Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Stendal (SAN)
Aktenzeichen
S 6 U 44/06
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 7/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob dem Kläger wegen der bei ihm anerkannten Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung – Lärmschwerhörigkeit (BK 2301) Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um mindestens 20 vom Hundert (vH) zu gewähren ist.
Am 18. Mai 2004 zeigte der Facharzt für HNO-Heilkunde Dr. W. der Bau-Berufsgenossenschaft Hannover (Rechtsvorgängerin der Beklagten; nachfolgend: die Beklagte) den Verdacht des Bestehens einer BK 2301 bei dem 1950 geborenen Kläger an. Dieser sei als Maurer bzw. Gleisbauer beruflich lärmexponiert gewesen. In seiner hierzu erstellten beratenden Stellungnahme vom 1. Juni 2004 wertete der Arbeitsmediziner Dr. J. die von Dr. W. übermittelten Ton- und Sprachaudiogramme vom 15. März 2004 aus. Er entnahm ihnen – entsprechend der Drei-Frequenz-Tabelle nach Röser 1980 bezogen auf das Tonaudiogramm bzw. entsprechend der Tabelle nach Boenninghaus und Röser 1973 bezogen auf das Sprachaudiogramm – prozentuale Hörverluste von 40 rechts und 50 links und bildete daraus – unter Anwendung der Tabelle nach Feldmann 1995 – eine MdE um 30 vH. Im Ergebnis empfahl er weitere Ermittlungen.
In seinem daraufhin von der Beklagten veranlassten Gutachten vom 14. September 2004 nach ambulanter Untersuchung am 2. September 2004 diagnostizierte Dr. W. eine mittelgradige Innenohrschwerhörigkeit beiderseits mit störendem Tinnitus. Im Tonaudiogramm hielt Dr. W. bei 1 kHz für das rechte Ohr einen Hörverlust bei 55 dB (links 50 dB) und bei 2 und 3 kHz einen solchen von zusammen 135 dB rechts und 123 dB links fest. Aus dem Sprachaudiogramm leitete er beidseitige Hörverluste von jeweils 60% ab, die eine MdE um 30 vH bedingten.
Auf entsprechende Empfehlung Dr. J.s beauftragte die Beklagte den Chefarzt der HNO-Klinik des O. W. Dr. P. mit der Erstellung des Gutachtens vom 22. Februar 2005 nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 17. Februar 2005. Dieser gelangte – auch unter Berücksichtigung eines chronisch dekompensierten Tinnitus – zu einer MdE um 10 vH. Aus den tonaudiometrischen Befunden bildete Dr. P. prozentuale Hörverluste von 15 rechts und 0 links. Aus den im Sprachaudiogramm verzeichneten Werten leitete Dr. P. Hörverluste von 10% rechts und 0% links ab.
Mit Bescheid vom 18. Mai 2005 erkannte die Beklagte beim Kläger eine beginnende Schallempfindungschwerhörigkeit mit Tinnitus beiderseits als BK 2301 an und lehnte die Gewährung einer Verletztenrente ab, da die MdE nicht mindestens 20 vH erreiche.
Hiergegen erhob der Kläger am 16. Juni 2005 Widerspruch und berief sich zur Begründung auf das Gutachten Dr. W.s vom 14. September 2004.
Die Beklagte schaltete daraufhin den Chefarzt der HNO-Klinik des Klinikums E. v. B. P. Privatdozent (PD) Dr. J. als Sachverständigen ein, der nach ambulanter Untersuchung am 16. Januar 2006 das Gutachten vom 21. Februar 2006 erstellte. Danach bestehe beim Kläger eine knapp geringgradige sensorineurale Hochtonschwerhörigkeit sowie ein Tinnitus aurius rechts, aus denen sich integrierend eine MdE um 10 vH ergebe. Die Messungen von Dr. W., die durch die nachfolgenden Audiogramme widerlegt worden seien, seien eindeutig falsch. Es sei nicht möglich, dass sich eine beiderseitige mittel- bis hochgradige Schwerhörigkeit wieder erhole. PD Dr. J. entnahm dem Tonaudiogramm beidseitige Hörverluste von 20%. Aus dem Sprachaudiogramm resultierten Hörverluste von jeweils 50%. Diese Hörverluste seien zur Bewertung des Ausmaßes der Schwerhörigkeit jedoch nicht heranzuziehen, da sie nicht mit den tonaudiometrischen Befunden korrelierten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Mai 2006 wies die Beklagte den Widerspruch daraufhin als unbegründet zurück.
Am 29. Juni 2006 hat der Kläger vor dem Sozialgericht (SG) Stendal Klage erhoben und sich weiterhin auf die Ergebnisse von Dr. W. bezogen. Das SG hat den Chefarzt der HNO-Klinik des Städtischen Klinikums "S. G." L. PD Dr. M. das Gutachten vom 4. Juni 2007 nach Untersuchung des Klägers am 21. Mai 2007 fertigen lassen. Dieser hat eine knapp geringgradige symmetrische basocochleäre Schwerhörigkeit beiderseits diagnostiziert, die unter Berücksichtigung des Tinnitus mit einer MdE um 10 vH zu bemessen sei. Die Ergebnisse der von Dr. W. vorgenommenen Untersuchungen seien durch die nachfolgenden gutachtlichen Erhebungen widerlegt worden. Er habe seine Messungen, die teilweise nicht nach den zu beachtenden Messvorschriften durchgeführt worden seien, insbesondere keiner Plausibilitätsprüfung unterzogen. In dem von PD Dr. M. erstellten Tonaudiogramm sind bei 1 kHz ein Hörverlust von 15 dB sowie bei 2 und 3 kHz ein solcher von zusammen 80 dB für das rechte Ohr und von 25 dB bzw. zusammen 75 dB für das linke Ohr festgehalten. Aus dem Sprachaudiogramm hat er Hörverluste für das rechte Ohr von 20% und für das linke Ohr von 10% ermittelt.
