Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10.
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 10 KN 15/06
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 10 R 169/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 9. April 2009 – S 10 KN 15/06 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Neufestsetzung einer Bestandsrente bei rückwirkender "fiktiver" Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem des Beitrittsgebiets.
Der am ... 1926 geborene Kläger (Ingenieur) bezog seit dem 1. September 1991 eine Altersrente der Sozialpflichtversicherung (SV) sowie der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) der DDR, für die er seit 1972 Beiträge in jeweils höchstmöglichem Umfang entrichtet hatte. Ein Anspruch aus einem Zusatz- oder Sonderversorgungssystem bestand nicht. Mit Umwertungsbescheid vom 2. Dezember 1991 erkannte die Beklagte ihm statt der bisherigen Rente ab dem 1. Januar 1992 eine Regelaltersrente nach dem an diesem Tag in Kraft getretenen Sechsten Buch des Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) zu. Die Wertfeststellung erfolgte auf der Grundlage des § 307a SGB VI und berücksichtigte 86,6124 persönliche Entgeltpunkte (EP) bei 49 Jahren versicherungspflichtiger Tätigkeit und durchschnittlichen kalenderjährlichen EP von 1,7676.
Mit bestandskräftigem Bescheid vom 1. August 2003 stellte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA, heute: Deutsche Rentenversicherung Bund – DRV) als zuständiger Zusatzversorgungsträger für den Kläger rückwirkend Zeiten der "fiktiven" Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem der DDR (AVItech) vom 1. Juli 1955 bis zum 31. Oktober 1960 und vom 1. Juni 1972 bis zum 30. Juni 1990 sowie die erzielten Entgelte fest. Weiter wurde darauf hingewiesen, dass die Entgelte bei der Rentenberechnung höchstens bis zur Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung zu Grunde gelegt werden könnten, und eine Tabelle dieser Beträge zur Information beigefügt (Anlage 3 zum Gesetz zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets – Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz – AAÜG). In dem Bescheid heißt es ferner, dass zum 31. Dezember 1991 ein Anspruch auf originäre Zusatzversorgung nicht bestanden habe.
Die Beklagte lehnte eine Neuberechnung der Rente des Klägers aus Anlass der festgestellten Zusatzversorgungszeiten ab, da dies gemäß § 307b SGB VI voraussetze, dass am 31. Dezember 1991 ein Anspruch auf originäre Leistungen aus einem Zusatzversorgungssystem bestanden habe (Bescheid vom 20. November 2003 i.G.d. Widerspruchsbescheides vom 30. Juli 2004). Auf einen Überprüfungsantrag des Klägers aus November 2004 stellte sie jedoch nach dessen vorheriger Anhörung mit Bescheid vom 19. August 2005 die Altersrente im Hinblick auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 31. März 2004 (B 4 RA 39/03 R) gemäß § 48 Zehntes Buch des Sozialgesetzbuchs – Verwaltungsverfahren (SGB X) m.W.z. 1. des Monats nach Eintritt der Bestandskraft des Bescheides des Zusatzversorgungsträgers neu fest und hob den Umwertungsbescheid vom 2. Dezember 1991 m.W.z. 1. Oktober 2005 auf. Dabei gelangte sie zu einer Verminderung der EP auf 84,2616 und des monatlichen Zahlbetrages um knapp 50,00 EUR.
Mit seinem Widerspruch erstrebte der Kläger die Weitergewährung des bisherigen Zahlbetrages und berief sich auf die Unanwendbarkeit des § 48 SGB X sowie auf Besitzschutz gemäß § 307c Abs. 3 SGB VI. Mit Bescheid vom 15. Februar 2006 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und berechnete mit weiterem Bescheid vom 1. März 2006 die Altersrente neu, ohne dem Widerspruch abzuhelfen. Zugleich setzte sie den zu erstattenden Überzahlungsbetrag für die Zeit vom 1. Oktober 2005 bis zum 31. März 2006 auf 294,84 EUR fest. Gegen den Bescheid vom 1. März 2006 legte der Kläger am 23. März 2006 Widerspruch ein (Bl. 7 ff. Gerichtsakte = GA).
