S 38 AS 5061/11

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
38
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 38 AS 5061/11
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 794/14
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Der Bescheid vom 16.02.2011 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 24.03.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2011 wird abgeändert.
2. Die Beklagte wird verurteilt, den Klägern jeweils Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom 01.03.2011 bis zum 31.08.2011 i.H.v. 322,83 EUR monatlich abzüglich des gezahlten Kindergeldes für L. und A. zu gewähren.
Die Beklagte hat den Klägern die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) von März bis August 2011 zu gewähren. Der im Januar 2007 geborene Kläger und die im Februar 2008 geborene Klägerin sind Halbgeschwister und kosovarische Staatsangehörige.

Der Vater der Kläger ist ebenfalls kosovarischer Staatsangehöriger und lebt seit 1991 in der Bundesrepublik. Er besitzt seit 25.02.2010 eine unbefristete Niederlassungserlaubnis.
Der 2007 im Kosovo geborene Kläger stammt aus der ersten Ehe des Vaters und ist im Jahr 2009/2010 mit einem Besuchervisum in die Bundesrepublik Deutschland aus dem Kosovo eingereist. Durch Beschluss vom 13.10.2009 des Zentrums für Sozialangelegenheiten der Republik Kosovo ist dem Vater des Klägers das alleinige Sorgerecht übertragen worden.

Im September 2006 hat der Vater der Kläger seine jetzige Ehefrau geheiratet, die im Wege des Familiennachzugs in die Bundesrepublik Deutschland nachgezogen ist. Im Februar 2008 ist die Klägerin im Kosovo geboren worden und lebte dort zunächst bei den Eltern ihrer Mutter und ist 2011 mit einem Besuchervisum eingereist. Am 13.07.2009 ist der erste gemeinsame Sohn der Eltern der Klägerin und des Vaters des Klägers in Deutschland geboren worden. Dieser besitzt durch die Geburt in Deutschland kraft Gesetzes die deutsche Staatsangehörigkeit. Die Mutter verfügt seit 10.11.2009 über eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs.1 S. 1 Nr. 3, S.2 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) (Eltern eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge).

Der Vater der Kläger hat am 04.02.2010 bei dem zuständigen Ausländeramt Aufenthaltstitel für den Kläger und später auch für die Klägerin beantragt; bis heute ist der Antrag nicht beschieden worden. Das Gericht hat mehrfach bei dem zuständigen Ausländeramt angefragt, ob Aufenthaltstitel für die minderjährigen Kläger erteilt würden.

Die Eltern der Kläger und der in Deutschland im Jahr 2009 geborene Sohn bezogen im streitgegenständlichen Zeitraum Leistungen von der Beklagten. Die Kläger beziehen nach ihrer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland Kindergeld.

Der Vater der Kläger beantragte erstmals im November 2010 auch Leistungen für die Kläger und führte alle fünf Familienmitglieder im Antragsformular der Beklagten auf. Die Leistungen wurden von November bis Februar 2011 vorläufig jedoch ohne die beiden Kläger bewilligt. Als Begründung wurde angegeben, dass die Aufenthaltsverhältnisse der Kläger ungeklärt seien.

Am 31.01.2011 stellte der Vater der Kläger einen Weiterbewilligungsantrag. Er füllte dazu ein Formular für die Weiterbewilligung von Leistungen aus. In diesem Formular gab er, weil ihm gesagt worden ist, dass Leistungen für die beiden älteren Kinder nicht bewilligt würden, nur sich selbst, seine Ehefrau und den 2009 geborenen Sohn an. Zunächst hat der Vater der Kläger nur sich selbst im Antrag aufgeführt. Von der Beklagten ist ihm bei Antragsabgabe gesagt worden, dass auch die Mutter und der 2009 geborene Bruder aufgeführt werden müssten. Dies holte der Vater der Kläger dort nach. Die Eintragungen bezüglich der Antragsteller haben unterschiedliche Schriftfarben; der Vater ist in einer anderen Farbe als die beiden weiteren Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft angegeben.

Durch Bewilligungsbescheid vom 16.02.2011 sind lediglich den Eltern und dem 2009 geborenen Sohn Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts i.H.v. 1000,48 EUR, wobei nur 3/5, 323,48 EUR, an Kosten der Unterkunft, bewilligt wurden. Mit Bescheid vom 25.03.2011 erfolgte hinsichtlich der bewilligten Leistung lediglich eine Anpassung aufgrund der Erhöhung der Regelleistung zum 01.01.2011.

Am 07.07.2011 hat der Vater der Kläger Widerspruch erhoben, der durch Widerspruchsbescheid vom 29.11.2011 zurückgewiesen wurde.

