Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 21 AS 5845/10
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 AS 24/12 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 24. November 2011 wird aufgehoben und dem Kläger für das erstinstanzliche Klageverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt Sch. bewilligt. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein bei dem Sozialgericht Halle unter dem Aktenzeichen S 21 AS 5845/10 anhängiges Klageverfahren. In der Sache wendet sich der Kläger gegen eine Aufhebungs- und Erstattungsforderung des Beklagten.
Mit Bescheid vom 5. Januar 2010 bewilligte die Arbeitsgemeinschaft SGB II Sangerhausen (Arge), die Rechtsvorgängerin des Beklagten ist, dem Kläger Grundsicherungsleistungen als Vorschuss für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis 31. Januar 2010 in Höhe von 289,00 EUR und für die Zeit vom 1. Februar 2010 bis 30. Juni 2010 in Höhe von monatlich 359,00 EUR. Unter dem 3. Februar 2010 erließ die Arge einen Änderungsbescheid, mit welchem sie für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis 31. Januar 2010 Grundsicherungsleistungen in Höhe von 359,00 EUR im Rahmen einer endgültigen Festsetzung für diesen Zeitraum bewilligte und den vorangegangenen Bewilligungsbescheid teilweise aufhob. Seit dem 9. Februar 2010 sitzt der Kläger in der Justizvollzugsanstalt Halle, voraussichtlich noch bis zum 15. Mai 2012, in Haft. Mit Bescheid vom 2. Juli 2010 hob die Arge die Entscheidung vom 5. Januar 2010 für die Zeit vom 9. Februar 2010 bis 30. Juni 2010 auf und forderte von dem Kläger die Erstattung der im Zeitraum vom 9. Februar 2010 bis 31. März 2010 gezahlten Grundsicherungsleistungen in Höhe von insgesamt 622,27 EUR sowie die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 249,76 EUR zurück. Zur Begründung führte sie aus, der seit dem 9. Februar 2010 inhaftierte Kläger habe gewusst oder hätte wissen müssen, dass der ihm zuerkannte Anspruch zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen sei. Die seit der Inhaftierung erbrachten Grundsicherungsleistungen und Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung seien daher von ihm zu erstatten. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Arge mit Widerspruchsbescheid vom 9. September 2010 mit der Begründung zurück, die Voraussetzungen für die Aufhebung und Erstattung der Grundsicherungsleistungen seien gegeben. Dem Kläger sei bewusst gewesen oder es habe ihm zumindest bewusst sein müssen, dass er wegen der über sechs Monate andauernden Haft keinen Anspruch auf die Leistungen der Grundsicherung mehr habe. Hierfür spreche auch, dass er ihr den Haftantritt gemeldet habe.
Daraufhin erhob der Kläger am 4. Oktober 2010 über seinen Bevollmächtigten bei dem Sozialgericht Halle Klage und ließ zur Begründung vortragen, er habe seinen Haftantritt bei der Beklagten gemeldet und auch die Haftbescheinigung nachgereicht, so dass er die Überzahlung nicht verschuldet habe. Er sei seiner Mitteilungspflicht hinreichend nachgekommen. Als juristischer Laie habe er aber nicht wissen können, dass die Haftdauer für den Leistungsbezug ausschlaggebend sei.
Mit Schriftsatz vom 15. Juni 2011 hat der Kläger den Antrag gestellt, ihm für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten zu bewilligen. Diesen Antrag hat das Sozialgericht Halle am 24. November 2011 durch Beschluss mit der Begründung abgelehnt, die von dem Kläger beabsichtigte Rechtsverfolgung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, da die angefochtene Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung rechtmäßig sei und den Kläger nicht in seinen Rechten verletze. Das Sozialgericht hat hierzu ausgeführt: Nach Erlass des Bewilligungsbescheides vom 5. Januar 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 3. Februar 2010 sei aufgrund des Beginns der über sechs Monate andauernden Haft des Klägers eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten, die zum Wegfall des Anspruch des Klägers auf Gewährung der zuvor bewilligten Grundsicherungsleistungen für die Zeit ab dem 9. Februar 2010 (Haftantritt) geführt habe. Der Wegfall des Leistungsanspruchs sei für den Kläger auch erkennbar gewesen, da er die Arge umgehend informierte. Ausgehend davon habe die Arge die Leistungsbewilligung aufheben dürfen, weshalb der Kläger nunmehr zur Erstattung der erbrachten Grundsicherungsleistungen und Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung verpflichtet sei. Der auf eine fehlende Verletzung von Mitwirkungspflichten bezogene Vortrag des Klägers sei rechtlich unerheblich.
