L 3 R 320/10

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Stendal (SAN)
Aktenzeichen
S 2 R 282/08
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 3 R 320/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der vom Kläger über das 60. Lebensjahr hinaus vom 1. Februar 2003 bis zum 31. Januar 2008 freiwillig geleisteten Beiträge zur Rentenversicherung.

Der am ... 1943 geborene Kläger legte am 2. Juni 1961 nach dem Besuch der Erweiterten Oberschule seine Reifeprüfung ab und absolvierte im Zeitraum von Mai 1963 bis Juli 1966 erfolgreich eine Facharbeiterausbildung zum Funkmechaniker. Von Januar 1967 bis zum 31. Mai 1978 war er im erlernten Beruf in verschiedenen volkseigenen Betrieben tätig. Seit dem 1. Juni 1978 ist der Kläger als selbstständiger Fernsehmechaniker, als solcher auch in der Handwerksrolle der Handwerkskammer M eingetragen, tätig. Im Zeitraum vom 1. März 1977 bis zum 30. Juni 1990 zahlte er Beiträge zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR).

Mit Bescheid vom 19. Januar und 9. September 1993 teilte die Landesversicherungsanstalt (LVA) Sachsen-Anhalt, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist, dem Kläger mit, dass er aufgrund der Eintragung in der Handwerksrolle ab dem 1. Januar 1992 der Versicherungspflicht nach § 2 Nr. 8 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI) unterliege und grundsätzlich den Regelbeitrag zu zahlen habe.

Am 21. Januar 1993 beantragte der Kläger die Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI (Handwerker mit mindestens 18 Jahren Pflichtbeitragsleistung) und am 28. Januar 1993 die "Freiwillige Beitragszahlung zur Arbeiterrentenversicherung im Beitrittsgebiet" ab Februar 1993. Der Kläger erklärte sich in diesem Zusammenhang mit der Abbuchung des niedrigeren Mindestbeitrages (Ost) in Höhe von 68,25 DM monatlich einverstanden.

Mit Bescheid vom 9. September 1993 wurde der Kläger entsprechend seines Antrages mit Wirkung vom 21. Januar 1993 von der Versicherungspflicht befreit. Mit Schreiben vom 18. Januar 1994 teilte die LVA dem Kläger - ebenfalls antragsgemäß - mit, dass er seit 1. Februar 1993 berechtigt sei, freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu zahlen. Der Zahlbetrag von zunächst monatlich 68,25 DM entspreche der gewählten niedrigsten Beitragshöhe.

Im Zeitraum vom 1. Februar 1993 bis 31. Januar 2008 zahlte der Klägers jeweils den der niedrigsten Beitragshöhe entsprechenden Betrag, zuletzt - im Zeitraum vom 1. April 2003 bis zum 31. Januar 2008 - 78,00 EUR monatlich.

Am 6. Mai 1998 sprach der Kläger in der Auskunfts- und Beratungsstelle der Beklagten in S. vor und stellte einen Antrag auf Kontenklärung. Im Rahmen des umfangreichen Kontenklärungsverfahrens wurden durch die Beklagte bis zum 28. Juni 2000 Ermittlungen angestellt und dem Kläger mit Schreiben vom selben Tage eine Auskunft über die zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten erteilt. Nachdem der Kläger am 11. Januar 2008 einen Regelaltersrentenantrag gestellt hatte, teilte die Beklagte ihm unter dem 23. Januar 2008 mit, dass die Abbuchung der freiwilligen Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zum 31. Januar 2008 eingestellt werde.

Im Rahmen einer persönlichen Vorsprache bei der Beklagten am 16. Januar 2008 teilte der Kläger mit, dass er erst "jetzt" anlässlich einer Beratung erfahren habe, zur Aufrechterhaltung des Erwerbsminderungsschutzes hätte die Zahlung der freiwilligen Beiträge bis zum 60. Lebensjahr genügt. In der jährlichen Mitteilung zur Beitragshöhe sowie in persönlichen Beratungen bei der Beklagten sei er nie auf diesen Umstand hingewiesen worden. Aufgrund dieses Versäumnisses und der Tatsache, dass es sich um freiwillige Beiträge handele, beantrage er die Erstattung der Beiträge für die Zeit vom 1. Februar 2003 bis zum 31. Januar 2008. Ihm sei bewusst, dass sich seine Altersrente dadurch verringere.

