Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 1 R 396/08
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 338/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 29. Oktober 2010 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben sich auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob die Beklagte im Vormerkungsverfahren zugunsten der Klägerin weitere rentenrechtliche Zeiten festzustellen hat.
Die am ... 1958 geborene Klägerin ist Ehegattin eines Aussiedlers. Sie reiste im Oktober 1989 von Polen in das Bundesgebiet ein und erhielt im Jahr 1990 einen Vertriebenenausweis. Anfang 1991 kehrte sie nach Polen zurück, arbeitete dort vom 22. Februar 1991 bis zum 8. Juli 2001 als Ärztin und kam anschließend wieder in das Bundesgebiet.
Mit Bescheid vom 26. Februar 2008 stellte die Beklagte mit beigefügtem Versicherungsverlauf die Daten über zurückgelegte rentenrechtliche Zeiten, die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen, verbindlich fest. Sie führte u. a. aus, eine nach dem erstmaligen Zuzug in das Bundesgebiet zurückgelegte Zeit nach dem Fremdrentengesetz (FRG) könne nicht vorgemerkt werden. Den am 26. März 2008 erhobenen Widerspruch, mit dem die Klägerin geltend machte, die Beklagte müsse die Zeit vom 22. Februar 1991 bis zum 8. Juli 2001 anerkennen, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. August 2008 zurück. Eine Feststellung der in Polen zurückgelegten Beitragszeiten vom 22. Februar 1991 bis zum 8. Juli 2001 nach dem FRG könne nicht erfolgen, da nach dem sogenannten Eingliederungsprinzip der Zeitpunkt des erstmaligen Zuzugs in die Bundesrepublik als Endzeitpunkt für die Anwendung des FRG anzusehen sei. Unter "Zuzug" sei dabei die Begründung des gewöhnlichen Aufenthaltes im Sinne des § 30 Abs. 3 Erstes Buch Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil (SGB I) zu verstehen. Nach dem der Klägerin ausgestellten Vertriebenenausweis sei sie bereits am 23. Oktober 1989 in die Bundesrepublik zugezogen. Eine Anerkennung der anschließend in Polen zurückgelegten Beitragszeiten sei nach § 15 FRG ausgeschlossen. Warum sie nach Polen zurückgekehrt sei, sei unerheblich.
Hiergegen hat die Klägerin am 19. September 2008 Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, sie sei als Ehegattin eines Aussiedlers anerkannt und gehöre als Besitzerin eines Vertriebenenausweises zum Personenkreis des § 1 FRG. Die Beklagte sei daher verpflichtet, die bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegten Beitragszeiten anzuerkennen. Das von der Beklagten genannte Eingliederungsprinzip ergebe sich weder aus dem FRG noch aus sonstigen sozialrechtlichen Regelungen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 29. Oktober 2010 abgewiesen. Die Beklagte habe zu Recht eine Vormerkung der in Polen zurückgelegten Zeiten vom 22. Februar 1991 bis zum 8. Juli 2001 abgelehnt. Der Vormerkungsanspruch nach § 149 Abs. 5 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) sei auf die Feststellung von Tatsachen gerichtet, die in einem künftigen Leistungsfall möglicherweise rechtserheblich im Versicherungskonto zu vermerken seien. Die Klägerin habe rentenrechtliche Zeiten in der Bundesrepublik zurückgelegt und sei daher "Versicherte" im Sinne des § 149 Abs. 5 SGB VI. Für die Vormerkung der begehrten Zeit der Beschäftigung in Polen vom 22. Februar 1991 bis zum 8. Juli 2001 fehle es aber an einer rechtlichen Grundlage. Zwar sei die Klägerin im Besitz eines Vertriebenenausweises und gehöre damit zum Personenkreis des § 1 Buchst. a) FRG. Eine Gleichstellung der bei dem polnischen Rentenversicherungsträger zurückgelegten Beitragszeiten mit den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten nach § 15 Abs. 1 Satz 1 FRG scheide jedoch aus. Das Bundessozialgericht (BSG) habe bereits entschieden, dass die in § 15 Abs. 1 Satz 1 FRG geregelte Begünstigung auf die Fälle beschränkt sein müsse, in denen der Verlust von ausländischen Rentenanwartschaften durch