Mit seiner am 7. März 2006 erhobenen Klage hat der Kläger sinngemäß beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 19. August 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2006 und den Bescheid vom 1. März 2006 aufzuheben.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die Zeiten der Zugehörigkeit des Klägers zu einem Zusatzversorgungssystem der DDR zutreffend gemäß dem Urteil des BSG vom 31. März 2004 unter Berücksichtigung von § 256a Abs. 1 i.V.m. § 70 Abs. 1 Satz 1 SGB VI berechnet zu haben. Dabei habe sie die Entgeltpunkte (Ost) für die vom Versorgungsträger festgestellten Zeiten nach dem AAÜG ermittelt, indem sie den tatsächlich erzielten Verdienst dem Feststellungsbescheid des Zusatzversorgungsträgers entnommen und gemäß § 260 SGB VI gemäß der allgemeinen Beitragsbemessungsgrenze für das jeweilige Kalenderjahr gekürzt sowie Arbeitsausfalltage und Arbeitsunfähigkeitszeiten berücksichtigt habe. Auf diese Weise habe sie ausschließlich unter Beachtung von §§ 256a, 70 SGB VI für die Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem insgesamt 37,7148 Entgeltpunkte errechnet (vgl. Anlage 3 des Bescheides vom 19. August 2005 = Bl. 125 VA). Für die vom Versorgungsträger festgestellte Zeit der (fiktiven) Zugehörigkeit legte die Beklagte 272 Monate (ohne Ausfallzeiten) zugrunde und tauschte die für eine solche Zeitspanne im Umwertungsbescheid vom 2. Dezember 1991 (Anlage 16 = Bl. 41/41R GA) gemäß § 307a SGB VI auf der Basis durchschnittlicher jährlicher Entgeltpunkte (1,7676) errechneten Entgeltpunkte (272 x 1,7676: 12 = 40,0656) gegen die neu ermittelten Entgeltpunkte (37,7148) aus.
Das Sozialgericht hat der Klage mit Urteil vom 9. April 2009 stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beklagte die ursprüngliche Altersrente mit Beginn vor dem 1. Januar 1992 (Bestandsrente) zu Recht nach § 307a SGB VI berechnet habe, die spätere Neuberechnung unter teilweiser Anwendung des § 256a SGB VI jedoch der normativen Grundlage entbehre. Entgegen der Rechtsprechung des BSG sei weder die Feststellung einer "fiktiven" Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem der DDR noch die Berücksichtigung solcher Zeiten bei Anspruchsberechtigten nach § 307a SGB VI gesetzlich geboten. Zudem habe das BSG auch nicht den von der Beklagten angewandten Berechnungsmodus vorgegeben. Schließlich sei ein Besitzschutz für den Kläger zu berücksichtigen, was auch in der BSG-Entscheidung vom 31. März 2004 anklinge.
Gegen das am 14. Mai 2009 zugestellte Urteil richtet sich die am 27. Mai 2009 beim Landessozialgericht eingelegte Berufung der Beklagten. Darin macht sie geltend, dass sie an die vom Versorgungsträger übermittelten Daten gemäß § 8 Abs. 5 AAÜG gebunden sei. In dem Berechnungsmodus sei die Beklagte den Vorgaben des BSG aus dem Urteil vom 31. März 2004 weitgehend gefolgt, allerdings fehlten dort Vorgaben für Kalenderjahre mit "gemischten" Versorgungsansprüchen. Für die Zeit der Zugehörigkeit des Klägers zu einem Zusatzversorgungssystem der DDR (272 Monate) hätten sich auf der (ursprünglichen) Grundlage des § 307a SGB VI 40,0656 EP (Ost) errechnet. Auf der Grundlage der bestandskräftig übermittelten Daten des Zusatzversorgungsträgers nach dem AAÜG errechneten sich für denselben Zeitraum lediglich 37,7148 EP. Dies liege daran, dass die Ermittlung der EP ausschließlich unter Berücksichtigung von §§ 256a Abs. 1, 70 SGB VI erfolge und die Beitragsbemessungsgrenze des § 260 SGB VI zu berücksichtigen sei. Aus diesem Grund seien EP nur bis zum jeweiligen jährlichen Höchstwert der Anlage 2b zum SGB VI möglich. In den Jahren 1958 bis 1967 sowie 1969 bis 1982 lägen die Höchstwerte an EP nach der Anlage 2b zum SGB VI jeweils unter dem im Rahmen der Umwertung ermittelten Wert an durchschnittlichen EP pro Jahr (1,7676). Eine Einschränkung der Neufestsetzung des Rentenhöchstwertes nur auf die Fälle einer Rentenerhöhung lasse sich dem Urteil des BSG vom 31. März 2004 nicht entnehmen. Der geringere Rangstellenwert der AAÜG-Zeiten beruhe auch darauf, dass nach den Vorgaben des BSG vom 31. März 2004 solche Zeiten gemäß § 256a SGB VI und damit unter Anwendung der Anlage 1 zum SGB VI, allgemeine SV-Zeiten dagegen gemäß § 307a SGB VI und damit unter Anwendung Anlage 12 zu bewerten seien.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 9. April 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er meint, die Entscheidung des BSG vom 31. März 2004 nebst ihrem Leitsatz erlaube eine Neuberechnung der Rente nur im Falle einer Erhöhung. Die Neuberechnung sollte zudem nur Monate berücksichtigen, "für die im Feststellungsbescheid eine Zusatzversorgung (Ausgleich zwischen sozialversicherungspflichtigem und tatsächlichem Einkommen) vorgesehen wurde, vorausgesetzt dass der Antragsteller die gesetzlichen Möglichkeiten des Beitritts zur FZR ausgeschöpft hat." Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts stehe allerdings mit der ständigen Rechtsprechung des BSG die "Intelligenzrente" grundsätzlich nicht nur den politisch Privilegierten der ehemaligen DDR zu, sondern auch Rentnern, die – wie der Kläger – niemals Mitglied der SED gewesen seien. Sie dürfe sich aber für diesen Personenkreis nicht zum Nachteil auswirken. Schließlich zweifelt der Kläger weiterhin die Berechnungsweise an, mit der die Beklagte die Sonderversorgungszeiten in die allgemeine Rentenberechnung nach § 307a SGB VI einbezogen hat.