Mit Urteil vom 28. November 2007 hat das SG die Klage abgewiesen und hierzu in den Gründen ausgeführt: Die beim Kläger anerkannte BK bedinge keine MdE in rentenberechtigender Höhe, was sich aus den Gutachten der Dres. P. sowie PD J. und PD M. ergebe. Nach dem (letzten) Sprachaudiogramm betrage der Hörverlust rechts 20% und links 10%, woraus sich nach der anzuwendenden Tabelle eine MdE von unter 10 vH ableite. In Zusammenschau mit den störenden Ohrgeräuschen resultiere zwar eine MdE um 10 vH. Diese reiche mangels Stützrententatbestandes für eine Verletztenrente aber nicht aus. Das Gutachten von Dr. W. sei wegen Unschlüssigkeit nicht als Entscheidungsgrundlage heranzuziehen. Insoweit folge das Gericht den Darlegungen von PD Dr. M ...
Gegen das am 28. Dezember 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger unter nochmaligem Hinweis auf die abweichende Bewertung durch Dr. W. am 18. Januar 2008 beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Berufung eingelegt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stendal vom 28. November 2007 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 18. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Mai 2006 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm vom 1. März 2004 an Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 vH zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie schließt sich dem Urteil des SG an.
Der Senat hat auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von Dr. W. das Gutachten vom 15. September 2008 eingeholt, der diesem neben seinen eigenen Untersuchungsbefunden auch die am 2. September 2008 im Städtischen Klinikum B. erhobenen Audiogramme beigefügt hat. Dr. W. hat den Verdacht geäußert, dass auch eine Aggravation und Simulation vorliegen oder aber eine Neurose die unterschiedlichen Angaben des Klägers erklären könne. Er sei kein Audiologe und verfüge auf dem Gebiet der Lärmschwerhörigkeit über wenig Erfahrung. Bei seinem Gutachten vom 14. September 2004 habe er sich auf die Angaben des Klägers verlassen und den Tinnitus zusätzlich mit 10 vH berücksichtigt. Aus dem Tonaudiogramm vom 15. September 2008 ergebe sich ein Hörverlust von 45% beiderseits; aus dem Sprachaudiogramm resultiere ein Hörverlust von 40%. Für die Schwerhörigkeit folge daraus eine MdE um 15 vH, womit sich unter Berücksichtigung des mit einer MdE um 10 vH zu veranschlagenden Tinnitus insgesamt eine MdE um 20 vH errechne. Die im Klinikum B. erstellten Audiogramme, die auch gegenüber den Befunden von Dr. W. eine Verschlechterung des Hörvermögens darstellen, hat Dr. W. bei seiner Bewertung nicht berücksichtigt. Die Beklagte hat hierzu u.a. eingewandt, die von Dr. W. gefundene Verschlechterung des Hörvermögens des Klägers sei auch vor dem Hintergrund von dessen Ausscheiden aus der Lärmexposition im März 2002 nicht nachvollziehbar.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Senats.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG statthafte, form- und fristgerecht erhobene (§ 151 Abs. 1 SGG) sowie auch ansonsten zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 18. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2006 beschwert den Kläger nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, weil die Beklagte darin zutreffend einen Anspruch auf Verletztenrente für die anerkannte BK 2301 abgelehnt hat.
Ein Anspruch auf Verletztenrente setzt gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) voraus, dass die Erwerbsfähigkeit des Versicherten infolge des Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um mindestens 20 vH gemindert ist. Nach § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII richtet sich die Höhe der MdE nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens. Die Bemessung der MdE ist eine Feststellung, die das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung unter Berücksichtigung der in der Rechtsprechung und im einschlägigen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätze trifft. Diese sind für die Entscheidung im Einzelfall zwar nicht bindend. Sie bilden aber die Grundlage für eine gleiche und gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und sind die Basis für den Vorschlag, den der medizinische Sachverständige dem Gericht zur Höhe der MdE unterbreitet (siehe nur Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 2. Mai 2001 – B 2 U 24/00 R – SozR 3-2200 § 581 RVO Nr. 8; Urteil vom 18. März 2003 – B 2 U 31/02 R – Breithaupt 2003, 565 ff.; Urteil vom 22. Juni 2004 – B 2 U 14/03 R – SozR 4-2700 § 56 Nr. 1). Bezogen auf eine berufliche Hörminderung sind bei der MdE-Bewertung die Empfehlungen für die Begutachtung der beruflichen Lärmschwerhörigkeit (Königsteiner Merkblatt, 4. Aufl. 1995, abgedruckt bei Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, Stand April 2011, M 2301, S. 6b ff.) maßgeblich, die den derzeitigen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprechen (vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2005 – B 2 U 6/04 R – SozR 4-2700 § 9 Nr. 5; Mehrtens/Brandenburg, a.a.O., M 2301, Rn. 6.1, S. 35).