Auch für den nachfolgenden Zeitraum ab September 2011 wurden den Eltern und dem 2009 geborenen Bruder Leistungen vorläufig - wegen des Klageverfahrens - ohne die beiden Kläger bewilligt.

Die nochmals vom Gericht eingeholte telefonische Auskunft bei dem zuständigen Ausländeramt am 17.02.2014 bestätigt, dass bis heute keine Entscheidung über das Aufenthaltsrecht der beiden Kläger erfolgt ist.

Am 30.12.2011 hat der Vater bzw. die Eltern der Kläger Klage erhoben. Sie sind der Auffassung, dass allein der formell fehlende Aufenthaltsstatus der beiden minderjährigen Kläger nicht geeignet sein könne, die Leistungen für diese Kinder voll umfänglich zu versagen, da insoweit die Existenzsicherung nicht gesichert sei.

Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 16.02.2011 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 25.03.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2011 dahingehend abzuändern, dass die Beklagte verpflichtet wird, auch den Klägern, A. und L., jeweils Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II von März 2011 bis August 2011 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen abzüglich des gezahlten Kindergeldes für die Kläger zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist sie darauf, dass ohne ein entsprechendes Aufenthaltsrecht der Kläger kein gewöhnlicher Aufenthalt der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland anzunehmen sei, so dass die Kläger von den Leistungen des SGB II ausgeschlossen seien.

Die Kläger und ihre Eltern sowie der 2009 geborene Bruder haben bei dem erkennenden Gericht am 20.07.2011 erfolglos den Erlass einer einstweiligen Anordnung unter dem Az. S 27 AS 2763/11 ER beantragt, durch den die Beklagte verpflichtet werden sollte, Kosten der Unterkunft in der tatsächlichen Höhe i.H.v. 539 EUR und die Regelsätze für die Kläger ab Juli 2011 zu zahlen. In dem dortigen Verfahren hat das Gericht eine Stellungnahme des zuständigen Ausländeramtes eingeholt. Das zuständige Ausländeramt hatte in seiner Stellungnahme vom 19.10.2011 ausgeführt, dass bislang keine Aufenthaltstitel für die Kläger erteilt worden seien.

Im Erörterungstermin vom 09.10.2013 hat der Vater der Kläger angegeben, dass die beiden Kläger bis heute keinerlei Aufenthaltstitel besäßen; ein beim zuständigen Ausländeramt gestellter Antrag sei bis dato nicht beschieden. Eine Abschiebung der beiden Kinder sei auch bislang nicht verfügt worden.

Das zuständige Ausländeramt hat am 09.01.2013 auf Anfrage des Gerichts mitgeteilt, dass gegebenenfalls eine Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 32 Abs. 4 AufenthG in Frage kommen könnte, da allerdings vom Vater der Kläger keine Mithilfe bei der Sachaufklärung erfolge, komme derzeit keine weitere Prüfung in Betracht.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Prozessakten sowie die Verwaltungsakten der Beklagten und die beigezogene Akte aus dem Eilverfahren mit dem Az. S 27 AS 2763/11 ER einschließlich Bezug genommen. Er war Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage in Form der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ist begründet. Der angefochtene Bescheid vom 16.02.2011 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 25.03.2011 und in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2011 rechtswidrig ist und beschwert die Kläger im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

Die Kläger haben gemäß §§ 7 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 4, 19 Abs. 1 S. 2 SGB II einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II für den streitgegenständlichen Zeitraum.

Einem Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 SGB II unterliegen die Kläger nicht. Gemäß §§ 7 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 4, 19 Abs. 1 S. 2 SGB II erhalten auf Antrag auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben, Leistungen in Form des Sozialgeldes, sofern sie keinen Anspruch auf Leistungen des Vierten Kapitels des zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) haben.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der gestellte Fortbewilligungsantrag vom 31.01.2011 auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den hier streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum von März bis November 2011 als Leistungsantrag nach § 38 SGB II auch für die beiden Kläger zu werten. Zwar sind die beiden Kläger-im Gegensatz zu den Eltern und dem 2009 geborenen Bruder- nicht namentlich in diesem Antrag angegeben, jedoch hatte der Vater der Kläger diese im zuvor gestellten Erstantrag aufgeführt. Im Fortbewilligungsantrag vom 31.01.2011 hatte der Vater der Kläger zunächst nur sich selbst angegeben. Bei der Beklagten ist ihm bei Antragsabgabe gesagt worden, dass er seine Ehefrau und den 2009 geborenen Sohn auch noch angeben müsse. Bezüglich der Kläger wurde ihm mitgeteilt, dass diese sowieso keine Leistungen erhalten würden, so dass er diese dann nicht im Antrag explizit angab. Diese Angabe des Vaters der Kläger war nachvollziehbar, da der Antrag selbst den Vater in einer anderen Schriftfarbe als die Mutter und den Bruder angab.