Die Verwaltungsakte der Beklagten hat vorgelegen und ist Gegenstand der Beratung und Entscheidung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben. Der Bescheid der Beklagten vom 19. August 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2006 sowie der weitere Bescheid vom 1. März 2006 sind rechtswidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten. Die Voraussetzungen für eine Neufeststellung der Altersrente unter Kürzung des monatlichen Zahlbetrages um knapp 50,00 EUR und der Summe der persönlichen EP von 86, 6124 auf 84,2616 liegen nicht vor.
1.
Gegenstand der Klage ist ausschließlich die Anfechtung des Bescheides vom 19. August 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2006 sowie des weiteren Bescheides vom 1. März 2006. Der erstgenannte Bescheid hebt nach seinem Wortlaut den ursprünglichen Umwertungsbescheid vom 2. Dezember 1991 teilweise auf und setzt die Rente für den Zeitraum ab dem 1. Oktober 2005 neu und zwar in niedrigerer Höhe fest. Der zweitgenannte Bescheid ersetzt diese Rentenfestsetzung – ohne Änderung der Rentenhöhe – für den Zeitraum ab dem 1. April 2006 und stellt zugleich eine Überzahlung für die Zeit vom 1. Oktober 2005 bis zum 31. März 2006 in Höhe von 294,84 EUR fest. Der Kläger macht nicht geltend, dass die Beklagte verpflichtet sei, eine höhere Rente zu zahlen als vor der Kürzung. Widerspruch und Klage zielen allein auf Aufhebung der angegriffenen Bescheide und Weiterzahlung der Rente auf der Grundlage ihrer bisherigen Wertfeststellung.
Der Bescheid vom 1. März 2006 wurde nach § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG – in der bis 31. März 2008 geltenden und hier anwendbaren Fassung) Gegenstand des Verfahrens, da er den streitbefangenen Bescheid vom 19. August 2005 nach Erlass des Widerspruchsbescheides am 15. Februar 2006 teilweise – wenn auch ohne inhaltliche Änderungen – für die Rentenbezugszeiten ab 1. April 2004 ersetzt hat. Der Bescheid vom 1. März 2006 ist damit insgesamt Gegenstand des Rechtsstreits, auch soweit er eine Überzahlung feststellt.
2.
Die Bescheide sind rechtswidrig. Die Rechtswidrigkeit folgt bereits aus verwaltungsverfahrensrechtlichen Gründen, da die Bescheide eine rechtmäßige Aufhebung des vorausgegangenen Bescheides vom 20. November 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juli 2004 erfordern, an der es fehlt (dazu a). Ohne dass es darauf noch entscheidend ankommt ist der Senat zudem der Auffassung, dass auch die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Umwertungsbescheides vom 2. November 1991 fehlen, da eine Änderung der Verhältnisse im Sinne einer Kürzung des Rentenwertes nicht eingetreten ist (dazu b).
a. Der streitgegenständliche Bescheid vom 19. August 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2006 ist rechtswidrig, weil der bestandskräftige Bescheid vom 20. November 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juli 2004 entgegensteht (dazu aa) und nicht rechtswirksam aufgehoben wurde (dazu bb). Der Bescheid vom 1. März 2006 ist damit ebenfalls rechtswidrig (dazu cc).
aa. Mit Bescheid vom 20. November 2003 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Neuberechnung seiner Rente ab und führte zur Begründung aus, dass die Feststellungen des Versorgungsträgers im Bescheid vom 1. August 2003 kein Grund für eine Neuberechnung der Rente seien. Damit hat die Beklagte jede Neuberechnung aus diesem Anlass insgesamt abgelehnt, und zwar mit Wirkung für die Vergangenheit wie für die Zukunft und sowohl zu Gunsten als auch zu Ungunsten des Klägers. Indem die Beklagte mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 19. August 2005 nachfolgend doch eine Neuberechnung aus demselben Anlass – wenn auch mit Wirkung für die Zukunft – vornahm, setzte sie sich insoweit in Widerspruch zu dem Bescheid vom 20. November 2003. Der inhaltliche Widerspruch besteht unabhängig davon, ob dem Bescheid vom 20. November 2003 eine Dauerwirkung beizumessen ist. Denn beide Bescheide regeln das Gleiche; sie stellen zudem – wie sogleich gezeigt wird (unter bb (1)) – auf dieselbe Sach- und Rechtslage ab.
bb. Die Beklagte hat den Bescheid vom 20. November 2003 nicht rechtswirksam aufgehoben.