Dies zugrunde gelegt führt die beim Kläger anerkannte Lärmschwerhörigkeit mit Tinnitus zu keiner MdE um wenigstens 20 vH. Erst recht bedingen allein die bei ihm durch die audiometrischen Verdeckungstests objektivierten Ohrgeräusche, deren Auswirkungen bis zu einer Einzel-MdE um 10 vH integrativ – nicht dagegen additiv – berücksichtigt werden können (siehe Königsteiner Merkblatt Punkt 4.3.5; Mehrtens/Brandenburg, a.a.O., M 2301, Rn. 6.4, S. 39), was auch den insoweit übereinstimmenden Empfehlungen aller eingeschalteten Gutachter entspricht, keinen solchen Grad der MdE. Dabei folgt der Senat den Darlegungen der Dres. P. sowie PD Jungehülsing und PD Meister, deren Bewertungen der vorliegenden Befunde nachvollziehbar und schlüssig sind, mit den Erfahrungswerten übereinstimmen und im Gegensatz zu den Schlussfolgerungen sowie Messergebnissen von Dr. W. überzeugen.
Ausschlaggebend für die Ermittlung des prozentualen Hörverlustes und der daraus vorzunehmenden Bemessung der MdE ist der sprachaudiometrische Befund. Nur in besonderen Ausnahmefällen (z.B. geringe Deutschkenntnisse, Fehlen oder Unverwertbarkeit des Sprachaudiogramms) kommt eine Heranziehung des Tonaudiogramms in Betracht, wobei der Hörverlust hilfsweise aus der Knochenleitungskurve mittels der Drei-Frequenz-Tabelle nach Röser 1980 zu ermitteln ist (Königsteiner Merkblatt Ziff. 3.6, 4.2 und 4.2.2). Mit dem Abstellen auf das Sprachaudiogramm wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die sprachliche Verständigung in nahezu allen Bereichen des Erwerbslebens überragende Bedeutung hat.
Ausgehend hiervon maß Dr. P. im Sprachaudiogramm vom 17. Februar 2005 für das rechte Ohr einen Hörverlust für Zahlenwörter von 22 dB und für das linke Ohr von 16 dB sowie eine Verständnisquote für Einsilber von 65% bei 60 dB, 85% bei 80 dB und 90% bei 100 dB rechts bzw. 80% bei 60 dB, 85% bei 80 dB sowie 100% bei 100 dB links. Hieraus ermittelte der Sachverständige unter Anwendung der einschlägigen Vorgaben (Königsteiner Merkblatt, Ziff. 4.2.1) ein gewichtetes Gesamtwortverstehen von 227,5 rechts bzw. 255 links (65 x 3 + 85 x 2 + 90 x 1 geteilt durch 2 bzw. 80 x 3 + 85 x 2 + 100 x 1 geteilt durch 2). Aus diesen Werten sind nach der heranzuziehenden Tabelle von Boenninghaus und Röser 1973 Hörverluste von 10% rechts und 0% links zu entnehmen, so dass bei deren Einstellung in die Tabelle nach Feldmann 1995 (siehe Königsteiner Merkblatt Ziff. 4.3.2) keine messbare MdE resultiert. Damit ist die vom Sachverständigen nach den von ihm erhobenen Hörverlusten für Zahlenwörter und dem gewichteten Gesamtwortverständnis anhand der entsprechenden Tabelle des Königsteiner Merkblattes ermittelte MdE nicht zu beanstanden, zumal der sprachaudiometrische Untersuchungsbefund auch mit dem Ergebnis der von Dr. P. durchgeführten tonaudiometrischen Testung korreliert. Denn aus dem Tonaudiogramm vom 17. Februar 2005 ergibt sich bei 1 kHz für das rechte Ohr ein Hörverlust bei 20 dB (links 10 dB) und bei 2 und 3 kHz ein solcher von zusammen 85 dB rechts und 70 dB links. Entsprechend der Drei-Frequenz-Tabelle nach Röser 1980 beträgt der prozentuale Hörverlust damit rechts 15 und links 0, womit sich nach der Tabelle Feldmann 1995 wiederum eine MdE von 0 vH ergibt.
Bestätigt wird die Richtigkeit der Bewertung Dr. P.s auch durch die von PD Dr. M. erhobenen Untersuchungsbefunde, aus denen sich ebenfalls keine MdE um mindestens 20 vH ableiten lässt. Nach dem Sprachaudiogramm vom 21. Mai 2007 liegt der Hörverlust für Zahlenwörter rechts bei 18 dB sowie links bei 17 dB und beträgt die Verständnisquote für Einsilber bei 60 dB 70%, bei 80 dB ebenfalls 70% und bei 100 dB 95% rechts sowie entsprechend 70%, 80% sowie 90% links. Damit errechnet sich ein gewichtetes Gesamtwortverstehen von 222,5 rechts (70 x 3 + 70 x 2 + 95 geteilt durch 2) sowie entsprechend 230 links, was nach der Tabelle von Boenninghaus und Röser 1973 einen Hörverlust von 20% rechts und 10% links bedeutet. Werden diese Werte in die Tabelle nach Feldmann 1995 übertragen, folgt daraus eine MdE unter 10 vH. Wiederum steht dieser sprachaudiometrische Befund mit dem aus dem Tonaudiogramm vom 21. Mai 2007 folgenden Ergebnis im Einklang. Denn aus den insoweit erhobenen Messwerten lassen sich nach der Drei-Frequenz-Tabelle nach Röser 1980 beiderseitige Hörverluste von 15% ableiten. Werden diese in die Tabelle nach Feldmann 1995 eingestellt, resultiert auch aus dem tonaudiometrischen Untersuchungsergebnis eine MdE unter 10 vH.
