L 5 AS 128/11 B

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 8 AS 1347/10
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 128/11 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss vom 10. Februar 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen einen Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg, das ihren Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein sozialgerichtliches Klageverfahren abgelehnt hat.

Die am 1967 geborene Klägerin bezieht seit dem Jahr 2005 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Sie erzielt kein Erwerbseinkommen. Ausweislich der ihren jeweiligen Leistungsanträgen beigefügten ärztlichen Bescheinigungen des Dr. D. vom 25. Mai 2005 sowie der Dr. B. vom 11. Juni 2007, 29. Mai 2008 und 25. November 2008 ist sie an Morbus Crohn erkrankt. Es handele sich um eine chronische Erkrankung, die regelmäßige Behandlung sowie als Krankenkostform "Vollkost" erfordere. Die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland hatte mit Bescheid vom 3. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Juli 2009 eine beantragte Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) abgelehnt. Als Diagnosen waren u.a. genannt "chronisch entzündliche Darmerkrankung ohne derzeitig spezifische Therapie".

Der Beklagte berücksichtigte seit Beginn der Leistungsbewilligung einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung aus medizinischen Gründen. Mit Bescheid vom 10. Februar 2010 bewilligte er Leistungen für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2010, wiederum unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs i.H.v. 25,56 EUR/Monat.

In ihrem Widerspruch wendete sich die Klägerin u.a. gegen den Abzug von Kosten für die Warmwasserbereitung und begehrte die Berücksichtigung der Kosten für den Kabelanschluss, eines Pauschbetrags von 30,00 EUR sowie der Beiträge zur Kfz-Versicherung. Ferner sei der krankheitsbedingte Mehrbedarf nicht in voller Höhe anerkannt worden. Die Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V. (im Folgenden: Deutscher Verein) seien keine Rechtsnormen und keine antizipierten Sachverständigengutachten. Sie seien lediglich allgemeine Empfehlungen und könnten als Orientierungshilfe dienen. Sie entbänden aber nicht von der Ermittlungspflicht im Einzelfall, sobald von den Empfehlungen abweichende Bedarfe geltend gemacht würden. Mit Änderungsbescheiden vom 6. April 2010 erhöhte der Beklagte den Mehrbedarf für Ernährung auf 36,00 EUR/Monat (=10% der Regelleistung) für die Zeit 1. Juli bis 31. Dezember 2010 sowie vom 1. Januar bis 30. Juni 2010. Dagegen legte die Klägerin Widersprüche ein, die mit zwei Widerspruchsbescheiden vom 7. April 2010 zurückgewiesen wurden. Die Kosten für Unterkunft und Heizung würden i.H.v. 257,80/Monat übernommen. Ohne Einkommen könne auch keine Einkommensbereinigung um die Versicherungspauschale oder die Kfz-Haftpflichtversicherung erfolgen. Für die Erkrankung Morbus Crohn werde ein Mehrbedarf berücksichtigt. Besonderheiten, die eine darüber hinausgehende Krankenkostzulage rechtfertigten, seien nicht ersichtlich.