Der Bescheid hatte eine Doppelwirkung sowohl zu Gunsten als auch zu Ungunsten des Klägers. Er hatte begünstigenden Inhalt, soweit er auch eine Rentenneuberechnung mit dem Ergebnis einer Kürzung der Rente ablehnte. Indem der Bescheid vom 15. August 2005 den Umwertungsbescheid vom 2. November 1991 teilweise aufhob und eine Neuberechnung der Rente mit dem Ergebnis einer Rentenkürzung vornahm, hob er zugleich (stillschweigend) den begünstigenden Teil des Bescheides vom 20. November 2003 auf. Die Voraussetzungen hierfür lagen nicht vor.
(1) Für eine Aufhebung gemäß § 48 SGB X fehlt es ungeachtet der Frage, ob der Bescheid vom 23. November 2003 Dauerwirkung hatte, jedenfalls an der erforderlichen wesentlichen Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, die bei seinem Erlass vorgelegen haben.
Der streitgegenständliche Bescheid vom 19. August 2005 erging auf derselben Tatsachengrundlage wie der Bescheid vom 20. November 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juli 2004. Bei Erlass des Bescheides vom 20. November 2003 war der Bescheid des Versorgungsträgers vom 1. August 2003 bestandskräftig und dies war der Beklagten schon bekannt.
Bei Erlass des Bescheides vom 19. August 2005 hatte sich auch die maßgebliche Rechtslage im Vergleich zur Rechtslage bei Erlass des vorausgegangenen Bescheides vom 20. November 2003 nicht geändert. In Betracht kommt insoweit allein die inzwischen ergangene Rechtsprechung des BSG mit Urteil vom 31. März 2004 (B 4 RA 39/03 R), auf die der Bescheid vom 19. August 2005 auch abstellt. Gemäß § 48 Abs. 2 SGB X kann sich jedoch bei Verwaltungsakten mit Dauerwirkung eine nachträglich begründete ständige Rechtsprechung des zuständigen Obersten Gerichtshofs des Bundes, die zu einer anderen Auslegung des Rechts führt, als sie die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes vorgenommen hat, nur zu Gunsten des Berechtigten auswirken. Die Beklagte konnte daher die neue Rechtsprechung des BSG mit Urteil vom 31. März 2004 nur zum Anlass für eine neue Bescheidung zu Gunsten des Klägers nehmen. Abgesehen davon existierte die neue Rechtsprechung bereits bei Erlass des Widerspruchsbescheides am 30. Juli 2004. Außerdem folgt aus ihr gerade nicht tragend, dass die fiktive Einbeziehung in eine Zusatzversorgung zu einer Kürzung der nach § 307a SGB VI berechneten Bestandsrente führen könne. Über eine Rentenkürzung hatte das BSG (a.a.O.) nicht zu entscheiden.
(2) Als Rechtsgrundlage für die (teilweise) Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes bleibt damit allein § 45 SGB X. Nach dieser Vorschrift darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden, allerdings nur unter den Einschränkungen der Abs. 2 bis 4 der Norm. Nach ganz herrschender Meinung (vgl. etwa BSG SozR 3 - 5425 § 24 Nr. 11) erfordert die Rücknahme gemäß § 45 SGB X die Ausübung von Ermessen durch die Behörde ("darf").
Die Beklagte hat in dem streitgegenständlichen Bescheid vom 19. August 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2006 kein Ermessen ausgeübt. Sie hat sich zur Begründung allein auf § 48 SGB X berufen, der im Regelfall keine Ermessensausübung erfordert. Der Bescheid enthält nicht einmal eine ausdrückliche (teilweise) Aufhebung des Bescheides vom 20. November 2003. Es ist nicht erkennbar, dass sich die Beklagte bei Erlass des Bescheides überhaupt darüber bewusst gewesen ist, dass sie den vorausgegangenen Bescheid teilweise aufheben würde. Eine Ermessensbetätigung der Beklagten liegt auch nicht darin, dass sie den Bescheid vom 2. November 1991 nur für die Zukunft und nicht auch für die Vergangenheit aufgehoben hat (vgl. dazu BSG a.a.O.). Dabei handelte es sich nicht um eine Ermessensausübung in Bezug auf die Teilaufhebung des Bescheides vom 20. November 2003, sondern allein um die Anwendung von § 48 SGB X in Bezug auf den Umwertungsbescheid vom 2. November 1991 unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des BSG vom 31. März 2004.
