L 4 P 14/11 B ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 21 P 15/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 P 14/11 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 12. Mai 2011 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (nachfolgend: Antragstellerin) begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung weiterer Pflegeeinsätze bis zu einem Gesamtwert von 1.918,- EUR monatlich zur Vermeidung von Härten. Daneben begehrt sie die unverzügliche Auszahlung anteiligen Pflegegeldes für nicht in Anspruch genommene Pflegesachleistungen sowie die Übernahme von Kosten für die Übermittlung eines Pflegegutachtens.

Die 1931 geborene Antragstellerin ist bei der Antrags- und Beschwerdegegnerin (im Folgenden: Antragsgegnerin) pflegeversichert. Seit Januar 2008 erhält sie Leistungen nach der Pflegestufe III, nachdem der Sozialmedizinische Dienst H. (SMD) einen Zeitaufwand für die Grundpflege von 276 Minuten täglich festgestellt hatte (Gutachten vom 21. Februar 2008). Die Pflege erfolgt durch einen ambulanten Pflegedienst sowie durch ihren Sohn, der auch ihr Prozessvertreter ist (im Folgenden: Pflegeperson). Sie wohnt in einem Hochhaus in der vierten Etage mit Fahrstuhl und kann mit einem Notruf Hilfe anfordern. Die Pflegeperson bewohnt die gleiche Etage. Die Antragstellerin leidet an vaskulärer Demenz, Morbus Parkinson, Stuhl- und Harninkontinenz, Knotenstruma mit Kurzatmigkeit, Zustand nach Operation eines Gebärmuttertumors mit anschließender Bestrahlung sowie Zustand nach Schlaganfall mit Kraftminderung rechts.

Am 18. Januar 2011 beantragte sie weitere Pflegeeinsätze bis zu einem Gesamtwert von 1.918,- EUR monatlich zur Vermeidung einer Härte. Die Antragsgegnerin veranlasste eine Begutachtung durch den SMD, der durch die Pflegefachkräfte T. und R. sowie die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. S. in einem Gutachten vom 3. Februar 2011 ausführen ließ, es würden Bewegungseinschränkungen der linken Hand und des linken Beines nach dem Schlaganfall, Koordinationsstörungen bei bestehendem Morbus Parkinson im rechten Bein sowie Schwindel mit Sturzneigung angegeben. Die Antragstellerin könne unter Aufsicht selbständig aufstehen und mit dem Rollator im Wohnbereich laufen, wobei der Gang schlurfend und kleinschrittig sei. Außerhalb der Wohnung werde ein Rollstuhl benutzt. Sie trage Oberschenkelkompressionsstrümpfe und leide an geringer Unterschenkelvarikosis, Stuhl- und Harninkontinenz sowie Schluckstörungen. Folge einer Strahlencollitis sei vermehrter Stuhlabgang; sie trage einen supraphobischen Blasenkatheter, der zwei- bis dreimal täglich entleert werde. Die Antragstellerin sei kreislaufstabil, leide an Unruhezuständen, Angst- und Wahrnehmungsstörungen und einem gestörten Tag-Nacht-Rhythmus. Das Kurzzeitgedächtnis sei stark eingeschränkt, das Langzeitgedächtnis überwiegend erhalten. Sie finde die Toilette nicht, schmiere mit Kot und leide häufig an Durchfällen, so dass öfter eine Teilwäsche nötig sei. Unter gezielter Anleitung könne sie bei der Körperwäsche mitmachen. Die Toilette benutze sie nach Aufforderung. Sie habe kein Sättigungsgefühl und esse nachts unkontrolliert. Wegen der Schluckstörungen sei eine mundgerechte Zubereitung der Nahrung erforderlich. Dadurch sie die Nahrungsaufnahme sehr zeitintensiv. Wegen der Gangunsicherheit und Orientierungslosigkeit benötige sie beim Gehen eine Begleitung. Beim An- und Auskleiden, das wegen der häufigen Durchfälle zeitweise häufiger durchzuführen sei, benötige sie Anleitung und Übernahme. Pflegeerschwerende oder -erleichternde Faktoren lägen nicht vor. Es bestehe ein nächtlicher Grundpflegebedarf für die Toilettengänge sowie für das Wechseln von Inkontinenzmaterial, das Anreichen von Flüssigkeiten und Teilwäschen sowie Teilkleiden bei Kotschmieren oder Durchfall. Insgesamt betrage der Zeitaufwand für die Grundpflege 254 Minuten täglich. Der Pflegebedarf habe sich nicht wesentlich geändert und übersteige nicht das Maß der Pflegestufe III. Der nach den Härtefallrichtlinien geforderte Pflegeaufwand von sechs Stunden täglich einschließlich regelmäßiger Nachtpflege werde nicht erreicht. Die Pflege könne von einer Pflegeperson verrichtet werden.

Unter Bezugnahme auf dieses Gutachten lehnte die Antragsgegnerin den Antrag mit Bescheid vom 22. Februar 2011 ab. Daraufhin begehrte die Antragstellerin Akteneinsicht durch Übersendung des Gutachtens und legte mit Schreiben vom 23. Februar 2011 Widerspruch gegen den Bescheid ein. Für die Übersendung der Ablichtungen stellte die Antragsgegnerin ihr mit Schreiben vom 23. Februar 2011 Kosten in Höhe von 7,00 Euro in Rechnung.

