L 6 U 108/08

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 15 U 83/06
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 108/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 15 U 83/06
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens noch, ob bei dem Kläger eine Nervenerkrankung im Bereich beider Ellenbogen als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2106 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BK 2106) anzuerkennen und ihm deshalb eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um mindestens 20 vom Hundert (vH) zu gewähren ist.

Der 1953 geborene Kläger arbeitete von 1967 bis 1971 als Werkshelfer im Chemiekombinat B. und danach bis 1974 als Eisenflechter im Betonwerk M ... Anschließend war er als Möbelträger und nach einer entsprechenden Ausbildung seit 1982 als Berufskraftfahrer mit Be- und Entladetätigkeit bei verschiedenen Transportunternehmen bis Dezember 1997 tätig. Seither ist er ohne Arbeit.

Am 24. sowie 31. März 1999 hatte sich der Kläger an die Funktionsvorgängerin der Beklagten (nachfolgend: die Beklagte) gewandt und angegeben, an einer Nervenerkrankung im Bereich beider Ellenbogen zu leiden. Diese Gesundheitsstörung führe er auf das Langziehen der Arme zurück, welches die Tätigkeiten als Möbelträger bzw. die Be- und Entladeverrichtungen als Kraftfahrer mit sich gebracht hätten. Mit ärztlicher Anzeige vom 3. Mai 1999 hatte die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. G. der Beklagten dann den Verdacht auf das Bestehen einer BK gemeldet. Die vom Kläger geschilderten Sensibilitätsstörungen in den Fingern IV und V beiderseits seien nach seinen Angaben durch die Be- und Entladetätigkeit im Zeitraum von 1982 bis 1997 bedingt.

Die Beklagte zog medizinische Unterlagen bei: In seinen Arztbriefen vom 30. März und 1. Juli 1998 hatte der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. T. den Verdacht auf das Vorliegen eines Ulnarisrinnensyndroms (Sulcusulnaris-Syndrom – Druckschädigung des Ellennerven im Bereich des Ellenbogens) beiderseits geäußert. Bei den Messungen in den Ulnarisrinnen hätten sich jeweils Minderungen der motorischen Nervenleitgeschwindigkeit gezeigt. Der Kläger hatte sich daraufhin bei dem Facharzt für Orthopädie Dipl.-Med. N. vorgestellt, von dem unter dem 11. Mai 1998 ein Sulcus-Nerviulnaris-Syndrom rechts diagnostiziert worden war. Die Untersuchung der Ellenbogengelenke am 26. Mai 1998 habe normal weite Gelenkspalten, glatte Konturen sowie keine Degenerationszeichen im Bereich des Sulcus Nervus ulnaris beiderseits und keine knöcherne Verlagerungen gezeigt. Die vom Kläger angegebene Symptomatik sei unklar. Gegen ein Kompressionssyndrom in den Sulci ulnarii sprächen die Beidseitigkeit und die unauffälligen palpatorischen (tastend erhobenen) Befunde an diesen Stellen. Aufgrund der weitgehend regelrechten Situation und der (erhaltenen) groben Muskelkraft sei das Führen eines Kraftfahrzeugs und damit Arbeitsfähigkeit durchaus gegeben (Bericht vom 16. Juni 1999). Nachfolgend hatte der Facharzt für Neurochirurgie Dipl.-Med. H. in seinem Befundbericht vom 20. Juli 1998 eine Kompression des linken Nervus ulnaris im Sulcus diagnostiziert und eine operative Ulnaristransposition aus dem Sulcus in die Beugemuskulatur empfohlen. Zu dieser operativen Dekompression durch Neurolyse (operative Lösung eines Nervs aus einengender Umgebung mit Verlagerung) des Nervus ulnaris am linken Ellenbogengelenk hatte sich der Kläger vom 28. Oktober bis zum 3. November 1998 im St. E.-Krankenhaus H. befunden. Wegen gleichartiger Beschwerden am rechten Arm war dort vom 16. bis zum 18. März 1999 eine weitere stationäre Behandlung durchgeführt worden. Hinweise für das Vorliegen der Folgen eines Arbeitsunfallgeschehens oder einer Berufserkrankung hatte der Chefarzt der Unfallchirurgie des St. E.-Krankenhauses und Durchgangsarzt Dr. W. laut seinem Bericht vom 23. April 1999 nicht gefunden.