einen Vertreibungstatbestand verursacht worden sei. Dementsprechend seien nicht jegliche Versicherungszeiten im Herkunftsgebiet allein mit Rücksicht auf die Vertriebeneneigenschaft zugrunde zu legen, sondern nur diejenigen, die vor der Vertreibung zurückgelegt worden seien (BSG, Urteil vom 17. Oktober 2006 – B 5 RJ 21/05 R – juris). Zeiten nach dem FRG seien daher nicht festzustellen, wenn die in Rede stehenden Versicherungszeiten im Herkunftsgebiet nach dem jeweils maßgeblichen Vertreibungsvorgang zurückgelegt worden seien. Übertrage man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall, so sei eine Feststellung der nach der Rückkehr nach Polen zurückgelegten Zeiten der Beschäftigung ausgeschlossen. Mit der Beklagten sei davon auszugehen, dass der erstmalige Zuzug in die Bundesrepublik als Endzeitpunkt für die Anwendung des FRG anzusehen sei. Im Rahmen des § 149 Abs. 5 Satz 1 SGB VI seien auch Zeiten, die nach der zwischenstaatlichen Regelung des Artikels 17 Abs. 1 des Deutsch-Polnischen Sozialversicherungsabkommens 1990 (DPSVA) als in Polen zurückgelegte Zeiten festzustellen seien, nicht zu berücksichtigen. Dies folge bereits aus Artikel 17 DPSVA, wonach lediglich für den Erwerb des Leistungsanspruchs auch Versicherungszeiten zu berücksichtigen seien, die nach den Rechtsvorschriften des Vertragsstaates anrechnungsfähig seien. Da die Beklagte mit dem erteilten Bescheid nach § 149 Abs. 5 SGB VI nicht über eine Leistung entschieden habe, komme es auf etwaig nach Artikel 17 DPSVA zu berücksichtigende Zeiten nicht an. Ein Anspruch auf Vormerkung der in Polen zurückgelegten Zeiten im Vormerkungsverfahren nach § 149 Abs. 5 SGB VI folge auch nicht aus den Verordnungen EWG 1408/71 und EWG 574/71. Diese geböten zwar eine Zusammenrechnung von in verschiedenen Mitgliedsstaaten zurückgelegten Zeiten, allerdings nur für den Erwerb und die Berechnung von Leistungsansprüchen. Aus ihnen folge jedoch nicht ein Zusammenrechnungsgebot im Vormerkungsverfahren nach nationalem Recht, hier nach § 149 Abs. 5 SGB VI für einen erst später festzustellenden Rentenanspruch (BSG, Urteil vom 31. August 2000 – B 4 RA 51/99 R – juris).
Die Klägerin hat gegen das am 4. November 2010 zugestellte Urteil am 6. Dezember 2010, einem Montag, Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und ausgeführt: Der Klageanspruch ergebe sich aus dem FRG. Dem vom SG zitierten Urteil des BSG habe ein völlig anderer Sachverhalt zugrunde gelegen. Die Rechtsprechung des BSG erscheine vor dem Hintergrund einer historischen Auslegung auch äußerst problematisch. Seit der Zeit der politischen Umbrüche in Osteuropa habe der Gesetzgeber nicht reagiert. Dies zeige, dass eine im Wortlaut von § 15 Abs. 1 Satz 1 FRG nicht vorgesehene Unterscheidung dahingehend, ob die Zeiten vor oder nach dem erstmaligen Zuzug ins Bundesgebiet zurückgelegt worden seien, nicht mehr geboten sei. Es stelle sich die Frage, aus welchem Grund der Gesetzgeber keine dahingehende Regelung getroffen habe, dass Zeiten nach dem FRG nur anerkannt werden, wenn sie vor dem erstmaligen Zuzug in das Bundesgebiet zurückgelegt worden seien. Da der Normgeber hier keine Regelung getroffen habe, sei eindeutig festzuhalten, dass eine derartige Regelung nicht beabsichtigt gewesen sei. Wenn eine solche Regelung allerdings nicht beabsichtigt und nicht in Gesetzesform gefasst worden sei, dürfe eine Unterscheidung zwischen Beschäftigungszeiten vor und nach dem erstmaligen Zuzug in das Bundesgebiet nun nicht mehr erfolgen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 29. Oktober 2010 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 26. Februar 2008 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 22. August 2008 abzuändern, und
die Beklagte zu verpflichten, auch die in der Zeit vom 22. Februar 1991 bis zum 8. Juli 2001 zurückgelegten polnischen Beitragszeiten als rentenrechtliche Zeiten festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 29. Oktober 2010 zurückzuweisen.