Der Antrag des Vaters aus Januar 2011 ist aufgrund der Vermutungsregelung in § 38 SGB II und des Meistbegünstigungsgrundsatzes so auszulegen, dass auch Leistungen für die vom Leistungsbezug ausgeschlossenen Kinder verlangt werden können, weil diese nicht aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Regelung vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen sind (BSG, Urteil vom 29.03.2007, Aktenzeichen B 7b AS 2/06 R; Schoch, in: LPK-SGB II, § 37, Rn. 12).

Der Bewilligungsbescheid vom 16.02.2011 bewilligt zwar ausschließlich Leistungen für die Eltern der Kläger und den 2009 geborenen Bruder, allerdings auch nur Kosten der Unterkunft und Heizung i.H.v. 3/5. somit hat die Beklagte im Bewilligungsbescheid mitentschieden, dass hier nur eine Haushaltsgemeinschaft mit den beiden Klägern anzunehmen war. Der Widerspruchsbescheid enthält zudem ausdrücklich eine Leistungsablehnung für die Kläger, so dass die Beklagte zumindest konkludent auch Leistungen für die Kläger in dem Bewilligungsbescheid vom 16.02.2011 abgelehnt hat.

Einen Anspruch auf Leistungen des Vierten Kapitels des SGB XII besitzen die Kläger nicht.

Die Kläger leben mit ihrem erwerbsfähigen Vater in einer Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II, da sie als unverheiratete, minderjährige Kinder im Haushalt der Eltern leben und ihren Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten können.

Der Vater der Kläger erfüllt die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 SGB II, wonach Leistungen nach dem SGB II Personen erhalten, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.

Unabhängig davon, ob für den Sozialgeldanspruch auch der gewöhnlicher Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland erforderlich ist, wovon aufgrund der allgemeinen Regelung in § 30 Erstes Buch Sozialgesetzbuch -allgemeiner Teil- (SGB I), die für alle besonderen Teile der Sozialgesetzbücher Geltung hat, haben die Kläger ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland (für die Voraussetzung eines gewöhnlichen Aufenthalts bei dem Sozialgeldanspruch: Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG BB), Beschluss vom 29.11.2010 Az. L 34 AS 1001/10 B ER; Sozialgericht Münster, Urteil vom 14.10.2013, Az. S 10 AS 433/12).

Seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 30 Abs. 3 S. 2 SGB I hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts ist primär nach den tatsächlichen objektiven Verhältnissen im streitgegenständlichen Zeitraum zu beurteilen. Wesentlich ist, ob der Schwerpunkt der Lebensverhältnisse faktisch dauerhaft im Inland ist. Dauerhaft ist ein solcher Aufenthalt, wenn und solange er nicht auf Beendigung angelegt, also zukunftsoffen ist (BSG, Urteil vom 30.01.2013, Az. B 4 AS 54/12 R, Rn.18,-juris-).

Die Kläger halten sich seit 2010/2011 bei ihren alleinsorgeberechtigten Eltern in Deutschland auf und gehen mittlerweile zum Kindergarten bzw. zur Schule.

Die Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts der Kläger Deutschland scheitert nicht daran, dass Ihnen bislang kein Aufenthaltsrecht von der zuständigen Ausländerbehörde erteilt worden ist. Für die Annahme eines gewöhnlichen Aufenthaltes ist das Innehaben eines Aufenthaltstitels nicht Voraussetzung.

Ein solches Erfordernis lässt sich weder dem SGB I noch dem SGB II und auch nicht dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 oder Abs. 2 SGB II entnehmen. Der Wortlaut des § 7 Abs. 1 S. 1 fordert die Voraussetzungen in Nr. 1 bis Nr. 4 zudem ausdrücklich nur für erwerbsfähige Leistungsberechtigte, denn anders lässt sich der Klammerzusatz am Ende des Satzes 1 nicht verstehen. (vgl. Bundessozialgericht (BSG) Urteil vom 30.01.2013, Az. B 4 AS 54/12 R; SG Nürnberg, Urteil vom 26.08.2009, Az S 20 AS 906/09; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG Nds.), Beschluss vom 17.022011, Az. L 7 AS 1323/10 B; offen gelassen: BSG, Urteil vom 25.01.2012, B 14 AS 138/11; a. A. (noch): Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW), Beschluss vom 28.06.2011, Az. L 19 AS 317/11 B ER; Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 22.03.2012, Az. L 11 AS 1045/11 B ER aA)