Mit Bescheid vom 28. Januar 2008 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Erstattung von Beiträgen ab. Bei den für die Zeit vom 1. März 2003 bis zum 31. Januar 2008 entrichteten Beiträgen handele es sich um zu Recht entrichtete freiwillige Beiträge. Die Erstattung zu Recht entrichteter Beiträge richte sich nach § 210 SGB VI. Danach würden Beiträge an Versicherte erstattet, die nicht versicherungspflichtig seien und nicht das Recht zur freiwilligen Versicherung hätten oder das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren nicht erfüllt hätten. Da der Kläger zur freiwilligen Versicherung berechtigt sei und die allgemeine Wartezeit für eine Regelaltersrente wegen Vollendung des 65. Lebensjahres bereits erfüllt habe, lägen die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 210 SGB VI nicht vor. Eine Erstattung aus Rentabilitätsgründen sei nicht vorgesehen.

Mit Bescheid vom 31. Januar 2008 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab dem 1. Februar 2008 Regelaltersrente in Höhe von monatlich 919,64 EUR; der Bescheid wurde bestandskräftig.

Gegen den Bescheid vom 28. Januar 2008 erhob der Kläger am 26. Februar 2008 Widerspruch, den er am 21. März 2008 begründete und u. a. ausführte, dass er zur Aufrechterhaltung des Erwerbsminderungsschutzes seit 1993 freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt habe. Er sei - da anderslautende Zeiträume nicht genannt worden seien - davon ausgegangen, dass die Zahlung bis zum Erreichen des Renteneintritts notwendig gewesen sei. Anlässlich eines Beratungsgespräches bei der Beklagten am 11. Januar 2008 habe er erstmals erfahren, dass die Zahlung mit Erreichen des 60. Lebensjahres nicht mehr erforderlich gewesen sei. Am 29. Oktober 2002 sowie am 29. April 2003 habe er Beratungstermine bei der Beklagten in Magdeburg zur Kontenklärung gehabt und zu dieser Problematik keine Hinweise erhalten. Er sei der Meinung, dass zum Zeitpunkt dieser Beratungen ersichtlich gewesen sein müsste, dass eine Weiterzahlung der freiwilligen Beiträge nicht mehr erforderlich gewesen sei. Daher beantrage er die Erstattung der Beiträge.

Im daraufhin eingeleiteten Verwaltungsverfahren führte die Beklagte ergebnislose Ermittlungen zu den vom Kläger benannten Beratungsterminen durch.

Mit Bescheid vom 22. Juli 2008 erließ die Beklagte einen weiteren Bescheid hinsichtlich der vom Kläger begehrten Erstattung von freiwilligen Beiträgen, der in Ergänzung zum Bescheid vom 28. Januar 2008 eine Beitragserstattung vom 1. bis zum 28. Februar 2003 ablehnt. Der Bescheid enthält eine gleichlautende rechtliche Begründung wie der Erstbescheid und den Hinweis, dass der Bescheid gemäß § 86 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12. August 2008 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück, da beim Kläger weder Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung vorliege noch eine Vollrente wegen Alters im streitgegenständlichen Zeitraum bewilligt worden sei. Zudem habe der Kläger auch über den 31. Januar 2003 hinaus das Recht zur freiwilligen Versicherung nach § 7 SGB VI gehabt. Somit sei eine Beitragserstattung nach § 26 Abs. 2 SGB IV nicht möglich. Eine Beitragserstattung zu Recht gezahlter Beiträge sehe nur die Vorschrift des § 210 SGB VI vor. Aufgrund der Berechtigung zur freiwilligen Versicherung sei eine Erstattung nach dieser Norm aber ebenfalls ausgeschlossen. Eine unterlassene oder fehlerhafte Aufklärung durch die Beklagte sei nicht feststellbar. Zwar habe der Kläger geltend gemacht, dass er am 29. Oktober 2002 bzw. am 29. April 2003 bei der Beklagten vorgesprochen habe, diesbezügliche Nachweise seien jedoch nicht beigebracht worden. Die Überprüfung habe ergeben, dass Vorsprachen an den betreffenden Tagen nicht aufgezeichnet worden und damit nicht nachgewiesen seien. Die freiwilligen Beiträge seien zu Recht entrichtet worden und würden sich bei einer künftigen Rentengewährung, wenn auch ggf. nur geringfügig, rentensteigernd auswirken.