Sie erwidert: Nach der Systematik sowie dem Sinn und Zweck des Fremdrentenrechts sei der erste Zuzug als Endzeitpunkt für die Anwendung des FRG anzusehen, weil mit diesem Zeitpunkt die Eingliederung in das bundesdeutsche Rechtsgefüge vollzogen werde und für eine Gleichstellung darüber hinausgehender fremder Beitragszeiten kein Anlass mehr bestehe. Unter Zuzug sei die erstmalige Begründung des gewöhnlichen Aufenthaltes im Sinne des § 30 Abs. 3 SGB I zu verstehen. Die Klägerin sei bereits im Jahr 1989 in das bundesdeutsche Rechtsgefüge eingegliedert gewesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Die Gerichts- und Verwaltungsakten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages wird auf deren Inhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte den Rechtsstreit nach den Zustimmungserklärungen der Beteiligten gem. den §§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die nach § 143 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Sie ist unbegründet, weil der Bescheid der Beklagten vom 26. Februar 2008 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 22. August 2008 rechtmäßig ist, soweit er im Hinblick auf die rentenrechtlichen Zeiten vom 22. Februar 1991 bis zum 8. Juli 2001 angefochten worden ist. Die Verwaltungsentscheidung beschwert die Klägerin nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.
Sie hat keinen Anspruch auf die Vormerkung der begehrten Zeiten. Zur Begründung verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des SG in dem Urteil vom 29. Oktober 2010 und machte sie sich zu Eigen, § 153 Abs. 2 SGG.
Ergänzend wird ausgeführt:
Der Senat schließt sich der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 17. Oktober 2006 - B 5 RJ 21/05 R – juris) an. Danach sind nur diejenigen Versicherungszeiten zugrunde zu legen, die vor der Vertreibung zurückgelegt worden sind. Der Klägerin ist zuzugeben, dass allein dem Wortlaut von § 15 FRG keine zeitliche Beschränkung auf bestimmte Zeiträume zu entnehmen ist. Insbesondere fehlt in § 15 FRG die in § 16 Abs. 1 FRG vorhandene Einschränkung, dass nur solche Zeiten den Bundesgebietszeiten gleichstehen, die vor der Vertreibung zurückgelegt wurden. Gleichwohl muss nach der Systematik sowie nach dem Sinn und Zweck des Fremdrentenrechts diese Einschränkung auch für die im Herkunftsgebiet zurückgelegten Beitragszeiten gelten. Die Begünstigung durch das FRG muss auf die Fälle beschränkt sein, in denen der Verlust von ausländischen Rentenanwartschaften durch einen Vertreibungstatbestand verursacht wurde. Anderenfalls wäre die unterschiedliche Behandlung von Rentenversicherungszeiten im Ausland je nach dem, ob sie von vertriebenen oder nicht vertriebenen Versicherten zurückgelegt worden sind, sachlich kaum zu rechtfertigen (BSG a. a. O.). Der Senat teilt nicht die Auffassung der Klägerin, wonach die teleologische Reduktion der Vorschrift nach den politischen Umbrüchen in Osteuropa nicht mehr geboten und die Rechtsprechung des BSG überholt sei. Eine Begünstigung für Zeiten, die nach der Vertreibung im Herkunftsgebiet zurückgelegt worden sind, wird weiterhin nicht vom Sinn und Zweck des Gesetzes erfasst. Daraus, dass der Gesetzgeber die Vorschrift nicht geändert hat, folgt keine andere Wertung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Die Beteiligten haben sich auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob die Beklagte im Vormerkungsverfahren zugunsten der Klägerin weitere rentenrechtliche Zeiten festzustellen hat.