Demgegenüber ist das auf Grundlage der Untersuchung des Klägers am 16. Januar 2006 bei PD Dr. J. erstellte Sprachaudiogramm, dessen Werte sich nicht mit denjenigen des Tonaudiogramms vom selben Tag in Übereinstimmung bringen lassen, nicht verwertbar. Aus dem Sprachaudiogramm sind ein Hörverlust für Zahlen rechts und links von jeweils 28 dB sowie eine Verständnisquote für Einsilber von 0% bei 60 dB, 60% bei 80 dB und 100% bei 100 dB für das rechte bzw. entsprechend 10%, 70% sowie 100% für das linke Ohr zu ersehen. Aus diesen Werten würde sich ein gewichtetes Gesamtwortverstehen rechts von 140 und links von 135 ergeben, was nach dem Königsteiner Merkblatt Hörverlusten von jeweils 50% sowie nach der Tabelle von Feldmann 1995 einer mittelgradigen Schwerhörigkeit mit einer MdE um 30 vH entspräche. Wie Dr. J. zutreffend dargelegt hat, widerspricht dies jedoch dem Ergebnis des Tonaudiogramms vom 16. Januar 2006. Aus diesem gehen nämlich beidseitige Hörverluste bei 1 kHz von 20 dB sowie bei 2 und 3 kHz solche von jeweils zusammen 100 dB hervor. Daraus resultieren nach der Drei-Frequenz-Tabelle von Röser 1980 prozentuale Hörverluste von je 20, was unter Anwendung der Tabelle nach Feldmann 1995 zu einer MdE um 10 vH führt. Eine nach dem Tonaudiogramm vorliegende Normalhörigkeit bzw. geringgradige Schwerhörigkeit lässt sich nicht mit einer mittelgradigen Schwerhörigkeit im Sprachaudiogramm vereinbaren, wie PD Dr. J. plausibel gemacht hat.
Entsprechendes gilt für die von Dr. W. dokumentierten Audiometriebefunde. Zwar würde aus den Sprachaudiogrammen vom 15. März und 2. September 2004 bei Anwendung der vorgenannten Maßstäbe in der Tat eine MdE um 30 vH resultieren. Aus dem Sprachaudiogramm vom 15. September 2008 würden entgegen Dr. W. nicht nur Hörverluste von jeweils 40% sowie eine MdE um 15 vH, sondern stattdessen sogar Hörverluste von 50% bzw. 60% und eine MdE um 30 vH folgen. Diese Konsequenz hat jedoch bereits er selbst nicht gezogen, sondern die vorliegenden Widersprüche vielmehr durch eine Korrektur der in seinem Gutachten vom 14. September 2004 empfohlenen MdE aufzulösen versucht. Die hierzu von ihm gegebene Begründung, er habe sich auf die Angaben des Klägers verlassen, überzeugt jedoch nicht, zumal er diese durch den von ihm geäußerten Verdacht einer Aggravation sowie Simulation bzw. einer Neurose selbst entwertet hat. Hinzu kommt, dass eine – durch die Messungen von Dr. P., PD Dr. J. (Tonaudiogramm) und PD Dr. M. aufgrund ihrer jeweiligen Untersuchungen vom 17. Februar 2005, 16. Januar 2006 sowie 21. Mai 2007 in diesem Sinne belegte – Verbesserung der nach Dr. W. beim Kläger bestehenden mittel- bis hochgradigen Schwerhörigkeit beiderseits in Richtung einer knapp geringgradigen Schwerhörigkeit beiderseits nicht einleuchtet. Hierauf haben die Dres. P. J. und PD M. unwidersprochen aufmerksam gemacht, da sich eine berufsbedingte Schallempfindungsschwerhörigkeit nicht wieder bessern könne. Anknüpfend hieran hat Dr. W. die am 2. September 2008 im Klinikum B. erhobenen Werte auch nicht herangezogen. Denn nach diesen hätte sich das Gehör des Klägers bis zur Untersuchung am 15. September 2008, also innerhalb von nicht einmal zwei Wochen, wiederum nicht unerheblich gebessert haben müssen. Auch eine Verschlechterung des Hörvermögens des Klägers in der Zeit zwischen den Untersuchungen durch PD Dr. M. am 21. Mai 2007 und Dr. W. am 15. September 2008 ist nicht nachvollziehbar. Denn eine lärmbedingte Schädigung des Innenohres nach – wie hier – beendeter Exposition kann nach gesicherten medizinischen Erkenntnissen nicht weiter fortschreiten (siehe nur Merkblatt zur BK 2301 in der Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 1. Juli 2008, GMBl. 2008, 798 ff.). Hierauf hat die Beklagte zutreffend hingewiesen.
