L 8 SO 24/11 B

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 28 SO 155/10
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 8 SO 24/11 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 24. Mai 2011 wird zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt Prozesskostenhilfe (PKH) für ein Hauptsacheverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Halle, in dem sie die Verurteilung des Beklagten erstrebt, Bestattungskosten in Höhe weiterer 901,61 EUR nach § 74 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe – SGB XII) zu übernehmen.

Die am ... 1985 geborene Klägerin ist die Tochter des im Mai 2010 (Sterbedatum 8. bis 10. Mai 2010) verstorbenen C. S ... Die Klägerin hat das Erbe ausgeschlagen.

Ein weiteres Kind des Verstorbenen, T. S., geboren am ... 1977, hat die Erbschaft ebenfalls ausgeschlagen. Die alleinige gesetzliche Vertreterin der Kinder des T. S. hat ebenfalls die Erbschaft für die Enkelkinder des Verstorbenen ausgeschlagen.

Die Klägerin organisierte die Trauerfeier für den Verstorbenen am 29. Mai 2010 und bezahlte die Bestattungskosten in Höhe von insgesamt 1.803,21 EUR (Bestattungshaus a. S. GmbH, Rechnung vom 29. Mai 2010 in Höhe von 1.369,50 EUR, Städtisches Friedhofs- und Bestattungswesen, Rechnung vom 27. Mai 2010 in Höhe von 166,71 EUR sowie Gemeindeverwaltung B., Rechnung vom 10. Juni 2010 in Höhe von 267,00 EUR). T. S. erlangte vom Tod seines Vaters am 28. Mai 2010 Kenntnis.

Am 22. Juni 2010 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Übernahme der Bestattungskosten. Mit Bescheid vom 30. August 2010 wurde ihr eine einmalige Beihilfe für Bestattungskosten in Höhe von 901,61 EUR gewährt. Zur Begründung ist ausgeführt, dass es zwei zur Tragung der Bestattungskosten Verpflichtete gebe. Ausgehend von den nachgewiesenen Bestattungskosten in Höhe von 1.803,21 EUR ergebe sich für die Klägerin ein Anteil in Höhe von 901,61 EUR. Den hiergegen am 14. September 2010 eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26. Oktober 2010 als unbegründet zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 26. November 2010 Klage beim SG Dresden erhoben, das den Rechtsstreit durch Beschluss vom 22. Dezember 2010 an das SG Halle als örtlich zuständiges Gericht verwiesen hat.

Die Klägerin hat zur Begründung ihrer Klage die Auffassung vertreten, der Beklagte habe ihr weitere Bestattungskosten in Höhe von 901,61 EUR als Beihilfe zu gewähren. Sie habe in Erfüllung der ihr obliegenden öffentlich-rechtlichen Bestattungspflicht den Auftrag zur Bestattung erteilt. Allein aus dieser Auftragserteilung sei sie gegenüber dem Ausführenden vertraglich verpflichtet und werde vollumfänglich in Anspruch genommen. Es könne ihr nicht zugemutet werden, Ersatzansprüche gegenüber ihrem Bruder durchzusetzen. Am 24. Februar 2011 hat die Klägerin die Bewilligung von PKH und die Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten beantragt.

