L 4 P 1/10 B

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 5 P 79/05 B
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 P 1/10 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Anschlussbeschwerde des Beschwerdegegners wird das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 6. November 2009 abgeändert und der Streitwert auf 450.754,56 EUR festgesetzt.

Im Übrigen werden Beschwerde und Anschlussbeschwerde zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Streitwertfestsetzung in einem Verfahren auf Zustimmung zu einem Pflegesatzanteil in einer Pflegeeinrichtung.

Der Kläger und Beschwerdegegner (im Folgenden: Beschwerdegegner) betreibt diverse stationäre Pflegeeinrichtungen im Land Sachsen-Anhalt. Am 10. Januar 2003 nahm er ein vom Beklagten und Beschwerdeführer (im Folgenden: Beschwerdeführer) mit 100 % gefördertes Altenpflegeheim in der F.-Str. in M. mit 80 Pflegeplätzen in Betrieb. Nach einem weiteren Grundstückserwerb plante er einen Umbau des Areals, verbunden mit einer Kapazitätserweiterung um 35 vollstationäre Pflegebetten. Der Beschwerdegegner beantragte am 11. März 2005 für die Heimeinrichtung die Zustimmung zu einer sog. Mischkalkulation zwischen geförderten und nicht geförderten Pflegeplatzangeboten in Höhe eines investiven Pflegesatzanteils von ca. 6,14 EUR pro Tag. Mit Schreiben vom 28. April 2005 lehnte der Beschwerdeführer den Antrag auf Genehmigung einer sogenannten Mischkalkulation unter Hinweis auf § 82 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Elftes Buch – Gesetzliche Pflegeversicherung (SGB XI) ab. Dieses Schreiben enthielt keine Rechtsmittelbelehrung. Hiergegen richtete sich der beim Beschwerdeführer am 22. Juni 2005 eingegangene Widerspruch. Dem Schreiben war ein Kalkulationsblatt zur Ermittlung der gesondert berechenbaren Investitionsaufwendungen beigefügt. Dieses wies betriebsnotwendige Investitionsaufwendungen in Gesamthöhe von 191.979,92 EUR aus, die einem Betrag von 4,76 EUR je Pflegetag entsprechen. Mit Bescheid vom 12. September 2005 lehnte der Beklagte eine Zustimmung zu betriebsnotwendigen Investitionskosten ab, mit weiterem Bescheid vom 14. September 2005 lehnte der Beschwerdeführer den Antrag zur gesonderten Inrechnungstellung im Rahmen einer sog. Mischkalkulation ab.

Hiergegen erhob der Beschwerdegegner am 11. September 2005 Klage beim Sozialgericht Magdeburg (SG) und begehrte zunächst die Aufhebung des Bescheides vom 14. September 2005 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Am 18. Mai 2007 verlangte er eine einheitliche betriebsnotwendige Investitionsaufwendung im Rahmen einer Mischkalkulation in Höhe von 4,76 EUR je Heimbewohner und Pflegetag. In einem Erörterungstermin des SG vom 15. August 2008 legte der Beschwerdegegner ein neues Kalkulationsblatt zur Ermittlung der gesondert berechenbaren Investitionsaufwendungen vor, dass je Pflegetag und Bewohner 5,75 EUR für das Jahr 2007 auswies. Am 11. September 2008 veränderte der Beschwerdegegner nochmals seinen Klageantrag und beantragte wörtlich, "die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die Genehmigung zur gesonderten Berechnung von Investionsaufwendungen nach § 82 Abs. 3 bzw. 4 SGB XI im mit 80 Plätzen geförderten Teil der Einrichtung mit 5,75 EUR je Pflegetag und Heimbewohner ab 1. Januar 2009 zu erteilen." Dabei sei von einer Heimauslastung von 96 % auszugehen. In diesem Schreiben hatte er eine gesonderte Streitwertberechnung in Höhe von 150.251,52 EUR pro Jahr vorgenommen (5,75 EUR abzüglich gezahlter betriebsnotwendiger Investitionsaufwendungen in Höhe von 0,39 EUR = 5,36 EUR x 365 Tage x 80 Plätze = 156.512,- EUR; hiervon 96 % = 150.251,52 EUR). Am 21. August 2009 hatte der Beschwerdegegner den Antrag auf 3,67 EUR je Pflegetag und Heimbewohner für die Zeit ab dem 1. Januar 2010 beschränkt.