Nach alledem konnte die Berufung keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob dem Kläger wegen der bei ihm anerkannten Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung – Lärmschwerhörigkeit (BK 2301) Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um mindestens 20 vom Hundert (vH) zu gewähren ist.
Am 18. Mai 2004 zeigte der Facharzt für HNO-Heilkunde Dr. W. der Bau-Berufsgenossenschaft Hannover (Rechtsvorgängerin der Beklagten; nachfolgend: die Beklagte) den Verdacht des Bestehens einer BK 2301 bei dem 1950 geborenen Kläger an. Dieser sei als Maurer bzw. Gleisbauer beruflich lärmexponiert gewesen. In seiner hierzu erstellten beratenden Stellungnahme vom 1. Juni 2004 wertete der Arbeitsmediziner Dr. J. die von Dr. W. übermittelten Ton- und Sprachaudiogramme vom 15. März 2004 aus. Er entnahm ihnen – entsprechend der Drei-Frequenz-Tabelle nach Röser 1980 bezogen auf das Tonaudiogramm bzw. entsprechend der Tabelle nach Boenninghaus und Röser 1973 bezogen auf das Sprachaudiogramm – prozentuale Hörverluste von 40 rechts und 50 links und bildete daraus – unter Anwendung der Tabelle nach Feldmann 1995 – eine MdE um 30 vH. Im Ergebnis empfahl er weitere Ermittlungen.
In seinem daraufhin von der Beklagten veranlassten Gutachten vom 14. September 2004 nach ambulanter Untersuchung am 2. September 2004 diagnostizierte Dr. W. eine mittelgradige Innenohrschwerhörigkeit beiderseits mit störendem Tinnitus. Im Tonaudiogramm hielt Dr. W. bei 1 kHz für das rechte Ohr einen Hörverlust bei 55 dB (links 50 dB) und bei 2 und 3 kHz einen solchen von zusammen 135 dB rechts und 123 dB links fest. Aus dem Sprachaudiogramm leitete er beidseitige Hörverluste von jeweils 60% ab, die eine MdE um 30 vH bedingten.
Auf entsprechende Empfehlung Dr. J.s beauftragte die Beklagte den Chefarzt der HNO-Klinik des O. W. Dr. P. mit der Erstellung des Gutachtens vom 22. Februar 2005 nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 17. Februar 2005. Dieser gelangte – auch unter Berücksichtigung eines chronisch dekompensierten Tinnitus – zu einer MdE um 10 vH. Aus den tonaudiometrischen Befunden bildete Dr. P. prozentuale Hörverluste von 15 rechts und 0 links. Aus den im Sprachaudiogramm verzeichneten Werten leitete Dr. P. Hörverluste von 10% rechts und 0% links ab.
Mit Bescheid vom 18. Mai 2005 erkannte die Beklagte beim Kläger eine beginnende Schallempfindungschwerhörigkeit mit Tinnitus beiderseits als BK 2301 an und lehnte die Gewährung einer Verletztenrente ab, da die MdE nicht mindestens 20 vH erreiche.
Hiergegen erhob der Kläger am 16. Juni 2005 Widerspruch und berief sich zur Begründung auf das Gutachten Dr. W.s vom 14. September 2004.
Die Beklagte schaltete daraufhin den Chefarzt der HNO-Klinik des Klinikums E. v. B. P. Privatdozent (PD) Dr. J. als Sachverständigen ein, der nach ambulanter Untersuchung am 16. Januar 2006 das Gutachten vom 21. Februar 2006 erstellte. Danach bestehe beim Kläger eine knapp geringgradige sensorineurale Hochtonschwerhörigkeit sowie ein Tinnitus aurius rechts, aus denen sich integrierend eine MdE um 10 vH ergebe. Die Messungen von Dr. W., die durch die nachfolgenden Audiogramme widerlegt worden seien, seien eindeutig falsch. Es sei nicht möglich, dass sich eine beiderseitige mittel- bis hochgradige Schwerhörigkeit wieder erhole. PD Dr. J. entnahm dem Tonaudiogramm beidseitige Hörverluste von 20%. Aus dem Sprachaudiogramm resultierten Hörverluste von jeweils 50%. Diese Hörverluste seien zur Bewertung des Ausmaßes der Schwerhörigkeit jedoch nicht heranzuziehen, da sie nicht mit den tonaudiometrischen Befunden korrelierten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Mai 2006 wies die Beklagte den Widerspruch daraufhin als unbegründet zurück.
Am 29. Juni 2006 hat der Kläger vor dem Sozialgericht (SG) Stendal Klage erhoben und sich weiterhin auf die Ergebnisse von Dr. W. bezogen. Das SG hat den Chefarzt der HNO-Klinik des Städtischen Klinikums "S. G." L. PD Dr. M. das Gutachten vom 4. Juni 2007 nach Untersuchung des Klägers am 21. Mai 2007 fertigen lassen. Dieser hat eine knapp geringgradige symmetrische basocochleäre Schwerhörigkeit beiderseits diagnostiziert, die unter Berücksichtigung des Tinnitus mit einer MdE um 10 vH zu bemessen sei. Die Ergebnisse der von Dr. W. vorgenommenen Untersuchungen seien durch die nachfolgenden gutachtlichen Erhebungen widerlegt worden. Er habe seine Messungen, die teilweise nicht nach den zu beachtenden Messvorschriften durchgeführt worden seien, insbesondere keiner Plausibilitätsprüfung unterzogen. In dem von PD Dr. M. erstellten Tonaudiogramm sind bei 1 kHz ein Hörverlust von 15 dB sowie bei 2 und 3 kHz ein solcher von zusammen 80 dB für das rechte Ohr und von 25 dB bzw. zusammen 75 dB für das linke Ohr festgehalten. Aus dem Sprachaudiogramm hat er Hörverluste für das rechte Ohr von 20% und für das linke Ohr von 10% ermittelt.