In seiner beratenden Stellungnahme vom 22. Juli 1999 hatte der Facharzt für Chirurgie Dr. B. eingeschätzt, dass beim Kläger keine BKen 2101 und 2106 vorlägen. Eine berufliche Verursachung des beiderseitigen Sulcusulnaris-Syndroms sei nicht wahrscheinlich. Vielmehr sei von anlagebedingten Gesundheitsstörungen aus körpereigener Ursache auszugehen. Eine Zusammenhangsbegutachtung sei nicht erforderlich. Dieser Auffassung hatte sich Dr. M. in seiner gewerbeärztlichen Stellungnahme vom 11. November 1999 angeschlossen.

Mit Bescheid vom 10. Februar 2000 war daraufhin von der Beklagten die Gewährung von Entschädigungsleistungen abgelehnt worden, da keine BK 2101 oder BK 2106 vorliege. Den dagegen am 17. Februar 2000 erhobenen Widerspruch des Klägers hatte die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. Juli 2000 als unbegründet zurückgewiesen.

Mit Schreiben vom 1. Dezember 2004 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Überprüfung dieser Entscheidung hinsichtlich einer BK 2106. Zur Begründung fügte er das auf seinen Antrag vom Sozialgericht (SG) Halle in einem rentenversicherungsrechtlichen Verfahren eingeholte Gutachten des Facharztes für Chirurgie Prof. Dr. Dr. S. vom 23. März 2004 sowie die im Auftrag der Agentur für Arbeit M. erstellte gutachtliche Äußerung der Fachärztin für Arbeitsmedizin Dr. H. vom 12. November 2004 bei. Prof. Dr. Dr. S. hatte neben weiteren Erkrankungen im Bereich der Wirbelsäule und der unteren Extremitäten Sensibilitätsstörungen im Bereich des Nervus ulnaris beiderseits bei Zustand nach Nervenverlagerung mit einer Funktionsminderung beider Arme diagnostiziert und eingeschätzt, dass der Kläger nur noch leichte körperliche Arbeiten mit zusätzlichen qualitativen Einschränkungen in einem zeitlichen Umfang von weniger als sechs Stunden täglich verrichten könne. Dr. H. hatte diese Ansicht bestätigt.

Unter dem 17. Februar 2005 legte der Kläger dar, dass sich die Kausalität zwischen seiner beruflichen Tätigkeit und dem beidseitigen Sulcusulnaris-Syndrom einerseits aus den ständigen Vibrationen beim Fahren mit dem Lkw Typ W 50 und deren Übertragung über das Lenkrad auf die Ellenbogen und andererseits aus dem Langziehen der Arme infolge des Möbeltragens ergebe.

Mit Bescheid vom 23. Mai 2005 lehnte die Beklagte die Rücknahme ihres Bescheides vom 10. Februar 2000 bezüglich einer BK 2106 ab. Die Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK 2106 seien beim Kläger nicht erfüllt. Die von ihm vorgelegten Unterlagen enthielten keine Anhaltspunkte dafür, dass beim Erlass dieses Bescheides von einem falschen Sachverhalt ausgegangen oder das Recht falsch angewandt worden sei.