Gegen diesen dem Bevollmächtigten des Klägers am 9. Dezember 2011 zugestellten Beschluss hat der Kläger über seinen Bevollmächtigten am 5. Januar 2012 Beschwerde erhoben. Zur Begründung hat er seinen Vortrag aus dem erstinstanzlichen Klageverfahren wiederholt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 24. November 2011 aufzuheben und ihm für das erstinstanzliche Klageverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt Schaumberg zu bewilligen.
Der Beklagte hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und die beigezogene Gerichtsakte verwiesen. Die Akten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene Beschwerde ist begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren abgelehnt.
Der Kläger hat Anspruch auf die beantragte Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten für das erstinstanzliche Klageverfahren.
Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird dem Beteiligten auf seinen Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 121 Abs. 2 ZPO). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.
Die nicht mutwillig erscheinende beabsichtigte Rechtsverfolgung des Klägers, die Aufhebung der streitigen Entscheidung des Beklagten vom 2. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. September 2010, hat – jedenfalls zum Teil – hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Als hinreichend sind die Erfolgsaussichten einer Klage einzuschätzen, wenn der Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gewiss, eine Erfolgschance jedoch nicht unwahrscheinlich ist. Prozesskostenhilfe kommt jedoch nicht in Betracht, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (vgl. hierzu ausführlich: Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 13. März 1990, 2 BvR 94/98, NJW 1991, S. 413; Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Februar 1989, B 13 RJ 83/97 R, SozR 1500 § 72 Nr 19).
Gemessen daran bietet die von dem Kläger beabsichtigte Rechtsverfolgung in Bezug auf die von dem Beklagten mit der streitigen Entscheidung geltend gemachte Erstattung der von ihm in der Zeit vom 9. Februar 2010 bis zum 31. März 2010 erbrachten Grundsicherungsleistungen in Höhe von insgesamt 622,27 EUR keine hinreichende Erfolgsaussicht im vorstehenden Sinne; im Übrigen ist der beabsichtigten Rechtsverfolgung des Klägers hingegen eine hinreichende Erfolgsaussicht beizumessen.
Soweit sich der Kläger in der Sache gegen die Erstattung der Grundsicherungsleistungen wendet, kann abweichend von der Rechtsauffassung des Sozialgerichts eine hinreichende Erfolgsaussicht zwar nicht mit der Begründung verneint werden, die Voraussetzungen der von dem Beklagten herangezogenen Ermächtigungsgrundlagen der §§ 48 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 4, 50 Abs. Satz 1 Sozialgesetzbuch – Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) in Verbindung mit § 330 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III) und § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch – Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) seien gegeben, da nach Erlass des Bewilligungsbescheides vom 5. Januar 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 3. Februar 2010 aufgrund des Beginns der über sechs Monate andauernden Haft des Klägers eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten sei, die zum Wegfall des Anspruch des Klägers auf Gewährung der zuvor bewilligten Grundsicherungsleistungen für die Zeit ab dem 9. Februar 2010 (Haftantritt) geführt habe, wobei der Wegfall des Leistungsanspruchs für den Kläger auch erkennbar gewesen sei. Das Sozialgericht hat insofern nicht berücksichtigt, dass die Arge die Leistungen mit Bescheid vom 5. Januar 2010 für die im Klageverfahren streitige Zeit lediglich als Vorschuss nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Erstes Buch – Allgemeiner Teil (SGB I) gewährt hat. Danach kann der zuständige Leistungsträger Vorschüsse zahlen, wenn ein Anspruch auf Geldleistungen dem Grunde nach besteht und zur Feststellung seiner Höhe voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist, wobei er die Höhe der Vorschüsse nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmt. Die von der Arge und dem Sozialgericht herangezogene Ermächtigungsgrundlage kann daher keine Anwendung finden. Gleichwohl ist die Erstattungsforderung rechtmäßig. Ermächtigungsgrundlage für diese Forderung ist dabei § 42 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 SGB I. Danach sind die Vorschüsse auf die zustehende Leistung anzurechnen (Satz 1). Soweit sie diese übersteigen, sind sie vom Empfänger zu erstatten (Satz 2). Dies ist hier der Fall. Denn zutreffend bejaht das Sozialgericht den Ausschluss der Leistungsberechtigung des Klägers nach dem SGB II gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 SGB II seit Antritt der über sechs Monate andauernden Haft am 9. Februar 2010, so dass der Kläger gemäß § 42 Abs. 2 SGB I die seit dem 9. Februar 2010 bezogenen Grundsicherungsleistungen zu erstatten hat. Der Anwendung dieser Ermächtigungsgrundlage steht auch nicht entgegen, dass die Arge mit Änderungsbescheid vom 3. Februar 2010 die Leistungen für den Monat Januar 2010 endgültig festgesetzt hat. Eine endgültige Festsetzung der mit Bescheid vom 5. Januar 2010 ebenfalls nur als Vorschuss gewährten Grundsicherungsleistungen für die im Klageverfahren streitige Zeit ist unterblieben: Die Regelung im Sinne der endgültigen Leistungsfestsetzung im Änderungsbescheid vom 3. Februar 2010 ist ausdrücklich auf die Zeit vom 1. Januar 2010 bis 31. Januar 2010 beschränkt; nur insoweit hat die Arge den Bescheid vom 5. Januar 2010 aufgehoben.