Mit Urteil vom 28. November 2007 hat das SG die Klage abgewiesen und hierzu in den Gründen ausgeführt: Die beim Kläger anerkannte BK bedinge keine MdE in rentenberechtigender Höhe, was sich aus den Gutachten der Dres. P. sowie PD J. und PD M. ergebe. Nach dem (letzten) Sprachaudiogramm betrage der Hörverlust rechts 20% und links 10%, woraus sich nach der anzuwendenden Tabelle eine MdE von unter 10 vH ableite. In Zusammenschau mit den störenden Ohrgeräuschen resultiere zwar eine MdE um 10 vH. Diese reiche mangels Stützrententatbestandes für eine Verletztenrente aber nicht aus. Das Gutachten von Dr. W. sei wegen Unschlüssigkeit nicht als Entscheidungsgrundlage heranzuziehen. Insoweit folge das Gericht den Darlegungen von PD Dr. M ...
Gegen das am 28. Dezember 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger unter nochmaligem Hinweis auf die abweichende Bewertung durch Dr. W. am 18. Januar 2008 beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Berufung eingelegt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stendal vom 28. November 2007 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 18. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Mai 2006 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm vom 1. März 2004 an Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 vH zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie schließt sich dem Urteil des SG an.
Der Senat hat auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von Dr. W. das Gutachten vom 15. September 2008 eingeholt, der diesem neben seinen eigenen Untersuchungsbefunden auch die am 2. September 2008 im Städtischen Klinikum B. erhobenen Audiogramme beigefügt hat. Dr. W. hat den Verdacht geäußert, dass auch eine Aggravation und Simulation vorliegen oder aber eine Neurose die unterschiedlichen Angaben des Klägers erklären könne. Er sei kein Audiologe und verfüge auf dem Gebiet der Lärmschwerhörigkeit über wenig Erfahrung. Bei seinem Gutachten vom 14. September 2004 habe er sich auf die Angaben des Klägers verlassen und den Tinnitus zusätzlich mit 10 vH berücksichtigt. Aus dem Tonaudiogramm vom 15. September 2008 ergebe sich ein Hörverlust von 45% beiderseits; aus dem Sprachaudiogramm resultiere ein Hörverlust von 40%. Für die Schwerhörigkeit folge daraus eine MdE um 15 vH, womit sich unter Berücksichtigung des mit einer MdE um 10 vH zu veranschlagenden Tinnitus insgesamt eine MdE um 20 vH errechne. Die im Klinikum B. erstellten Audiogramme, die auch gegenüber den Befunden von Dr. W. eine Verschlechterung des Hörvermögens darstellen, hat Dr. W. bei seiner Bewertung nicht berücksichtigt. Die Beklagte hat hierzu u.a. eingewandt, die von Dr. W. gefundene Verschlechterung des Hörvermögens des Klägers sei auch vor dem Hintergrund von dessen Ausscheiden aus der Lärmexposition im März 2002 nicht nachvollziehbar.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Senats.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG statthafte, form- und fristgerecht erhobene (§ 151 Abs. 1 SGG) sowie auch ansonsten zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 18. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2006 beschwert den Kläger nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, weil die Beklagte darin zutreffend einen Anspruch auf Verletztenrente für die anerkannte BK 2301 abgelehnt hat.
Ein Anspruch auf Verletztenrente setzt gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) voraus, dass die Erwerbsfähigkeit des Versicherten infolge des Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um mindestens 20 vH gemindert ist. Nach § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII richtet sich die Höhe der MdE nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens. Die Bemessung der MdE ist eine Feststellung, die das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung unter Berücksichtigung der in der Rechtsprechung und im einschlägigen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätze trifft. Diese sind für die Entscheidung im Einzelfall zwar nicht bindend. Sie bilden aber die Grundlage für eine gleiche und gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und sind die Basis für den Vorschlag, den der medizinische Sachverständige dem Gericht zur Höhe der MdE unterbreitet (siehe nur Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 2. Mai 2001 – B 2 U 24/00 R – SozR 3-2200 § 581 RVO Nr. 8; Urteil vom 18. März 2003 – B 2 U 31/02 R – Breithaupt 2003, 565 ff.; Urteil vom 22. Juni 2004 – B 2 U 14/03 R – SozR 4-2700 § 56 Nr. 1). Bezogen auf eine berufliche Hörminderung sind bei der MdE-Bewertung die Empfehlungen für die Begutachtung der beruflichen Lärmschwerhörigkeit (Königsteiner Merkblatt, 4. Aufl. 1995, abgedruckt bei Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, Stand April 2011, M 2301, S. 6b ff.) maßgeblich, die den derzeitigen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprechen (vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2005 – B 2 U 6/04 R – SozR 4-2700 § 9 Nr. 5; Mehrtens/Brandenburg, a.a.O., M 2301, Rn. 6.1, S. 35).