Am 16. März 2011 beantragte die Antragstellerin beim Sozialgericht Halle, ihr die begehrten Leistungen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu gewähren und die Antragsgegnerin zur unverzüglichen Auszahlung von anteiligem Pflegegeld für nicht in Anspruch genommene Pflegesachleistungen seit Januar 2011 zu verpflichten sowie ihr die Kosten für die Übermittlung des Pflegegutachtens zu erstatten. Der Umfang der notwendigen Hilfen habe sich stetig erhöht. Die Antragstellerin besuche an drei Tagen in der Woche eine Tagespflegeeinrichtung, was im Pflegegutachten nicht berücksichtigt worden sei. Die medizinische Behandlungspflege finde nur Berücksichtigung, wenn die Pflege in vollstationären Einrichtungen erbracht werde. Dies verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Antragstellerin sei auf Pflege "rund um die Uhr", also 24 Stunden täglich, angewiesen. Dies sei gutachterlich festgestellt. Daher erfülle sie die Voraussetzungen nach § 36 Abs. 4 SGB XI. Es werde nicht erläutert, aus welchen Gründen sich ihr Hilfebedarf im Vergleich zu dem im Jahre 2008 festgestellten Hilfebedarf drastisch gesenkt habe. In dem Gutachten sei für das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung, das Aufstehen und Zubettgehen, für Stehen und Transfer kein Hilfebedarf ausgewiesen. Dies sei nicht nachvollziehbar, da die Antragstellerin über einen Schwerbehindertenausweis mit den Merkzeichen "G" und "aG" verfüge und an drei Tagen in der Woche eine Tagespflege aufsuche sowie regelmäßig Ärzte und Fachärzte aufsuchen müsse. Im Pflegegutachten sei auch nicht dargelegt worden, welcher Hilfebedarf tatsächlich in der Nacht anfalle. Daher sei die Angabe, eine regelmäßige Nachtpflege falle nicht an, nicht plausibel. Ebenso wenig sei nachvollziehbar, welche Pflegeverrichtungen mit einer Pflegeperson durchgeführt werden könnten. Eine Pflegeperson könne nicht regelmäßig und täglich ununterbrochen am Tag und in der Nacht Pflegeleistungen erbringen. Ein Großteil des Hilfebedarfs resultiere aus der Krebserkrankung und den Folgen der Behandlung. Nach dem Angebot eines zugelassenen ambulanten Pflegedienstes vom 18. März 2011 würden für die Erbringung der mit Leistungsbescheid vom 22. März 2011 festgestellten Leistungen monatliche Kosten in Höhe von 3.236,92 EUR entstehen, wenn sie als Sachleistungen erbracht würden. Mit dem festgestellten Hilfebedarf werde daher das übliche Maß der Pflegestufe III um mehr als das Doppelte überschritten. Da zudem nicht bei allen zu erbringenden Hilfeleistungen vorhersehbar sei, wann der Bedarf tatsächlich auftrete, könnten nicht alle erforderlichen Pflegeleistungen durch Einsätze eines Pflegedienstes abgedeckt werden. Bei dieser Sachlage sei ein Aufschub nicht möglich, da die Pflege derzeit nicht sichergestellt werden könne.

Zur Auszahlung des anteiligen Pflegegeldes für nicht in Anspruch genommene Pflegesachleistungen hat die Antragstellerin ausgeführt, die Antragsgegnerin könne sich nicht auf unpünktliche oder fehlende Abrechnungen der Sachleistungserbringer berufen, da der Pflegedienst die für Januar 2011 erbrachten Sachleistungen bereits am 3. Februar 2011 in Rechnung gestellt habe. Sie habe nicht die Leistungsart, sondern lediglich den Leistungserbringer gewechselt. Für die Übermittlung des Pflegegutachtens könne die Antragsgegnerin ihr keine Kosten in Rechnung stellen, da sie verpflichtet sei, ihren Verwaltungsakt, hier den Leistungsbescheid vom 22. Februar 2011, gemäß § 35 SGB X kostenfrei zu begründen. Wesentliche Begründungspunkte seien aber nur dem Gutachten, nicht dem Leistungsbescheid zu entnehmen.

Die Antragsgegnerin hat vorgetragen, der mit dem Gutachten des SMD ermittelte Zeitaufwand in der Grundpflege von 254 Minuten täglich übersteige nicht das Maß der Pflegestufe III. Die Voraussetzungen eines Härtefalles seien nicht erfüllt, da nach den Richtlinien hierfür ein Pflegebedarf im Bereich der Grundpflege von sechs Stunden täglich einschließlich eines regelmäßigen nächtlichen Pflegebedarfs erforderlich sei. Nach einer Stellungnahme des SMD vom 22. März könne auch die Nachtpflege mit einer Pflegeperson sichergestellt werden, da die Antragstellerin ausreichend mobil und nicht deutlich übergewichtig sei und keine ausgeprägten Kontrakturen bestünden. Die Grundpflege müsse nicht von zwei Pflegekräften zeitgleich erbracht werden und erfordere auch keinen Aufwand von sechs Stunden täglich. Die Auszahlung von anteiligem Pflegegeld für nicht in Anspruch genommene Pflegesachleistungen sei aufgrund des Wechsels des Pflegedienstes im Januar 2011 bisher nicht erfolgt, da der neue Pflegedienst noch keine Abrechnungen vorgelegt habe. Zu den Kosten für die Übersendung des Gutachtens hat die Antragsgegnerin ausgeführt, § 25 Abs. 5 SGB X i. V. m. dem Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz erlaube ihr die Inrechnungstellung von 0,50 EUR je angefertigter Kopie. Die Antragstellerin könne aber jederzeit während der Geschäftszeiten kostenlos Einsicht in die Unterlagen der Behörde nehmen.