Hiergegen erhob der Kläger am 6. Juni 2005 Widerspruch und trug zur Begründung mit Schreiben vom 14. November 2005 insbesondere vor, die Beklagte habe weder eine Arbeitsplatzanalyse noch eine weitere medizinische Sachverhaltsaufklärung durchgeführt. Drucklähmungen würden hauptsächlich durch von außen kommenden, anhaltenden oder wiederholt auftretenden Druck verursacht. Auch ständig gleichartige Körperbewegungen könnten infolge Überdehnungen zu Nervenschädigungen führen. Durch seine Tätigkeit als Möbelträger seien seine Arme lang gezogen worden.

Die Beklagte ließ sich nochmals durch Dr. B. beraten, der am 30. November 2005 darauf hinwies, dass das Gutachten von Prof. Dr. Dr. S. keine Hinweise auf eine berufsbedingte Verursachung des beidseitigen Sulcusulnaris-Syndroms enthalte.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Mai 2006 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Am 30. Mai 2006 hat der Kläger beim SG Halle Klage erhoben und sein Anliegen weiter verfolgt. Zur Begründung hat er sein bisheriges Vorbringen wiederholt und ergänzend vorgetragen, dass er die schädigende Tätigkeit aufgegeben und der zuständige Rentenversicherungsträger Berufsunfähigkeit anerkannt habe.

Mit Gerichtsbescheid vom 17. Oktober 2008 hat das SG die Klage abgewiesen und hierzu in den Gründen ausgeführt: Soweit der Kläger die Feststellung einer BK 2101 und die Gewährung einer Verletztenrente begehre, sei die Klage bereits unzulässig. Denn hierüber habe die Beklagte im angefochtenen Bescheid nicht entschieden. Die weitergehende Anfechtungs- und Feststellungsklage sei zwar zulässig, aber nicht begründet. Es sei nämlich rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die Anerkennung einer BK 2106 abgelehnt habe. Zwar leide der Kläger an einem Sulcusulnaris-Syndrom. Diese Erkrankung beruhe jedoch nicht auf seiner beruflichen Tätigkeit. Denn die von ihm angeschuldigten Vibrationen bzw. das Tragen schwerer Lasten seien nicht geeignet, die hier betroffenen Nerven zu schädigen. Erforderlich sei vielmehr ein arbeitsbedingter Druck, der in eindeutiger Beziehung zwischen seiner Lokalisation und dem anatomisch zuzuordnenden klinischneurologischen Befund stehe. Ein von außen einwirkender Druck könne etwa bei Pianisten, Bläsern und Saiteninstrumentalisten zu einem Sulcusulnaris-Syndrom führen. Die vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten seien mit entsprechenden beruflichen Belastungen aber nicht vergleichbar. Das Langziehen der Arme infolge des Tragens schwerer Lasten schließe die erforderliche hochfrequente Streckung und Beugung im Ellenbogengelenk oder das Aufstützen des Ellenbogens gerade aus.

Gegen den ihm am 10. November 2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 17. November 2008 beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Berufung eingelegt. Unter Bezugnahme auf seinen bisherigen Vortrag vertritt er weiterhin die Ansicht, seine Gesundheit sei durch Vibrationen, denen er als Kraftfahrer ausgesetzt gewesen sei, geschädigt worden. Überdies seien seine Arme während seiner Tätigkeit als Kraftfahrer bei den Be- und Entladearbeiten sowie während der Tätigkeit als Möbelträger lang gezogen worden. Auch die Hinweise im Merkblatt zur BK 2106 stützten sein Begehren.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Halle vom 17. Oktober 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Mai 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihren Bescheid vom 10. Februar 2000 aufzuheben, die im Bereich seiner Ellenbogen bestehende Nervenerkrankung mit Wirkung vom 1. März 1998 an als eine Berufskrankheit nach Nr. 2106 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung anzuerkennen und ihm vom 1. Januar 1999 an eine Verletztenrente nach einer MdE um 20 vH zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bleibt bei ihrer Ansicht und verteidigt die Entscheidung des SG.

