Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 8 RA 207/04
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 199/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 RS 5/12 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 24. November 2005 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) hat.
Der am ... 1950 geborene Kläger ist ausweislich der Urkunde der Ingenieurschule für Anlagenbau G. vom Juli ... 1974 berechtigt, die Berufsbezeichnung Ingenieur zu führen. Ab dem 01. September 1974 bis mindestens zum 30. Juni 1990 arbeitete er beim VEB Kombinat Rohrleitungen und Isolierungen, Betrieb Rohrleitungen F., später VEB Rohrleitungsbau F., Betriebsteil A. sowie ab 1978 VEB Rohrleitungsbau A. als Produktionslenker sowie zuletzt als Gruppenleiter Preise bzw. Leiter der Abteilung Preise und Abrechnung. Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) zahlte er vom 01. Juli 1983 bis zum 30. Juni 1990. Eine schriftliche Zusage einer Zusatzversorgung erhielt der Kläger während des Bestehens der DDR nicht.
Am 10. November 2003 beantragte der Kläger die Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 29. Januar 2004 mit der Begründung ab, dass weder eine positive Versorgungszusage zu Zeiten der DDR vorgelegen habe noch am 30. Juni 1990 eine Beschäftigung ausgeübt worden sei, die – aus bundesrechtlicher Sicht – dem Kreis der obligatorisch Versorgungsberechtigten zuzuordnen gewesen wäre. Der Kläger sei nicht als Ingenieur, sondern als Preissachbearbeiter tätig gewesen. Dagegen legte der Kläger am 10. Februar 2004 Widerspruch ein und trug zur Begründung vor, seine Arbeitsaufgaben hätten dem heutigen Berufsbild eines Vertriebsingenieurs entsprochen. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. April 2004 mit der Begründung zurück, als Abteilungsleiter Preise und Abrechnung sei der Kläger nicht als Ingenieur beschäftigt gewesen.
Dagegen hat der Kläger am 11. Mai 2004 Klage beim Sozialgericht Magdeburg (SG) erhoben und ausgeführt, seine Tätigkeiten hätte er ohne die Qualifikation als Ingenieur gar nicht ausüben dürfen. Zum Inhalt seiner Beschäftigung hat er sein Arbeitszeugnis vom 25. November 1992 sowie eine Auskunft des seinerzeitigen Gruppenleiters Planungstechnologie L. W. vom 24. Juni 2004 eingereicht. Mit Urteil vom 24. November 2005 hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe am 30. Juni 1990 keine ingenieurtechnische Tätigkeit ausgeübt, denn er sei nicht unmittelbar in den Produktionsprozess eingegliedert gewesen.
Gegen das am 16. Dezember 2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16. Januar 2006 Berufung eingelegt und vorgetragen, die Tätigkeit als Gruppenleiter Preise habe er nicht trotz seiner ingenieurtechnischen Qualifikation ausgeübt, sondern gerade deswegen. Er habe technische Zeichnungen auswerten, technische Abläufe koordinieren und die technische Machbarkeit eines Produktes bewerten müssen. Die Funktionsbezeichnung "Gruppenleiter Preise" werde seinem tatsächlichen Einsatzgebiet nicht gerecht. Der VEB Rohrleitungsbau A., zu dem er umfangreiche Unterlagen eingereicht hat (wegen deren Inhalt auf die Beiakte zu Blatt 182 der Gerichtsakten verwiesen wird) sei auch ein Produktionsbetrieb im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur fiktiven Einbeziehung die AVItech gewesen, denn er habe in industrieller Massenproduktion Sachgüter produziert. Er sei Zulieferer für die Montagebetriebe des VEB Kombinat Kraftwerksanlagenbau, Chemieanlagenbau und Bauwesen sowie Zulieferer für den Anlagenexport gewesen. Er sei der einzige Betrieb in der DDR gewesen, der Großrohre nach Standard (TGL) gefertigt habe. Diese standardisierte Fertigung sei industriell unter Einsatz von Fließbändern und automatisierten Produktionsabläufen erfolgt. Die Produkte des VEB seien insbesondere im Kraftwerksbau und auch bei der Erdgastrasse "Druschba" zum Einsatz gekommen. Neben Rohren und Rohrformstücken seien Gullis produziert worden. Sonderanfertigungen außerhalb der üblichen Standards seien selten gewesen, seien dann jedoch auch industriell gefertigt worden. Diese Sonderanfertigungen hätten dem VEB allerdings nicht sein Gepräge gegeben. Zu keiner Zeit sei der Betrieb mit der Montage von Rohrleitungen oder gar der Inbetriebnahme ganzer Kraftwerke befasst gewesen. Er habe auch keine Instandsetzungsarbeiten ausgeführt. Der VEB Rohrleitungsbau A. sei außerdem einem Industrieministerium unterstellt gewesen. Im Übrigen stelle sich die Frage, ob der Vortrag der Beklagten, der VEB Rohrleitungsbau A. sei kein Produktionsbetrieb im Sinne der Rechtsprechung des BSG zur fiktiven Einbeziehung die AVItech gewesen, nicht gemäß §§ 157a, 106a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zurückzuweisen sei, da dieser Vortrag erstmalig in der Berufungsinstanz erfolgt sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 24. November 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 29. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. April 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Zeitraum vom 01. September 1974 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz mit den entsprechenden Arbeitsentgelten festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 24. November 2005 zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Der Kläger sei nicht ingenieurtechnisch beschäftigt gewesen, sondern berufsfremd. Auch die betriebliche Voraussetzung für eine fiktive Einbeziehung sei nicht erfüllt. Denn der VEB Rohrleitungsbau A. sei in der Systematik der Volkswirtschaftszweige der DDR der Wirtschaftsgruppe 15559 (Reparatur- und Montagebetriebe für Metallkonstruktionen) zugeordnet gewesen.
Der Senat hat vom Amtsgericht Stendal die beim ehemaligen Register der volkseigenen Wirtschaft vorhandenen Unterlagen zum VEB Rohrleitungsbau A. beigezogen. Darüber hinaus hat er von der S. GmbH folgende Unterlagen erhalten:
Verfügungen über die Bildung des VEB Kombinat Kraftwerksanlagenbau vom 27. Juni 1978 und 23. August 1978
Statut des VEB Kombinat Kraftwerksanlagenbau vom 20. Dezember 1978
Entwurf der Sanierungskonzeption der Rohrleitungsbau A. GmbH im Aufbau vom 09. August 1990
Konzeption zur Sanierung der S. GmbH C. im Aufbau
Vorläufige Konzeption für die Geschäftstätigkeit der S. GmbH C. im Aufbau
Bilanzen zum 31. Dezember 1989 bzw. 31. Mai 1990.
Des Weiteren hat der Senat folgende Unterlagen aus einem Parallelverfahren zum VEB Rohrleitungsbau A. (L 1 R 96/07) in dieses Verfahren eingeführt:
Auskünfte des ehemaligen Direktors für Produktion bzw. für Technik und Produktion des VEB Rohrleitungsbau A. J. S. vom 24. Juni 2005, 17. März 2008 und vom 24. April 2008 (beigefügt: Anweisung über die Gründung des VEB Rohrleitungsbau A. vom 24. Juni 1977 sowie Schriftsatz zur Umwandlung des VEB Rohrleitungsbau A. in die Rohrleitungsbau A. GmbH vom 25. Juli 1990)
Darstellung des Rohrleitungsbaus A. vom 13. Juni 1990
Auskünfte des Klägers in dem Verfahrens L 1 R 96/07 im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage vom 03. Dezember 2009.
Das Verfahren ruhte zwischenzeitlich, um den Ausgang von Revisionsverfahren zu der Frage abzuwarten, wann die Voraussetzung einer ingenieurtechnischen Beschäftigung erfüllt ist (Senatsbeschluss vom 12. Juni 2007).
Die Beteiligten sind darauf hingewiesen worden, dass nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (seit dem Urteil vom 19. März 2009 – L 1 R 91/06 –, sh. www.sozialgerichtsbarkeit.de; vorher offen gelassen) die Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem nur möglich ist, wenn zu Zeiten der DDR eine entsprechende schriftliche Versorgungszusage erteilt worden ist, eine fiktive Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem der DDR – wie dies das BSG für möglich hält – nach Auffassung des Senats also ausscheidet.
Die Gerichtsakten und die Verwaltungsakte der Beklagten haben bei der mündlichen Verhandlung und der anschließenden Beratung vorgelegen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt dieser Akten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 143 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung hat keinen Erfolg.
Sie ist unbegründet, weil der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 29. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. April 2004 rechtmäßig ist und den Kläger nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert.
Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass gem. § 8 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 und § 1 Abs. 1 Satz 1 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) Zugehörigkeitszeiten zu einem Zusatzversorgungssystem festgestellt werden. Er unterfällt nicht dem Geltungsbereich des § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG, weil er weder tatsächlich noch im Wege der Unterstellung dem Zusatzversorgungssystem der AVItech (Zusatzvorsorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) angehörte.
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gilt dieses Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind. Der Kreis der potentiell vom AAÜG erfassten Personen umfasst diejenigen Personen, die entweder (1.) durch einen nach Art. 19 Einigungsvertrag (EVertr) bindend gebliebenen Verwaltungsakt der DDR oder einer ihrer Untergliederungen oder (2.) später durch eine Rehabilitierungsentscheidung oder (3.) nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EVertr (wieder) in ein Versorgungssystem einbezogen waren (BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 31/01 R –, SozR 3-8570 § 1 AAÜG, Nr. 2, S. 11).
Der Kläger erfüllt keine dieser Voraussetzungen. Weder ist ihm von Organen der DDR eine Versorgung zugesagt worden, noch ist er aufgrund einer Rehabilitierungsentscheidung in ein Versorgungssystem einbezogen worden. Auch ein rechtsstaatswidriger Entzug einer Versorgungsanwartschaft hat in seinem Fall nicht stattgefunden.