Das Sozialgericht hat ein Gutachten durch die Pflegesachverständige W. vom 29. April 2011 eingeholt. Das Gutachten basiert neben einer Aktenanalyse auf einem Gespräch mit der Pflegedienstleiterin des beauftragten Pflegedienstes sowie auf einem Besuch bei der Antragstellerin in der Tagespflegeeinrichtung und einem Gespräch mit der Tagespflegeleiterin. Einen Hausbesuch unter Anwesenheit und Befragung der Pflegeperson der Antragstellerin konnte aus organisatorischen Gründen nicht realisiert werden. Auf dieser Grundlage hat die Gutachterin einen Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von maximal 277 Minuten täglich und unter Berücksichtigung des Aufsuchens von Ärzten von maximal 286 Minuten täglich ermittelt. Ein nächtlicher Hilfebedarf ergebe sich maximal zweimal pro Nacht, wobei es jedoch keinen Hinweis auf einen stetigen Zustand gebe. Diesbezüglich wird auf das Gutachten des SMD vom 3. Februar 2011 Bezug genommen, in welchem die Pflegeperson einen zweimaligen Nachtkontakt angegeben habe. Eine zweite Pflegeperson sei lediglich einmal wöchentlich für das Baden erforderlich. Daher erfülle die Antragstellerin die notwendigen Voraussetzungen zur Inanspruchnahme der Härtefallregelung nicht.

Die Antragstellerin hält diese Gutachten für unbrauchbar, da es sich lediglich auf die minimale Pflege in der Tagepflegeeinrichtung beziehe und keine körperliche Untersuchung stattgefunden habe.

Mit Beschluss vom 12. Mai 2011 hat das Sozialgericht Halle den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Nach dem bisher ermittelten Sachstand habe die Antragstellerin derzeit über die bewilligten Leistungen nach der Pflegestufe III hinaus keinen Anspruch auf Gewährung von Mehrleistungen bei außergewöhnlich hohem Pflegeaufwand. Nach den nachvollziehbar dargelegten Feststellungen der Gutachterinnen liege der Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege deutlich unter 360 Minuten täglich und könne auch des Nachts von nur einer Pflegeperson erbracht werden. Die Antragstellerin habe nicht dargelegt, ob und in welchem Umfang sie derzeit einen Anspruch auf anteiliges Pflegegeld haben könne und in wieweit die Pflege durch eine verzögerte Auszahlung des anteiligen Pflegegeldes derzeit beeinträchtigt werde. Ein Anordnungsgrund sei auch für die Kosten der Übermittlung des Pflegegutachtens nicht ersichtlich, da diese jedenfalls geringfügig seien. Die Antragstellerin habe insoweit nicht dargelegt, durch diese Kosten in eine Notlage geraten zu sein.

Ausweislich der vorliegenden Postzustellungsurkunde wurde eine Ausfertigung des Beschlusses am 17. Mai 2011 dem Prozessbevollmächtigten, der zugleich auch Pflegeperson ist, in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten gelegt. Am 23. Mai 2011 teilte er der Antragstellerin telefonisch mit, den Beschluss nicht erhalten zu haben. Daraufhin wurde ihm am 15. Juni 2011 eine Abschrift des Beschlusses ausgehändigt. Am 27. Juni 2011 hat er für die Antragstellerin dagegen Beschwerde erhoben und vorgetragen: Wegen der Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit stünden die bisherigen Pflegepersonen seit 1. Januar 2011 nicht mehr zur Verfügung. Außerdem habe sich insbesondere der nächtliche Hilfebedarf wesentlich erhöht. Die Entscheidung werde den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zum vorläufigen Rechtsschutz nicht gerecht. Er sei bei der Begutachtung durch die gerichtlich bestellte Gutachterin nicht beteiligt worden, es gebe wesentliche Unterschiede zum Gutachten des SMD, die erheblichen Erkrankungen der Antragstellerin seien nicht hinreichend beachtet worden und der konkrete Hilfebedarf könne ohne Kenntnis der Wohnsituation nicht beurteilt werden. Die Wohnverhältnisse seien auch der Leiterin der Tagesstätte nicht bekannt. Zudem habe die Pflegedienstleiterin bestätigt, dass der Pflegebedarf mehr als sechs Stunden täglich betrage und dreimal in der Nacht eintrete. Er selbst werde durch den ablehnenden Beschluss quasi gezwungen, die Pflege unentgeltlich zu erbringen. Dies stehe nicht im Einklang mit der Verfassung. Des Nachts könnten Pflegesachleistungen nicht erbracht werden. Schon daraus ergebe sich der Grund für den Erlass der einstweiligen Anordnung. Nicht nachvollziehbar sei, dass sich das Sozialgericht auf die Angaben der Pflegekräfte in der Tageseinrichtung stütze, nicht aber auf die Angaben der Pflegepersonen und des Pflegedienstes, obwohl nur diese den Pflegebedarf tatsächlich einschätzen könnten. Schließlich sei das Sozialgericht von einer falschen Fassung der Härtefallrichtlinien ausgegangen. Mit einer Entscheidung aus dem Jahr 2001 habe das Bundessozialgericht (BSG) die Gerichte an die damalige Fassung der Härtefallrichtlinien gebunden. Auf die Abrechnung der Pflegesachleistung zwischen dem Pflegedienst und der Pflegekasse habe die Antragstellerin keinen Einfluss. Seit 1. Mai 2011 sei die Kombinationsleistung komplett auf Sachleistungen umgestellt worden. Da die Antragstellerin Leistungen für die Tagespflege nur an drei Tagen pro Woche in Anspruch nehme, ergebe sich aber dennoch ein anteilig zu zahlendes Pflegegeld. Seit Januar 2011 stehe dies aus. Die Antragstellerin erhalte Leistungen vom Sozialamt, so dass das Existenzminimum ohne das anteilige Pflegegeld gefährdet sei.