Das SG hob mit Urteil vom 6. November 2009 den Bescheid des Beklagten vom 14. September 2005 auf und verurteilte den Beschwerdeführer, der gesonderten Berechnung von Investitionsaufwendungen der Beschwerdegegnerin gegenüber den Bewohnern des Altenpflegeheims in Höhe von 3,67 EUR Pflege täglich ab dem 1. Januar 2010 zuzustimmen. Den Streitwert hat es im Urteilstenor auf 367.499,52 EUR festgesetzt und zur Begründung ausgeführt: Der Betrag von 367.499,52 EUR entspreche dem finanziellen Interesse des Beschwerdegegners. Dieser Wert berechne sich aus dem Differenzbetrag des anfänglichen Begehrens abzüglich der anfänglich erteilten Zustimmung (4,76 EUR - 0,39 EUR = 4,37 EUR/Pflegetag). Bei 28.032 Pflegetagen und einem Zeitraum von drei Jahren errechne sich die ermittelte Streitwerthöhe.

Der Beschwerdeführer hat gegen das ihm am 11. November 2009 zugestellte Urteil am 23. Dezember 2009 Beschwerde gegen den Streitwertausspruch eingelegt und zur Begründung vorgetragen: Der Klageantrag sei zunächst nicht beziffert gewesen und vom Beschwerdegegner erst mit Schreiben vom 16. Mai 2007 auf die Zustimmung zu einer gesonderten Berechnung von betriebsnotwendigen Investitionskosten in Höhe von 4,76 EUR je Heimbewohner und Pflegetag konkretisiert worden. Bei der Bemessung des finanziellen Interesses sei neben der Erhöhung der Investitionsbeträge für den geförderten Teil auch die gleichzeitige Absenkung für den ungeförderten Teil zu beachten. Dies führe zu folgender Streitwertbewertung:

Ausgangswert: 367.4999,52 EUR

Abzugsposten: 259.383,60 EUR (11,81 EUR/PT - 4,76 EUR/PT = 7,05 EUR/PT x 12.264 PT

= 86.461,20 EUR/Jahr x 3 Jahre)

Tatsächlicher Streitwert: 108.115,92 EUR

Der Beschwerdeführer beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,

den Streitwert des Verfahrens auf 108.115,92 EUR festzusetzen.

Der Beschwerdegegner beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,

die Beschwerde zurückzuweisen und den Streitwert auf

483.552 EUR festzusetzen.

Er hat vorgetragen: Der Ausgangsstreitwert sei mit 5,75 EUR je Pflegetag zu bestimmen. Dieser Wert errechne sich aus dem geforderten investiven Pflegesatzanteil von 6,14 EUR abzüglich der zuerkannten 0,39 EUR. Dies rechtfertige es, den Streitwert auf 483.552,00 EUR (5,75 EUR x 28032 Pflegetage jährlich x drei Jahre) festzusetzen.

Mit Schreiben vom 13. Dezember 2010 hat der Berichterstatter die Beteiligen darauf hingewiesen, dass das Schreiben des Beschwerdegegners vom 24. Februar 2010 als unselbständige Anschlussbeschwerde gewertet werden könne. Wegen des klägerischen Begehrens könne eine Festsetzung der Streitwerthöhe von 483.552 EUR in Betracht kommen. Der Einwand des Beschwerdeführers, der klägerische Antrag sei unbeziffert gewesen, dürfte daher nicht durchgreifen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.

II.

1. Die Beschwerde des Beschwerdeführers ist zulässig. Das SG hat im Urteil vom 6. November 2009 auch eine gesonderte Streitwertentscheidung getroffen, die einem speziellen Streitwertbeschluss gleichsteht. Diese ist gemäß § 68 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) mit der Beschwerde angreifbar, sofern der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt, was hier der Fall ist. Auch die Beschwerdefrist von sechs Monaten seit Rechtskraft der Entscheidung (§§ 68 Abs. 1, Satz 3, 63 Abs. 3 Satz 2 GKG) ist gewahrt.