Dies zugrunde gelegt führt die beim Kläger anerkannte Lärmschwerhörigkeit mit Tinnitus zu keiner MdE um wenigstens 20 vH. Erst recht bedingen allein die bei ihm durch die audiometrischen Verdeckungstests objektivierten Ohrgeräusche, deren Auswirkungen bis zu einer Einzel-MdE um 10 vH integrativ – nicht dagegen additiv – berücksichtigt werden können (siehe Königsteiner Merkblatt Punkt 4.3.5; Mehrtens/Brandenburg, a.a.O., M 2301, Rn. 6.4, S. 39), was auch den insoweit übereinstimmenden Empfehlungen aller eingeschalteten Gutachter entspricht, keinen solchen Grad der MdE. Dabei folgt der Senat den Darlegungen der Dres. P. sowie PD Jungehülsing und PD Meister, deren Bewertungen der vorliegenden Befunde nachvollziehbar und schlüssig sind, mit den Erfahrungswerten übereinstimmen und im Gegensatz zu den Schlussfolgerungen sowie Messergebnissen von Dr. W. überzeugen.
Ausschlaggebend für die Ermittlung des prozentualen Hörverlustes und der daraus vorzunehmenden Bemessung der MdE ist der sprachaudiometrische Befund. Nur in besonderen Ausnahmefällen (z.B. geringe Deutschkenntnisse, Fehlen oder Unverwertbarkeit des Sprachaudiogramms) kommt eine Heranziehung des Tonaudiogramms in Betracht, wobei der Hörverlust hilfsweise aus der Knochenleitungskurve mittels der Drei-Frequenz-Tabelle nach Röser 1980 zu ermitteln ist (Königsteiner Merkblatt Ziff. 3.6, 4.2 und 4.2.2). Mit dem Abstellen auf das Sprachaudiogramm wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die sprachliche Verständigung in nahezu allen Bereichen des Erwerbslebens überragende Bedeutung hat.
Ausgehend hiervon maß Dr. P. im Sprachaudiogramm vom 17. Februar 2005 für das rechte Ohr einen Hörverlust für Zahlenwörter von 22 dB und für das linke Ohr von 16 dB sowie eine Verständnisquote für Einsilber von 65% bei 60 dB, 85% bei 80 dB und 90% bei 100 dB rechts bzw. 80% bei 60 dB, 85% bei 80 dB sowie 100% bei 100 dB links. Hieraus ermittelte der Sachverständige unter Anwendung der einschlägigen Vorgaben (Königsteiner Merkblatt, Ziff. 4.2.1) ein gewichtetes Gesamtwortverstehen von 227,5 rechts bzw. 255 links (65 x 3 + 85 x 2 + 90 x 1 geteilt durch 2 bzw. 80 x 3 + 85 x 2 + 100 x 1 geteilt durch 2). Aus diesen Werten sind nach der heranzuziehenden Tabelle von Boenninghaus und Röser 1973 Hörverluste von 10% rechts und 0% links zu entnehmen, so dass bei deren Einstellung in die Tabelle nach Feldmann 1995 (siehe Königsteiner Merkblatt Ziff. 4.3.2) keine messbare MdE resultiert. Damit ist die vom Sachverständigen nach den von ihm erhobenen Hörverlusten für Zahlenwörter und dem gewichteten Gesamtwortverständnis anhand der entsprechenden Tabelle des Königsteiner Merkblattes ermittelte MdE nicht zu beanstanden, zumal der sprachaudiometrische Untersuchungsbefund auch mit dem Ergebnis der von Dr. P. durchgeführten tonaudiometrischen Testung korreliert. Denn aus dem Tonaudiogramm vom 17. Februar 2005 ergibt sich bei 1 kHz für das rechte Ohr ein Hörverlust bei 20 dB (links 10 dB) und bei 2 und 3 kHz ein solcher von zusammen 85 dB rechts und 70 dB links. Entsprechend der Drei-Frequenz-Tabelle nach Röser 1980 beträgt der prozentuale Hörverlust damit rechts 15 und links 0, womit sich nach der Tabelle Feldmann 1995 wiederum eine MdE von 0 vH ergibt.
Bestätigt wird die Richtigkeit der Bewertung Dr. P.s auch durch die von PD Dr. M. erhobenen Untersuchungsbefunde, aus denen sich ebenfalls keine MdE um mindestens 20 vH ableiten lässt. Nach dem Sprachaudiogramm vom 21. Mai 2007 liegt der Hörverlust für Zahlenwörter rechts bei 18 dB sowie links bei 17 dB und beträgt die Verständnisquote für Einsilber bei 60 dB 70%, bei 80 dB ebenfalls 70% und bei 100 dB 95% rechts sowie entsprechend 70%, 80% sowie 90% links. Damit errechnet sich ein gewichtetes Gesamtwortverstehen von 222,5 rechts (70 x 3 + 70 x 2 + 95 geteilt durch 2) sowie entsprechend 230 links, was nach der Tabelle von Boenninghaus und Röser 1973 einen Hörverlust von 20% rechts und 10% links bedeutet. Werden diese Werte in die Tabelle nach Feldmann 1995 übertragen, folgt daraus eine MdE unter 10 vH. Wiederum steht dieser sprachaudiometrische Befund mit dem aus dem Tonaudiogramm vom 21. Mai 2007 folgenden Ergebnis im Einklang. Denn aus den insoweit erhobenen Messwerten lassen sich nach der Drei-Frequenz-Tabelle nach Röser 1980 beiderseitige Hörverluste von 15% ableiten. Werden diese in die Tabelle nach Feldmann 1995 eingestellt, resultiert auch aus dem tonaudiometrischen Untersuchungsergebnis eine MdE unter 10 vH.