Die Antragstellerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 12. Mai 2011 aufzuheben und die Antragsgegnerin durch eine einstweilige Anordnung vorläufig zu verpflichten,

ihr zur Vermeidung von Härten weitere Pflegeeinsätze bis zu einem Gesamtwert von 1.918,- EUR monatlich wegen eines außergewöhnlich hohen Pflegeaufwandes zu gewähren,

ihr das anteilige Pflegegeld für nicht in Anspruch genommene Pflegesachleistungen unverzüglich auszuzahlen und

ihr die Kosten für die Übermittlung des Pflegegutachtens zu erstatten.

Die Antragsgegnerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie bezieht sich auf den Beschluss des Sozialgerichts sowie ihre bisherigen Ausführungen. Mit Bescheid vom 21. Juni 2011 hat sie anteiliges Pflegegeld in Höhe von 682,90 EUR für die Zeit von März 2010 bis Februar 2011 bewilligt und mit Bescheid vom 15. September 2011 das anteilige Pflegegeld für März bis Juni 2011. Die Berechnung und Auszahlung für Juli 2011 erfolge noch in der 39. Kalenderwoche. Die verspätete Auszahlung habe darauf beruht, dass die Tagespflegeeinrichtung die Abrechnungen erst Mitte April 2011 und die von Dezember 2010 erst auf Nachfrage am 20. Juni 2011 übersandt habe. Leider würden immer noch Rechnungen an die falsche Abrechnungsstelle übersandt. Nach Vorlage der notwendigen Abrechnungsunterlagen sei von einem Erstattungszeitraum bis maximal acht Wochen auszugehen. Das anteilige Pflegegeld habe seit 2010 monatlich zwischen 15,00 und 70,00 Euro betragen. Lediglich in zwei Monaten sei der Betrag darüber hinaus gegangen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Juli 2011 hat der Widerspruchsausschuss der Antragsgegnerin den Widerspruch der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 22. Februar 2011 zurückgewiesen.

Die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin hat vorgelegen und ist Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Sachvortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verweisen.

II.

1.

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 12. Mai 2011 ist nach § 172 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. In der Hauptsache wäre die Berufung gemäß § 144 Abs. 1 SGG statthaft, obwohl der Beschwerdewert hinsichtlich der Kosten für die Übermittlung des Pflegegutachtens nur 7,00 Euro beträgt. Für die Bestimmung des Wertes des Beschwerdegegenstandes werden aber mehrere Ansprüche zusammengerechnet, sofern die Ansprüche nicht wirtschaftlich identisch sind (vgl. hierzu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 9. Aufl. 2008 § 144 Rn. 16 unter Hinweis auf § 5 ZPO). Unter Berücksichtigung der insgesamt geltend gemachten, wirtschaftlich nicht identischen Ansprüche wird der Beschwerdewert für die Einlegung einer Berufung erreicht.

Die Antragstellerin hat die einmonatige Beschwerdefrist nach § 173 Satz 1 SGG versäumt. Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz SGG sind Anordnungen und Entscheidungen, durch die eine Frist in Lauf gesetzt wird, den Beteiligten zuzustellen. Zugestellt wird nach § 63 Abs. 2 Satz 1 SGG von Amts wegen nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) und zwar an den Bevollmächtigten (§ 73 Abs. 6 Satz 5 SGG). Wird die Person, der zugestellt werden soll, in ihrer Wohnung, in dem Geschäftsraum oder in einer Geschäftseinrichtung, in der sie wohnt, nicht angetroffen, kann das Schriftstück nach § 178 Abs. 1 ZPO zugestellt werden, in der Wohnung einem erwachsenen Familienangehörigen, einer in der Familie beschäftigten Person oder einem erwachsenen ständigen Mitbewohner (Nr. 1) oder in Geschäftsräumen einer dort beschäftigten Person (Nr. 2). Ist diese Zustellung nicht ausführbar, kann das Schriftstück nach § 180 Satz 1 ZPO in einen zu der Wohnung oder zu dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt werden, die der Adressat für den Postempfang eingerichtet hat und die in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist. Mit der Einlegung gilt das Schriftstück als zugestellt (§ 180 Satz 2 ZPO). Der Zusteller vermerkt auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung (§ 180 Satz 3 ZPO).

Entsprechend diesen Vorschriften hat das Sozialgericht die Zustellung des Beschlusses an den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin veranlasst. Ausweislich der Postzustellungsurkunde (Bl. 132 der Gerichtsakte) ist durch die Zustellerin zunächst die Übergabe des Schriftstücks versucht worden. Weil dies in der Wohnung des Adressaten nicht möglich war, hat sie das Schriftstück in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung eingelegt. Diesen Vorgang hat sie, zusammen mit Datum und Uhrzeit der Zustellung nebst Unterschrift, auf der Zustellungsurkunde vermerkt. Hiernach war die Zustellung ordnungsgemäß und der Beschluss ist nach § 180 Satz 2 ZPO als am 17. Mai 2011 zugestellt anzusehen. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Briefkasten des Prozessbevollmächtigten diesem nicht eindeutig zuzuordnen bzw. für die sichere Aufbewahrung von Post ungeeignet oder nicht in einem ordnungsgemäßen Zustand gewesen sein könnte. Die am 27. Juni 2011 eingegangene Beschwerde ist daher verfristet.

Der Antragstellerin ist aber Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Nach § 67 Abs. 1 SGG ist jemandem, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrenfrist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag ist nach § 67 Abs. 2 Satz 1 SGG binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Wiedereinsetzung kann nach § 67 Abs. 2 Sätze 3 und 4 SGG auch ohne Antrag gewährt werden, wenn ein Wiedereinsetzungsgrund erkennbar gemacht oder offenkundig und die versäumte Rechtshandlung nachgeholt ist.