Am 12. September 2008 hat der Kläger beim Sozialgericht Stendal Klage erhoben und sein Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung hat er auf sein Vorbringen im Verwaltungsverfahren verwiesen.

In einem vor dem Sozialgericht am 9. Dezember 2008 durchgeführten Erörterungstermin hat das Gericht die Beklagte beauflagt mitzuteilen, ob der Kläger am 29. April 2003 und am 29. Oktober 2002 die Auskunfts- und Beratungsstelle der Beklagten in M aufgesucht habe. In diesem Zusammenhang sei die Vorlage von Wartebüchern bzw. Beratungsstatistiken vorzunehmen. In einem weiteren Erörterungstermin vor dem Sozialgericht am 16. Juni 2009 ist dem Kläger ein fiktiver Rentenbescheid vom 10. Juni 2009 vorgelegt worden, aus dem hervorgeht, dass die Regelaltersrente ohne Berücsichtigung der gezahlten freiwilligen Beiträge geringer ausfalle als die tatsächlich gezahlte monatliche Rente. Nachdem der Kläger dem Sozialgericht mitgeteilt hat, dass er an seiner Klage festhalte, hat das Sozialgericht den Beteiligten mitgeteilt, durch Gerichtsbescheid entscheiden zu wollen.

Mit Gerichtsbescheid vom 22. September 2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Nach dem Vortrag der Beteiligten stehe fest, dass der Kläger seit 1. Februar 2003 nicht versicherungspflichtig im Sinne der §§ 1 ff. SGB VI gewesen sei und sich somit freiwillig versichern konnte. Eine Anspruchsgrundlage für die Beitragserstattung finde sich weder in § 26 Abs. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - SGB IV) noch in § 211 SGB VI, da die Beiträge weder zu Unrecht noch ohne Rechtsgrund geleistet worden seien. Eine Anspruchsgrundlage finde sich auch nicht in § 210 SGB VI, da der Kläger das Recht zur freiwilligen Versicherung gehabt und die allgemeine Wartezeit erfüllt habe. Der Anspruch des Klägers ergebe sich auch nicht aus § 26 Abs. 2 SGB IV i. V. mit einem Anfechtungsrecht. Der Kläger könne die der Beitragsentrichtung zugrunde liegende Willenserklärung nicht wirksam wegen Irrtums gemäß § 119 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) mit der Folge anfechten, dass diese Erklärung nichtig sei (vgl. § 142 Abs. 1 BGB). Da der Kläger sich grundsätzlich nicht über den Inhalt seiner Erklärung - Beiträge zahlen zu wollen - sondern nur über die vollständige Wirkung dieser Beitragszahlung geirrt habe, könne dieser Irrtum nicht beachtlich sein. Auch die Sonderregelungen der §§ 207 Abs. 3, 205 Ab. 1 Satz 1, 204 Abs. 1 Satz 2 SGB VI seien nicht anwendbar, da diese konkret geregelten Nachentrichtungsmöglichkeiten besondere Personengruppen, denen der Kläger nicht angehöre, beträfen. Die Unrechtmäßigkeit der Beitragsentrichtung ergebe sich auch nicht aus einer Falschberatung bzw. aus einem daraus entstandenen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch. Im vorliegenden Fall scheitere der sozialrechtliche Herstellungsanspruch an einer ausdrücklichen Verletzung behördlicher Auskunfts-, Beratungs- und Betreuungspflichten. Die Beklagte habe durch Übersendung des Versicherungsverlaufs und der Rentenauskunft im Juni 2000 den Kläger in die Lage versetzt, entsprechend seinen Gestaltungswünschen zu handeln. In der benannten Rentenauskunft seien alle maßgeblichen Anspruchsvoraussetzungen genannt gewesen. Zudem sei eine Erstattung rechtmäßig entrichteter Beiträge im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches nicht möglich. Eine Rückzahlung der Beiträge sei unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt gerechtfertigt.