Gegen die Widerspruchsbescheide vom 7. April 2010 hat die Klägerin jeweils rechtzeitig Klage erhoben und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt (S 8 AS 1347/10 und 1357/10). Sie hat am 11. Juni 2010 die vollständig ausgefüllte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt. Das Sozialgericht hat die beiden Verfahren mit Beschluss vom 27. Juli 2010 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Die Klägerin hat zunächst die Anerkennung eines krankheitsbedingten Mehrbedarfs "in voller Höhe", die Anerkennung der Versicherungspauschale sowie der Kfz-Haftpflichtversicherung begehrt. Im Lauf des Klageverfahrens hat sie ihr Vorbringen vertieft, wonach eine Einzelfallprüfung vorzunehmen sei, wenn die Höhe des krankheitsbedingten Mehrbedarfs - wie hier - streitig sei. Aufgrund der Erkrankung werde ein Mehrbedarf i.H.v. 95,40 EUR/Monat benötigt. Die Kosten einer gesunden Ernährung hingen von der Art der Nahrungsmittel, dem Preis und der benötigten Menge ab. Der Lebensmittelbedarf werde anhand des Energiebedarfs ermittelt. Die Klägerin hat auf eine beigefügte "Expertise" über die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse hinsichtlich des täglichen Ernährungsbedarfs und der Veränderung des Energiebedarfes bei Krankheiten Bezug genommen, die keinen Urheber erkennen lässt. Danach lägen bei chronischen Krankheiten die Kosten für eine ausreichend gesunde Ernährung weit oberhalb dessen, was bewilligt worden sei. Schon bei einem gesunden Menschen betrügen diese 6,48 EUR/Tag; je nach Schweregrad der Erkrankung erhöhe sich dieser Betrag. Hier müsse von einem täglichen Energiemehrbedarf von 10% (= 7,12 EUR) ausgegangen werden. Ergänzend hat die Klägerin gerügt, mangels Aktualität könnten die Empfehlungen des Deutschen Vereins des Jahres 2008 nicht als antizipiertes Sachverständigengutachten, sondern nur als Orientierungshilfe verwendet werden. Sie stellten auch keine "allgemeinen Erfahrungswerte" dar. Bei der Kostenberechnung der "Vollkost" würden Aufwendungen für besondere Zubereitung und Lagerung nicht berücksichtigt. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 4. Oktober 2010 nur noch die Bewilligung eines krankheitsbedingten Mehrbedarfs i.H.v. 95,40 EUR/Monat begehrt. Ausführungen zu der Versicherungspauschale und der Kfz-Haftpflichtversicherung hat sie nicht mehr gemacht.

Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 10. Februar 2011 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Das Begehren biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolgt. Die Klägerin habe eine konkrete Berechnung ihres Mehrbedarfs weder vorgelegt noch zumindest angeboten. Ein Anspruch auf die Versicherungspauschale und die Kosten der Kfz-Haftpflichtversicherung sei gesetzlich nicht vorgesehen.

Gegen den ihr am 21. Februar 2011 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 17. März 2011 Beschwerde eingelegt und wiederum nur Ausführungen zur Erfolgsaussicht der Klage hinsichtlich des krankheitsbedingten Mehrbedarfs gemacht. Ergänzend trägt sie vor, die Entscheidung hänge entscheidend von der Rechtsfrage ab, ob es sich bei den Empfehlungen des Deutschen Vereins vom Oktober 2008 um ein antizipiertes Sachverständigengutachten handele, oder ob grundsätzlich eine Einzelfallprüfung vorzunehmen sei.

Auf den Hinweis des Senatsvorsitzenden auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 10. Mai 2011 (B 4 AS 100/10 R) hat die Klägerin keine Ausführungen gemacht.

Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,

den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 10. Februar 2011 aufzuheben und ihr für die Durchführung des erstinstanzlichen Verfahrens Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Bevollmächtigten zu bewilligen.

Der Beklagte hat Gelegenheit erhalten, zu der Beschwerde Stellung zu nehmen, davon jedoch keinen Gebrauch gemacht.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Verwaltungsvorgang des Beklagten sowie auf die Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.

II.

1.a. Die Beschwerde ist form- und fristgerecht gemäß § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegt worden.

b. Sie ist auch statthaft gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO). Nach Auffassung des Senats ist die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe nur dann zulässig, wenn in der Sache die Berufung zulässig wäre (vgl. zur Begründung im Einzelnen: Beschluss vom 20. Februar 2009, L 5 B 304/08, juris).

Für die Bestimmung des Beschwerdewerts i.S.v. § 127 Abs. 2 ZPO ist maßgeblich auf den Zeitpunkt des Vorliegens des vollständigen Prozesskostenhilfeantrags abzustellen. Zu diesem hätte das Sozialgericht pflichtgemäß über den damaligen vollständigen Streitgegenstand entscheiden müssen. Dieser bestimmt die von der Ablehnung des Prozesskostenhilfeantrags ausgehende Beschwer der Hauptsache. Nachträgliche Änderungen des Streitgegenstands sind – wie auch solche in den Erfolgsaussichten – nicht relevant.