Nicht durchzudringen vermag der Kläger mit dem Einwand, er sei seinen Mitwirkungspflichten hinreichend nachgekommen, indem er die Arge über den Haftantritt und im Nachgang über die Haftdauer informiert habe, wobei er die Bedeutung der Haftdauer für die Frage der Leistungsberechtigung nicht habe einschätzen können. Die hier einschlägige Ermächtigungsgrundlage für die Erstattung der Grundsicherungsleistungen in Höhe von insgesamt 622,27 EUR (§ 42 Abs. 1 SGB I) setzt weder ein Verschulden seitens des Leistungsempfängers voraus noch kann dieser sich auf einen Vertrauensschutz berufen. Allein eine nach Erbringung des Vorschusses eingetretene Leistungsüberzahlung führt zur Erstattungspflicht des Leistungsempfängers.
Soweit sich der Kläger in der Sache gegen die Erstattung der von der Arge erbrachten Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung wendet, ist die angefochtene Entscheidung indes rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und zur sozialen Pflegeversicherung, die von der Bundesagentur (bzw. hier von der Arge) für einen Bezieher von Arbeitslosengeld oder Unterhaltsgeld (bzw. hier Arbeitslosengeld II) gezahlt wurden, hat der Bezieher dieser Leistungen gemäß § 335 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 SGB III in Verbindung mit § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II zu ersetzen, soweit die Entscheidung über die Leistung rückwirkend aufgehoben und die Leistung zurückgefordert worden ist. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Es fehlt an einer rückwirkenden Leistungsaufhebung nach den §§ 44 ff SGB X, da lediglich eine Erstattung von Vorschüssen nach § 42 Abs. 2 SGB I möglich ist (vgl. zur Anknüpfung des § 335 SGB III an die rückwirkende Leistungsaufhebung nach den §§ 44 ff SGB X: Düe, in: Niesel/Brand, SGB III, Kommentar, 5. Auflage 2010, § 335 Rn. 6; Winkler, in: Kruse/Lüdtke/Reinhard/Winkler/Zamponi, SGB III, Lehr- und Praxiskommentar, 1. Auflage 2008, § 335 Rn. 3). Eine auch auf die erbrachten Beiträge bezogene Erstattungspflicht des Leistungsempfängers sieht § 42 Abs. 2 SGB I indes nicht vor. Zu erstatten sind nach dieser Ermächtigungsgrundlage ausschließlich die die zustehende Leistung übersteigenden Vorschüsse (so auch für den Fall einer Erstattung vorläufiger Leistungen nach § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III: LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16. Mai 2006, L 12 AL 39/03-14 und Bayerisches LSG, Urteil vom 21. Januar 2010, L 9 AL 407/05 jeweils dokumentiert in Juris).
Der Kläger ist nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, sich an den Kosten der Prozessführung zu beteiligen. Weder verfügt der seit dem 9. Februar 2010 in der Justizvollzugsanstalt Halle in Haft sitzende Kläger entsprechend seiner im Prozesskostenhilfeverfahren glaubhaft gemachten Angaben über einzusetzendes Vermögen noch über einzusetzendes Einkommen. Auch erscheint in Anbetracht der Sach- und Rechtslage die Beiordnung des Bevollmächtigten des Klägers erforderlich.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss kann nach § 177 SGG nicht mehr mit einer Beschwerde angefochten werden.
