktionsnachfolge zur Sozialversicherung beim FDGB jede frühere Zuständigkeit bei der Kenntnisnahme ausreichen würde (BSG, Urt. v. 19.12.00 – B 2 U 8/00 R – SozR 3-2200 § 1150 Nr. 4). Mit der Regelung erreicht der Gesetzgeber das legitime Ziel, nach Ablauf eines festen Übergangszeitraumes einen Überblick über Sonderlasten und deren Finanzierungsbedürfnisse zu ermöglichen. Diese fallen im Bereich der Vorschrift u. a. dadurch an, dass Leistungen zu erbringen sind, die weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft dem bundesdeutschen Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung unterlagen bzw. unterliegen. Der Zusammenhang zwischen der Meldefrist und der Finanzierung von Sonderlasten wird insbesondere an der Unschädlichkeitsvoraussetzung einer Fristversäumnis deutlich. Danach wirkt die Geltung als Arbeitsunfall nach der RVO auch ohne fristgerechte Kenntnis fort, wenn es sich – für den unterstellten Fall der Geltung der RVO – um einen auch nach dem Dritten Buch (der RVO) entschädigungsfähigen Unfall handelte.
Das Ziel eines zeitnahen Finanzierungsüberblicks war nicht ebenso dadurch zu erreichen, dass man an Unfallmeldungen an die Einrichtungen der DDR anknüpfte. Denn zur Wahrung einer begrenzten Auswertungsfrist hätten die Unfallmeldungen von Amts wegen aufgegriffen werden müssen und wäre zusätzlicher Verwaltungsaufwand auch in den Fällen verursacht worden, in denen sich mögliche Ansprüche – z. B. durch vollständige Ausheilung einer Unfallverletzung – erledigt hatten.
Ein nach der RVO zu entschädigender Unfall liegt hier nicht vor. Die Unfallmeldung des Betriebes knüpft an den Versicherungsschutz des § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Erweiterung des Versicherungsschutzes (ErwVO) bei Unfällen in Ausübung gesellschaftlicher, kultureller oder sportlicher Tätigkeiten vom 11.4.73 (GBl. der DDR I S. 199) an. Dies folgt für die Kennzeichnung "GT" aus § 6 Abs. 2 S. 2 ErwVO, wonach eine solche für die Fälle nach dieser VO vorzunehmen war. Einen vergleichbaren Versicherungstatbestand gab es im Dritten Buch der RVO nicht. Auch erfüllt das Fußballspiel sonst keinen Versicherungstatbestand der RVO, zumal dessen nähere Umstände nicht mitgeteilt und dazu auch keine Beweismittel ersichtlich sind.
Die Unfallmeldung durch den Betrieb weist auch nicht etwa darauf hin, dass der Kläger durch das Dritte Buch der RVO in § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO als auf Grund eines Arbeitsverhältnisses Beschäftigter versichert gewesen wäre. Vielmehr ist durch den Inhalt der Meldung die gegenteilige Vermutung begründet. Das Schaden bringende Fußballspiel kann nämlich nicht als Ausübung der Beschäftigung aus dem Arbeitsverhältnis des Klägers angesehen werden, weil der Unfall dann nicht als Unfall bei gesellschaftlicher Tätigkeit zu melden gewesen wäre. Entsprechende Unfälle "im Zusammenhang mit dem Arbeitsprozess" in Arbeitsrechtsverhältnissen waren nach §§ 15, 220 Abs. 1 S. 1 des Arbeitsgesetzbuches (AGB) vom 16.6.1977 (GBl. I S. 185) unmittelbar als Arbeitsunfälle einzuordnen. Demgegenüber waren die Fälle der ErwVO im Hinblick auf ihren gelösten Zusammenhang mit dem "Arbeitsprozess" nur wie Arbeitsunfälle zu behandeln und so zu melden, weil § 220 Abs. 3 S. 1 AGB sie den Arbeitsunfällen gleichstellte. Anzeichen für eine Fehlerhaftigkeit der hier vorgenommenen Meldung ergeben sich nicht; der Kläger hat solche auch nicht vorgetragen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG liegen nicht vor.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob ein Unfallereignis als Arbeitsunfall nach Bundesrecht festzustellen ist.