Schließlich hat der Kläger im Termin der mündlichen Verhandlung den Befund des Neurologen Dr. S. vom 17. Juni 2008 sowie das Gutachten des Chirurgen Prof. Dr. M. vom 18. November 2009 vorgelegt, welches dieser in einem Verfahren zur Feststellung einer Schwerbehinderung des Klägers erstellt hatte. Von Dr. S. war eine neurogene Schädigung des Nervus ulnaris beiderseits mit jeweiliger Projektion auf den Sulcus ulnaris festgestellt worden. Prof. Dr. M. war zu der Einschätzung gelangt, dass die im Bereich der Ellenbogen des Klägers durchgeführten operativen Nervenumlagerungen die dort bestehenden Störungen nicht beseitigt hätten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Senats.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, form- und fristgerecht erhobene (§ 151 Abs. 1 SGG) und auch ansonsten zulässige Berufung hat keinen Erfolg.

Soweit der Kläger mit seiner kombinierten Klage neben einer Anfechtung und Verpflichtung zur Feststellung auch die Verpflichtung zur Gewährung einer Verletztenrente erstrebt (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG), kann offen bleiben, ob das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlt, wenn der Unfallversicherungsträger jedwede Entschädigung schon deshalb abgelehnt hat, weil nach seiner Auffassung kein Versicherungsfall vorliegt (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 7. September 2004 – B 2 U 46/03 RSozR 4-2700 § 2 Nr. 3; Urteil vom 20. März 2007 – B 2 U 19/06 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 23, m.w.N.). Denn hier hat die Beklagte im Bescheid "über die Ablehnung einer Entschädigung" vom 10. Februar 2000 nicht nur die Feststellung eines Versicherungsfalls als solchen abgelehnt, sondern dies nach dem Verfügungssatz ausdrücklich mit einer Entscheidung über die Gewährung von Entschädigungsleistungen verknüpft.

Die danach zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 23. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Mai 2006 beschwert den Kläger nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, weil die Beklagte darin zutreffend die Rücknahme ihres Bescheides vom 10. Februar 2000 abgelehnt hat. Denn dessen Aufhebung kann der Kläger nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – deshalb nicht verlangen, weil der Bescheid weder auf einem fehlerhaften Sachverhalt noch auf einem falschen Rechtsverständnis beruht. Der Kläger hat schon keinen Anspruch auf Feststellung der geltend gemachten Gesundheitsstörungen als BK 2106, womit sich die Frage einer deswegen zu gewährenden Verletztenrente nicht mehr stellt (vgl. hierzu § 56 Abs. 1 und 2 SGB Siebtes Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung – SGB VII).

Die vom Kläger verfolgten Ansprüche richten sich nach den Vorschriften des SGB VII. Denn der von ihm geltend gemachte Versicherungsfall (BK 2106) soll nach dem In-Kraft-Treten des SGB VII am 1. Januar 1997 eingetreten sein (vgl. Art 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I, 1254 ff., §§ 212 ff. SGB VII).

Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind BKen Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung (BKV) mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleidet. Die näheren Einzelheiten zum Erlass der BKV regelt § 9 Abs. 1 Sätze 2 und 3 sowie Abs. 6 SGB VII. Voraussetzung für die Anerkennung der hier strittigen BK 2106 ist nach deren Tatbestand das Vorliegen einer Druckschädigung der Nerven, die durch eine versicherte berufliche Einwirkung (Exposition = arbeitstechnische Voraussetzungen i.S.v. § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII) entstanden ist. Ein Betroffener muss also aufgrund seiner versicherten Tätigkeit Einwirkungen ausgesetzt gewesen sein, die bei ihm eine Druckschädigung der Nerven verursacht haben. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten Einwirkungen einschließlich ihrer Art und ihres Ausmaßes mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (so genannter Vollbeweis) belegt sein. Der ursächliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Einwirkung sowie zwischen der Einwirkung und der Erkrankung beurteilt sich dagegen nach dem Beweismaßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit. Allein aus einer gefährdenden beruflichen Einwirkung kann dagegen nicht auf eine berufsbedingte Krankheitsentstehung geschlossen werden (vgl. BSG, Urteil vom 18. November 1997 – 2 RU 48/96SGb 1999, 39 ff.; Urteil vom 7. September 2004 – B 2 U 46/03 RSozR 4-2700 § 2 Nr. 3; Urteil vom 27. Juni 2006 – B 2 U 5/05 RSozR 4-5671 § 6 Nr. 2).