Das Ermessen war für die Beklagte im vorliegenden Fall auch nicht auf Null reduziert. Hierfür müsste ausgeschlossen sein, dass die Umstände nach dem festgestellten Sachverhalt auch eine anderweitige Entscheidung rechtsfehlerfrei zuließen (vgl. etwa BSG SozR 1300 § 45 Nr. 34; BSG SozR 3 -1300 § 40 Nr. 5 und Nr. 10). Anhaltspunkte für eine solche Ausnahmekonstellation bestehen nicht. Ein Absehen von der (teilweisen) Aufhebung des Bescheides vom 20. November 2003 kam aus mehreren Gründen durchaus in Betracht (Alter des Klägers; Geringfügigkeit der angestrebten Rentenänderung; Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes; insgesamt nicht vollständig geklärte Rechtslage, da eine explizite Rechtsprechung zur effektiven Rentenkürzung fehlte). Außerdem war über die Frage einer Besitzstandswahrung zu entscheiden.
cc. Aus dem Bescheid vom 19. August 2005 konnte sich nach alledem keine effektive Verschlechterung des Rentenwertes für den Kläger infolge des Feststellungsbescheides des Versorgungsträgers ergeben. Ob der beklagte Rentenversicherungsträger in dem angegriffenen Bescheid vom 19. August 2005 die vom Versorgungsträger bindend festgestellten Daten über die fiktive Zugehörigkeit des Klägers zur AVItech und die erzielten Einkünfte auch im Übrigen zutreffend bewertet hat oder dies zu einem höheren Rentenwert hätte führen müssen (§ 44 SGB X), bedurfte im Rahmen der (reinen) Anfechtungsklage keiner Klärung. Der Aufhebungsbescheid mit gleichzeitiger Kürzung des Rentenwertes ist jedenfalls rechtswidrig. Das Gleiche gilt damit auch für den Bescheid vom 1. März 2006, der auf dem Aufhebungs- und Kürzungsbescheid vom 19. August 2005 aufbaut. Für die Rentenberechnung bleibt bis auf weiteres der Umwertungsbescheid vom 2. Dezember 1991 mit seinen – gegebenenfalls nachzuholenden – Anpassungen maßgeblich.
b. Ohne dass es darauf noch entscheidend ankommt ist der Senat zudem der Auffassung, dass auch die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Umwertungsbescheides vom 2. November 1991 fehlten. Der begünstigende Teil des Bescheides vom 20. November 2003 entsprach somit tatsächlich der Rechtslage.
aa. Rechtsgrundlage für eine Aufhebung des Umwertungsbescheides konnte nur § 48 SGB X sein. Die Umwertungsbescheide nach § 307a SGB VI – wie hier der Bescheid vom 2. November 1991 – sind auch in den Fällen ursprünglich rechtmäßig ergangen, in denen – wie hier – der Versorgungsträger später durch Feststellungsbescheid eine fiktive Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem festgestellt hat. Insbesondere scheidet eine (rückwirkende) Aufhebung nach § 45 SGB X und eine Neuberechnung der Rente nach § 307b SGB VI aus, da dies einen am 31. Dezember 1991 bestehenden Anspruch auf eine nach dem AAÜG überführte Rente voraussetzt. Ein solcher Anspruch ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG nur gegeben, wenn durch bindenden Verwaltungsakt festgestellt ist, dass der früher Versorgungsberechtigte für Dezember 1991 gegen einen Versorgungsträger das Recht hatte, Zahlung von Versorgung zu verlangen. Das ist bei lediglich fiktiver Zugehörigkeit nicht der Fall (vgl. zu allem BSG 29. Oktober 2002 – B 4 RA 27/02 R; BSG 31. März 2004 – B 4 RA 39/03 R; BSG 27. Juli 2004 – B 4 RA 6/04 R, alle Juris).
bb. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse i.S.v. § 48 SGB X – hier im Sinne einer Kürzung des Rentenwertes – ist nach Auffassung des Senats durch die Datenfeststellungen des Versorgungsträgers im Bescheid vom 1. August 2003 für die Bestandsrente des Klägers nicht eingetreten.
(1) Nach der Rechtsprechung des BSG (29. Oktober 2002 – B 4 RA 27/02 R, Rn. 34 in Juris) kann eine wesentliche Änderung bei der Rente eines Bestandsrentners des Beitrittsgebiets, der 1991 tatsächlich keine Versorgungsrente i.S.v. § 307b SGB VI bezogen hatte, eintreten, wenn der zuständige Versorgungsträger nachträglich unanfechtbar Zeiten und Entgelte aus einer (fiktiven) Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nach den §§ 5 bis 8 AAÜG feststellt. Der Rentenversicherungsträger muss dann auch bei solchen Bestandsrentnern des Beitrittsgebiets, bei denen § 307b SGB VI mangels eines "Versorgungsanspruchs" für Dezember 1991 nicht anwendbar ist, prüfen, ob sich aufgrund der Datenfeststellungen der Monatsbetrag eines bestehenden Rechts auf Rente aus dem SGB VI erhöht (oder erniedrigt). Dann muss der Rentenversicherungsträger gemäß § 48 Abs. 1 SGB X die bisherige Festsetzung mit Wirkung für die Zukunft aufheben (BSG, a.a.O., sowie BSG 31. März 2004 – B 4 RA 39/03 R, Rn. 18 und 24 in Juris).