Gründe:
I.
Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein bei dem Sozialgericht Halle unter dem Aktenzeichen S 21 AS 5845/10 anhängiges Klageverfahren. In der Sache wendet sich der Kläger gegen eine Aufhebungs- und Erstattungsforderung des Beklagten.
Mit Bescheid vom 5. Januar 2010 bewilligte die Arbeitsgemeinschaft SGB II Sangerhausen (Arge), die Rechtsvorgängerin des Beklagten ist, dem Kläger Grundsicherungsleistungen als Vorschuss für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis 31. Januar 2010 in Höhe von 289,00 EUR und für die Zeit vom 1. Februar 2010 bis 30. Juni 2010 in Höhe von monatlich 359,00 EUR. Unter dem 3. Februar 2010 erließ die Arge einen Änderungsbescheid, mit welchem sie für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis 31. Januar 2010 Grundsicherungsleistungen in Höhe von 359,00 EUR im Rahmen einer endgültigen Festsetzung für diesen Zeitraum bewilligte und den vorangegangenen Bewilligungsbescheid teilweise aufhob. Seit dem 9. Februar 2010 sitzt der Kläger in der Justizvollzugsanstalt Halle, voraussichtlich noch bis zum 15. Mai 2012, in Haft. Mit Bescheid vom 2. Juli 2010 hob die Arge die Entscheidung vom 5. Januar 2010 für die Zeit vom 9. Februar 2010 bis 30. Juni 2010 auf und forderte von dem Kläger die Erstattung der im Zeitraum vom 9. Februar 2010 bis 31. März 2010 gezahlten Grundsicherungsleistungen in Höhe von insgesamt 622,27 EUR sowie die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 249,76 EUR zurück. Zur Begründung führte sie aus, der seit dem 9. Februar 2010 inhaftierte Kläger habe gewusst oder hätte wissen müssen, dass der ihm zuerkannte Anspruch zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen sei. Die seit der Inhaftierung erbrachten Grundsicherungsleistungen und Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung seien daher von ihm zu erstatten. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Arge mit Widerspruchsbescheid vom 9. September 2010 mit der Begründung zurück, die Voraussetzungen für die Aufhebung und Erstattung der Grundsicherungsleistungen seien gegeben. Dem Kläger sei bewusst gewesen oder es habe ihm zumindest bewusst sein müssen, dass er wegen der über sechs Monate andauernden Haft keinen Anspruch auf die Leistungen der Grundsicherung mehr habe. Hierfür spreche auch, dass er ihr den Haftantritt gemeldet habe.
Daraufhin erhob der Kläger am 4. Oktober 2010 über seinen Bevollmächtigten bei dem Sozialgericht Halle Klage und ließ zur Begründung vortragen, er habe seinen Haftantritt bei der Beklagten gemeldet und auch die Haftbescheinigung nachgereicht, so dass er die Überzahlung nicht verschuldet habe. Er sei seiner Mitteilungspflicht hinreichend nachgekommen. Als juristischer Laie habe er aber nicht wissen können, dass die Haftdauer für den Leistungsbezug ausschlaggebend sei.
Mit Schriftsatz vom 15. Juni 2011 hat der Kläger den Antrag gestellt, ihm für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten zu bewilligen. Diesen Antrag hat das Sozialgericht Halle am 24. November 2011 durch Beschluss mit der Begründung abgelehnt, die von dem Kläger beabsichtigte Rechtsverfolgung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, da die angefochtene Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung rechtmäßig sei und den Kläger nicht in seinen Rechten verletze. Das Sozialgericht hat hierzu ausgeführt: Nach Erlass des Bewilligungsbescheides vom 5. Januar 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 3. Februar 2010 sei aufgrund des Beginns der über sechs Monate andauernden Haft des Klägers eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten, die zum Wegfall des Anspruch des Klägers auf Gewährung der zuvor bewilligten Grundsicherungsleistungen für die Zeit ab dem 9. Februar 2010 (Haftantritt) geführt habe. Der Wegfall des Leistungsanspruchs sei für den Kläger auch erkennbar gewesen, da er die Arge umgehend informierte. Ausgehend davon habe die Arge die Leistungsbewilligung aufheben dürfen, weshalb der Kläger nunmehr zur Erstattung der erbrachten Grundsicherungsleistungen und Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung verpflichtet sei. Der auf eine fehlende Verletzung von Mitwirkungspflichten bezogene Vortrag des Klägers sei rechtlich unerheblich.