Der Senat folgt nicht der Rechtsprechung des früheren 4. Senats und des jetzigen 5. Senats des BSG, wonach die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem auch im Wege der Unterstellung (bzw. Auslegung von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG) vorliegen kann (siehe nachfolgend unter 1.). Aber auch nach dieser Rechtsprechung wären die Voraussetzungen für eine fiktive Einbeziehung nicht erfüllt (nachfolgend 2.).
1.
a)
Der Senat ist nicht der Auffassung, dass das AAÜG den Kreis der "potenziell vom AAÜG ab 01. August 1991 erfassten" Personen erweitert und das Neueinbeziehungsverbot modifiziert hat (so aber BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 31/01 R –, a. a. O., S. 12; nunmehr BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 5 RS 3/09 R – juris, Rdnr. 22, 23). Die vom BSG vorgenommene Rechtsfortbildung überschreitet nach Auffassung des erkennenden Senats die sich aus Art. 20 Abs. 2 und 3 Grundgesetz (GG) ergebenden Grenzen der richterlichen Entscheidungsbefugnis, weil der Wortlaut des § 1 Abs. 1 AAÜG die erweiternde Auslegung des BSG nicht hergibt. Es ist deshalb auch nicht angezeigt, die bei einem unklaren oder nicht eindeutigen Wortlaut heranzuziehenden einschlägigen Auslegungskriterien anzuwenden (BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 10 EG 1/08 R – juris, Rdnr. 19). Im Übrigen waren dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 AAÜG auch nach der Auffassung des früheren 4. Senats des BSG nur zwei Tatbestände zu entnehmen, die zu einer Anwendbarkeit des AAÜG führen. Entweder war der Betreffende tatsächlich Inhaber einer Versorgungsanwartschaft oder er hatte diese durch Ausscheiden vor dem Leistungsfall wieder verloren (BSG, Urteil vom 23. August 2007 – B 4 RS 3/06 R – juris, Rdnr. 17, 16).
Selbst wenn man wegen des verwendeten Begriffs "Zugehörigkeit" zu einem Verständnis der Norm gelangen würde, welches nicht allein auf die tatsächliche Einbeziehung abstellt, sondern auch eine fiktive Einbeziehung erfasst (so nunmehr der 5. Senat des BSG, siehe Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 5 RS 3/09 R – juris, Rdnr. 23, 24, 27), verbietet sich dieses Ergebnis bei Berücksichtigung der weiteren Auslegungskriterien (Sinn und Zweck, Entstehungsgeschichte und Systematik, siehe zu den Auslegungskriterien z. B. BVerfG, Beschluss vom 08. Februar 1999 – 1 BvL 25/97 – juris). In den Gesetzesmaterialien findet sich kein Hinweis dafür, dass durch das AAÜG außer den Personen, die durch einen nach Art. 19 EVertr bindend gebliebenen Verwaltungsakt der DDR oder einer ihrer Untergliederungen oder später durch eine Rehabilitierungsentscheidung oder nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EVertr (wieder) in ein Versorgungssystem einbezogen worden waren (BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 31/01 R –, a. a. O., S. 11), weitere Personen einbezogen werden sollten (siehe BTDrs. 12/405, S. 113, 146; BTDrs. 12/786, S. 139; II A, IV A; BTDrs. 12/826, S. 4, 5, 10, 11, 21). Vielmehr wird in den Gesetzesmaterialien immer auf den EVertr Bezug genommen. Zwar wird dann ausgeführt, dass die Einhaltung der Vorgaben des EVertr zu nicht sachgerechten und zu nicht nur sozialpolitisch unvertretbaren Ergebnissen führen müsste und sich deshalb die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung ergebe (BTDrs. 12/405, S. 113). Aus der weiteren Gesetzesbegründung ist jedoch ohne Schwierigkeiten ablesbar, dass sich diese Regelungen auf die Bereiche der Rentenberechnung, Leistungsbegrenzung, Abschmelzung laufender Leistungen, des Besitzschutzes bei der Neufeststellung von Leistungen, der Auszahlungen von Leistungen, eines Vorbehaltes der Einzelüberprüfung und der Kostenerstattung durch den Bund beziehen (a. a. O., S. 113, 114). Nicht angesprochen ist hingegen eine Ausweitung des erfassten Personenkreises. Auch bei der Begründung des § 1 AAÜG wird ausgeführt, dass diese Vorschrift den Geltungsbereich der nach dem EVertr vorgeschriebenen Überführung (und gerade keine darüber hinausgehende) festlegt (BTDrs. 12/405, S. 146).
Es trifft auch nicht zu, dass bereits durch den EVertr das Neueinbeziehungsverbot modifiziert worden ist (so aber BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 5 RS 3/09 R – juris, Rdnr. 22). In Art. 17 EVertr wurde die Absicht bekräftigt, eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, um Personen, die Opfer einer politisch motivierten Strafverfolgungsmaßnahme oder sonst einer rechtsstaats- und verfassungswidrigen gerichtlichen Entscheidung geworden sind, rehabilitieren zu können. Hier ist schon fraglich, ob einer bloßen Absichtserklärung überhaupt ein Regelungsinhalt entnommen werden kann. Darüber hinaus ist dem Wortlaut von Art. 17 EVertr nicht zu entnehmen, wie die Rehabilitierung im Einzelfall erfolgen sollte und insbesondere auch nicht, dass diese unter Durchbrechung des Neueinbeziehungsverbotes durch Einbeziehung in ein Versorgungssystem möglich sein sollte. Dementsprechend ergeben sich aus dem Rehabilitierungsgesetz vom 06. September 1990 (RehabG, GBl. I S. 1459) Hinweise, dass das Neueinbeziehungsverbot auch bei Rehabilitierungsmaßnahmen zu berücksichtigen war (zur Heranziehung des RehabG zum Verständnis des Art. 17 EVertr siehe Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 21. Januar 1999 – 3 C 5/98 – juris, dort Rdnr. 21). Nach § 9 Nr. 2 RehabG waren nämlich Zeiten des Freiheitsentzuges bei einem Rehabilitierten nur dann als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem anzurechnen, wenn er vor Beginn des Freiheitsentzuges dem Zusatzversorgungssystem angehörte. Es geht also nicht um eine Neueinbeziehung, sondern um die Feststellung weiterer Zeiten, vergleichbar der Regelung des § 5 Abs. 2 AAÜG. Auch dem Wortlaut von Art. 19 Satz 2 EVertr ist eine Modifizierung des Neueinbeziehungsverbots nicht zu entnehmen. Darüber hinaus behandelt er, soweit danach untergegangene Versorgungszusagen wieder aufleben können (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 5 RS 3/09 R – a. a. O.), keine Fälle der Neu-, sondern der Wiedereinbeziehung. Art. 17 EVertr und Art. 19 EVertr lassen damit nur Schlussfolgerungen für die Fälle zu, in denen bereits, im Gegensatz zu der fiktiven Einbeziehung nach der Rechtsprechung des BSG, eine durch Zusage oder dergleichen dokumentierte Beziehung zu einem Zusatz- oder Sonderversorgungssystem vorlag.
Den Senat überzeugt auch nicht, dass aus § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG auf eine Modifizierung des Verbots der Neueinbeziehung zu schließen sei. In den Gesetzesmaterialien findet sich nämlich kein Anhaltspunkt für die vom BSG vorgenommene Unterscheidung zwischen "Einbeziehung in ein Versorgungssystem" und der "Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem". Der Gesetzgeber benutzt im Gegenteil auch zur Beschreibung des Personenkreises des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, der auch nach Ansicht des BSG konkret einbezogen war (BSG, a. a. O., S. 12), den Terminus "Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem" (BTDrs. 12/826, S. 21) und nicht etwa "Einbeziehung in ein Versorgungssystem".
Der Gesetzgeber ging auch nicht davon aus, dass die in § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG angesprochene Personengruppe eine Erweiterung der "potenziell vom AAÜG ab 1. August 1991 erfassten" Personen darstellt. Ursprünglich war Satz 2 in der Gesetzesvorlage nicht enthalten (BTDrs. 12/405, S. 77). Erst in den Ausschussberatungen wurde dann die Anfügung des Satzes 2 empfohlen (BTDrs. 12/786, S. 139). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass diese Anfügung nur eine Klarstellung bedeute (BTDrs. 12/826, S. 21). Der Gesetzgeber nahm also an, dass diese Personengruppe ohnehin von Satz 1 und vom Überführungsauftrag des EVertr umfasst ist.
Im Übrigen hat auch die Bundesregierung mehrfach betont, dass das AAÜG nach dem ursprünglichen Willen des Gesetzgebers nur anwendbar sein sollte, wenn eine ausdrückliche Versorgungszusage vorliegt (Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage, BTDrs. 16/11127 vom 28. November 2008; Antwort des Staatssekretärs im Bundesministerium für Arbeit und Soziales Franz-Josef Lersch-Mense auf eine Frage der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, BTDrs. 16/13916 vom 21. August 2009).
b)
Außerdem überzeugt den erkennenden Senat im Rahmen der fiktiven Einbeziehung nicht die Stichtagsregelung des 30. Juni 1990, an der der nunmehr für Streitigkeiten aus dem Bereich der Zusatzversorgung zuständige 5. Senat des BSG ebenfalls festhält (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 19. Juli 2011 – B 5 RS 7/10 R – juris). Die Stichtagsregelung erscheint insbesondere deshalb problematisch, weil der 5. Senat § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG aus sich heraus weit auslegt und – insofern in der Begründung anders als der 4. Senat – nicht § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG heranzieht (BSG, a.a.O., Rdnr. 20). Denn es stellt sich angesichts Art. 3 Abs. 1 GG die Frage, warum eine weite Auslegung nicht auch für den Personenkreis, den das BSG von der fiktiven Einbeziehung ausschließt, gelten müsste.
Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist jedoch nicht jede Differenzierung ausgeschlossen. Das Grundrecht wird aber verletzt, wenn eine Gruppe anders als eine andere behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (z. B. BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 2005 – 1 BvR 1921/04 u. a. – juris, Rdnr. 36). Aus Sicht des erkennenden Senats sind hier entsprechend gewichtige Unterschiede nicht vorhanden. Vielmehr handelt es sich hinsichtlich der rechtlich entscheidenden Gesichtspunkte um wesentlich gleiche Sachverhalte, die deshalb eine Gleichbehandlung erfordern. Diejenigen, die nach der Rechtsprechung des BSG vom fiktiven Anspruch profitieren sollen, hatten zu Zeiten der DDR aufgrund der fehlenden Versorgungszusage keine Rechtsposition inne, die ihnen eine zusätzliche Altersversorgung aus einem Zusatzversorgungssystem eröffnete. Allerdings erfüllten sie – zumindest zeitweise – die notwendigen Voraussetzungen für eine Einbeziehung. Es fehlte jedoch unter den gegebenen Voraussetzungen während des Bestehens der DDR die Möglichkeit, den an sich vorhandenen Anspruch auch durchzusetzen. Die gleichen Überlegungen gelten aber auch für den Personenkreis, den das BSG von der fiktiven Einbeziehung ausschließt. Das sind diejenigen, die keine Versorgungszusage hatten, jedoch irgendwann vor dem – nicht aber am – 30. Juni 1990 alle Voraussetzungen für die Einbeziehung erfüllt hatten. Dies legt nahe, im Rahmen der (vom erkennenden Senat abgelehnten) fiktiven Einbeziehung die genannten Personenkreise im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG gleich zu behandeln. Die Schließung der Versorgungssysteme am 30. Juni 1990 rechtfertigt nach Auffassung des erkennenden Senats nicht die unterschiedliche Behandlung der genannten Personenkreise, zumal wenn § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG aus sich heraus weit ausgelegt und zur Begründung nicht § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG herangezogen wird.
2.
Aber auch wenn man der Rechtsprechung des BSG folgen würde, hätte das Begehren des Klägers keinen Erfolg. Danach hängt der Anspruch auf eine fiktive Einbeziehung im hier allein in Frage kommenden Fall gemäß § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (GBl. DDR I, Nr. 93 S. 844 – im Folgenden: VO-AVItech) i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur VO-AVItech vom 24. Mai 1951 (GBl. DDR I, Nr. 62 S. 487 – im Folgenden: 2. DB) von drei Voraussetzungen ab, die alle zugleich vorliegen müssen. Generell war dieses Versorgungssystem eingerichtet für
Personen, die berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung) und
die entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben (sachliche Voraussetzung), und zwar
in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).
Nach der Rechtsprechung des BSG müssen diese drei Voraussetzungen, damit das AAÜG überhaupt anwendbar ist, am 30. Juni 1990 vorgelegen haben.
In Anwendung der genannten Maßstäbe hatte der Kläger am 01. August 1991 (dem Tag des Inkrafttretens des AAÜG) keinen fiktiven Anspruch auf Einbeziehung in das Versorgungssystem der AVItech. Denn der Kläger erfüllte nicht die abstrakt-generellen und zwingenden Voraussetzungen (vgl. dazu BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 41/01 R –, SozR 3-8570 § 1 Nr. 6) des hier betroffenen Versorgungssystems. Zwar sind sowohl die persönliche als auch die sachliche Voraussetzung am 30. Juni 1990 erfüllt, nicht jedoch die betriebliche.
Der Kläger erwarb ausweislich der Urkunde der Ingenieurschule für Anlagenbau G. vom 26. Juli 1974 die Berechtigung, die Berufsbezeichnung Ingenieur zu führen. Damit erfüllt er die persönliche Voraussetzung. Auch die sachliche Voraussetzung der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit war – entgegen der Ansicht des SG – während seiner zuletzt am 30. Juni 1990 ausgeübten Tätigkeit als Gruppenleiter Preise bzw. Leiter der Abteilung Preise und Abrechnung gegeben. Im Rahmen der Prüfung der sachlichen Voraussetzung, d. h. der Ausübung einer zur Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem berechtigenden Beschäftigung, verlangt das BSG unter Bezugnahme auf die "Präambel" der VO-AVItech und den in § 1 Abs. 1 der 2. DB zur VO-AVItech aufgeführten Personenkreis (BSG, Urteil vom 23. August 2007 – B 4 RS 2/07 R – juris), dass ingenieurtechnische Arbeiten entsprechend dem verliehenen Ingenieurtitels ausgeführt wurden, also im Wesentlichen Aufgaben verrichtet wurden, die zum Fachbereich des verliehenen Ingenieurtitels gehörten. Dies ist für Ingenieure dann der Fall, wenn entsprechend ihrem Berufsbild der Schwerpunkt ihrer Tätigkeiten im produktionsbezogenen ingenieurtechnischen Bereich lag, diese Tätigkeiten somit die Aufgabenerfüllung geprägt hatten. Lag der Schwerpunkt dagegen in anderen Bereichen, z.B. im wirtschaftlichen bzw. kaufmännischen Bereich, waren die Ingenieure nicht schwerpunktmäßig (= überwiegend) entsprechend ihrem Berufsbild tätig; im Ergebnis waren sie in einem solchen Fall berufsfremd eingesetzt (BSG, Urteil vom 23. August 2007 – B 4 RS 2/07 R – juris). Allerdings kann die sachliche Voraussetzung nicht allein nach der Beschäftigung in bestimmten Arbeitsbereichen i.S. der Anordnung über die Einführung der Rahmenrichtlinie für die neue Gliederung der Beschäftigten der Industrie oder des Bauwesens (vom 10. Dezember 1974, GBl. DDR I 1975 S. 1) bestimmt werden. Vielmehr ist die sachliche Voraussetzung regelmäßig erfüllt, wenn die Wahrnehmung der konkreten Arbeitsaufgabe berufliche Kenntnisse und Fertigkeiten voraussetzte, wie sie bei dem Studium bzw. der Ausbildung zu einem Beruf i.S. des § 1 Abs. 1 der 2. DB und bei Ausübung dieses Berufs typischerweise erworben wurden, während sie bei einem im Wesentlichen berufsfremdem Einsatz regelmäßig nicht erfüllt ist (BSG, Urteil vom 18. Oktober 2007 – B 4 RS 17/07 R – juris, Rdnr. 43, 44).
Der erkennende Senat ist überzeugt, dass der Kläger während seiner Tätigkeit als Gruppenleiter Preise bzw. Leiter der Abteilung Preise und Abrechnung nach seinen glaubhaften Schilderungen im gerichtlichen Verfahren nicht berufsfremd eingesetzt war. Die Funktionsbezeichnung steht dem nicht entgegen, weil nicht diese entscheidend ist, sondern der tatsächliche Tätigkeitsinhalt. Dieser setzte die im Ingenieurstudium erworbenen Kenntnisse unabdingbar voraus, wie die detaillierte Schilderung seiner Tätigkeit anschaulich verdeutlicht. Diese Beschreibung steht im Übrigen im Wesentlichen in Übereinstimmung mit einer seinen Arbeitsbereich betreffenden Arbeitsanweisung aus dem Jahre 1991.
Die einzelnen Arbeitsschritte des Klägers gliederten sich wie folgt: Am Anfang des Prozesses stand eine Anfrage eines Kunden, der eine Produktbeschreibung, Zeichnungsunterlagen, technische Dokumentationen und Projektunterlagen vorlegte. Schon die Sichtung dieser Unterlagen verlangte ingenieurtechnisches Wissen. Der Kläger überprüfte sodann die eingereichten Unterlagen auf Realisierungsmöglichkeiten, nahm eine Gliederung in Baugruppen vor, bewertete die Baugruppen an Hand von Bearbeitungspreisen (welche auf der Grundlage von technologischen Vorgabezeiten ermittelt wurden), fasste schließlich die Kosten für Leistung und Material zusammen und kalkulierte den Industrieabgabepreis. Außerdem oblagen dem Kläger folgende Aufgaben in der preislichen Grundsatzarbeit:
Ermittlung von Stundenverrechnungssätzen durch Zusammenfassung von Grundsatztechnologien und Einzelzeitnormativen
Preisantragstellung für Normteile
Gemeinkostenantragstellung beim Ministerium
Erstellung eines Preiskataloges für Standardteile
Grundsatzarbeit für neue Erzeugnisse (Kostendeckung – Rentabilität).
Dass der Kläger nicht berufsfremd eingesetzt war, zeigt auch die Auskunft des seinerzeitigen Gruppenleiters Planungstechnologie L. W. vom 24. Juni 2004. Er hat bekundet, die Angebotskalkulation sei zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem noch keine technische Bearbeitung der Anfrage vorgelegen habe. Es habe ein hohes Maß an technischem Fachwissen erfordert, um aus einer Fertigungsanfrage einen ökonomisch tragbaren Preis zu ermitteln. Nach alledem hat der Senat keine Zweifel daran, dass der Kläger am 30. Juni 1990 ingenieurtechnisch tätig war und damit auch die sachliche Voraussetzung für eine fiktive Einbeziehung in die AVItech auf der Grundlage der Rechtsprechung des BSG erfüllt.
Der Kläger war am 30. Juni 1990 jedoch nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie beschäftigt.
Es stellt sich schon die Frage, ob es am 30. Juni 1990 überhaupt noch VEB gab, die organisatorisch dem industriellen Produktionssektor der DDR-Planwirtschaft zugeordnet waren (zu dieser Voraussetzung BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 41/01 R – juris, Rdnr. 46). Denn es ist bereits zweifelhaft, ob es im Juni 1990 eine Planwirtschaft im Sinne des Art. 9 Abs. 3 der Verfassung der DDR (VerfDDR), auf die das BSG abstellt, überhaupt noch gab. Nach Art. 9 Abs. 3 Satz 2 VerfDDR war die Wirtschaft der DDR sozialistische Planwirtschaft. Darunter verstand man eine auf der Grundlage eines einheitlichen Planes durch den sozialistischen Staat gelenkte Wirtschaft (siehe Wörterbuch der Ökonomie des Sozialismus, Dietz-Verlag, Berlin 1989). Auch nach bundesdeutschem Verständnis sind Elemente einer Plan- oder Zentralverwaltungswirtschaft die Zentralisierung der (wesentlichen) Entscheidungen und das Vorhandensein eines Gesamtplans (siehe Papier in Benda u. a., Handbuch des Verfassungsrechts, S. 611).