Die Beklagte war – entgegen der Auffassung des Sozialgerichts – an die bestandskräftigen Feststellungen des Versorgungsträgers aus dem Bescheid vom 1. August 2003 gemäß § 8 Abs. 5 Satz 2 AAÜG gebunden. Es erscheint auch möglich, dass bei der von der Beklagten gewählten Berechnungsweise die Heranziehung der jährlichen Beitragsbemessungsgrenzen der Anlagen 2 und 2b zum SGB VI anstelle von durchschnittlichen jährlichen Höchstwerten sowie der Anlage 1 (Durchschnittsentgelt West) anstelle der Anlage 12 (Ost) im Falle des Klägers zu einem geringeren Rentenwert geführt hat. Ob die von der Beklagten verwendete Methode zur Berücksichtigung dieser Daten bei der Rentenberechnung den Vorgaben des BSG aus der Entscheidung vom 31. März 2004 (a.a.O., Rn. 25 ff.) entspricht, kann aber dahinstehen. Selbst wenn die Berechnung, wie das BSG ausgeführt hat, zu einem höheren oder niedrigeren Rentenwert führen kann, besagt dies allein noch nicht, dass daraus auch im Ergebnis eine effektive Kürzung von Bestandsrenten nach § 307a SGB VI folgt. Diese Frage hat das BSG bislang – soweit ersichtlich – nicht entschieden.
(2) Die Frage ist nach Auffassung des Senats zu verneinen. Ein Bestandsrentner, der niemals Mitglied einer Zusatzversorgung gewesen ist und damit zunächst unter die gesetzliche Regelung des § 307a SGB VI fällt, kann unter Hinweis auf die Feststellung einer "fiktiven" Zugehörigkeit im Ergebnis nicht schlechter gestellt werden als nach § 307a SGB VI. Soweit die vom BSG vorgegebene Methode zur Berücksichtigung fiktiver Zugehörigkeitszeiten im Einzelfall ausnahmsweise zu einem geringeren Rentenwert führt als bei der Berechnung nach § 307a SGB VI, handelt es sich um eine rechtlich nicht erhebliche und damit nicht i.S.v. § 48 SGB X wesentliche Änderung.
Das BSG beruft sich nämlich für die – gesetzlich nicht ausdrücklich angeordnete – Unterwerfung der fiktiven Angehörigen einer Zusatzversorgung unter das Renten-Überführungsregime des AAÜG maßgeblich auf Art. 3 GG (vgl. etwa BSG 9. April 2004 – B 4 RA 41/01 R, Juris). Die dabei genannten Gründe handeln ausschließlich davon, dass es keinen rechtfertigenden Grund für ihre schlechtere Behandlung im Vergleich zu den Personengruppen nach § 1 Abs. 1 AAÜG gebe, die im allgemeinen über die Zusatzversorgung besser gestellt war als die große Gruppe der Angehörigen der SV und FZR. Die in erweiternder Auslegung von § 1 Abs. 1 AAÜG vorgenommene Einbeziehung diente somit allein der Vermeidung einer – nach Auffassung des BSG – ungerechtfertigten Schlechterstellung gegenüber wirklichen bzw. ehemaligen Angehörigen der Zusatzversorgung. Hieran hat der heute zuständige 5. Senat festgehalten (vgl. etwa BSG 19. Oktober 2010 – B 5 RS 3/09 R, Rn. 31 in Juris).
Die Ratio dieser Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG erfordert aber – bezogen auf die Gruppe der Bestandsrentner – eine Beschränkung dahin, dass fiktive Zugehörigkeitszeiten nicht zu einer Schlechterstellung gegenüber der Rechtslage nach § 307a SGB VI führen dürfen. Anderenfalls fehlt es an einer Rechtfertigung für diese Schlechterstellung im Vergleich zu der Gruppe der übrigen Bestandsrentner nach § 307a SGB VI. Das gilt insbesondere mit Blick auf den Umstand, dass die Rentenberechnung nach § 307a SGB VI im Wesentlichen auf tatsächlich erzielte Einkünfte abgestellt hat, für die von den Betroffenen Beiträge abgeführt worden waren. Von den übrigen Bestandsrentnern nach § 307a SGB VI unterscheidet sich der Kläger allein dadurch, dass er Ingenieur in einem der von der AVItech betroffenen Betriebe war. Dieser Umstand vermag es nicht zu rechtfertigen, ihn im Vergleich zu anderen Bestandsrentnern schlechter zu behandeln, indem ein Teil seiner erzielten Einkünfte und Beitragsleistungen nicht rentenwirksam berücksichtigt wird (vgl. dazu BVerfG 28. September 1999 – 1 BvL 22/95, SozR 3-8570 § 6 Nr. 3; BVerfG 23. Juni 2004 – 1 BvL 3/98, SozR 4-8570 § 6 Nr. 3).