Eine einschränkende Auslegung des tatbestandlichen Merkmals gewöhnlichen Aufenthalts in § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB II ist auch nach dem Sinn und Zweck des SGB II nicht geboten. Zum einen sollen nach dem Willen des Gesetzgebers über das Konstrukt der Bedarfsgemeinschaft gerade auch Personen in den Rechts- und Pflichtenkreis des SGB II miteinbezogen werden, die originär nicht leistungsberechtigt nach dem SGB II sind. Als Anknüpfungspunkt reicht aus, dass sie im weiteren Sinne Angehörige des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen sind. Zum anderen hat der Gesetzgeber in § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II eine ausdrückliche Regelung darüber getroffen, unter welchen Voraussetzungen Ausländer von Leistungsansprüchen nach dem SGB II ausgeschlossen sind (SG Nürnberg, Urteil vom 26.08.2009, Az. S 20 AS 906/09).

Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass es der Vereinheitlichung des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts zuwiderlaufe, wenn unter Berufung auf die sogenannte Einfärbungslehre für die Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts ein Aufenthaltstitel gefordert werde. Dies führe zudem dazu, dass einzelnen Personengruppen der Zugang zu Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums verwehrt werde (BSG, Urteil vom 30.01.2013, Az. B 4 AS 54/12 R). Dieser Auffassung schließt sich die Kammer an.

Der Ausschluss der beiden Kläger von den Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums führt hier auch dazu, dass das Existenzminimum der Familie gewährleistet ist, weil die allein sorgeberechtigten Eltern ihre Leistungen mit den Klägern teilen müssen. Diese Folge des Ausschlusses läuft § 1 des SGB I zuwider, wonach das Recht des Sozialgesetzbuchs zur Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit Unsicherheit, insbesondere auch zum Schutz und der Förderung der Familie dienen soll.

Unabhängig davon, ob ein Aufenthaltsrecht zur Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts erforderlich ist, dürften die Kläger aufgrund von § 32 AufenthG einen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besitzen, weil der Vater eine unbefristete Niederlassungserlaubnis und die Mutter eine Aufenthaltserlaubnis besitzt. Die Eltern und die jüngeren Brüder der Kläger bilden eine Familie im Sinne des Art. 6 Grundgesetz (GG), so dass den Klägern durch Art. 6 GGG auch ein Aufenthaltsrecht aus formellen Gründen zustehen dürfte (BSG, Urteil vom 30.01.2013, Az. B 4 AS 54/12 R; LSG NRW, Beschluss vom 20.02.2013, Az. L 12 AS 1858/12 BER).

Vorliegend ist eine etwaige Einreise mit einem Besuchervisum bzw. ohne entsprechendes Visum nicht dazu führen, dass die Erteilung eines entsprechenden Aufenthaltstitels an die Kläger dauerhaft ausgeschlossen wäre.

Die Höhe des Sozialgeldanspruchs der Kläger folgt ihrem Bedarf. Beide Kläger waren im streitgegenständlichen Zeitraum unter sechs Jahren alt, so dass ihr Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts gemäß § 19 Abs. 1 S. 2, 23 Abs. 1, 77 Abs. 4 SGB II 215 EUR betrug. Die Gesamtmiete belief sich auf 539,14 EUR; den Eltern der Kläger und dem Bruder wurden 323,48 EUR bewilligt (3/5). Der Anteil der Kosten der Unterkunft der Kläger betrug jeweils 107,82 EUR im streitgegenständlichen Zeitraum. Hiervon war das den Klägern gewährte Kindergeld in Abzug zu bringen. Da das Kindergeld zu dem Zeitpunkt für den 2009 geborenen Sohn sowie für die Kläger gewährt worden ist, konnte nicht abschließend geklärt werden, für welches der drei Kinder das ab dem dritten Kind erhöhte Kindergeld gezahlt wurde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 S. 1 SGG und trägt dem Obsiegen der Kläger Rechnung.
Die Berufung ist gemäß § 143 SGG kraft Gesetzes zulässig.

Die Einreichung in elektronischer Form erfolgt durch die Übertragung des elektronischen Dokuments in die elektronische Poststelle. Diese ist über die Internetseite www.sg-duisburg.nrw.de erreichbar. Die elektronische Form wird nur gewahrt durch eine qualifiziert signierte Datei, die den Maßgaben der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Sozialgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen (ERVVO SG) vom 07.11.2012 (GV.NRW, 551) entspricht. Hierzu sind die elektronischen Dokumente mit einer qualifizierten Signatur nach § 2 Nummer 3 des Signaturgesetzes vom 16.05.2001 (BGBl. I, 876) in der
Rechtskraft
Aus
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