Hier hat der vollständige Antrag auf Prozesskostenhilfe nebst der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse am 11. Juni 2010 vorgelegen. Die Klägerin hat erst mit Schriftsatz vom 4. Oktober 2010 wohl ihr Klagebegehren auf die Bewilligung eines krankheitsbedingten Mehrbedarfs i.H.v. 95,40 EUR/Monat beschränkt.

Der Wert des Streitgegenstands überstieg am 11. Juni 2010 den Betrag von 750,00 EUR. Die Klägerin hatte zunächst für den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Dezember 2010 um 59,40 EUR/Monat höhere Leistungen wegen eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs (= 712,80 EUR), ferner die Anerkennung einer Versicherungspauschale für diesen Zeitraum (= 360,00 EUR) sowie die Übernahme der Kosten für eine nicht bezifferte Kfz-Haftpflichtversicherung begehrt. Damit ist die Summe von 750,00 EUR überschritten.

2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, da das Sozialgericht zu Recht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren abgelehnt hat. Nach § 73a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) ist auf Antrag Prozesskostenhilfe zu bewilligen, soweit der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dabei hat der Antragsteller gemäß § 115 ZPO für die Prozessführung sein Einkommen und Vermögen einzusetzen, soweit ihm dies nicht aufgrund der dort genannten Tatbestände unzumutbar ist.

Als hinreichend sind die Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels einzuschätzen, wenn der Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gewiss, eine Erfolgschance jedoch nicht unwahrscheinlich ist (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 13. März 1990 - 1 BvR 94/88, NJW 1991, S. 413 f.). Prozesskostenhilfe kommt hingegen nicht in Betracht, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (BSG, Urteil vom 17. Februar 1998 - B 13 RJ 83/97 R, SozR 3-1500 § 62 Nr. 19). Hinreiche Erfolgsaussichten liegen grundsätzlich dann vor, wenn aufgrund des klägerischen Vorbringens im Rahmen der dem Sozialgericht obliegenden Amtsermittlungspflicht eine weitere Sachverhaltsaufklärung im Einzelfall notwendig ist.

a. Die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung kann nicht allein zulässiger Streitgegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein (vgl. BSG, Urteil vom 24. Februar 2011, B 14 AS 49/10 R (13)). Die Klägerin hat allerdings im bisherigen Verfahren hinsichtlich der bewilligten Kosten der Unterkunft und Heizung keine Einwände vorgebracht. Nach Durchsicht der Verwaltungsakte sind auch keine Berechnungsfehler ersichtlich.

b. Keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hatte das Begehren der Anerkennung eines Pauschbetrags sowie der Kfz-Haftpflichtversicherung. Nach § 11 Abs. 2 Nr. 3 SGB II und § 6 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Alg II-V) können diese Beträge nur von Einkommen abgesetzt werden. Wer wie die Klägerin kein Einkommen erzielt, hat keinen Anspruch auf eine Erhöhung seines Gesamtbedarfs in Höhe dieser Beträge.

c. Auch hinsichtlich des geltend gemachten Mehrbedarfs bestehen keine hinreichenden Erfolgsaussichten in dem oben genannten Sinn. Nach § 21 Abs. 5 SGB II in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Voraussetzung für dessen Gewährung ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer Erkrankung und der Notwendigkeit einer besonderen Kostform.