Eine Rechtfertigung liegt auch nicht in einer zulässigen pauschalierenden und typisierenden Unterscheidung, wie sie bei der Regelung von Massenphänomenen oft unvermeidbar ist und die eine Ungleichbehandlung im Einzelfall hinnehmbar erscheinen lässt. Denn einer solchen ungerechtfertigten Benachteiligung kann leicht dadurch begegnet werden, dass den "fiktiv" einbezogenen Bestandsrentnern der – bereits feststehende und bekannte – Rentenwert aus der Umwertung nach § 307a SGB VI erhalten bleibt, soweit er im Einzelfall günstiger ist. Dies entspräche auch systematisch den nach § 307b SGB VI vorzunehmenden Vergleichsberechnungen, von denen auch die jeweils günstigste maßgeblich ist.
cc. Der vom BSG (31. März 2004, a.a.O.) beschriebene Weg zur Berücksichtigung fiktiver Zugehörigkeitszeiten zu einem Zusatzversorgungssystem über § 256a SGB VI kann nach Auffassung des Senats daher bei Bestandsrentnern nur dann auf den Rentenwert durchschlagen, wenn sich dieser gegenüber der Umwertung der Bestandsrente nach § 307a SGB VI erhöht. Ein solches Vorgehen entspricht der mit der Rechtsprechung zur "fiktiven" Zusatzversorgung verfolgten Intention, die betroffene Gruppe von den Privilegien der übrigen Zusatzversorgten nicht auszuschließen. Zugleich vermeidet es, sie dadurch gegenüber den übrigen Bestandsrentnern nach § 307a SGB VI im Einzelfall schlechter zu stellen.
3.
Nach alledem war die Berufung der Beklagten als unbegründet zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision i.S.v. § 160 Abs.2 SGG bestanden im Hinblick auf die tragenden Ausführungen zu 2.a. nicht.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Neufestsetzung einer Bestandsrente bei rückwirkender "fiktiver" Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem des Beitrittsgebiets.
Der am ... 1926 geborene Kläger (Ingenieur) bezog seit dem 1. September 1991 eine Altersrente der Sozialpflichtversicherung (SV) sowie der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) der DDR, für die er seit 1972 Beiträge in jeweils höchstmöglichem Umfang entrichtet hatte. Ein Anspruch aus einem Zusatz- oder Sonderversorgungssystem bestand nicht. Mit Umwertungsbescheid vom 2. Dezember 1991 erkannte die Beklagte ihm statt der bisherigen Rente ab dem 1. Januar 1992 eine Regelaltersrente nach dem an diesem Tag in Kraft getretenen Sechsten Buch des Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) zu. Die Wertfeststellung erfolgte auf der Grundlage des § 307a SGB VI und berücksichtigte 86,6124 persönliche Entgeltpunkte (EP) bei 49 Jahren versicherungspflichtiger Tätigkeit und durchschnittlichen kalenderjährlichen EP von 1,7676.
Mit bestandskräftigem Bescheid vom 1. August 2003 stellte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA, heute: Deutsche Rentenversicherung Bund – DRV) als zuständiger Zusatzversorgungsträger für den Kläger rückwirkend Zeiten der "fiktiven" Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem der DDR (AVItech) vom 1. Juli 1955 bis zum 31. Oktober 1960 und vom 1. Juni 1972 bis zum 30. Juni 1990 sowie die erzielten Entgelte fest. Weiter wurde darauf hingewiesen, dass die Entgelte bei der Rentenberechnung höchstens bis zur Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung zu Grunde gelegt werden könnten, und eine Tabelle dieser Beträge zur Information beigefügt (Anlage 3 zum Gesetz zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets – Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz – AAÜG). In dem Bescheid heißt es ferner, dass zum 31. Dezember 1991 ein Anspruch auf originäre Zusatzversorgung nicht bestanden habe.
Die Beklagte lehnte eine Neuberechnung der Rente des Klägers aus Anlass der festgestellten Zusatzversorgungszeiten ab, da dies gemäß § 307b SGB VI voraussetze, dass am 31. Dezember 1991 ein Anspruch auf originäre Leistungen aus einem Zusatzversorgungssystem bestanden habe (Bescheid vom 20. November 2003 i.G.d. Widerspruchsbescheides vom 30. Juli 2004). Auf einen Überprüfungsantrag des Klägers aus November 2004 stellte sie jedoch nach dessen vorheriger Anhörung mit Bescheid vom 19. August 2005 die Altersrente im Hinblick auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 31. März 2004 (B 4 RA 39/03 R) gemäß § 48 Zehntes Buch des Sozialgesetzbuchs – Verwaltungsverfahren (SGB X) m.W.z. 1. des Monats nach Eintritt der Bestandskraft des Bescheides des Zusatzversorgungsträgers neu fest und hob den Umwertungsbescheid vom 2. Dezember 1991 m.W.z. 1. Oktober 2005 auf. Dabei gelangte sie zu einer Verminderung der EP auf 84,2616 und des monatlichen Zahlbetrages um knapp 50,00 EUR.