Ausgehend hiervon fiel der Kläger während seiner Beschäftigung als Möbelträger und Berufskraftfahrer, die einer nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherten Tätigkeit entspricht, zwar unter den Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung. Auch ist bei ihm durch Dipl.-Med. H., Dipl.-Med. N., Dr. W., Prof. Dr. Dr. S. sowie Dr. S. eine einschlägige Nervenerkrankung im Sinne der BK 2106 (siehe hierzu das entsprechende Merkblatt, Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit vom 1. Oktober 2002, BArbBl. 2002, 62) – nämlich ein Nervusulnaris-Syndrom beiderseits – belegt, dessen Fortbestehen trotz operativer Maßnahmen von Prof. Dr. M. nochmals bestätigt wird. Es lässt sich jedoch kein wesentlicher Ursachenzusammenhang zwischen den angeschuldigten beruflichen Einwirkungen in Form von Vibrationen und Be-, Entlade- bzw. Trageverrichtungen als Lkw-Fahrer sowie Möbelträger und dieser Erkrankung hinreichend wahrscheinlich machen. Insoweit schließt der Senat sich den genannten Ärzten an.

Hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände mehr für als gegen den geltend gemachten Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann. Die bloße Möglichkeit einer Verursachung genügt dagegen nicht. Dabei setzt die im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung geltende "Theorie der wesentlichen Bedingung" voraus, dass die versicherte Einwirkung wegen ihrer besonderen Beziehung zur geltend gemachten Krankheit die wesentliche Ursache war. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besonderen Beziehungen der Ursache zum Eintritt des Erfolges (Erkrankung) wertend abgeleitet werden. Gesichtspunkte hierfür sind insbesondere die Art und das Ausmaß der versicherten Einwirkung sowie der konkurrierenden Ursachen, das Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, der zeitliche Verlauf, die Krankheitsgeschichte unter Berücksichtigung der aktuellen medizinischen Erkenntnisse sowie ergänzend auch der Schutzzweck der Norm (vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2005 – B 2 U 27/04 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 15; Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 17).

Danach ist es nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die mit der Tätigkeit des Klägers als Kraftfahrer und Möbelträger verbundenen Einwirkungen die Nervusulnaris-Syndrome im Bereich seiner Ellenbogen verursacht haben, zumal er als Ursache der selben Gesundheitsstörungen in dem mit Urteil des Senats vom 16. April 2009 rechtskräftig entschiedenen Verfahren L 6 U 16/05 noch ein zwischen Oktober und Dezember 1992 erlittenes Unfallereignis (Ausrutschen auf der Ladefläche eines Lkw) angegeben hatte. Ernste Zweifel an dem vorliegend geltend gemachten Ursachenzusammenhang bestehen beim Senat deshalb, weil die angeschuldigten Belastungen bereits nicht als geeignet erscheinen, eine Druckschädigung zu bewirken.

Kennzeichnend für eine Gefährdung im Sinne der BK 2106 ist eine eindeutige Beziehung zwischen der Lokalisation des einwirkenden Drucks und dem anatomisch zuzuordnenden klinisch-neurologischen Befund. Bezogen auf das hier betroffene Sulcusulnaris-Syndrom weisen Belastungen ein entsprechendes Potential auf, bei denen – z.B. bei aufgestütztem Ellenbogen – von außen ein Druck wirkt oder durch repetitive (monoton wiederholte) Flexion (Beugung) und Extension (Steckung) des Ellenbogengelenks infolge ständiger Reibung ein Friktionstrauma im Sulcus entsteht. Betroffen sind insoweit vor allem Berufsgruppen wie Pianisten, Bläser und Saiteninstrumentalisten (Merkblatt zur BK 2106, a.a.O., S. 63).