Gegen den ihm am 29. September 2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 6. Oktober 2010 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt. Spätestens mit der Korrektur der Beitragshöhe der freiwillig gezahlten Beiträge zum 1. April 2003 von 63,38 EUR auf 78,00 EUR monatlich, zu der er telefonisch Rücksprache genommen habe, sei ein Hinweis auf die zur Aufrechterhaltung des Erwerbsminderungsschutzes nicht mehr notwendige Beitragsentrichtung möglich gewesen. Für ihn sei während der gesamten Vertragslaufzeit nicht erkennbar gewesen, dass er mit Erreichen des 60. Lebensjahres die Beitragszahlung hätte korrigieren können. Ein Hinweis der Beklagten hätte genügt, die Weiterzahlung zu überdenken und ggf. unter Abwägung der Wirtschaftlichkeit zu korrigieren.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stendal vom 22. September 2010 und die Bescheide der Beklagten vom 28. Januar 2008 und 22. Juli 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12. August 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm die vom 1. Februar 2003 bis zum 31. Januar 2008 geleisteten freiwilligen Beiträge zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid und ihre Bescheide für zutreffend.

lm Berufungsverfahren ist am 21. Dezember 2011 ein Erörterungstermin durchgeführt worden. Der Kläger ist auf die fehlende Erfolgsaussicht seines Rechtsmittels hingewiesen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagte, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat hat den Rechtsstreit verhandeln und entscheiden dürfen, obwohl der Kläger im Verhandlungstermin nicht erschienen und nicht vertreten gewesen ist. Auf die Möglichkeit, nach Lage der Akten gemäß § 126 SGG zu entscheiden, ist der Kläger mit der ihm am 9. März 2012 zugestellten Ladung hingewiesen worden.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil dem Kläger kein Anspruch auf Erstattung der freiwillig geleisteten Beiträge zur Rentenversicherung zusteht. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rückzahlung der von ihm im Zeitraum vom 1. Februar 2003 bis 31. Januar 2008 freiwillig entrichteten Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung.

Gemäß § 26 SGB IV sind Pflichtbeiträge in der Rentenversicherung und zu Unrecht entrichtete Beiträge unter den benannten Voraussetzungen zu erstatten. Unstreitig ist, dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum freiwillig Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet und es sich daher nicht um Pflichtbeiträge gehandelt hat. Die freiwillig gezahlten Beiträge sind auch nicht zu Unrecht gezahlt worden. Eine Erstattung nach der vorgenannten Vorschrift ist daher von vornherein ausgeschlossen.

Ein Erstattungsanspruch des Klägers nach § 211 SGB VI scheidet aus denselben Gründen aus, da die Sonderregelung (auch) nur die Erstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge regelt.