Den nicht rechtskundigen Prozessvertreter der Antragstellerin trifft an der Nichteinhaltung der Verfahrensfrist nach den Gesamtumständen kein Verschulden. Nachdem er telefonisch am 23. Mai 2011 und schriftlich am 1. Juni 2011 angegeben hatte, den Beschluss nicht erhalten zu haben, hat das Sozialgericht ihn mit Schreiben vom 6. Juni 2011 darauf hingewiesen, dass der Beschluss aufgrund der Postzustellungsurkunde als zugestellt gelte, er sich aber in der Geschäftsstelle eine Abschrift aushändigen lassen könne. Dabei – und auch bei dem Telefonat vom 8. Juni 2011 sowie bei der Aushändigung einer Abschrift am 15. Juni 2011 in der Geschäftsstelle – ist er nicht darauf hingewiesen worden, dass die einmalige Beschwerdefrist bereits seit der Zustellung der Ausfertigung des Beschlusses am 17. Mai 2011 lief. Wäre er noch im Mai 2011 oder spätestens bei Aushändigung der Beschlussabschrift am 15. Juni 2011 auf den Fristablauf hingewiesen worden, hätte er die Beschwerde noch fristgerecht erheben können. Stattdessen enthielt die ihm ausgehändigte Abschrift des Beschlusses erneut eine Rechtsmittelbelehrung, nach der die Beschwerde binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Beschlusses einzulegen ist. Dem nicht rechtskundigen Prozessbevollmächtigten kann bei dieser Sachlage kein Verschuldensvorwurf gemacht werden, wenn er davon ausging, Beschwerde innerhalb eines Monats nach der Aushändigung der Beschlussabschrift einlegen zu können.

Für die Wiedereinsetzung bedurfte es keines ausdrücklichen Antrags, da der Prozessbevollmächtigte den Wiedereinsetzungsgrund erkennbar gemacht hat und die versäumte Rechtshandlung binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses nachgeholt hat. Nach der Aushändigung der Beschlussabschrift am 15. Juni 2011 hat er noch im gleichen Monat für die Antragstellerin Beschwerde erhoben.

2.

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, denn das Sozialgericht hat den Erlass der beantragten drei einstweiligen Anordnungen zu Recht abgelehnt.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 der genannten Vorschrift vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG).

Hier kommt, da es um die Regelung eines vorläufigen Rechtszustandes geht, nur eine Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Eine solche Regelungsanordnung kann vom Gericht erlassen werden, wenn der Antragsteller glaubhaft macht (§ 920 Zivilprozessordnung [ZPO] i. V. m. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG), dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber dem Antragsgegner besteht (Anordnungsanspruch) und dass der Antragsteller ohne den Erlass der begehrten Anordnung wesentliche, in § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG näher gekennzeichnete Nachteile erleidet (Anordnungsgrund). Der Anordnungsanspruch bezieht sich auf das materielle Recht des Antragsstellers. Eine einstweilige Anordnung kann nicht ergehen, wenn die Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist, weil dann ein im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens schützenswertes Recht des Antragstellers nicht vorhanden ist. Der Anordnungsgrund setzt voraus, dass dem Antragsteller bei Abwägung seiner Interessen gegen die Interessen des Antragsgegners nicht zugemutet werden kann, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen nicht beziehungslos nebeneinander. Vielmehr verringern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund, wenn die Klage offensichtlich zulässig und begründet ist. Bei offenem Ausgang der Hauptsache ist eine umfassende Interessenabwägung erforderlich. Abzuwägen sind die Folgen, die auf der einen Seite entstehen, wenn das Gericht die einstweilige Anordnung nicht erlässt und sich später im Hauptsacheverfahren der geltend gemachte Anspruch des Antragstellers herausstellt und auf der anderen Seite die Folgen, die entstehen, wenn das Gericht die einstweilige Anordnung erlässt, sich aber im Hauptsacheverfahren herausstellt, dass der Anspruch nicht besteht (vgl. zum Ganzen Keller in Meyer/Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., 2008, § 86 b Rd.-Nr. 29 ff. m. w. N.).

Die in tatsächlicher (Glaubhaftmachung) wie in rechtlicher Hinsicht (summarische Prüfung) herabgesetzten Anforderungen für die Annahme eines Anordnungsanspruchs korrespondieren dabei mit dem Gewicht der glaubhaft zu machenden wesentlichen Nachteile. Drohen im Einzelfall ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, dürfen sich die Gerichte nur an den Erfolgsaussichten orientieren, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Denn dabei sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen (st. Rspr. vgl. BVerfG vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 – BVerfGE 5, 237).

In Anwendung dieser Grundsätze erweist sich das Begehren der Antragstellerin in allen drei Punkten als erfolglos.

a) Die Antragstellerin hat nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen keinen Anordnungsanspruch auf weitere Pflegeeinsätze bis zu einem Gesamtwert von 1918,- EUR monatlich.