Mit Beschluss vom 24. Mai 2011 hat das SG den Antrag abgelehnt. Die Klage biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Übernahme der gesamten Bestattungskosten gegen den Beklagten aus § 74 SGB XII. Nach dieser Vorschrift würden die erforderlichen Kosten der Bestattung vom Sozialhilfeträger übernommen, soweit dem hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden könne, die Kosten zu tragen. Die Klägerin sei entgegen ihrer Auffassung nicht "hierzu verpflichtet". Die Verpflichtung könne sich aus zivilrechtlichen Bestimmungen oder aus der Auftragserteilung in Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Bestattungspflicht nach dem Bestattungsrecht der Länder ergeben. Nicht ausreichend sei eine vertragliche Verpflichtung gegenüber dem Bestattungsunternehmen durch Auftragserteilung. Eine zivilrechtliche Verpflichtung erbrechtlicher, familienrechtlicher oder unterhaltsrechtlicher Art bestehe nach der Ausschlagung der Erbschaft durch die Klägerin nicht. Auch eine öffentlich-rechtliche Bestattungspflicht habe die Klägerin nicht getroffen. Maßgeblich sei insoweit die Regelung des § 10 des Sächsischen Bestattungsgesetzes, da der Verstorbene in dessen Geltungsbereich zuletzt gelebt habe und auch dort verstorben sei. Zwar gehöre die Klägerin als Kind des Verstorbenen zu den Bestattungspflichtigen, jedoch gehe der ältere Bruder der Klägerin in der Verantwortlichkeit vor, da für eine einvernehmliche andere Absprache keine Anhaltspunkte vorgetragen oder sonst ersichtlich seien.

Gegen den ihr am 6. Juni 2011 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 30. Juni 2011 Beschwerde beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt. Zur Begründung hat sie ergänzend vorgetragen, ihr Bruder sei zu keinem Zeitpunkt bereit gewesen, die ihm obliegende Verantwortlichkeit zu übernehmen. Dafür, dass sie - die Klägerin - diese Verantwortlichkeit übernommen habe, könne ihr heute kein Nachteil entstehen. Ihr Verhalten sei letztendlich einer einvernehmlichen Lösung gleichzu-setzen, wie dies in § 10 Abs. 1 des Sächsischen Bestattungsgesetzes vorgesehen sei.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Beschluss des SG Halle vom 24. Mai 2011 aufzuheben und ihr PKH für das Verfahren vor dem SG unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten zu bewilligen.

Der im Rahmen des Beschwerdeverfahrens angehörte Beklagte hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtakten und der Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen, welche sämtlich Gegenstand der Beratung des Senats gewesen sind.

II.

Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des SG Halle vom 24. Mai 2011 hat keinen Erfolg.

Die Beschwerde ist zulässig; sie ist insbesondere nach § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, da dieses Rechtsmittel nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ausgeschlossen ist. Nach dieser Vorschrift ist die Beschwerde in Verfahren über die Bewilligung von PKH auch dann ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 7. April 2011 - L 5 AS 34/11 – juris). Diese Regelung ist dahin auszulegen, dass die Beschwerde dann nicht statthaft ist, wenn die Berufung in einem entsprechenden Hauptsacheverfahren nicht kraft Gesetzes zulässig wäre. Das SG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Berufung hier kraft Gesetzes zulässig ist. Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SGG bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 EUR nicht übersteigt, soweit die Berufung keine wiederkehrenden oder laufenden Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Mit dem verfolgten Anspruch auf Bewilligung von Leistungen in Höhe von 901,61 EUR wird der betragsmäßige Schwellenwert für die zulassungsfreie Berufung in der Hauptsache erreicht.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf PKH für das Klageverfahren gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO). Danach erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Im vorliegenden Fall ist nicht erkennbar, dass ein bemittelter Bürger die Entscheidung des Beklagten auf dem Klagewege angefochten hätte.

Gemäß § 74 SGB XII werden die erforderlichen Kosten einer Bestattung übernommen, soweit dem hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen. Die Verpflichtung, die Kosten einer Beerdigung zu tragen, wird in § 74 SGB XII nicht näher umschrieben oder definiert, sondern als anderweitig begründet vorausgesetzt (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 29. September 2009 - B 8 SO 23/08 R -, juris). Die Verpflichtung kann aufgrund der Bestimmungen des Erbrechts oder des Unterhaltsrechts gegeben sein, aber auch aus landesrechtlichen Regelungen über die Bestattungspflicht herrühren (vgl. BSG, Urteils vom 29. September 2009, a.a.O.). Ein Anspruch auf Übernahme der Bestattungskosten kommt indes nur dann in Betracht, wenn eine rechtliche Verpflichtung zur Tragung dieser Kosten besteht. Grundvoraussetzung für eine Kostenübernahme durch den Sozialhilfeträger ist, dass den Pflichtigen die mit der Durchführung der Bestattung verbundenen Kostenverpflichtungen rechtlich notwendig treffen (vgl. BVerwGE 116, 287, 290; BVerwGE 120, 111, 113 f); nur wenn eine derartige Rechtspflicht besteht, können die aus der Befolgung einer solchen Pflicht resultierenden Verbindlichkeiten privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Natur übernahmefähiger Kosten i.S. des § 74 SGB XII sein. Nicht ausreichend ist dagegen, dass der Bestattungsberechtigte bloß aus sittlicher Verpflichtung oder sonst "freiwillig" gehandelt hat und in diesem Rahmen Kostenverpflichtungen eingegangen ist (vgl. Schlette in Hauck/Nofts, SGB XII, K § 74 Rdn. 4).