Beklagte und Sozialgericht sind zutreffend davon ausgegangen, dass als Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Erstattungsanspruch nur die Vorschrift des § 210 SGB VI in Betracht kommt. Danach werden Versicherten Beiträge auf Antrag erstattet, soweit diese nicht versicherungspflichtig sind und nicht das Recht zur freiwilligen Versicherung haben (§ 210 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI). Der Kläger ist mit Bescheid vom 9. September 1993 entsprechend seines Antrages vom 21. Januar 1993 mit Wirkung vom 21. Januar 1993 von der Versicherungspflicht gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI (Handwerker mit mindestens 18 Jahren Pflichtbeitragsleistung) befreit worden. Seit dem 1. Februar 1993 ist der Kläger zugleich berechtigt, freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu zahlen. Dieses Recht zur freiwilligen Versicherung ergibt sich aus § 7 Abs. 1 und 2 SGB VI sowie aus dem Umstand, dass der Kläger entsprechend der Rentenauskunft vom 28. Juni 2000 die allgemeine Wartezeit erfüllt hatte. Da der Erstattungsanspruch nach § 210 SGB VI voraussetzt, dass der Versi-cherte nicht das Recht zur freiwilligen Versicherung hat, scheidet ein Anspruch nach dieser Vorschrift ebenfalls aus.

Gemäß § 210 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI werden Versicherten, die das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt haben, Beiträge auf Antrag erstattet. Auch hierfür liegen die Voraussetzungen, wie vom Sozialgericht zutreffend festgestellt, nicht vor. Die allgemeine Wartezeit hat der Kläger - ihm in der Rentenauskunft vom 28. Juni 2000 bereits mitgeteilt - erfüllt.

Ein Erstattungsanspruch kann vom Kläger auch nicht auf den so genannten sozialrechtlichen Herstellungsanspruch gestützt werden. Der Herstellungsanspruch ist von der Rechtsprechung entwickelt worden. Er verpflichtet die Behörde dort, wo dem Versicherten durch Verwaltungsfehler ein Nachteil in seinen sozialen Rechten entstanden ist, den sozialrechtlichen Zustand herzustellen, der bestanden hätte, wenn die Behörde von Anfang an richtig gehandelt hätte. Da es sich nicht um einen Schadensersatzanspruch handelt, setzt der Herstellungsanspruch kein Verschulden voraus (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 12. Oktober 1979 - 12 RK 47/77 -, juris). Neben der Pflichtverletzung der Behörde muss die Entstehung eines Nachteiles in den sozialen Rechten des Betroffenen nachgewiesen sein. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch stellt keinen Schadensersatzanspruch dar, sondern soll nur den ggf. entstandenen Nachteil in den sozialen Rechten des Betroffenen ausgleichen. Der Herstellungsanspruch ist daher nicht auf den Ersatz eines wirtschaftlichen Schadens gerichtet. Mit dem Herstellungsanspruch soll der Versicherte nur vor Schaden bewahrt werden; es ist nicht Sinn dieses Rechtsinstituts, dem Versicherten Vorteile zu verschaf-fen, die er bei nicht fehlerhaftem behördlichen Verhalten gehabt hätte (BSG, Urteil vom 13. Dezember 1984 - 11 RA 68/83 -, juris).

Die Zahlung der freiwilligen Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung über das 60. Lebensjahr hinaus hat sich für die dem Kläger seit 1. Februar 2008 gewährte Altersrente steigernd ausgewirkt. Die im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens von der Beklagten gefertigte fiktive Rentenberechnung ohne die Einbeziehung der freiwillig gezahlten Beiträge weist einen deutlich niedrigeren Rentenbetrag aus. Der Kläger stellt dies auch nicht in Abrede, wie er in seinem Erstattungsantrag vom 16. Januar 2008 ausdrücklich ausgeführt hat. Da ein rechtlicher Nachteil für den Kläger nicht entstanden ist, kann dahingestellt bleiben, ob der Beklagten - auch bei Nachweis der vom Kläger geltend gemachten Beratungen - ein Informations- bzw. Beratungsversäumnis im Sinne des Herstellungsanspruchs vorzuwerfen ist. Zudem weist der Senat in diesem Zusammenhang darauf hin, dass zur Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes hinsichtlich einer Erwerbsminderung - entgegen dem Vorbringen des Klägers - die Weiterzahlung der freiwilligen Beiträge über das 60. Lebensjahr hinaus erforderlich war. Der in § 241 Abs. 2 SGB VI normierte Verzicht auf die Drei-Fünftel-Belegung hat zur Voraussetzung, dass die Wartezeit bereits vor dem 1. Januar 1984 erfüllt gewesen und jeder Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsminderung mit Beitragszeiten belegt ist. Mithin war eine Weiterzahlung der Beiträge - auch über das 60. Lebensjahr hinaus - zur Aufrechterhaltung des Erwerbsminderungsschutzes unerlässlich. Weitere gesetzliche Vorschriften, die einen Verzicht auf die Drei-Fünftel-Belegung bei Eintritt eines Leistungsfalles zum Gegenstand haben, sind nicht ersichtlich. Der sog. Verlängerungstatbestand des § 241 Abs. 1 SGB VI ist aufgrund der benannten Ersatzzeiten und Zeiten des Bezuges einer Knappschaftsausgleichsleistung nicht einschlägig.