Im Juni 1990 existierte in der DDR aber einerseits das Leitungsorgan der sozialistischen Planwirtschaft nicht mehr und andererseits war auch der Gesamtplan außer Kraft gesetzt worden. Die Staatliche Plankommission (SPK), dessen Aufgabe die gesamtstaatliche Planung der Entwicklung der Volkswirtschaft und die Kontrolle der Durchführung der Pläne (siehe § 1 Abs. 1 des Statuts der Staatlichen Plankommission vom 9. August 1973, GBl. DDR I, S. 417) gewesen war, wurde bereits im Januar 1990 aufgelöst (siehe Pkt. 5. des Beschlusses über die Gründung eines Wirtschaftskomitees des Ministerrates vom 18. Januar 1990, GBl. DDR I, S. 24). Mit Anordnung vom 14. März 1990 wurden zahlreiche Plananordnungen, darunter die Anordnung über den Fünfjahrplan 1986 bis 1990, aufgehoben (Anordnung über die Aufhebung von Rechtsvorschriften auf den Gebieten der Planung und der Materialwirtschaft, GBl. DDR I, S. 187). Die auch die sozialistische Planwirtschaft kennzeichnenden Elemente einer Zentralverwaltungswirtschaft – zentrale Leitung und Gesamtplan – waren damit nicht mehr vorhanden. Außerdem hatte sich die DDR bereits mit dem Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion vom 18. Mai 1990 zur sozialen Marktwirtschaft bekannt (siehe dort Art. 1 Abs. 3) und sich verpflichtet, entgegenstehende Vorschriften der VerfDDR nicht mehr anzuwenden (Art. 2 Abs. 2; siehe Art. 4 Abs. 1 i. V. m. Buchstabe A. Ziff. II. Nr. 3 des Gemeinsamen Protokolls über Leitsätze, wonach unternehmerische Entscheidungen frei von Planvorgaben zu sein hatten). Damit hatte sich die DDR von der zentral gelenkten Planwirtschaft verabschiedet (siehe Dornberger/Dornberger, DB 1990, S. 3007, 3008). Der Vertrag wurde mit Gesetz vom 21. Juni 1990 ratifiziert (Inkrafttreten mit Verkündung am 25. Juni 1990, GBl. DDR I, S. 331). Vor diesem Hintergrund kann bezweifelt werden, ob es am 30. Juni 1990, auf den das BSG ausdrücklich abstellt, tatsächlich noch einen industriellen Produktionssektor der DDR-Planwirtschaft gegeben hat.
Abgesehen davon erfüllt der VEB Rohrleitungsbau A. nicht die Vorgaben des BSG zum Produktionsbetrieb im Sinne der AVItech. Dieser Begriff erfasst nach der Rechtsprechung des BSG nur solche Betriebe, die Sachgüter im Hauptzweck industriell (d.h. serienmäßig wiederkehrend: BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003 – B 4 RA 14/03 R – juris) gefertigt haben. Der Betrieb muss auf die industrielle Fertigung, Fabrikation, Herstellung bzw. Produktion von Sachgütern ausgerichtet gewesen sein (BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 41/01 R –, SozR 3-8570 § 1 Nr. 6 S. 47; Urteil vom 27. Juli 2004 – B 4 RA 11/04 R – juris). Versorgungsrechtlich relevant ist allein die Tätigkeit in einem Produktionsdurchführungsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens. Erfasst sind daher nur Betriebe, die ihr Gepräge durch die Massenproduktion erhalten haben (BSG, Urteil vom 19. Juli 2011 – B 5 RS 7/10 R – juris, Rdnr. 24).
Vor diesem Maßstab war der VEB Rohrleitungsbau A. kein volkseigener Produktionsbetrieb im Sinne von § 1 der 2. DB. Denn die soeben beschriebene Art von Produktion gab dem Betrieb zur Überzeugung des Senats nicht das Gepräge. Den Vortrag der Beklagten, der VEB Rohrleitungsbau A. sei kein Produktionsbetrieb im Sinne der Rechtsprechung des BSG zur fiktiven Einbeziehung in die AVItech gewesen, darf der Senat im Übrigen schon deshalb nicht gemäß §§ 157a, 106a SGG zurückweisen, weil er – der erkennende Senat – wegen der Amtsermittlungspflicht ohnehin den Sachverhalt soweit aufklären muss, dass die betriebliche Voraussetzung für eine fiktive Einbeziehung in die AVItech geprüft werden kann.
Der ehemalige Direktor für Produktion bzw. für Technik und Produktion des VEB Rohrleitungsbau A. hat in seiner Auskunft vom 24. April 2008 erklärt, der Schwerpunkt der Betriebstätigkeit im ersten Halbjahr 1990 habe bei Zulieferungen für den Energiesektor bzw. bei Infrastrukturprojekten für die Trinkwasserversorgung gelegen. Die wesentlichen Produkte des Betriebes seien längsnahtgeschweißte Stahlrohre, geschweißte Segmentbögen und geschweißte Formstücke gewesen. Der VEB Rohrleitungsbau A. sei Alleinhersteller von Stahlgroßrohren gewesen. Die Jahresvorgabe durch die staatliche Plankommission habe 39 km betragen. Der Anteil der wiederholenden Fertigung habe ca. 80 % betragen, wobei sich die Produkte, z.B. Rohre, in der Regel in technischen Details unterschieden. Im gesamten Betrieb seien im ersten Halbjahr 1990 ca. 560 Beschäftigte angestellt gewesen. Diese Anzahl der Beschäftigten deckt sich in etwa mit der in der "Darstellung des Rohrleitungsbau A." vom 13. Juni 1990 unter 3. beschriebenen Arbeitskräftesituation. Danach waren am 31. Mai 1990 im Betrieb 537 Werktätige beschäftigt, davon 319 PP und 218 ÜB. Aus dem Gesamtzusammenhang der Darstellung lässt sich schließen, dass "PP" für Produktionspersonal und "ÜB" für übrige Beschäftigte steht. Denn weiter heißt es dort, dass zur wirtschaftlichen Arbeit eine Reduzierung der Verwaltung unumgänglich sei. Es sei vorgesehen, in den nächsten zwei Jahren die ÜB auf ca. 100 Beschäftigte zu reduzieren, so dass 100 ÜB und 350 PP im Betrieb beschäftigt werden könnten.
Der Tätigkeitsschwerpunkt der ca. 320 in der Produktion eingesetzten Beschäftigten lässt sich sehr gut der Anlage 1 zur "Darstellung des Rohrleitungsbau A." entnehmen. Dort ist die Auftragslage per 01. Juni 1990 aufgelistet. Danach ergab sich für das 2. Halbjahr 1990 folgendes Bild (in Klammern die Auftragslage für 1991):
Stahlrohre: 16 km mit 16,3 Mio DM (19 km mit 19 Mio DM)
Rohrleitungselemente: 900 t mit 4,5 Mio DM (1.410 t mit 7 Mio DM)
Behälter: 0,65 Mio DM (0,02 Mio DM)
sonstige industrielle Leistungen (Isolierarbeiten, Montagearbeiten, Serviceleistungen): 1 Mio DM (für 1991 keine Zahlenangabe).
Diese Zahlen verdeutlichen, dass dem Betrieb in erster Linie die Stahlrohrproduktion das Gepräge gegeben hat. Eine Stahlrohrproduktion von 16 km im Halbjahr bzw. – entsprechend der Jahresvorgabe durch die staatliche Plankommission – 39 km pro Jahr bedeutet eine monatliche Fertigung von ca. 2.700 bis 3.300 Metern. Angesichts dieser geringen Zahl kann von industrieller Massenfertigung in serieller Produktion keine Rede sein. Hinzu kommt, dass nach der Auskunft von Herrn S. der Anteil der wiederholenden Fertigung zwar ca. 80 % betragen habe (womit allerdings noch keine Aussage zur industriellen Massenfertigung in serieller Produktion verbunden ist), sich die Produkte, z.B. Rohre, jedoch in der Regel in technischen Details unterschieden. Das bedeutet, dass die Produktion zumindest teilweise auch von individuellen Vorgaben abhängig gewesen sein dürfte, was zusätzlich gegen eine serielle Massenproduktion spricht.
Gegen eine solche Massenfertigung spricht auch die Fertigung einer Rauchgasanlage für Salzgitter (offenbar Mitte der 1980er Jahre, Betriebsgeschichte Seite 35, 36). Hier waren 20 Meter lange und bis zu 40 Tonnen schwere Spezialelemente herzustellen. Das verdeutlicht, dass es nicht zuletzt im Schwerpunktbereich des Betriebes, dem Rohrleitungsbau, zumindest auch eine nennenswerte Produktion nach individuellen Kundenwünschen gab.
Die Unterstellung des VEB Rohrleitungsbau A. unter ein Industrieministerium fällt angesichts der soeben beschriebenen Erkenntnisse nicht ins Gewicht, zumal das BSG den Umstand der organisatorischen Zuordnung als weder notwendiges noch hinreichendes Hilfskriterium allenfalls bestätigend heranzieht (BSG, Urteil vom 19. Juli 2011 – B 5 RS 7/10 R – juris, Rdnr. 28).
3.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Hinsichtlich der sogenannten betrieblichen Voraussetzung für eine fiktive Einbeziehung auf der Grundlage der Rechtsprechung des BSG erscheint klärungsbedürftig, ob es am Stichtag des 30. Juni 1990 überhaupt noch VEB gab, die organisatorisch dem industriellen Produktionssektor der DDR-Planwirtschaft zugeordnet waren.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) hat.