Die am ... 1958 geborene Klägerin ist Ehegattin eines Aussiedlers. Sie reiste im Oktober 1989 von Polen in das Bundesgebiet ein und erhielt im Jahr 1990 einen Vertriebenenausweis. Anfang 1991 kehrte sie nach Polen zurück, arbeitete dort vom 22. Februar 1991 bis zum 8. Juli 2001 als Ärztin und kam anschließend wieder in das Bundesgebiet.
Mit Bescheid vom 26. Februar 2008 stellte die Beklagte mit beigefügtem Versicherungsverlauf die Daten über zurückgelegte rentenrechtliche Zeiten, die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen, verbindlich fest. Sie führte u. a. aus, eine nach dem erstmaligen Zuzug in das Bundesgebiet zurückgelegte Zeit nach dem Fremdrentengesetz (FRG) könne nicht vorgemerkt werden. Den am 26. März 2008 erhobenen Widerspruch, mit dem die Klägerin geltend machte, die Beklagte müsse die Zeit vom 22. Februar 1991 bis zum 8. Juli 2001 anerkennen, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. August 2008 zurück. Eine Feststellung der in Polen zurückgelegten Beitragszeiten vom 22. Februar 1991 bis zum 8. Juli 2001 nach dem FRG könne nicht erfolgen, da nach dem sogenannten Eingliederungsprinzip der Zeitpunkt des erstmaligen Zuzugs in die Bundesrepublik als Endzeitpunkt für die Anwendung des FRG anzusehen sei. Unter "Zuzug" sei dabei die Begründung des gewöhnlichen Aufenthaltes im Sinne des § 30 Abs. 3 Erstes Buch Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil (SGB I) zu verstehen. Nach dem der Klägerin ausgestellten Vertriebenenausweis sei sie bereits am 23. Oktober 1989 in die Bundesrepublik zugezogen. Eine Anerkennung der anschließend in Polen zurückgelegten Beitragszeiten sei nach § 15 FRG ausgeschlossen. Warum sie nach Polen zurückgekehrt sei, sei unerheblich.
Hiergegen hat die Klägerin am 19. September 2008 Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, sie sei als Ehegattin eines Aussiedlers anerkannt und gehöre als Besitzerin eines Vertriebenenausweises zum Personenkreis des § 1 FRG. Die Beklagte sei daher verpflichtet, die bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegten Beitragszeiten anzuerkennen. Das von der Beklagten genannte Eingliederungsprinzip ergebe sich weder aus dem FRG noch aus sonstigen sozialrechtlichen Regelungen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 29. Oktober 2010 abgewiesen. Die Beklagte habe zu Recht eine Vormerkung der in Polen zurückgelegten Zeiten vom 22. Februar 1991 bis zum 8. Juli 2001 abgelehnt. Der Vormerkungsanspruch nach § 149 Abs. 5 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) sei auf die Feststellung von Tatsachen gerichtet, die in einem künftigen Leistungsfall möglicherweise rechtserheblich im Versicherungskonto zu vermerken seien. Die Klägerin habe rentenrechtliche Zeiten in der Bundesrepublik zurückgelegt und sei daher "Versicherte" im Sinne des § 149 Abs. 5 SGB VI. Für die Vormerkung der begehrten Zeit der Beschäftigung in Polen vom 22. Februar 1991 bis zum 8. Juli 2001 fehle es aber an einer rechtlichen Grundlage. Zwar sei die Klägerin im Besitz eines Vertriebenenausweises und gehöre damit zum Personenkreis des § 1 Buchst. a) FRG. Eine Gleichstellung der bei dem polnischen Rentenversicherungsträger zurückgelegten Beitragszeiten mit den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten nach § 15 Abs. 1 Satz 1 FRG scheide jedoch aus. Das Bundessozialgericht (BSG) habe bereits entschieden, dass die in § 15 Abs. 1 Satz 1 FRG geregelte Begünstigung auf die Fälle beschränkt sein müsse, in denen der Verlust von ausländischen Rentenanwartschaften durch einen Vertreibungstatbestand verursacht worden sei. Dementsprechend seien nicht jegliche Versicherungszeiten im Herkunftsgebiet allein mit Rücksicht auf die Vertriebeneneigenschaft zugrunde zu legen, sondern nur