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1, 47 Abs. 1, 42 Abs. 2 Satz 1 GKG. Nach § 52 Abs. 1 GKG ist in Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit der Streitwert regelmäßig nach dem Klageantrag und dem klägerischen Interesse zu bestimmen. Betrifft der Antrag eine bezifferte Geldleistung oder einen darauf gerichteten Verwaltungsakt ist danach die Höhe zu ermitteln (§ 52 Abs. 3 GKG). Zunächst ist dem Beschwerdeführer darin zuzustimmen, dass das ursprüngliche Begehren des Beschwerdegegners lediglich auf eine Neubescheidung gerichtet war und zunächst keine genauere Streitwertbezifferung zuließ. Dann hat der Beschwerdegegner jedoch seinen Antrag auf eine Genehmigung in Höhe von 5,75 EUR je Pflegetag und Heimbewohner ab dem 1. Januar 2009 konkretisiert. Der nun bezifferte Klageantrag, der auf einen unbestimmten Zeitraum gerichtet war, rechtfertigt die Anwendung von § 42 Abs. 2 GKG, nach dem bei wiederkehrenden Leistungen der dreifache Jahresbetrag der wiederkehrenden Leistung zur Streitwertberechnung heranzuziehen ist. Bei einem zeitlich unbestimmten Antrag auf eine Genehmigung in Höhe von 5,75 EUR je Pflegetag und Heimbewohner wäre der Streitwert an sich auf 483.552 EUR zu bestimmen (5,52 EUR [wegen einer Heimauslastung von 96 %] x 80 Plätze x 365 Pflegetage x drei Jahre). Von diesem Betrag in Höhe von 5,52 EUR ist jedoch, wie es der Beschwerdegegner in seiner eigenen Streitwertberechnung vom 11. September 2009 selbst dargelegt hat, ein weiterer Anteil von 0,39 EUR abzuziehen, was seinem eigentlichen wirtschaftlichen Interesse entsprach. Dies führt dann zu einem Streitwert von 450.754,56 EUR. Die vom Beschwerdegegner wenig später reduzierte Klage auf eine Genehmigung in Höhe von nur noch 3,67 EUR ab dem 1. Januar 2010 bleibt für die Bestimmung der Gerichtskosten ohne Belang. Für die Festsetzung der Gerichtskosten ist allein die sich aus dem weitestgehenden Antrag ergebene Bedeutung der Angelegenheit für die Bestimmung des Streitwertes maßgebend (vgl. § 52 Abs. 1 GKG; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20. Mai 2008 – L 16 B 87/07 KR, zitiert nach juris). Die vom Beschwerdegegner am 21. August 2009 erklärte Teilklagrücknahme berührt daher allenfalls die noch ausstehende rechtsanwaltliche Gebührenfestsetzung durch den Kostenbeamten. Die weiteren von dem Beschwerdeführer vorgenommenen Abzüge in der Streitwerthöhe können daher nicht durchgreifen. Für die Streitwertberechnung kommt es neben dem Antrag allein auf das wirtschaftliche Interesse der Klägerseite an. Dieses wird wesentlich durch die erkennbaren Vorstellungen und Erwartungen bei Klageerhebung geprägt (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 25. Januar 2008 – 1 W 792/07, zitiert nach juris). Der Beschwerdegegner hat sein höchstes wirtschaftliches Interesse in seinem Schreiben vom 11. September 2008 selbst genau dargelegt und damit die entscheidenden Gesichtspunkte für den Streitwert genannt. Mögliche rechtliche Irrtümer oder Fehleinschätzungen auf klägerischer Seite können dabei nicht über die gerichtlich festzusetzende Streitwerthöhe korrigiert werden. Vielmehr wäre dies der jeweiligen Kostenquote vorbehalten, die jedoch nicht Streitgegenstand dieser Beschwerde ist.

2. Die Anschlussbeschwerde des Beschwerdegegners ist zulässig. Der Beschwerdeführer ist als Rechtsanwalt und Prozessbevollmächtigter aus eigenem Recht befugt gemäß § 32 Abs. 2 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) eine Beschwerde einzulegen. Die Anschlussbeschwerde ist auch gemäß § 567 Abs. 3 Zivilprozessordnung i.V. mit §§ 197 a, 172, 202 Sozialgerichtsgesetz sowie § 68 Gerichtskostengesetz (GKG) zulässig und überwiegend begründet. Der im Schreiben vom 24. Februar 2010 vom Beschwerdegegner gestellte Antrag, den Streitwert auf 483.552 EUR festzusetzen, ist als unselbständige Anschlussbeschwerde auszulegen. Nachdem der Beschwerdeführer, trotz des gerichtlichen Hinweises, an seiner Beschwerde festgehalten hat, führt die Anschlussbeschwerde aus den oben genannten Gründen zu einer Erhöhung des Streitwertes. Hierbei ist jedoch die vom Beschwerdegegner selbst vorgenommene Streitwertberechnung vom 11. September 2008 zugrunde zu legen.

Das Beschwerdeverfahren ist gemäß § 68 Abs. 3 Satz 1 GKG gebührenfrei. Die Entscheidung über die Kostenerstattung beruht auf § 68 Abs. 3 Satz 2 GKG. Dieser Beschluss ist gemäß §§ 68 Abs. 1 Satz 4, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG bzw. § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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