Der am ... 1950 geborene Kläger ist ausweislich der Urkunde der Ingenieurschule für Anlagenbau G. vom Juli ... 1974 berechtigt, die Berufsbezeichnung Ingenieur zu führen. Ab dem 01. September 1974 bis mindestens zum 30. Juni 1990 arbeitete er beim VEB Kombinat Rohrleitungen und Isolierungen, Betrieb Rohrleitungen F., später VEB Rohrleitungsbau F., Betriebsteil A. sowie ab 1978 VEB Rohrleitungsbau A. als Produktionslenker sowie zuletzt als Gruppenleiter Preise bzw. Leiter der Abteilung Preise und Abrechnung. Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) zahlte er vom 01. Juli 1983 bis zum 30. Juni 1990. Eine schriftliche Zusage einer Zusatzversorgung erhielt der Kläger während des Bestehens der DDR nicht.
Am 10. November 2003 beantragte der Kläger die Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 29. Januar 2004 mit der Begründung ab, dass weder eine positive Versorgungszusage zu Zeiten der DDR vorgelegen habe noch am 30. Juni 1990 eine Beschäftigung ausgeübt worden sei, die – aus bundesrechtlicher Sicht – dem Kreis der obligatorisch Versorgungsberechtigten zuzuordnen gewesen wäre. Der Kläger sei nicht als Ingenieur, sondern als Preissachbearbeiter tätig gewesen. Dagegen legte der Kläger am 10. Februar 2004 Widerspruch ein und trug zur Begründung vor, seine Arbeitsaufgaben hätten dem heutigen Berufsbild eines Vertriebsingenieurs entsprochen. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. April 2004 mit der Begründung zurück, als Abteilungsleiter Preise und Abrechnung sei der Kläger nicht als Ingenieur beschäftigt gewesen.
Dagegen hat der Kläger am 11. Mai 2004 Klage beim Sozialgericht Magdeburg (SG) erhoben und ausgeführt, seine Tätigkeiten hätte er ohne die Qualifikation als Ingenieur gar nicht ausüben dürfen. Zum Inhalt seiner Beschäftigung hat er sein Arbeitszeugnis vom 25. November 1992 sowie eine Auskunft des seinerzeitigen Gruppenleiters Planungstechnologie L. W. vom 24. Juni 2004 eingereicht. Mit Urteil vom 24. November 2005 hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe am 30. Juni 1990 keine ingenieurtechnische Tätigkeit ausgeübt, denn er sei nicht unmittelbar in den Produktionsprozess eingegliedert gewesen.
Gegen das am 16. Dezember 2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16. Januar 2006 Berufung eingelegt und vorgetragen, die Tätigkeit als Gruppenleiter Preise habe er nicht trotz seiner ingenieurtechnischen Qualifikation ausgeübt, sondern gerade deswegen. Er habe technische Zeichnungen auswerten, technische Abläufe koordinieren und die technische Machbarkeit eines Produktes bewerten müssen. Die Funktionsbezeichnung "Gruppenleiter Preise" werde seinem tatsächlichen Einsatzgebiet nicht gerecht. Der VEB Rohrleitungsbau A., zu dem er umfangreiche Unterlagen eingereicht hat (wegen deren Inhalt auf die Beiakte zu Blatt 182 der Gerichtsakten verwiesen wird) sei auch ein Produktionsbetrieb im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur fiktiven Einbeziehung die AVItech gewesen, denn er habe in industrieller Massenproduktion Sachgüter produziert. Er sei Zulieferer für die Montagebetriebe des VEB Kombinat Kraftwerksanlagenbau, Chemieanlagenbau und Bauwesen sowie Zulieferer für den Anlagenexport gewesen. Er sei der einzige Betrieb in der DDR gewesen, der Großrohre nach Standard (TGL) gefertigt habe. Diese standardisierte Fertigung sei industriell unter Einsatz von Fließbändern und automatisierten Produktionsabläufen erfolgt. Die Produkte des VEB seien insbesondere im Kraftwerksbau und auch bei der Erdgastrasse "Druschba" zum Einsatz gekommen. Neben Rohren und Rohrformstücken seien Gullis produziert worden. Sonderanfertigungen außerhalb der üblichen Standards seien selten gewesen, seien dann jedoch auch industriell gefertigt worden. Diese Sonderanfertigungen hätten dem VEB allerdings nicht sein Gepräge gegeben. Zu keiner Zeit sei der Betrieb mit der Montage von Rohrleitungen oder gar der Inbetriebnahme ganzer Kraftwerke befasst gewesen. Er habe auch keine Instandsetzungsarbeiten ausgeführt. Der VEB Rohrleitungsbau A. sei außerdem einem Industrieministerium unterstellt gewesen. Im Übrigen stelle sich die Frage, ob der Vortrag der Beklagten, der VEB Rohrleitungsbau A. sei kein Produktionsbetrieb im Sinne der Rechtsprechung des BSG zur fiktiven Einbeziehung die AVItech gewesen, nicht gemäß §§ 157a, 106a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zurückzuweisen sei, da dieser Vortrag erstmalig in der Berufungsinstanz erfolgt sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 24. November 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 29. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. April 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Zeitraum vom 01. September 1974 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz mit den entsprechenden Arbeitsentgelten festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 24. November 2005 zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Der Kläger sei nicht ingenieurtechnisch beschäftigt gewesen, sondern berufsfremd. Auch die betriebliche Voraussetzung für eine fiktive Einbeziehung sei nicht erfüllt. Denn der VEB Rohrleitungsbau A. sei in der Systematik der Volkswirtschaftszweige der DDR der Wirtschaftsgruppe 15559 (Reparatur- und Montagebetriebe für Metallkonstruktionen) zugeordnet gewesen.
Der Senat hat vom Amtsgericht Stendal die beim ehemaligen Register der volkseigenen Wirtschaft vorhandenen Unterlagen zum VEB Rohrleitungsbau A. beigezogen. Darüber hinaus hat er von der S. GmbH folgende Unterlagen erhalten:
Verfügungen über die Bildung des VEB Kombinat Kraftwerksanlagenbau vom 27. Juni 1978 und 23. August 1978
Statut des VEB Kombinat Kraftwerksanlagenbau vom 20. Dezember 1978
Entwurf der Sanierungskonzeption der Rohrleitungsbau A. GmbH im Aufbau vom 09. August 1990
Konzeption zur Sanierung der S. GmbH C. im Aufbau
Vorläufige Konzeption für die Geschäftstätigkeit der S. GmbH C. im Aufbau
Bilanzen zum 31. Dezember 1989 bzw. 31. Mai 1990.
Des Weiteren hat der Senat folgende Unterlagen aus einem Parallelverfahren zum VEB Rohrleitungsbau A. (L 1 R 96/07) in dieses Verfahren eingeführt:
Auskünfte des ehemaligen Direktors für Produktion bzw. für Technik und Produktion des VEB Rohrleitungsbau A. J. S. vom 24. Juni 2005, 17. März 2008 und vom 24. April 2008 (beigefügt: Anweisung über die Gründung des VEB Rohrleitungsbau A. vom 24. Juni 1977 sowie Schriftsatz zur Umwandlung des VEB Rohrleitungsbau A. in die Rohrleitungsbau A. GmbH vom 25. Juli 1990)
Darstellung des Rohrleitungsbaus A. vom 13. Juni 1990
Auskünfte des Klägers in dem Verfahrens L 1 R 96/07 im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage vom 03. Dezember 2009.
Das Verfahren ruhte zwischenzeitlich, um den Ausgang von Revisionsverfahren zu der Frage abzuwarten, wann die Voraussetzung einer ingenieurtechnischen Beschäftigung erfüllt ist (Senatsbeschluss vom 12. Juni 2007).
Die Beteiligten sind darauf hingewiesen worden, dass nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (seit dem Urteil vom 19. März 2009 – L 1 R 91/06 –, sh. www.sozialgerichtsbarkeit.de; vorher offen gelassen) die Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem nur möglich ist, wenn zu Zeiten der DDR eine entsprechende schriftliche Versorgungszusage erteilt worden ist, eine fiktive Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem der DDR – wie dies das BSG für möglich hält – nach Auffassung des Senats also ausscheidet.
Die Gerichtsakten und die Verwaltungsakte der Beklagten haben bei der mündlichen Verhandlung und der anschließenden Beratung vorgelegen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt dieser Akten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 143 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung hat keinen Erfolg.
Sie ist unbegründet, weil der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 29. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. April 2004 rechtmäßig ist und den Kläger nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert.
Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass gem. § 8 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 und § 1 Abs. 1 Satz 1 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) Zugehörigkeitszeiten zu einem Zusatzversorgungssystem festgestellt werden. Er unterfällt nicht dem Geltungsbereich des § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG, weil er weder tatsächlich noch im Wege der Unterstellung dem Zusatzversorgungssystem der AVItech (Zusatzvorsorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) angehörte.
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gilt dieses Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind. Der Kreis der potentiell vom AAÜG erfassten Personen umfasst diejenigen Personen, die entweder (1.) durch einen nach Art. 19 Einigungsvertrag (EVertr) bindend gebliebenen Verwaltungsakt der DDR oder einer ihrer Untergliederungen oder (2.) später durch eine Rehabilitierungsentscheidung oder (3.) nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EVertr (wieder) in ein Versorgungssystem einbezogen waren (BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 31/01 R –, SozR 3-8570 § 1 AAÜG, Nr. 2, S. 11).
Der Kläger erfüllt keine dieser Voraussetzungen. Weder ist ihm von Organen der DDR eine Versorgung zugesagt worden, noch ist er aufgrund einer Rehabilitierungsentscheidung in ein Versorgungssystem einbezogen worden. Auch ein rechtsstaatswidriger Entzug einer Versorgungsanwartschaft hat in seinem Fall nicht stattgefunden.