Nach § 36 Abs. 4 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch – Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) können die Pflegekassen in besonders gelagerten Einzelfällen zur Vermeidung von Härten Pflegebedürftigen der Pflegestufe III weitere Pflegeeinsätze bis zu einem Gesamtwert von 1918,- EUR monatlich gewähren, wenn ein außergewöhnlich hoher Pflegeaufwand vorliegt, der das übliche Maß der Pflegestufe III weit übersteigt, beispielsweise wenn im Endstadium von Krebserkrankungen regelmäßig mehrfach, auch in der Nacht Hilfe geleistet werden muss. Diese Ausnahmeregelung darf für nicht mehr als drei Prozent aller versicherten Pflegebedürftigen der Pflegestufe III, die häuslich gepflegt werden, Anwendung finden (§ 36 Abs. 4 Satz 2 SGB XI). Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen überwacht die Einhaltung dieses Höchstsatzes und hat erforderlichenfalls geeignete Maßnahmen zur Einhaltung zu ergreifen (§ 36 Abs. 4 Satz 3 SGB XI). Nach § 17 Abs. 1 Satz 3 SGB XI erlässt der Spitzenverband Bund der Pflegekassen unter Beteiligung des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen Richtlinien zur Anwendung der Härtefallregelungen des § 36 Abs. 4 SGB XI.

Nach den hierzu erlassenen Härtefall-Richtlinien (HRi) vom 10. Juli 1995 in der Fassung des Beschlusses vom 28. Oktober 2005 liegt ein außergewöhnlich hoher Pflegeaufwand vor, wenn die täglich durchzuführenden Pflegemaßnahmen das übliche Maß der Grundversorgung im Sinne von Ziffer 4.1.3 (Pflegestufe III) der Pflegebedürftigkeits-Richtlinien quantitativ oder qualitativ weit übersteigen. Schwerstpflegebedürftigkeit im Sinne der Pflegestufe III liegt nach den Pflegebedürftigkeits-Richtlinien vor, wenn der Hilfebedarf so groß ist, dass der konkrete Hilfebedarf jederzeit gegeben ist und Tag und Nacht anfällt (Rund um die Uhr). Das Maß dieses Pflegeaufwandes wird quantitativ oder qualitativ weit überschritten, wenn entweder Hilfe bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität mindestens sechs Stunden täglich, davon mindestens dreimal in der Nacht, erforderlich ist oder wenn die Grundpflege für den Pflegebedürftigen auch des Nachts nur von mehreren Pflegekräften gemeinsam (zeitgleich) erbracht werden kann. Das zeitliche Erbringen der Grundpflege des Nachts durch mehrere Pflegekräfte erfordert, dass wenigstens bei einer Verrichtung tagsüber und des Nachts neben einer professionellen Pflegekraft mindestens eine weitere Pflegeperson, die nicht bei einem Pflegedienst beschäftigt sein muss (z. B. Angehörige), tätig werden muss. Zusätzlich muss ständige Hilfe bei der hauswirtschaftlichen Versorgung erforderlich sein. Ein solch außergewöhnlich hoher bzw. intensiver Pflegeaufwand kann nach der Härtefall-Richtlinie u. a. insbesondere bei Krebserkrankungen im Endstadium oder bei schwerer Ausprägung der Demenz vorliegen.

An der Rechtmäßigkeit der Härtefall-Richtlinien hat der Senat keinen Zweifel. Diese sind nach § 17 Abs. 1 Satz 3 SGB XI vom Spitzenverband Bund der Pflegekassen unter Beteiligung des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen erlassen und in der geänderten Fassung vom 28. Oktober 2005 vom Bundesministerium für Gesundheit genehmigt worden. Das BSG hat diese Gesetzeskonkretisierung bislang als angemessen erachtet (vgl. BSG, Urt. v. 30. Oktober 2001 – Az.: B 3 P 2/01 R - = SozR 3/3300 § 36 Nr. 3). Soweit das BSG ausgeführt hat, die Härtefall-Richtlinien in der Fassung vom 3. Juli 1996 würden der gesetzlichen Vorgabe nicht gerecht, die Quoten von drei Prozent im häuslichen Bereich und fünf Prozent im stationären Bereich auszuschöpfen, ist mit Beschluss vom 28. Oktober 2005 eine Überarbeitung erfolgt.

Nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen erfüllt die Antragstellerin die Voraussetzungen eines solchen Härtefalls nicht. Nach allen bisher vorliegenden Gutachten erreicht sie im Bereich der Grundpflege maximal einen Hilfebedarf von 286 Minuten täglich. Damit liegt der Hilfebedarf noch deutlich unterhalb von fünf Stunden täglich. Ein nächtlicher Hilfebedarf ergibt sich maximal zweimal pro Nacht und kann jeweils von nur einer Pflegekraft erbracht werden. Darin besteht zwischen den verschiedenen Gutachtern Übereinstimmung, und die Gutachterinnen haben den jeweils festgestellten Hilfebedarf aufgrund der körperlichen Beeinträchtigungen der Antragstellerin nachvollziehbar dargestellt und überzeugend begründet. Die Gutachterin W. hat mehrfach betont, dass es sich bei dem von ihr festgestellten Hilfebedarf unter Berücksichtigung der eingeschränkten Begutachtungssituation um einen maximal erreichbaren Zeitwert handelt. Die verschiedenen Gutachten müssten deshalb erhebliche Mängel aufweisen, wenn die Antragstellerin tatsächlich einen wesentlich höheren Hilfebedarf haben sollte. Dabei verkennt der Senat nicht, dass die gerichtlich bestellte Gutachterin W. die Antragstellerin nicht in ihrer häuslichen Umgebung begutachtet hat. Dies hat die Gutachterin jedoch selbst schon bei der Festlegung der Pflegezeiten nachvollziehbar und angemessen berücksichtigt. Sie ist gerade auch unter diesem Gesichtspunkt immer von maximal erreichbaren Pflegezeiten ausgegangen. Zudem ist auch das Gutachten des SMD vom 3. Februar 2011 jedenfalls im Ergebnis nachvollziehbar und hinreichend begründet. Aus der nach unten abweichenden Differenz zum Vorgutachten aus 2008 von 22 Minuten täglich ergibt sich nicht, dass die Gutachterinnen von einer Verbesserung des Gesundheitszustandes der Antragstellerin ausgegangen sind. Diese Differenz beruht vielmehr auf einer unterschiedlichen Einschätzung des Pflegebedarfs. Die Voraussetzungen für einen Härtefall sind aber nach allen Gutachten übereinstimmend bei weitem nicht gegeben, so dass es im Ergebnis nicht darauf ankommt, welches Gutachten im Einzelnen überzeugender ist. Nach dem aktuellen Krankenhausbericht vom 7. September 2011 liegt auch keine schwere, sondern eine mittelgradige Demenz vor. Da die Antragstellerin auch noch in der Lage ist, allein in ihrer Wohnung zu leben und eine Tagespflegeeinrichtung zu besuchen, ist die Schlussfolgerung der verschiedenen Gutachterinnen, dass insgesamt nicht der nach den Richtlinien erforderliche Hilfebedarf zur Anerkennung eines Härtefalls erreicht werde, nachvollziehbar. Auch die Krebserkrankung kann bei dem beschriebenen Gesundheitszustand der Antragstellerin nicht als eine solche im Endstadium im Sinne der Härtefall-Richtlinien bewertet werden.