Der 1955 geborene Kläger verunglückte am 18. Mai 1984 anlässlich eines Fußballspiels. Der Arbeitgeber des Klägers meldete den Unfall der Inspektion für Arbeits- und Produktionssicherheit als Arbeitsunfall und kennzeichnete ihn mit der Abkürzung "GT". Der Unfall wurde der Beklagten durch ein Erstattungsbegehren der Krankenkasse des Klägers am 20. Oktober 2009 bekannt. Dieser gegenüber hatte der Kläger mit Eingangsdatum vom 13. Juli 2009 die Prüfung zur Weiterleitung an die zuständige Berufsgenossenschaft beantragt.
In dem Parallelverfahren zum Az. , einen Unfall beim Fußballspiel vom 2. Juli 1984 betreffend, teilte die Nachfolgefirma der Arbeitgeberin schriftlich mit, sie könne keine weiteren Angaben machen. Mitarbeiter aus der damaligen Zeit, denen das Ereignis bekannt sei, seien dort nicht mehr beschäftigt. Lediglich der frühere Betriebsarzt sei noch bekannt.
Mit Schreiben vom 14. Januar 2010 teilte die Beklagte der Krankenkasse des Klägers unter Übersendung eines Doppels an den Kläger mit, ein Arbeitsunfall liege nicht vor. Nach § 215 Abs. 1 SGB VII gälten Arbeitsunfälle der Sozialversicherung im Beitrittsgebiet nur dann als Arbeitsunfälle im Sinne des Dritten Buches der RVO, wenn sie dem zuständigen Träger der Unfallversicherung bis zum 31. Dezember 1993 bekannt geworden seien. Bei späterer Kenntnis komme es darauf an, ob der Unfall auch nach dem Dritten Buch der RVO zu entschädigen wäre.
Dagegen legte der Kläger am 11. Februar 2010 Widerspruch ein und meinte, die Unfallmeldung sei – 1984 – rechtzeitig erfolgt und liege der Beklagten vor.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18. März 2010 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück und führte aus, die Beklagte habe erst am 20. Oktober 2009 Kenntnis von dem 1984 anerkannten Arbeitsunfall erhalten. Der Unfall sei in der DDR auf der Grundlage von § 1 Abs. 1 der Zweiten Verordnung über die Erweiterung des Versicherungsschutzes bei Unfällen in Ausübung gesellschaftlicher, kultureller und sportlicher Tätigkeiten anerkannt worden. Die entsprechenden Unfälle seien jedoch nach dem Recht der Reichsversicherungsordnung nicht als Arbeitsunfälle anzuerkennen. Dies sei nach § 1150 Abs. 2 S. 2 RVO für Unfälle zu prüfen, die dem zuständigen Träger der Unfallversicherung der Bundesrepublik erst nach dem 31. Dezember 1993 bekannt geworden seien. Ein solcher Unfall wie der des Klägers unterliege nach § 8 SGB VII nicht dem Schutz der bundesdeutschen gesetzlichen Unfallversicherung. Den Bescheid übersandte die Beklagte auf dem Postwege.
Mit der am 19. April 2010 beim Sozialgericht Dessau-Roßlau eingegangenen Klage hat der Kläger sein Anliegen weiter verfolgt.
Mit Gerichtsbescheid vom 13. September 2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, nach § 1150 Abs. 2 S. 1 RVO gälten vor dem 1. Januar 1992 eingetretene Arbeitsunfälle im Sinne des im Beitrittsgebiet geltenden Rechts ohne weiteres als Arbeitsunfälle nach dem Dritten Buch der RVO. Würden sie dem für das Beitrittsgebiet zuständigen Träger der Unfallversicherung aber erst nach dem 31. Dezember 1993 bekannt, sei nach § 1150 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 RVO zusätzlich zu prüfen, ob sie auch nach der RVO zu entschädigen wären. Dieser Fall liege hier vor, weil der Arbeitsunfall einem nach Januar 1991 zuständigen Unfallversicherungsträger erst im Oktober 2009 bekannt geworden sei. Die Entschädigungsfähigkeit nach der RVO liege hier nicht vor, weil der Unfall sich bei organisierter gesellschaftlicher Tätigkeit in der DDR ereignet habe. Die Anerkennung sei in der DDR nur aufgrund der Zweiten Verordnung über die Erweiterung des Versicherungsschutzes bei Unfällen in Ausübung gesellschaftlicher, kultureller und sportlicher Tätigkeit erfolgt. Der Gerichtsbescheid ist dem Kläger am 17. September 2010 zugestellt worden.