Der Senat folgt nicht der Rechtsprechung des früheren 4. Senats und des jetzigen 5. Senats des BSG, wonach die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem auch im Wege der Unterstellung (bzw. Auslegung von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG) vorliegen kann (siehe nachfolgend unter 1.). Aber auch nach dieser Rechtsprechung wären die Voraussetzungen für eine fiktive Einbeziehung nicht erfüllt (nachfolgend 2.).
1.
a)
Der Senat ist nicht der Auffassung, dass das AAÜG den Kreis der "potenziell vom AAÜG ab 01. August 1991 erfassten" Personen erweitert und das Neueinbeziehungsverbot modifiziert hat (so aber BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 31/01 R –, a. a. O., S. 12; nunmehr BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 5 RS 3/09 R – juris, Rdnr. 22, 23). Die vom BSG vorgenommene Rechtsfortbildung überschreitet nach Auffassung des erkennenden Senats die sich aus Art. 20 Abs. 2 und 3 Grundgesetz (GG) ergebenden Grenzen der richterlichen Entscheidungsbefugnis, weil der Wortlaut des § 1 Abs. 1 AAÜG die erweiternde Auslegung des BSG nicht hergibt. Es ist deshalb auch nicht angezeigt, die bei einem unklaren oder nicht eindeutigen Wortlaut heranzuziehenden einschlägigen Auslegungskriterien anzuwenden (BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 10 EG 1/08 R – juris, Rdnr. 19). Im Übrigen waren dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 AAÜG auch nach der Auffassung des früheren 4. Senats des BSG nur zwei Tatbestände zu entnehmen, die zu einer Anwendbarkeit des AAÜG führen. Entweder war der Betreffende tatsächlich Inhaber einer Versorgungsanwartschaft oder er hatte diese durch Ausscheiden vor dem Leistungsfall wieder verloren (BSG, Urteil vom 23. August 2007 – B 4 RS 3/06 R – juris, Rdnr. 17, 16).
Selbst wenn man wegen des verwendeten Begriffs "Zugehörigkeit" zu einem Verständnis der Norm gelangen würde, welches nicht allein auf die tatsächliche Einbeziehung abstellt, sondern auch eine fiktive Einbeziehung erfasst (so nunmehr der 5. Senat des BSG, siehe Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 5 RS 3/09 R – juris, Rdnr. 23, 24, 27), verbietet sich dieses Ergebnis bei Berücksichtigung der weiteren Auslegungskriterien (Sinn und Zweck, Entstehungsgeschichte und Systematik, siehe zu den Auslegungskriterien z. B. BVerfG, Beschluss vom 08. Februar 1999 – 1 BvL 25/97 – juris). In den Gesetzesmaterialien findet sich kein Hinweis dafür, dass durch das AAÜG außer den Personen, die durch einen nach Art. 19 EVertr bindend gebliebenen Verwaltungsakt der DDR oder einer ihrer Untergliederungen oder später durch eine Rehabilitierungsentscheidung oder nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EVertr (wieder) in ein Versorgungssystem einbezogen worden waren (BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 31/01 R –, a. a. O., S. 11), weitere Personen einbezogen werden sollten (siehe BTDrs. 12/405, S. 113, 146; BTDrs. 12/786, S. 139; II A, IV A; BTDrs. 12/826, S. 4, 5, 10, 11, 21). Vielmehr wird in den Gesetzesmaterialien immer auf den EVertr Bezug genommen. Zwar wird dann ausgeführt, dass die Einhaltung der Vorgaben des EVertr zu nicht sachgerechten und zu nicht nur sozialpolitisch unvertretbaren Ergebnissen führen müsste und sich deshalb die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung ergebe (BTDrs. 12/405, S. 113). Aus der weiteren Gesetzesbegründung ist jedoch ohne Schwierigkeiten ablesbar, dass sich diese Regelungen auf die Bereiche der Rentenberechnung, Leistungsbegrenzung, Abschmelzung laufender Leistungen, des Besitzschutzes bei der Neufeststellung von Leistungen, der Auszahlungen von Leistungen, eines Vorbehaltes der Einzelüberprüfung und der Kostenerstattung durch den Bund beziehen (a. a. O., S. 113, 114). Nicht angesprochen ist hingegen eine Ausweitung des erfassten Personenkreises. Auch bei der Begründung des § 1 AAÜG wird ausgeführt, dass diese Vorschrift den Geltungsbereich der nach dem EVertr vorgeschriebenen Überführung (und gerade keine darüber hinausgehende) festlegt (BTDrs. 12/405, S. 146).
Es trifft auch nicht zu, dass bereits durch den EVertr das Neueinbeziehungsverbot modifiziert worden ist (so aber BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 5 RS 3/09 R – juris, Rdnr. 22). In Art. 17 EVertr wurde die Absicht bekräftigt, eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, um Personen, die Opfer einer politisch motivierten Strafverfolgungsmaßnahme oder sonst einer rechtsstaats- und verfassungswidrigen gerichtlichen Entscheidung geworden sind, rehabilitieren zu können. Hier ist schon fraglich, ob einer bloßen Absichtserklärung überhaupt ein Regelungsinhalt entnommen werden kann. Darüber hinaus ist dem Wortlaut von Art. 17 EVertr nicht zu entnehmen, wie die Rehabilitierung im Einzelfall erfolgen sollte und insbesondere auch nicht, dass diese unter Durchbrechung des Neueinbeziehungsverbotes durch Einbeziehung in ein Versorgungssystem möglich sein sollte. Dementsprechend ergeben sich aus dem Rehabilitierungsgesetz vom 06. September 1990 (RehabG, GBl. I S. 1459) Hinweise, dass das Neueinbeziehungsverbot auch bei Rehabilitierungsmaßnahmen zu berücksichtigen war (zur Heranziehung des RehabG zum Verständnis des Art. 17 EVertr siehe Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 21. Januar 1999 – 3 C 5/98 – juris, dort Rdnr. 21). Nach § 9 Nr. 2 RehabG waren nämlich Zeiten des Freiheitsentzuges bei einem Rehabilitierten nur dann als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem anzurechnen, wenn er vor Beginn des Freiheitsentzuges dem Zusatzversorgungssystem angehörte. Es geht also nicht um eine Neueinbeziehung, sondern um die Feststellung weiterer Zeiten, vergleichbar der Regelung des § 5 Abs. 2 AAÜG. Auch dem Wortlaut von Art. 19 Satz 2 EVertr ist eine Modifizierung des Neueinbeziehungsverbots nicht zu entnehmen. Darüber hinaus behandelt er, soweit danach untergegangene Versorgungszusagen wieder aufleben können (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 5 RS 3/09 R – a. a. O.), keine Fälle der Neu-, sondern der Wiedereinbeziehung. Art. 17 EVertr und Art. 19 EVertr lassen damit nur Schlussfolgerungen für die Fälle zu, in denen bereits, im Gegensatz zu der fiktiven Einbeziehung nach der Rechtsprechung des BSG, eine durch Zusage oder dergleichen dokumentierte Beziehung zu einem Zusatz- oder Sonderversorgungssystem vorlag.
Den Senat überzeugt auch nicht, dass aus § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG auf eine Modifizierung des Verbots der Neueinbeziehung zu schließen sei. In den Gesetzesmaterialien findet sich nämlich kein Anhaltspunkt für die vom BSG vorgenommene Unterscheidung zwischen "Einbeziehung in ein Versorgungssystem" und der "Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem". Der Gesetzgeber benutzt im Gegenteil auch zur Beschreibung des Personenkreises des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, der auch nach Ansicht des BSG konkret einbezogen war (BSG, a. a. O., S. 12), den Terminus "Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem" (BTDrs. 12/826, S. 21) und nicht etwa "Einbeziehung in ein Versorgungssystem".
Der Gesetzgeber ging auch nicht davon aus, dass die in § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG angesprochene Personengruppe eine Erweiterung der "potenziell vom AAÜG ab 1. August 1991 erfassten" Personen darstellt. Ursprünglich war Satz 2 in der Gesetzesvorlage nicht enthalten (BTDrs. 12/405, S. 77). Erst in den Ausschussberatungen wurde dann die Anfügung des Satzes 2 empfohlen (BTDrs. 12/786, S. 139). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass diese Anfügung nur eine Klarstellung bedeute (BTDrs. 12/826, S. 21). Der Gesetzgeber nahm also an, dass diese Personengruppe ohnehin von Satz 1 und vom Überführungsauftrag des EVertr umfasst ist.
Im Übrigen hat auch die Bundesregierung mehrfach betont, dass das AAÜG nach dem ursprünglichen Willen des Gesetzgebers nur anwendbar sein sollte, wenn eine ausdrückliche Versorgungszusage vorliegt (Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage, BTDrs. 16/11127 vom 28. November 2008; Antwort des Staatssekretärs im Bundesministerium für Arbeit und Soziales Franz-Josef Lersch-Mense auf eine Frage der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, BTDrs. 16/13916 vom 21. August 2009).
b)
Außerdem überzeugt den erkennenden Senat im Rahmen der fiktiven Einbeziehung nicht die Stichtagsregelung des 30. Juni 1990, an der der nunmehr für Streitigkeiten aus dem Bereich der Zusatzversorgung zuständige 5. Senat des BSG ebenfalls festhält (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 19. Juli 2011 – B 5 RS 7/10 R – juris). Die Stichtagsregelung erscheint insbesondere deshalb problematisch, weil der 5. Senat § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG aus sich heraus weit auslegt und – insofern in der Begründung anders als der 4. Senat – nicht § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG heranzieht (BSG, a.a.O., Rdnr. 20). Denn es stellt sich angesichts Art. 3 Abs. 1 GG die Frage, warum eine weite Auslegung nicht auch für den Personenkreis, den das BSG von der fiktiven Einbeziehung ausschließt, gelten müsste.
Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist jedoch nicht jede Differenzierung ausgeschlossen. Das Grundrecht wird aber verletzt, wenn eine Gruppe anders als eine andere behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (z. B. BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 2005 – 1 BvR 1921/04 u. a. – juris, Rdnr. 36). Aus Sicht des erkennenden Senats sind hier entsprechend gewichtige Unterschiede nicht vorhanden. Vielmehr handelt es sich hinsichtlich der rechtlich entscheidenden Gesichtspunkte um wesentlich gleiche Sachverhalte, die deshalb eine Gleichbehandlung erfordern. Diejenigen, die nach der Rechtsprechung des BSG vom fiktiven Anspruch profitieren sollen, hatten zu Zeiten der DDR aufgrund der fehlenden Versorgungszusage keine Rechtsposition inne, die ihnen eine zusätzliche Altersversorgung aus einem Zusatzversorgungssystem eröffnete. Allerdings erfüllten sie – zumindest zeitweise – die notwendigen Voraussetzungen für eine Einbeziehung. Es fehlte jedoch unter den gegebenen Voraussetzungen während des Bestehens der DDR die Möglichkeit, den an sich vorhandenen Anspruch auch durchzusetzen. Die gleichen Überlegungen gelten aber auch für den Personenkreis, den das BSG von der fiktiven Einbeziehung ausschließt. Das sind diejenigen, die keine Versorgungszusage hatten, jedoch irgendwann vor dem – nicht aber am – 30. Juni 1990 alle Voraussetzungen für die Einbeziehung erfüllt hatten. Dies legt nahe, im Rahmen der (vom erkennenden Senat abgelehnten) fiktiven Einbeziehung die genannten Personenkreise im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG gleich zu behandeln. Die Schließung der Versorgungssysteme am 30. Juni 1990 rechtfertigt nach Auffassung des erkennenden Senats nicht die unterschiedliche Behandlung der genannten Personenkreise, zumal wenn § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG aus sich heraus weit ausgelegt und zur Begründung nicht § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG herangezogen wird.
2.
Aber auch wenn man der Rechtsprechung des BSG folgen würde, hätte das Begehren des Klägers keinen Erfolg. Danach hängt der Anspruch auf eine fiktive Einbeziehung im hier allein in Frage kommenden Fall gemäß § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (GBl. DDR I, Nr. 93 S. 844 – im Folgenden: VO-AVItech) i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur VO-AVItech vom 24. Mai 1951 (GBl. DDR I, Nr. 62 S. 487 – im Folgenden: 2. DB) von drei Voraussetzungen ab, die alle zugleich vorliegen müssen. Generell war dieses Versorgungssystem eingerichtet für
Personen, die berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung) und
die entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben (sachliche Voraussetzung), und zwar
in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).
Nach der Rechtsprechung des BSG müssen diese drei Voraussetzungen, damit das AAÜG überhaupt anwendbar ist, am 30. Juni 1990 vorgelegen haben.
In Anwendung der genannten Maßstäbe hatte der Kläger am 01. August 1991 (dem Tag des Inkrafttretens des AAÜG) keinen fiktiven Anspruch auf Einbeziehung in das Versorgungssystem der AVItech. Denn der Kläger erfüllte nicht die abstrakt-generellen und zwingenden Voraussetzungen (vgl. dazu BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 41/01 R –, SozR 3-8570 § 1 Nr. 6) des hier betroffenen Versorgungssystems. Zwar sind sowohl die persönliche als auch die sachliche Voraussetzung am 30. Juni 1990 erfüllt, nicht jedoch die betriebliche.
Der Kläger erwarb ausweislich der Urkunde der Ingenieurschule für Anlagenbau G. vom 26. Juli 1974 die Berechtigung, die Berufsbezeichnung Ingenieur zu führen. Damit erfüllt er die persönliche Voraussetzung. Auch die sachliche Voraussetzung der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit war – entgegen der Ansicht des SG – während seiner zuletzt am 30. Juni 1990 ausgeübten Tätigkeit als Gruppenleiter Preise bzw. Leiter der Abteilung Preise und Abrechnung gegeben. Im Rahmen der Prüfung der sachlichen Voraussetzung, d. h. der Ausübung einer zur Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem berechtigenden Beschäftigung, verlangt das BSG unter Bezugnahme auf die "Präambel" der VO-AVItech und den in § 1 Abs. 1 der 2. DB zur VO-AVItech aufgeführten Personenkreis (BSG, Urteil vom 23. August 2007 – B 4 RS 2/07 R – juris), dass ingenieurtechnische Arbeiten entsprechend dem verliehenen Ingenieurtitels ausgeführt wurden, also im Wesentlichen Aufgaben verrichtet wurden, die zum Fachbereich des verliehenen Ingenieurtitels gehörten. Dies ist für Ingenieure dann der Fall, wenn entsprechend ihrem Berufsbild der Schwerpunkt ihrer Tätigkeiten im produktionsbezogenen ingenieurtechnischen Bereich lag, diese Tätigkeiten somit die Aufgabenerfüllung geprägt hatten. Lag der Schwerpunkt dagegen in anderen Bereichen, z.B. im wirtschaftlichen bzw. kaufmännischen Bereich, waren die Ingenieure nicht schwerpunktmäßig (= überwiegend) entsprechend ihrem Berufsbild tätig; im Ergebnis waren sie in einem solchen Fall berufsfremd eingesetzt (BSG, Urteil vom 23. August 2007 – B 4 RS 2/07 R – juris). Allerdings kann die sachliche Voraussetzung nicht allein nach der Beschäftigung in bestimmten Arbeitsbereichen i.S. der Anordnung über die Einführung der Rahmenrichtlinie für die neue Gliederung der Beschäftigten der Industrie oder des Bauwesens (vom 10. Dezember 1974, GBl. DDR I 1975 S. 1) bestimmt werden. Vielmehr ist die sachliche Voraussetzung regelmäßig erfüllt, wenn die Wahrnehmung der konkreten Arbeitsaufgabe berufliche Kenntnisse und Fertigkeiten voraussetzte, wie sie bei dem Studium bzw. der Ausbildung zu einem Beruf i.S. des § 1 Abs. 1 der 2. DB und bei Ausübung dieses Berufs typischerweise erworben wurden, während sie bei einem im Wesentlichen berufsfremdem Einsatz regelmäßig nicht erfüllt ist (BSG, Urteil vom 18. Oktober 2007 – B 4 RS 17/07 R – juris, Rdnr. 43, 44).
Der erkennende Senat ist überzeugt, dass der Kläger während seiner Tätigkeit als Gruppenleiter Preise bzw. Leiter der Abteilung Preise und Abrechnung nach seinen glaubhaften Schilderungen im gerichtlichen Verfahren nicht berufsfremd eingesetzt war. Die Funktionsbezeichnung steht dem nicht entgegen, weil nicht diese entscheidend ist, sondern der tatsächliche Tätigkeitsinhalt. Dieser setzte die im Ingenieurstudium erworbenen Kenntnisse unabdingbar voraus, wie die detaillierte Schilderung seiner Tätigkeit anschaulich verdeutlicht. Diese Beschreibung steht im Übrigen im Wesentlichen in Übereinstimmung mit einer seinen Arbeitsbereich betreffenden Arbeitsanweisung aus dem Jahre 1991.
Die einzelnen Arbeitsschritte des Klägers gliederten sich wie folgt: Am Anfang des Prozesses stand eine Anfrage eines Kunden, der eine Produktbeschreibung, Zeichnungsunterlagen, technische Dokumentationen und Projektunterlagen vorlegte. Schon die Sichtung dieser Unterlagen verlangte ingenieurtechnisches Wissen. Der Kläger überprüfte sodann die eingereichten Unterlagen auf Realisierungsmöglichkeiten, nahm eine Gliederung in Baugruppen vor, bewertete die Baugruppen an Hand von Bearbeitungspreisen (welche auf der Grundlage von technologischen Vorgabezeiten ermittelt wurden), fasste schließlich die Kosten für Leistung und Material zusammen und kalkulierte den Industrieabgabepreis. Außerdem oblagen dem Kläger folgende Aufgaben in der preislichen Grundsatzarbeit:
Ermittlung von Stundenverrechnungssätzen durch Zusammenfassung von Grundsatztechnologien und Einzelzeitnormativen
Preisantragstellung für Normteile
Gemeinkostenantragstellung beim Ministerium
Erstellung eines Preiskataloges für Standardteile
Grundsatzarbeit für neue Erzeugnisse (Kostendeckung – Rentabilität).
Dass der Kläger nicht berufsfremd eingesetzt war, zeigt auch die Auskunft des seinerzeitigen Gruppenleiters Planungstechnologie L. W. vom 24. Juni 2004. Er hat bekundet, die Angebotskalkulation sei zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem noch keine technische Bearbeitung der Anfrage vorgelegen habe. Es habe ein hohes Maß an technischem Fachwissen erfordert, um aus einer Fertigungsanfrage einen ökonomisch tragbaren Preis zu ermitteln. Nach alledem hat der Senat keine Zweifel daran, dass der Kläger am 30. Juni 1990 ingenieurtechnisch tätig war und damit auch die sachliche Voraussetzung für eine fiktive Einbeziehung in die AVItech auf der Grundlage der Rechtsprechung des BSG erfüllt.
Der Kläger war am 30. Juni 1990 jedoch nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie beschäftigt.
Es stellt sich schon die Frage, ob es am 30. Juni 1990 überhaupt noch VEB gab, die organisatorisch dem industriellen Produktionssektor der DDR-Planwirtschaft zugeordnet waren (zu dieser Voraussetzung BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 41/01 R – juris, Rdnr. 46). Denn es ist bereits zweifelhaft, ob es im Juni 1990 eine Planwirtschaft im Sinne des Art. 9 Abs. 3 der Verfassung der DDR (VerfDDR), auf die das BSG abstellt, überhaupt noch gab. Nach Art. 9 Abs. 3 Satz 2 VerfDDR war die Wirtschaft der DDR sozialistische Planwirtschaft. Darunter verstand man eine auf der Grundlage eines einheitlichen Planes durch den sozialistischen Staat gelenkte Wirtschaft (siehe Wörterbuch der Ökonomie des Sozialismus, Dietz-Verlag, Berlin 1989). Auch nach bundesdeutschem Verständnis sind Elemente einer Plan- oder Zentralverwaltungswirtschaft die Zentralisierung der (wesentlichen) Entscheidungen und das Vorhandensein eines Gesamtplans (siehe Papier in Benda u. a., Handbuch des Verfassungsrechts, S. 611).