diejenigen, die vor der Vertreibung zurückgelegt worden seien (BSG, Urteil vom 17. Oktober 2006 – B 5 RJ 21/05 R – juris). Zeiten nach dem FRG seien daher nicht festzustellen, wenn die in Rede stehenden Versicherungszeiten im Herkunftsgebiet nach dem jeweils maßgeblichen Vertreibungsvorgang zurückgelegt worden seien. Übertrage man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall, so sei eine Feststellung der nach der Rückkehr nach Polen zurückgelegten Zeiten der Beschäftigung ausgeschlossen. Mit der Beklagten sei davon auszugehen, dass der erstmalige Zuzug in die Bundesrepublik als Endzeitpunkt für die Anwendung des FRG anzusehen sei. Im Rahmen des § 149 Abs. 5 Satz 1 SGB VI seien auch Zeiten, die nach der zwischenstaatlichen Regelung des Artikels 17 Abs. 1 des Deutsch-Polnischen Sozialversicherungsabkommens 1990 (DPSVA) als in Polen zurückgelegte Zeiten festzustellen seien, nicht zu berücksichtigen. Dies folge bereits aus Artikel 17 DPSVA, wonach lediglich für den Erwerb des Leistungsanspruchs auch Versicherungszeiten zu berücksichtigen seien, die nach den Rechtsvorschriften des Vertragsstaates anrechnungsfähig seien. Da die Beklagte mit dem erteilten Bescheid nach § 149 Abs. 5 SGB VI nicht über eine Leistung entschieden habe, komme es auf etwaig nach Artikel 17 DPSVA zu berücksichtigende Zeiten nicht an. Ein Anspruch auf Vormerkung der in Polen zurückgelegten Zeiten im Vormerkungsverfahren nach § 149 Abs. 5 SGB VI folge auch nicht aus den Verordnungen EWG 1408/71 und EWG 574/71. Diese geböten zwar eine Zusammenrechnung von in verschiedenen Mitgliedsstaaten zurückgelegten Zeiten, allerdings nur für den Erwerb und die Berechnung von Leistungsansprüchen. Aus ihnen folge jedoch nicht ein Zusammenrechnungsgebot im Vormerkungsverfahren nach nationalem Recht, hier nach § 149 Abs. 5 SGB VI für einen erst später festzustellenden Rentenanspruch (BSG, Urteil vom 31. August 2000 – B 4 RA 51/99 R – juris).
Die Klägerin hat gegen das am 4. November 2010 zugestellte Urteil am 6. Dezember 2010, einem Montag, Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und ausgeführt: Der Klageanspruch ergebe sich aus dem FRG. Dem vom SG zitierten Urteil des BSG habe ein völlig anderer Sachverhalt zugrunde gelegen. Die Rechtsprechung des BSG erscheine vor dem Hintergrund einer historischen Auslegung auch äußerst problematisch. Seit der Zeit der politischen Umbrüche in Osteuropa habe der Gesetzgeber nicht reagiert. Dies zeige, dass eine im Wortlaut von § 15 Abs. 1 Satz 1 FRG nicht vorgesehene Unterscheidung dahingehend, ob die Zeiten vor oder nach dem erstmaligen Zuzug ins Bundesgebiet zurückgelegt worden seien, nicht mehr geboten sei. Es stelle sich die Frage, aus welchem Grund der Gesetzgeber keine dahingehende Regelung getroffen habe, dass Zeiten nach dem FRG nur anerkannt werden, wenn sie vor dem erstmaligen Zuzug in das Bundesgebiet zurückgelegt worden seien. Da der Normgeber hier keine Regelung getroffen habe, sei eindeutig festzuhalten, dass eine derartige Regelung nicht beabsichtigt gewesen sei. Wenn eine solche Regelung allerdings nicht beabsichtigt und nicht in Gesetzesform gefasst worden sei, dürfe eine Unterscheidung zwischen Beschäftigungszeiten vor und nach dem erstmaligen Zuzug in das Bundesgebiet nun nicht mehr erfolgen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 29. Oktober 2010 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 26. Februar 2008 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 22. August 2008 abzuändern, und
die Beklagte zu verpflichten, auch die in der Zeit vom 22. Februar 1991 bis zum 8. Juli 2001 zurückgelegten polnischen Beitragszeiten als rentenrechtliche Zeiten festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 29. Oktober 2010 zurückzuweisen.