Mit der am Montag, dem 18. Oktober 2010, eingegangenen Berufung vertritt der Kläger die Auffassung, die Unfallerstmeldung sei am 23. Mai 1984 erfolgt. Die Beklagte könne sich als Funktionsnachfolgerin insoweit nicht auf Unkenntnis berufen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 18. September 2010 und den Bescheid der Beklagten vom 14. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. März 2010 aufzuheben und
festzustellen, dass der Unfall vom 18. Mai 1984 ein Arbeitsunfall ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bleibt bei ihrer Ablehnung und der dafür abgegebenen Begründung.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung mit Schriftsätzen vom 17. Juni 2011 – der Kläger – und 29. Juni 2011 – die Beklagte – zugestimmt. Sie haben weiterhin einer Entscheidung allein durch den Berichterstatter – die Beklagte insoweit mit Schriftsatz vom 22. August 2011 – zugestimmt.
Die Akte der Beklagten bezüglich des Unfalls – Az. – hat bei der Entscheidung vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung hat keinen Erfolg.
Darüber konnte das Gericht nach § 155 Abs. 3, 4 SGG allein durch den Berichterstatter entscheiden, weil die Streitsache rechtlich und tatsächlich einfach ist. In rechtlicher Hinsicht ergibt sich dies daraus, dass die Streitfragen – soweit sie nicht ohnehin unmittelbar aus dem Gesetz zu beantworten sind – bereits Gegenstand der rechtlichen Klärung durch das Bundessozialgericht waren. In tatsächlicher Hinsicht ist zwar letztlich eine Würdigung der vorliegenden Beweismittel vorzunehmen. Diese ist aber einfach, wie auch daraus hervorgeht, dass darüber nicht gestritten wird.
Die Berufung ist nicht begründet, weil der Bescheid der Beklagten vom 14. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. März 2010 den Kläger nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG beschwert. Denn der Bescheid ist rechtmäßig. Die Beklagte hatte das Ereignis vom 18. Mai 1984 nicht als Arbeitsunfall nach Bundesrecht festzustellen.
Der Kläger hat mangels einer Versicherung in der Bundesrepublik Deutschland keinen Arbeitsunfall nach den dortigen Vorschriften erlitten. Die Rechtsfolge des § 1150 Abs. 2 S. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO – in der Fassung durch Gesetz vom 25. 7. 1991, BGBl. I S. 1606), wonach (auch) in der Deutschen Demokratischen Republik abgelaufene Unfälle als Arbeitsunfälle im Sinne des Dritten Buches der RVO gelten können, tritt für das Ereignis vom 3. Juli 1984 nicht ein. Darauf kommt es hier an, weil § 215 Abs. 1 S. 1 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches die weitere Anwendung der Vorschrift anordnet. Deren Rechtsfolge ist aber durch § 1150 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 RVO ausgeschlossen, wonach ein sachlich nicht weiter eingeschränkter Eintritt der Geltung als Arbeitsunfall daran gebunden ist, dass der Unfall vor dem 31. Dezember 1993 einem ab 1. Januar 1991 für das Beitrittsgebiet zuständigen Träger der Unfallversicherung bekannt geworden ist. Solche Kenntnis trat hier nicht ein, weil der Unfall einem bundesdeutschen, nach dem 1. Januar 1991 (überhaupt) für die Durchführung der gesetzlichen Unfallversicherung zuständigen Träger erstmals im Jahre 2009 in der Person der Beklagten bekannt geworden ist. Eine frühere anderweitige Mitteilung geht aus der Akte nicht hervor und wird vom Kläger nicht behauptet.