Gegen diesen dem Bevollmächtigten des Klägers am 9. Dezember 2011 zugestellten Beschluss hat der Kläger über seinen Bevollmächtigten am 5. Januar 2012 Beschwerde erhoben. Zur Begründung hat er seinen Vortrag aus dem erstinstanzlichen Klageverfahren wiederholt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 24. November 2011 aufzuheben und ihm für das erstinstanzliche Klageverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt Schaumberg zu bewilligen.
Der Beklagte hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und die beigezogene Gerichtsakte verwiesen. Die Akten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene Beschwerde ist begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren abgelehnt.
Der Kläger hat Anspruch auf die beantragte Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten für das erstinstanzliche Klageverfahren.
Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird dem Beteiligten auf seinen Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 121 Abs. 2 ZPO). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.
Die nicht mutwillig erscheinende beabsichtigte Rechtsverfolgung des Klägers, die Aufhebung der streitigen Entscheidung des Beklagten vom 2. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. September 2010, hat – jedenfalls zum Teil – hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Als hinreichend sind die Erfolgsaussichten einer Klage einzuschätzen, wenn der Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gewiss, eine Erfolgschance jedoch nicht unwahrscheinlich ist. Prozesskostenhilfe kommt jedoch nicht in Betracht, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (vgl. hierzu ausführlich: Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 13. März 1990, 2 BvR 94/98, NJW 1991, S. 413; Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Februar 1989, B 13 RJ 83/97 R, SozR 1500 § 72 Nr 19).
Gemessen daran bietet die von dem Kläger beabsichtigte Rechtsverfolgung in Bezug auf die von dem Beklagten mit der streitigen Entscheidung geltend gemachte Erstattung der von ihm in der Zeit vom 9. Februar 2010 bis zum 31. März 2010 erbrachten Grundsicherungsleistungen in Höhe von insgesamt 622,27 EUR keine hinreichende Erfolgsaussicht im vorstehenden Sinne; im Übrigen ist der beabsichtigten Rechtsverfolgung des Klägers hingegen eine hinreichende Erfolgsaussicht beizumessen.
Soweit sich der Kläger in der Sache gegen die Erstattung der Grundsicherungsleistungen wendet, kann abweichend von der Rechtsauffassung des Sozialgerichts eine hinreichende Erfolgsaussicht zwar nicht mit der Begründung verneint werden, die Voraussetzungen der von dem Beklagten herangezogenen Ermächtigungsgrundlagen der §§ 48 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 4, 50 Abs. Satz 1 Sozialgesetzbuch – Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) in Verbindung mit § 330 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III) und § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch – Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) seien gegeben, da nach Erlass des Bewilligungsbescheides vom 5. Januar 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 3. Februar 2010 aufgrund des Beginns der über sechs Monate andauernden Haft des Klägers eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten sei, die zum Wegfall des Anspruch des Klägers auf Gewährung der zuvor bewilligten Grundsicherungsleistungen für die Zeit ab dem 9. Februar 2010 (Haftantritt) geführt habe, wobei der Wegfall des Leistungsanspruchs für den Kläger auch erkennbar gewesen sei. Das Sozialgericht hat insofern nicht berücksichtigt, dass die Arge die Leistungen mit Bescheid vom 5. Januar 2010 für die im Klageverfahren streitige Zeit lediglich als Vorschuss nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Erstes Buch – Allgemeiner Teil (SGB I) gewährt hat. Danach kann der zuständige Leistungsträger Vorschüsse zahlen, wenn ein Anspruch auf Geldleistungen dem Grunde nach besteht und zur Feststellung seiner Höhe voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist, wobei er die Höhe der Vorschüsse nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmt. Die von der Arge und dem Sozialgericht herangezogene Ermächtigungsgrundlage kann daher keine Anwendung finden. Gleichwohl ist die Erstattungsforderung rechtmäßig. Ermächtigungsgrundlage für diese Forderung ist dabei § 42 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 SGB I. Danach sind die Vorschüsse auf die zustehende Leistung anzurechnen (Satz 1). Soweit sie diese übersteigen, sind sie vom Empfänger zu erstatten (Satz 2). Dies ist hier der Fall. Denn zutreffend bejaht das Sozialgericht den Ausschluss der Leistungsberechtigung des Klägers nach dem SGB II gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 SGB II seit Antritt der über sechs Monate andauernden Haft am 9. Februar 2010, so dass der Kläger gemäß § 42 Abs. 2 SGB I die seit dem 9. Februar 2010 bezogenen Grundsicherungsleistungen zu erstatten hat. Der Anwendung dieser Ermächtigungsgrundlage steht auch nicht entgegen, dass die Arge mit Änderungsbescheid vom 3. Februar 2010 die Leistungen für den Monat Januar 2010 endgültig festgesetzt hat. Eine endgültige Festsetzung der mit Bescheid vom 5. Januar 2010 ebenfalls nur als Vorschuss gewährten Grundsicherungsleistungen für die im Klageverfahren streitige Zeit ist unterblieben: Die Regelung im Sinne der endgültigen Leistungsfestsetzung im Änderungsbescheid vom 3. Februar 2010 ist ausdrücklich auf die Zeit vom 1. Januar 2010 bis 31. Januar 2010 beschränkt; nur insoweit hat die Arge den Bescheid vom 5. Januar 2010 aufgehoben.