Der außergewöhnlich hohe Pflegebedarf im Sinne der Härtefall-Richtlinie setzt voraus, dass das übliche Maß der Grundversorgung bei Vorliegen von Schwerstpflegebedürftigkeit nach der Pflegestufe III im Sinne der Pflegebedürftigkeits-Richtlinien quantitativ oder qualitativ nicht nur überstiegen, sondern weit überstiegen wird. Die Schwerstpflegebedürftigkeit der Pflegestufe III setzt aber einen Hilfebedarf voraus, der jederzeit gegeben ist und Tag und Nacht (rund um die Uhr) anfällt. Bei der Antragstellerin liegt ein solcher Pflegebedarf nach der Pflegestufe III vor. Dieser wird aber nicht "weit" überstiegen. Mit einem Pflegebedarf im Bereich der Grundpflege von maximal 286 Minuten täglich (unter Berücksichtigung aller Unwägbarkeiten) ist diese Voraussetzung nicht erfüllt. In der Nacht ist nicht mindestens dreimal ein Hilfebedarf erforderlich, sondern maximal zweimal. Der Pflegebedarf in der Nacht muss auch nicht von mehreren Pflegekräften gemeinsam erbracht werden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine Pflegeperson allein in der Lage ist, "rund um die Uhr" die erforderlichen Pflegeleistungen zu erbringen. Da die Antragstellerin nicht nur von ihrem Sohn gepflegt wird, sondern auch Pflegesachleistungen erhält und zusätzlich die Tagespflegeinrichtung besucht, wird die Pflege auch tatsächlich nicht nur von eine Pflegeperson erbracht. Für die Frage der Pflegeintensität wird in der Härtefall-Richtlinie durch den Klammerzusatz "zeitgleich" die Voraussetzung zum Ausdruck gebracht, dass bestimmte Hilfeleistungen nur gleichzeitig durch mehrere Pflegekräfte gemeinsam erbracht werden können. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

Möglicherweise hat sich allerdings zwischenzeitlich der Gesundheitszustand der Antragstellerin aufgrund eines weiteren Schlaganfalls deutlich verschlechtert. Der Beschwerde kann aber auch unter diesem Gesichtspunkt nicht stattgegeben werden. Die Antragstellerin hat aufgrund dieses neuen Ereignisses bereits einen neuen Antrag gestellt. Bevor über diesen nicht entschieden ist, liegt hinsichtlich der neuen gesundheitlichen Situation jedenfalls solange keine Eilbedürftigkeit vor, wie die Antragsgegnerin im Rahmen einer angemessenen Sachaufklärung für die Entscheidungsfindung benötigt. Denn der Antragstellerin drohen ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht Nachteile von solcher Art oder Schwere, die schon allein den Erlass der begehrten Anordnung rechtfertigen könnten. Aus diesem Grund hält der Senat unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05, BVerfGK 5, 237) eine Orientierung an den Erfolgsaussichten bei der vorliegenden Sach- und Rechtslage für angemessen. Denn es liegen schon jetzt umfangreiche und nachvollziehbare Ermittlungsergebnisse vor, die jedenfalls für eine vorläufige Einschätzung ausreichen. Zwar können Pflegesachleistungen nicht nachträglich erbracht werden, so dass im Hauptsacheverfahren über Pflegesachleistungen nur vom Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung aus für die Zukunft entschieden werden kann. Andererseits könnte die bereits jetzt Sozialleistungen in Anspruch nehmende Antragstellerin die Kosten der nur vorläufig erbrachten Pflegesachleistungen auch nicht zurückerstatten, wenn sie im Hauptsacheverfahren mit ihrem Begehren unterliegt. Die Entscheidung im einstweiligen Rechtschutzverfahren ist also unabhängig von ihrem Ausgang nicht rückgängig zu machen.