Sie erwidert: Nach der Systematik sowie dem Sinn und Zweck des Fremdrentenrechts sei der erste Zuzug als Endzeitpunkt für die Anwendung des FRG anzusehen, weil mit diesem Zeitpunkt die Eingliederung in das bundesdeutsche Rechtsgefüge vollzogen werde und für eine Gleichstellung darüber hinausgehender fremder Beitragszeiten kein Anlass mehr bestehe. Unter Zuzug sei die erstmalige Begründung des gewöhnlichen Aufenthaltes im Sinne des § 30 Abs. 3 SGB I zu verstehen. Die Klägerin sei bereits im Jahr 1989 in das bundesdeutsche Rechtsgefüge eingegliedert gewesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Die Gerichts- und Verwaltungsakten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages wird auf deren Inhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte den Rechtsstreit nach den Zustimmungserklärungen der Beteiligten gem. den §§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die nach § 143 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Sie ist unbegründet, weil der Bescheid der Beklagten vom 26. Februar 2008 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 22. August 2008 rechtmäßig ist, soweit er im Hinblick auf die rentenrechtlichen Zeiten vom 22. Februar 1991 bis zum 8. Juli 2001 angefochten worden ist. Die Verwaltungsentscheidung beschwert die Klägerin nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.
Sie hat keinen Anspruch auf die Vormerkung der begehrten Zeiten. Zur Begründung verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des SG in dem Urteil vom 29. Oktober 2010 und machte sie sich zu Eigen, § 153 Abs. 2 SGG.
Ergänzend wird ausgeführt:
Der Senat schließt sich der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 17. Oktober 2006 - B 5 RJ 21/05 R – juris) an. Danach sind nur diejenigen Versicherungszeiten zugrunde zu legen, die vor der Vertreibung zurückgelegt worden sind. Der Klägerin ist zuzugeben, dass allein dem Wortlaut von § 15 FRG keine zeitliche Beschränkung auf bestimmte Zeiträume zu entnehmen ist. Insbesondere fehlt in § 15 FRG die in § 16 Abs. 1 FRG vorhandene Einschränkung, dass nur solche Zeiten den Bundesgebietszeiten gleichstehen, die vor der Vertreibung zurückgelegt wurden. Gleichwohl muss nach der Systematik sowie nach dem Sinn und Zweck des Fremdrentenrechts diese Einschränkung auch für die im Herkunftsgebiet zurückgelegten Beitragszeiten gelten. Die Begünstigung durch das FRG muss auf die Fälle beschränkt sein, in denen der Verlust von ausländischen Rentenanwartschaften durch einen Vertreibungstatbestand verursacht wurde. Anderenfalls wäre die unterschiedliche Behandlung von Rentenversicherungszeiten im Ausland je nach dem, ob sie von vertriebenen oder nicht vertriebenen Versicherten zurückgelegt worden sind, sachlich kaum zu rechtfertigen (BSG a. a. O.). Der Senat teilt nicht die Auffassung der Klägerin, wonach die teleologische Reduktion der Vorschrift nach den politischen Umbrüchen in Osteuropa nicht mehr geboten und die Rechtsprechung des BSG überholt sei. Eine Begünstigung für Zeiten, die nach der Vertreibung im Herkunftsgebiet zurückgelegt worden sind, wird weiterhin nicht vom Sinn und Zweck des Gesetzes erfasst. Daraus, dass der Gesetzgeber die Vorschrift nicht geändert hat, folgt keine andere Wertung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
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