Nicht durchzudringen vermag der Kläger mit dem Einwand, er sei seinen Mitwirkungspflichten hinreichend nachgekommen, indem er die Arge über den Haftantritt und im Nachgang über die Haftdauer informiert habe, wobei er die Bedeutung der Haftdauer für die Frage der Leistungsberechtigung nicht habe einschätzen können. Die hier einschlägige Ermächtigungsgrundlage für die Erstattung der Grundsicherungsleistungen in Höhe von insgesamt 622,27 EUR (§ 42 Abs. 1 SGB I) setzt weder ein Verschulden seitens des Leistungsempfängers voraus noch kann dieser sich auf einen Vertrauensschutz berufen. Allein eine nach Erbringung des Vorschusses eingetretene Leistungsüberzahlung führt zur Erstattungspflicht des Leistungsempfängers.
Soweit sich der Kläger in der Sache gegen die Erstattung der von der Arge erbrachten Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung wendet, ist die angefochtene Entscheidung indes rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und zur sozialen Pflegeversicherung, die von der Bundesagentur (bzw. hier von der Arge) für einen Bezieher von Arbeitslosengeld oder Unterhaltsgeld (bzw. hier Arbeitslosengeld II) gezahlt wurden, hat der Bezieher dieser Leistungen gemäß § 335 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 SGB III in Verbindung mit § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II zu ersetzen, soweit die Entscheidung über die Leistung rückwirkend aufgehoben und die Leistung zurückgefordert worden ist. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Es fehlt an einer rückwirkenden Leistungsaufhebung nach den §§ 44 ff SGB X, da lediglich eine Erstattung von Vorschüssen nach § 42 Abs. 2 SGB I möglich ist (vgl. zur Anknüpfung des § 335 SGB III an die rückwirkende Leistungsaufhebung nach den §§ 44 ff SGB X: Düe, in: Niesel/Brand, SGB III, Kommentar, 5. Auflage 2010, § 335 Rn. 6; Winkler, in: Kruse/Lüdtke/Reinhard/Winkler/Zamponi, SGB III, Lehr- und Praxiskommentar, 1. Auflage 2008, § 335 Rn. 3). Eine auch auf die erbrachten Beiträge bezogene Erstattungspflicht des Leistungsempfängers sieht § 42 Abs. 2 SGB I indes nicht vor. Zu erstatten sind nach dieser Ermächtigungsgrundlage ausschließlich die die zustehende Leistung übersteigenden Vorschüsse (so auch für den Fall einer Erstattung vorläufiger Leistungen nach § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III: LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16. Mai 2006, L 12 AL 39/03-14 und Bayerisches LSG, Urteil vom 21. Januar 2010, L 9 AL 407/05 jeweils dokumentiert in Juris).
Der Kläger ist nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, sich an den Kosten der Prozessführung zu beteiligen. Weder verfügt der seit dem 9. Februar 2010 in der Justizvollzugsanstalt Halle in Haft sitzende Kläger entsprechend seiner im Prozesskostenhilfeverfahren glaubhaft gemachten Angaben über einzusetzendes Vermögen noch über einzusetzendes Einkommen. Auch erscheint in Anbetracht der Sach- und Rechtslage die Beiordnung des Bevollmächtigten des Klägers erforderlich.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss kann nach § 177 SGG nicht mehr mit einer Beschwerde angefochten werden.
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