Demgegenüber ist das auf Grundlage der Untersuchung des Klägers am 16. Januar 2006 bei PD Dr. J. erstellte Sprachaudiogramm, dessen Werte sich nicht mit denjenigen des Tonaudiogramms vom selben Tag in Übereinstimmung bringen lassen, nicht verwertbar. Aus dem Sprachaudiogramm sind ein Hörverlust für Zahlen rechts und links von jeweils 28 dB sowie eine Verständnisquote für Einsilber von 0% bei 60 dB, 60% bei 80 dB und 100% bei 100 dB für das rechte bzw. entsprechend 10%, 70% sowie 100% für das linke Ohr zu ersehen. Aus diesen Werten würde sich ein gewichtetes Gesamtwortverstehen rechts von 140 und links von 135 ergeben, was nach dem Königsteiner Merkblatt Hörverlusten von jeweils 50% sowie nach der Tabelle von Feldmann 1995 einer mittelgradigen Schwerhörigkeit mit einer MdE um 30 vH entspräche. Wie Dr. J. zutreffend dargelegt hat, widerspricht dies jedoch dem Ergebnis des Tonaudiogramms vom 16. Januar 2006. Aus diesem gehen nämlich beidseitige Hörverluste bei 1 kHz von 20 dB sowie bei 2 und 3 kHz solche von jeweils zusammen 100 dB hervor. Daraus resultieren nach der Drei-Frequenz-Tabelle von Röser 1980 prozentuale Hörverluste von je 20, was unter Anwendung der Tabelle nach Feldmann 1995 zu einer MdE um 10 vH führt. Eine nach dem Tonaudiogramm vorliegende Normalhörigkeit bzw. geringgradige Schwerhörigkeit lässt sich nicht mit einer mittelgradigen Schwerhörigkeit im Sprachaudiogramm vereinbaren, wie PD Dr. J. plausibel gemacht hat.
Entsprechendes gilt für die von Dr. W. dokumentierten Audiometriebefunde. Zwar würde aus den Sprachaudiogrammen vom 15. März und 2. September 2004 bei Anwendung der vorgenannten Maßstäbe in der Tat eine MdE um 30 vH resultieren. Aus dem Sprachaudiogramm vom 15. September 2008 würden entgegen Dr. W. nicht nur Hörverluste von jeweils 40% sowie eine MdE um 15 vH, sondern stattdessen sogar Hörverluste von 50% bzw. 60% und eine MdE um 30 vH folgen. Diese Konsequenz hat jedoch bereits er selbst nicht gezogen, sondern die vorliegenden Widersprüche vielmehr durch eine Korrektur der in seinem Gutachten vom 14. September 2004 empfohlenen MdE aufzulösen versucht. Die hierzu von ihm gegebene Begründung, er habe sich auf die Angaben des Klägers verlassen, überzeugt jedoch nicht, zumal er diese durch den von ihm geäußerten Verdacht einer Aggravation sowie Simulation bzw. einer Neurose selbst entwertet hat. Hinzu kommt, dass eine – durch die Messungen von Dr. P., PD Dr. J. (Tonaudiogramm) und PD Dr. M. aufgrund ihrer jeweiligen Untersuchungen vom 17. Februar 2005, 16. Januar 2006 sowie 21. Mai 2007 in diesem Sinne belegte – Verbesserung der nach Dr. W. beim Kläger bestehenden mittel- bis hochgradigen Schwerhörigkeit beiderseits in Richtung einer knapp geringgradigen Schwerhörigkeit beiderseits nicht einleuchtet. Hierauf haben die Dres. P. J. und PD M. unwidersprochen aufmerksam gemacht, da sich eine berufsbedingte Schallempfindungsschwerhörigkeit nicht wieder bessern könne. Anknüpfend hieran hat Dr. W. die am 2. September 2008 im Klinikum B. erhobenen Werte auch nicht herangezogen. Denn nach diesen hätte sich das Gehör des Klägers bis zur Untersuchung am 15. September 2008, also innerhalb von nicht einmal zwei Wochen, wiederum nicht unerheblich gebessert haben müssen. Auch eine Verschlechterung des Hörvermögens des Klägers in der Zeit zwischen den Untersuchungen durch PD Dr. M. am 21. Mai 2007 und Dr. W. am 15. September 2008 ist nicht nachvollziehbar. Denn eine lärmbedingte Schädigung des Innenohres nach – wie hier – beendeter Exposition kann nach gesicherten medizinischen Erkenntnissen nicht weiter fortschreiten (siehe nur Merkblatt zur BK 2301 in der Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 1. Juli 2008, GMBl. 2008, 798 ff.). Hierauf hat die Beklagte zutreffend hingewiesen.
Nach alledem konnte die Berufung keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
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