Der Senat kann offen lassen, ob die Empfehlungen des Deutschen Vereins antizipierte Sachverständigengutachten sind oder lediglich eine Orientierungshilfe darstellen. Denn unter keinem Gesichtspunkt ergibt sich daraus die erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg der Klage. Nach dem bisherigen Vorbringen der Klägerin besteht hier weder aufgrund der von den behandelnden Ärzten bestätigten Notwendigkeit einer Ernährung mit "Vollkost", noch wegen eines krankheitsbedingten erhöhten Energiebedarfs ein Anspruch auf Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung; auch drängen sich keine weitere Ermittlungen im Einzelfall von Amts wegen auf.

a.a. Bei der Klägerin liegt ausweislich der Atteste der behandelnden Ärzte eine entzündliche Darmerkrankung in Form eines Morbus Crohn vor. Der Krankheitsverlauf ist gemeinhin durch akute Krankheitsphasen, z.T. mit Arbeitsunfähigkeit sowie Phasen der Remission mit entweder kompletter Beschwerdefreiheit oder nur geringen Beschwerden gekennzeichnet. Je nach Entzündungsaktivität können aber auch Malabsorptionen mit Mangelernährung oder die Notwendigkeit einer enteralen und parenteralen Ernährung den Allgemein- und Ernährungszustand zusätzlich beeinträchtigen (Medizinische Begutachtung Innerer Krankheiten, herausgegeben von Marx und Klepzig, 7. Auflage, S. 376).

Dem entsprechend enthalten die Empfehlungen des Deutschen Vereins in der Fassung vom 1. Oktober 2008 unter Pkt. 4.2. die Einschätzung, dass (nur) bei schweren Verläufen entzündlicher Darmerkrankungen wie Morbus Crohn im Einzelfall ein erhöhter Ernährungsbedarf vorliegen kann. Die allgemein empfohlene Ernährungsform ist hingegen "Vollkost". Ein krankheitsbedingter Mehrbedarf soll also nur bei schweren Verläufen zu bejahen sein oder wenn besondere Umstände vorliegen, z.B. eine gestörte Nährstoffaufnahme. Nur für diese Fälle wird regelmäßig eine Krankenkostenzulage i.H.v. 10% des Eckregelsatzes empfohlen.

Die behandelnden Ärzte haben bislang übereinstimmend jeweils als Kostenform "Vollkost" und keine weiteren, speziellen Kostenformen für medizinisch erforderlich gehalten. Sie haben auch keine schwerwiegenden Verlaufsformen oder Phasen entzündlicher Aktivitäten beschrieben. Bei der von den Ärzten empfohlenen "Vollkost" handelt es nicht um Krankenkost i.S.v. § 21 Abs. 5 SGB II, sondern um eine Ernährungsweise, die auf das Leitbild des gesunden Menschen Bezug nimmt (BSG, Urteil vom 10. Mai 2011, B 4 AS 100/10 R (25)). Die Vollkost ist aus der Regelleistung zu bestreiten.

Das Sozialgericht ist hier nicht an die grundsätzliche Annahme des Beklagten von der Notwendigkeit eines Mehrbedarfs allein aufgrund der Diagnose Morbus gebunden. Vielmehr muss es selbst für den begehrten höheren Mehrbedarf die Notwendigkeit einer besonderen Kostform feststellen können.

b.b. Soweit die Klägerin rügt, mit den im Regelsatz vorgesehenen Beträgen sei eine gesunde Ernährung nicht möglich, folgt daraus ebenfalls nicht die erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg der Klage. Eine abweichende Bedarfsermittlung kommt nicht in Betracht. Bei der Ernährung handelt es sich um einen Grundbedarf, der von der Regelleistung des § 20 Abs. 1 SGB II gedeckt werden soll. Eine abweichende Festsetzung der Bedarfe, wie etwa in § 28 Abs. 1 Satz 2 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe (SBG XII), ist im System des SGB II nicht vorgesehen. Daher sind weder Lebensmittelkosten bei "gesunder" Ernährung, noch die von der Klägerin begehrte individuelle Ermittlung des Energiebedarfs im Rahmen der pauschalierten Regelleistung zu überprüfen (BSG, a.a.O., (30 f.)). Vielmehr ist es Sache der Klägerin, über die Verwendung der Regelleistung im Einzelnen zu bestimmen und einen gegenüber dem statistisch ermittelten Durchschnittsbetrag höheren Bedarf durch geringere Ausgaben in anderen Lebensbereichen auszugleichen.