Der Meldestichtag ist nicht – wie der Kläger meint – dadurch gewahrt, dass der Unfall sofort nach den seinerzeit geltenden Vorschriften der DDR gemeldet worden ist. Auch wenn darüber ein Träger der Sozialversicherung der DDR Kenntnis von dem Unfall erhalten haben wird, handelt es sich dabei nicht um den im obigen Sinne zuständigen Träger. Dies folgt schon aus dem Text des § 1150 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 RVO, weil das Abstellen auf den Zuständigkeitsstichtag des 1. Januar 1991 gegenstandslos wäre, wenn über die Funktionsnachfolge zur Sozialversicherung beim FDGB jede frühere Zuständigkeit bei der Kenntnisnahme ausreichen würde (BSG, Urt. v. 19.12.00 – B 2 U 8/00 R – SozR 3-2200 § 1150 Nr. 4). Mit der Regelung erreicht der Gesetzgeber das legitime Ziel, nach Ablauf eines festen Übergangszeitraumes einen Überblick über Sonderlasten und deren Finanzierungsbedürfnisse zu ermöglichen. Diese fallen im Bereich der Vorschrift u. a. dadurch an, dass Leistungen zu erbringen sind, die weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft dem bundesdeutschen Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung unterlagen bzw. unterliegen. Der Zusammenhang zwischen der Meldefrist und der Finanzierung von Sonderlasten wird insbesondere an der Unschädlichkeitsvoraussetzung einer Fristversäumnis deutlich. Danach wirkt die Geltung als Arbeitsunfall nach der RVO auch ohne fristgerechte Kenntnis fort, wenn es sich – für den unterstellten Fall der Geltung der RVO – um einen auch nach dem Dritten Buch (der RVO) entschädigungsfähigen Unfall handelte.
Das Ziel eines zeitnahen Finanzierungsüberblicks war nicht ebenso dadurch zu erreichen, dass man an Unfallmeldungen an die Einrichtungen der DDR anknüpfte. Denn zur Wahrung einer begrenzten Auswertungsfrist hätten die Unfallmeldungen von Amts wegen aufgegriffen werden müssen und wäre zusätzlicher Verwaltungsaufwand auch in den Fällen verursacht worden, in denen sich mögliche Ansprüche – z. B. durch vollständige Ausheilung einer Unfallverletzung – erledigt hatten.
Ein nach der RVO zu entschädigender Unfall liegt hier nicht vor. Die Unfallmeldung des Betriebes knüpft an den Versicherungsschutz des § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Erweiterung des Versicherungsschutzes (ErwVO) bei Unfällen in Ausübung gesellschaftlicher, kultureller oder sportlicher Tätigkeiten vom 11.4.73 (GBl. der DDR I S. 199) an. Dies folgt für die Kennzeichnung "GT" aus § 6 Abs. 2 S. 2 ErwVO, wonach eine solche für die Fälle nach dieser VO vorzunehmen war. Einen vergleichbaren Versicherungstatbestand gab es im Dritten Buch der RVO nicht. Auch erfüllt das Fußballspiel sonst keinen Versicherungstatbestand der RVO, zumal dessen nähere Umstände nicht mitgeteilt und dazu auch keine Beweismittel ersichtlich sind.
Die Unfallmeldung durch den Betrieb weist auch nicht etwa darauf hin, dass der Kläger durch das Dritte Buch der RVO in § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO als auf Grund eines Arbeitsverhältnisses Beschäftigter versichert gewesen wäre. Vielmehr ist durch den Inhalt der Meldung die gegenteilige Vermutung begründet. Das Schaden bringende Fußballspiel kann nämlich nicht als Ausübung der Beschäftigung aus dem Arbeitsverhältnis des Klägers angesehen werden, weil der Unfall dann nicht als Unfall bei gesellschaftlicher Tätigkeit zu melden gewesen wäre. Entsprechende Unfälle "im Zusammenhang mit dem Arbeitsprozess" in Arbeitsrechtsverhältnissen waren nach §§ 15, 220 Abs. 1 S. 1 des Arbeitsgesetzbuches (AGB) vom 16.6.1977 (GBl. I S. 185) unmittelbar als Arbeitsunfälle einzuordnen. Demgegenüber waren die Fälle der ErwVO im Hinblick auf ihren gelösten Zusammenhang mit dem "Arbeitsprozess" nur wie Arbeitsunfälle zu behandeln und so zu melden, weil § 220 Abs. 3 S. 1 AGB sie den Arbeitsunfällen gleichstellte. Anzeichen für eine Fehlerhaftigkeit der hier vorgenommenen Meldung ergeben sich nicht; der Kläger hat solche auch nicht vorgetragen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
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