Der Gesetzgeber hat durch § 36 Abs. 4 Satz 2 und 3 SGB XI, wonach die Ausnahmeregelung für nicht mehr als drei Prozent aller versicherten Pflegebedürftigen der Pflegestufe III, die häuslich gepflegt werden, Anwendung finden darf, deutlich gemacht, dass nur in besonderen Ausnahmefällen von einem solchen Härtefall ausgegangen werden darf. Ein solcher liegt nicht bereits dann vor, wenn die nach § 36 Abs. 3 SGB XI bis zum einem Gesamtwert von 1.510,00 Euro gewährten Pflegeeinsätze der Pflegestufe III zur Sicherstellung einer angemessenen Pflege nicht ausreichen und weitere Pflegeinsätze oder Pflegeleistungen durch Angehörige erforderlich sind. Die Pflegeversicherung ist konzeptionell nicht als Vollversicherung angelegt. Pflegebedürftige, die mit den Leistungen der Pflegeversicherung ihren Pflegebedarf nicht vollständig decken können, haben diesen mit eigenen Mitteln abzudecken oder können hierfür unter weiteren Voraussetzungen Leistungen des Sozialhilfeträgers in Anspruch nehmen. Insoweit hat der Gesetzgeber an dieser Stelle die Versicherten bewusst auf ihre Eigenverantwortung bzw. auf sozialhilferechtliche Vorschriften verwiesen. Dies wird an entsprechenden Regelungen im Sozialhilferecht zur Hilfe zur Pflege deutlich (vgl. hierzu §§ 61 ff. Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe [SGB XII]). Daher kann es sich nicht um eine schwere und unzumutbare Beeinträchtigung handeln, wenn Versicherte in diesem Bereich bis zu einer Hauptsachentscheidung darauf verwiesen werden, mit ihrem eigenen Einkommen und Vermögen bzw. im Bedarfsfall mittels Sozialleistungen für das Risiko aufzukommen, das über die Leistungen nach dem SGB XI noch verbleibt. Da nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen der von der Antragstellerin geltend gemachte Anspruch eines Härtefalls nicht in Betracht kommt und eine weitergehende Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, bleibt für eine zusprechende Entscheidung kein Raum. Andernfalls wäre jedes Verfahren auf Erteilung oder Erhöhung einer Pflegestufe im einstweiligen Rechtschutz vollständig aufzuklären, was aber dem Zweck eines Eilverfahrens nicht gerecht werden kann.

b) Das Begehren der Antragstellerin, ihr unverzüglich das anteilige Pflegegeld für nicht in Anspruch genommene Pflegesachleistungen seit Januar 2011 auszuzahlen, hat sich durch entsprechende Zahlungen der Antragsgegnerin bis einschließlich Juni 2011 erledigt. Insoweit fehlt es für den Erlass einer einstweiligen Anordnung bereits an einem Anordnungsanspruch.

Die Antragsgegnerin hat außerdem die Berechnung und Auszahlung des anteiligen Pflegegeldes für Juli 2011 noch für die 39. Kalenderwoche dieses Jahres zugesagt, so dass davon auszugehen ist, dass dies inzwischen ebenfalls erfolgt ist.

Auch für die Zeit ab August 2011 und für die Zukunft fehlt es an einem Anordnungsanspruch. Dass das anteilige Pflegegeld nachträglich ausgezahlt wird, liegt nach der gesetzlichen Konzeption in der Natur der Sache. Denn die Antragsgegnerin benötigt zur Berechnung und Auszahlung einen entsprechenden Nachweis über die tatsächlich in Anspruch genommenen Pflegesachleistungen sowie eine angemessene Bearbeitungszeit. Eine Vorschusszahlung kommt nach § 42 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil (SGB I) nur in Betracht, wenn feststeht, dass ein Anspruch dem Grunde nach besteht. Das ist hier nicht der Fall. Nach den vorliegenden Unterlagen unterlag die Höhe des zu zahlenden anteiligen Pflegegeldes monatlich starken Schwankungen und bestand in einzelnen Monaten schon dem Grunde nach kein Anspruch.

Für die Frage, welche Bearbeitungszeit für die Bewilligung des anteiligen Pflegegeldes angemessen ist, hält der Senat eine Anlehnung an die Voraussetzungen für eine Untätigkeitsklage nach § 88 Abs. 1 SGG für sachgerecht. Danach ist eine angemessene Frist für den Erlass eines Verwaltungsaktes insbesondere davon abhängig, ob die Nichtbescheidung eines Antrages ohne zureichenden Grund erfolgt ist. Die Antragsgegnerin hat die Gründe für die verzögerte Berechnung und Auszahlung nachvollziehbar dargelegt. Aber selbst ohne zureichenden Grund wäre nach § 88 Abs. 1 SGG eine Untätigkeitsklage nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsaktes zulässig. Für die Zeit ab August 2011 und für die Zukunft ist davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin die angemessene Frist für die Berechung und Auszahlung des anteiligen Pflegegeldes von sechs Monaten nicht überschreiten wird. Die in der Vergangenheit aufgetretenen Verzögerungen hat sie mit den anfänglichen Schwierigkeiten bei der Übermittlung der Abrechnungsunterlagen nach dem Wechsel des Pflegedienstes erklärt. Diese Schwierigkeiten dürften nicht von Dauer sein. Sie hat weiter nachvollziehbar vorgetragen, dass zukünftig nach Vorlage der notwendigen Abrechungsunterlagen von einer Bearbeitungszeit von höchstens acht Wochen auszugehen sei. Es besteht kein Anlass, an diesen Angaben zu zweifeln.

Wenn die Antragstellerin nunmehr gegen die Höhe des anteiligen Pflegegeldes Widerspruch eingelegt hat und Zinsen begehrt, kann sie diese Ansprüche jedenfalls mangels Eilbedürftigkeit nicht im Wege einer einstweiligen Anordnung durchsetzen.

c) Bezüglich der von der Antragstellerin geltend gemachten Erstattung der Kosten für die Übermittlung des Pflegegutachtens fehlt es an einem Anordnungsgrund. Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin für die Übermittlung des Pflegegutachtens sieben Euro in Rechnung gestellt. Ein Bedürfnis für eine vorläufige Entscheidung ist diesbezüglich nicht ersichtlich, da ein Eilbedürfnis nicht dargelegt wurde.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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