Da die Voraussetzungen für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nicht vorliegen, erübrigen sich rechtliche Erwägungen zur Anwendbarkeit des von der Rechtsprechung entwickelten Institutes des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs auf die Geltendmachung von Erstattungsansprüchen. Nach der Rechtsprechung des BSG zu Kostenerstattungsansprüchen im Krankenversicherungsrecht stellen die gesetzlich geregelten Tatbestände einen abschließenden Katalog dar. Für auf dem Herstellungsgedanken beruhende Kostenerstattungsansprüche gebe es keinen Raum (BSG, Urteil vom 2. November 2007 - B 1 KR 14/07 R -, juris). Außerhalb der gesetzlich fixierten Fallgestaltungen ist der Rentenversicherungsträger weder verpflichtet noch berechtigt, Beiträge zu erstatten (Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 10. Mai 2010 - L 13 R 251/10 B PKH -, juris).

Ungeachtet des Umstandes, dass eine Erstattung der gezahlten Beiträge unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Betracht kommt, würde ein Rückzahlungsanspruch des Klägers zudem in analoger Anwendung des § 26 Abs. 2 SGB IV von vornherein ausscheiden. Danach können zu Unrecht entrichtete Beiträge nur erstattet werden, wenn aufgrund der Beiträge gewährte Leistungen noch nicht erbracht worden sind. Die Beklagte hat dem Kläger - u.a. auch - aufgrund der freiwillig geleisteten Beiträge Rentenzahlungen für die Monate Februar 2003 bis Januar 2008 erbracht. Wenn eine Rückzahlung von zu Unrecht entrichteten Beiträgen nach Empfang bzw. Auszahlung der Leistungen ausgeschlossen ist, kann für zu Recht entrichtete Beiträge nichts anderes gelten. Für den Senat ist daher unter Zugrundelegung des Erst-Recht-Schlusses eine Rückzahlung auch vor diesem Hintergrund ausgeschlossen.

Letztlich geht der Senat davon aus, dass beim Kläger ein Missverständnis hinsichtlich der Annahme besteht, die an die gesetzliche Rentenversicherung entrichteten Beiträge seien "sein Geld", das ihm nach wie vor zugeordnet sei. Damit verkennt der Kläger das Wesen der gesetzlichen Rentenversicherung. Diese beruht nicht auf einem Kapitaldeckungsprinzip, bei dem die für ihn entrichteten Beiträge speziell für seine Altersversorgung angespart würden. Vielmehr ist die gesetzliche Rentenversicherung durch ein Umlageverfahren charakterisiert. Das bedeutet, dass die gegenwärtige Generation der Beitragszahler nicht ihre eigenen, sondern die Renten der gegenwärtigen Rentengeneration finanziert (sogenannter Generationenvertrag). Die vom Kläger eingezahlten Beiträge befinden sich somit nicht in einem für ihn angelegten "Kapitalstock", sondern sind zur Finanzierung der Renten für die ältere Generation verwendet worden. Seine Beitragszahlungen sichern dem Kläger lediglich einen an ihrer Höhe orientierten Teilhabeanspruch an dem "Rententopf", der dann von der nachfolgenden Generation gespeist werden wird (Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 10. Mai 2010, a.a.O.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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