Hier kommt allein die landesrechtliche Regelung des Sächsischen Gesetzes über das Friedhofs-, Leichen- und Bestattungswesen (Sächsisches Bestattungsgesetz - SächsBestG vom 8. Juli 1994, zuletzt geändert durch das Gesetz vom 19. Juni 2009, SächsGVBL. S. 382) in Betracht. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 SächsBestG ist für die Erfüllung der aufgrund dieses Gesetzes bestehenden Verpflichtungen der nächste voll geschäftsfähige Angehörige verantwortlich. Als nächste Angehörige gelten in der Reihenfolge der Aufzählung unter Nr. 2 "die Kinder" (§ 10 Abs. 1 Satz 2 SächsBestG). Kommt für die Verantwortlichkeit eine Mehrheit von Personen (u.a. bei Nr. 2) in Betracht, so geht jeweils die ältere Person der jüngeren in der Verantwortlichkeit vor, es sei denn, die Verantwortlichen haben einvernehmlich eine andere Lösung getroffen (§ 10 Abs. 1 Satz 3 SächsBestG). Hiernach war der 1977 geborene Sohn des Verstorbenen der zur Bestattung Verpflichtete. Er hat mit der Klägerin - seiner jüngeren Schwester - auch nicht einvernehmlich eine andere Lösung getroffen. Denn nach dem Inhalt der Verwaltungsakte erfuhr er erstmals am 28. Mai 2010 und damit einen Tag vor der Trauerfeier vom Tod seines Vaters. Zu diesem Zeitpunkt war die Organisation der Bestattung jedoch bereits abgeschlossen, so dass eine einvernehmliche Lösung bereits aus zeitlichen Gründen nicht mehr möglich war. Zudem hat die Klägerin selbst angegeben, der Bruder habe die Bestattung des Vaters abgelehnt. Sofern die Klägerin gleichwohl für die Bestattung ihres Vaters gesorgt hat, hat sie dies nicht aufgrund einer bestehenden rechtlichen Verpflichtung getan. Der Beklagte hat mit der Übernahme der hälftigen Bestattungskosten der von der Klägerin beschriebenen Situation, wonach der Bruder die Bestattung des Vaters abgelehnt habe, dadurch Rechnung getragen, dass er die Hälfte der entstandenen Bestattungskosten übernommen hat. Denn aus § 10 Abs. 3 Satz 1 SächsBestG ergibt sich, dass dann, wenn ein Bestattungspflichtiger nicht vorhanden oder nicht rechtzeitig zu ermitteln ist oder seiner Pflicht nicht nachkommt, die für den Sterbeort zuständige Ortspolizeibehörde auf Kosten des Bestattungspflichtigen für die Bestattung zu sorgen hat. Abweichend von Abs. 1 Satz 3 haften ein Paar oder eine Mehrheit von Personen der Ortspolizeibehörde als Gesamtschuldner für die Bestattungskosten (§ 10 Abs. 3 Satz 2 SächsBestG).

Bei dieser Sach- und Rechtslage kam die Bewilligung von PKH nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).

gez. Klamann gez. Fischer gez. Müller-Rivinius
Rechtskraft
Aus
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