Diese vom Ärztlichen Sachverständigenbeirat – Sektion Berufskrankheiten – im genannten Merkblatt zusammengestellten Erfahrungssätze zieht der Senat als maßgeblich heran, weil sie nach wie vor die aktuellen medizinischen Erkenntnisse abbilden (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, Abschn. 5.7, S. 231 ff.; Mehrtens/Brandenburg, Die Berufkrankheitenverordnung, Stand August 2011, M 2106; Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 263. Aufl. 2012, S. 1432) und derart konkret formuliert sind, dass sich ihr Inhalt sowie ihre Bedeutung ohne Weiteres feststellen lässt (vgl. BSG, Urteil vom 2. Mai 2001 – B 2 U 16/00 RSozR 3-2200 § 551 Nr. 16)

Gemessen daran weisen die vom Kläger angeschuldigten beruflichen Einwirkungen bezogen auf die bei ihm aufgetretenen und operativ behandelten Sulcusulnaris-Syndrome schon kein Gefährdungspotential im zuvor genannten Sinne auf. Der Kläger war während der von ihm angeschuldigten Tätigkeiten weder vergleichbaren Belastungen ausgesetzt, wie sie im Rahmen der vor allem als betroffen geltenden Berufsgruppen regelmäßig anzutreffen sind, noch lässt sich bei den von ihm durchgeführten beruflichen Verrichtungen wie Be- und Entlade- sowie Möbeltransportarbeiten ein Zusammenhang zwischen der Lokalisation des einwirkenden Drucks und der Schädigung der Ulnarisnerven in den Rinnenbereichen herstellen. Ebenso wenig wie über das Lenkrad des W 50 übertragene Vibrationen ist ein durch das Tragen von Lasten bedingtes Langziehen der Arme mit einem von außen auf den aufgestützten Ellenbogen einwirkenden Druck oder einer durch permanente Flexion und Extension im Ellenbogengelenk bedingten ständigen Reibung im Sulcus vergleichbar. Folgerichtig haben Dr. T., Dipl.-Med. H., Dipl.-Med. N., Dr. B. und Dr. M. eine berufliche Verursachung der beidseitigen Nervenerkrankung im Ellenbogenbereich gerade nicht bestätigt. Dr. W. hat eine solche sogar ausdrücklich ausgeschlossen. Auch den Ausführungen von Prof. Dr. Dr. S., Dr. H., Dr. S. oder Prof. Dr. M. lassen sich keine Hinweise entnehmen, die auf eine Verursachung durch die vom Kläger angeschuldigten beruflichen Einwirkungen rückschließen lassen. Nichts anderes ergibt sich schließlich aus der von Dipl.-Med. G. erstellten Verdachtsanzeige vom 3. Mai 1999. Denn hierin hat sie lediglich wiedergegeben, dass die vom Kläger geschilderten Sensibilitätsstörungen in den Fingern IV und V beiderseits nach seinen Angaben durch die Be- und Entladetätigkeit im Zeitraum von 1982 bis 1997 bedingt seien. Eine eigene Kausalitätsbewertung hat Dipl.-Med. G. damit ersichtlich nicht abgegeben, geschweige denn begründet. Für den Senat besteht keine Veranlassung, dieser übereinstimmenden Einschätzung sämtlicher eingeschalteten Ärzte nicht zu folgen. Angesichts der Einhelligkeit ihrer Bewertung sah er sich auch nicht zu weiteren Ermittlungen gedrängt.

Nach alledem konnte die Berufung keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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