Im Juni 1990 existierte in der DDR aber einerseits das Leitungsorgan der sozialistischen Planwirtschaft nicht mehr und andererseits war auch der Gesamtplan außer Kraft gesetzt worden. Die Staatliche Plankommission (SPK), dessen Aufgabe die gesamtstaatliche Planung der Entwicklung der Volkswirtschaft und die Kontrolle der Durchführung der Pläne (siehe § 1 Abs. 1 des Statuts der Staatlichen Plankommission vom 9. August 1973, GBl. DDR I, S. 417) gewesen war, wurde bereits im Januar 1990 aufgelöst (siehe Pkt. 5. des Beschlusses über die Gründung eines Wirtschaftskomitees des Ministerrates vom 18. Januar 1990, GBl. DDR I, S. 24). Mit Anordnung vom 14. März 1990 wurden zahlreiche Plananordnungen, darunter die Anordnung über den Fünfjahrplan 1986 bis 1990, aufgehoben (Anordnung über die Aufhebung von Rechtsvorschriften auf den Gebieten der Planung und der Materialwirtschaft, GBl. DDR I, S. 187). Die auch die sozialistische Planwirtschaft kennzeichnenden Elemente einer Zentralverwaltungswirtschaft – zentrale Leitung und Gesamtplan – waren damit nicht mehr vorhanden. Außerdem hatte sich die DDR bereits mit dem Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion vom 18. Mai 1990 zur sozialen Marktwirtschaft bekannt (siehe dort Art. 1 Abs. 3) und sich verpflichtet, entgegenstehende Vorschriften der VerfDDR nicht mehr anzuwenden (Art. 2 Abs. 2; siehe Art. 4 Abs. 1 i. V. m. Buchstabe A. Ziff. II. Nr. 3 des Gemeinsamen Protokolls über Leitsätze, wonach unternehmerische Entscheidungen frei von Planvorgaben zu sein hatten). Damit hatte sich die DDR von der zentral gelenkten Planwirtschaft verabschiedet (siehe Dornberger/Dornberger, DB 1990, S. 3007, 3008). Der Vertrag wurde mit Gesetz vom 21. Juni 1990 ratifiziert (Inkrafttreten mit Verkündung am 25. Juni 1990, GBl. DDR I, S. 331). Vor diesem Hintergrund kann bezweifelt werden, ob es am 30. Juni 1990, auf den das BSG ausdrücklich abstellt, tatsächlich noch einen industriellen Produktionssektor der DDR-Planwirtschaft gegeben hat.
Abgesehen davon erfüllt der VEB Rohrleitungsbau A. nicht die Vorgaben des BSG zum Produktionsbetrieb im Sinne der AVItech. Dieser Begriff erfasst nach der Rechtsprechung des BSG nur solche Betriebe, die Sachgüter im Hauptzweck industriell (d.h. serienmäßig wiederkehrend: BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003 – B 4 RA 14/03 R – juris) gefertigt haben. Der Betrieb muss auf die industrielle Fertigung, Fabrikation, Herstellung bzw. Produktion von Sachgütern ausgerichtet gewesen sein (BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 41/01 R –, SozR 3-8570 § 1 Nr. 6 S. 47; Urteil vom 27. Juli 2004 – B 4 RA 11/04 R – juris). Versorgungsrechtlich relevant ist allein die Tätigkeit in einem Produktionsdurchführungsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens. Erfasst sind daher nur Betriebe, die ihr Gepräge durch die Massenproduktion erhalten haben (BSG, Urteil vom 19. Juli 2011 – B 5 RS 7/10 R – juris, Rdnr. 24).
Vor diesem Maßstab war der VEB Rohrleitungsbau A. kein volkseigener Produktionsbetrieb im Sinne von § 1 der 2. DB. Denn die soeben beschriebene Art von Produktion gab dem Betrieb zur Überzeugung des Senats nicht das Gepräge. Den Vortrag der Beklagten, der VEB Rohrleitungsbau A. sei kein Produktionsbetrieb im Sinne der Rechtsprechung des BSG zur fiktiven Einbeziehung in die AVItech gewesen, darf der Senat im Übrigen schon deshalb nicht gemäß §§ 157a, 106a SGG zurückweisen, weil er – der erkennende Senat – wegen der Amtsermittlungspflicht ohnehin den Sachverhalt soweit aufklären muss, dass die betriebliche Voraussetzung für eine fiktive Einbeziehung in die AVItech geprüft werden kann.
Der ehemalige Direktor für Produktion bzw. für Technik und Produktion des VEB Rohrleitungsbau A. hat in seiner Auskunft vom 24. April 2008 erklärt, der Schwerpunkt der Betriebstätigkeit im ersten Halbjahr 1990 habe bei Zulieferungen für den Energiesektor bzw. bei Infrastrukturprojekten für die Trinkwasserversorgung gelegen. Die wesentlichen Produkte des Betriebes seien längsnahtgeschweißte Stahlrohre, geschweißte Segmentbögen und geschweißte Formstücke gewesen. Der VEB Rohrleitungsbau A. sei Alleinhersteller von Stahlgroßrohren gewesen. Die Jahresvorgabe durch die staatliche Plankommission habe 39 km betragen. Der Anteil der wiederholenden Fertigung habe ca. 80 % betragen, wobei sich die Produkte, z.B. Rohre, in der Regel in technischen Details unterschieden. Im gesamten Betrieb seien im ersten Halbjahr 1990 ca. 560 Beschäftigte angestellt gewesen. Diese Anzahl der Beschäftigten deckt sich in etwa mit der in der "Darstellung des Rohrleitungsbau A." vom 13. Juni 1990 unter 3. beschriebenen Arbeitskräftesituation. Danach waren am 31. Mai 1990 im Betrieb 537 Werktätige beschäftigt, davon 319 PP und 218 ÜB. Aus dem Gesamtzusammenhang der Darstellung lässt sich schließen, dass "PP" für Produktionspersonal und "ÜB" für übrige Beschäftigte steht. Denn weiter heißt es dort, dass zur wirtschaftlichen Arbeit eine Reduzierung der Verwaltung unumgänglich sei. Es sei vorgesehen, in den nächsten zwei Jahren die ÜB auf ca. 100 Beschäftigte zu reduzieren, so dass 100 ÜB und 350 PP im Betrieb beschäftigt werden könnten.
Der Tätigkeitsschwerpunkt der ca. 320 in der Produktion eingesetzten Beschäftigten lässt sich sehr gut der Anlage 1 zur "Darstellung des Rohrleitungsbau A." entnehmen. Dort ist die Auftragslage per 01. Juni 1990 aufgelistet. Danach ergab sich für das 2. Halbjahr 1990 folgendes Bild (in Klammern die Auftragslage für 1991):
Stahlrohre: 16 km mit 16,3 Mio DM (19 km mit 19 Mio DM)
Rohrleitungselemente: 900 t mit 4,5 Mio DM (1.410 t mit 7 Mio DM)
Behälter: 0,65 Mio DM (0,02 Mio DM)
sonstige industrielle Leistungen (Isolierarbeiten, Montagearbeiten, Serviceleistungen): 1 Mio DM (für 1991 keine Zahlenangabe).
Diese Zahlen verdeutlichen, dass dem Betrieb in erster Linie die Stahlrohrproduktion das Gepräge gegeben hat. Eine Stahlrohrproduktion von 16 km im Halbjahr bzw. – entsprechend der Jahresvorgabe durch die staatliche Plankommission – 39 km pro Jahr bedeutet eine monatliche Fertigung von ca. 2.700 bis 3.300 Metern. Angesichts dieser geringen Zahl kann von industrieller Massenfertigung in serieller Produktion keine Rede sein. Hinzu kommt, dass nach der Auskunft von Herrn S. der Anteil der wiederholenden Fertigung zwar ca. 80 % betragen habe (womit allerdings noch keine Aussage zur industriellen Massenfertigung in serieller Produktion verbunden ist), sich die Produkte, z.B. Rohre, jedoch in der Regel in technischen Details unterschieden. Das bedeutet, dass die Produktion zumindest teilweise auch von individuellen Vorgaben abhängig gewesen sein dürfte, was zusätzlich gegen eine serielle Massenproduktion spricht.
Gegen eine solche Massenfertigung spricht auch die Fertigung einer Rauchgasanlage für Salzgitter (offenbar Mitte der 1980er Jahre, Betriebsgeschichte Seite 35, 36). Hier waren 20 Meter lange und bis zu 40 Tonnen schwere Spezialelemente herzustellen. Das verdeutlicht, dass es nicht zuletzt im Schwerpunktbereich des Betriebes, dem Rohrleitungsbau, zumindest auch eine nennenswerte Produktion nach individuellen Kundenwünschen gab.
Die Unterstellung des VEB Rohrleitungsbau A. unter ein Industrieministerium fällt angesichts der soeben beschriebenen Erkenntnisse nicht ins Gewicht, zumal das BSG den Umstand der organisatorischen Zuordnung als weder notwendiges noch hinreichendes Hilfskriterium allenfalls bestätigend heranzieht (BSG, Urteil vom 19. Juli 2011 – B 5 RS 7/10 R – juris, Rdnr. 28).
3.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Hinsichtlich der sogenannten betrieblichen Voraussetzung für eine fiktive Einbeziehung auf der Grundlage der Rechtsprechung des BSG erscheint klärungsbedürftig, ob es am Stichtag des 30. Juni 1990 überhaupt noch VEB gab, die organisatorisch dem industriellen Produktionssektor der DDR-Planwirtschaft zugeordnet waren.
Rechtskraft
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