Auch für eine über die Leistung des SGB II hinaus zu bewilligende Leistung in sonstigen Lebenslagen gemäß § 73 SGB XII besteht kein Raum. Bei der Ernährung mit "Vollkost" handelt es sich um einen typischen, innerhalb des SGB II zu befriedigenden Bedarf (BSG, a.a.O., (35)). Ein Härtefall i.S.v. § 21 Abs 6. SGB II in der Fassung vom 3. Juni 2010 kommt hier ebenfalls nicht in Betracht. Es handelt sich nicht um einen fortlaufenden atypischen Bedarf außerhalb der Regelleistung des § 20 SGB II (BSG, a.a.O., (36)).

c.c. Das Sozialgericht ist nach dem bisherigen Vorbringen der Klägerin auch nicht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht gehalten, quasi ins Blaue hinein weitere Ermittlungen durchzuführen oder zu prüfen, ob ein schwerer Verlauf der Krankheit oder besondere Umstände wie etwa eine entzündliche Aktivität oder gestörte Nährstoffaufnahme im streitigen Zeitraum vorgelegen haben könnten.

Zu Recht weist die Klägerin darauf hin, dass die Empfehlungen des Deutschen Vereins eine gegebenenfalls erforderliche Ermittlung im Einzelfall nicht ersetzen können. Eine solche ist aber nur dann erforderlich, sofern Besonderheiten, insbesondere von den Empfehlungen abweichende Bedarfe substantiiert geltend gemacht werden (BSG, a.a.O. (23)).

Hier hat die Klägerin zu keinem Zeitpunkt im Verwaltungsverfahren noch im bisherigen Klageverfahren dargelegt, weshalb bei ihr von den Empfehlungen abweichende Bedarfe - etwa wegen einer schweren Verlaufsform der Krankheit - vorliegen sollen. Erforderlich wäre insoweit gewesen, einen solchen zumindest substantiiert darzulegen (Zeiträume akuter Schübe, Gewichtsverluste, Durchfallfrequenzen, Nahrungsmittelunverträglichkeiten, benötigte Krankenkost im Einzelnen o.ä.). Die bisherigen Atteste der behandelnden Ärzte enthalten jedoch, wie ausgeführt, insoweit keinerlei Hinweise. Auch aus dem Widerspruchsbescheid der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschlang vom 2. Juli 2009 ergibt sich nichts anderes. Diese war seinerzeit von einer nicht erforderlichen spezifischen Therapie ausgegangen.

Gleiches gilt schließlich für die von der Klägerin im Klageverfahren vorgelegte "Expertise". Diese ist schon deshalb für die Annahme eines von dem Regelfall abweichenden Mehrbedarfs nicht geeignet, weil sie keinerlei Ausführungen zum individuellen Bedarf der Klägerin enthält. Es handelt sich vielmehr um allgemeine Ausführungen zu einer Vielzahl von Krankheitsbildern. Die Klägerin selbst hat ebenfalls nicht dargelegt, warum bei ihr ein Krankheitsfall mit einem Schweregrad, der einen von der Basisernährung abweichenden erhöhten Energiebedarf erfordern würde, bestehen soll.

Es kann daher dahin stehen, ob die in der "Expertise" aufgestellte These einer Erhöhung des Energiebedarfs je nach Grad der Aktivität (bettlägerig, teilmobil oder mobil) sowie einem Faktor für die Schwere der Krankheit einer ernährungswissenschaftlichen Überprüfung standhalten würde. Schon mangels Hinweis auf die Urheberschaft und das Datum der "Expertise" kann der Senat noch nicht einmal einschätzen, ob der Autor/die Autorin über entsprechenden Sachverstand verfügt und die aktuellen Erkenntnisse der Ernährungswirtschaft berücksichtigt haben.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.
Rechtskraft
Aus
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