Mit seinem Widerspruch erstrebte der Kläger die Weitergewährung des bisherigen Zahlbetrages und berief sich auf die Unanwendbarkeit des § 48 SGB X sowie auf Besitzschutz gemäß § 307c Abs. 3 SGB VI. Mit Bescheid vom 15. Februar 2006 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und berechnete mit weiterem Bescheid vom 1. März 2006 die Altersrente neu, ohne dem Widerspruch abzuhelfen. Zugleich setzte sie den zu erstattenden Überzahlungsbetrag für die Zeit vom 1. Oktober 2005 bis zum 31. März 2006 auf 294,84 EUR fest. Gegen den Bescheid vom 1. März 2006 legte der Kläger am 23. März 2006 Widerspruch ein (Bl. 7 ff. Gerichtsakte = GA).
Mit seiner am 7. März 2006 erhobenen Klage hat der Kläger sinngemäß beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 19. August 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2006 und den Bescheid vom 1. März 2006 aufzuheben.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die Zeiten der Zugehörigkeit des Klägers zu einem Zusatzversorgungssystem der DDR zutreffend gemäß dem Urteil des BSG vom 31. März 2004 unter Berücksichtigung von § 256a Abs. 1 i.V.m. § 70 Abs. 1 Satz 1 SGB VI berechnet zu haben. Dabei habe sie die Entgeltpunkte (Ost) für die vom Versorgungsträger festgestellten Zeiten nach dem AAÜG ermittelt, indem sie den tatsächlich erzielten Verdienst dem Feststellungsbescheid des Zusatzversorgungsträgers entnommen und gemäß § 260 SGB VI gemäß der allgemeinen Beitragsbemessungsgrenze für das jeweilige Kalenderjahr gekürzt sowie Arbeitsausfalltage und Arbeitsunfähigkeitszeiten berücksichtigt habe. Auf diese Weise habe sie ausschließlich unter Beachtung von §§ 256a, 70 SGB VI für die Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem insgesamt 37,7148 Entgeltpunkte errechnet (vgl. Anlage 3 des Bescheides vom 19. August 2005 = Bl. 125 VA). Für die vom Versorgungsträger festgestellte Zeit der (fiktiven) Zugehörigkeit legte die Beklagte 272 Monate (ohne Ausfallzeiten) zugrunde und tauschte die für eine solche Zeitspanne im Umwertungsbescheid vom 2. Dezember 1991 (Anlage 16 = Bl. 41/41R GA) gemäß § 307a SGB VI auf der Basis durchschnittlicher jährlicher Entgeltpunkte (1,7676) errechneten Entgeltpunkte (272 x 1,7676: 12 = 40,0656) gegen die neu ermittelten Entgeltpunkte (37,7148) aus.
Das Sozialgericht hat der Klage mit Urteil vom 9. April 2009 stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beklagte die ursprüngliche Altersrente mit Beginn vor dem 1. Januar 1992 (Bestandsrente) zu Recht nach § 307a SGB VI berechnet habe, die spätere Neuberechnung unter teilweiser Anwendung des § 256a SGB VI jedoch der normativen Grundlage entbehre. Entgegen der Rechtsprechung des BSG sei weder die Feststellung einer "fiktiven" Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem der DDR noch die Berücksichtigung solcher Zeiten bei Anspruchsberechtigten nach § 307a SGB VI gesetzlich geboten. Zudem habe das BSG auch nicht den von der Beklagten angewandten Berechnungsmodus vorgegeben. Schließlich sei ein Besitzschutz für den Kläger zu berücksichtigen, was auch in der BSG-Entscheidung vom 31. März 2004 anklinge.
Gegen das am 14. Mai 2009 zugestellte Urteil richtet sich die am 27. Mai 2009 beim Landessozialgericht eingelegte Berufung der Beklagten. Darin macht sie geltend, dass sie an die vom Versorgungsträger übermittelten Daten gemäß § 8 Abs. 5 AAÜG gebunden sei. In dem Berechnungsmodus sei die Beklagte den Vorgaben des BSG aus dem Urteil vom 31. März 2004 weitgehend gefolgt, allerdings fehlten dort Vorgaben für Kalenderjahre mit "gemischten" Versorgungsansprüchen. Für die Zeit der Zugehörigkeit des Klägers zu einem Zusatzversorgungssystem der DDR (272 Monate) hätten sich auf der (ursprünglichen) Grundlage des § 307a SGB VI 40,0656 EP (Ost) errechnet. Auf der Grundlage der bestandskräftig übermittelten Daten des Zusatzversorgungsträgers nach dem AAÜG errechneten sich für denselben Zeitraum lediglich 37,7148 EP. Dies liege daran, dass die Ermittlung der EP ausschließlich unter Berücksichtigung von §§ 256a Abs. 1, 70 SGB VI erfolge und die Beitragsbemessungsgrenze des § 260 SGB VI zu berücksichtigen sei. Aus diesem Grund seien EP nur bis zum jeweiligen jährlichen Höchstwert der Anlage 2b zum SGB VI möglich. In den Jahren 1958 bis 1967 sowie 1969 bis 1982 lägen die Höchstwerte an EP nach der Anlage 2b zum SGB VI jeweils unter dem im Rahmen der Umwertung ermittelten Wert an durchschnittlichen EP pro Jahr (1,7676). Eine Einschränkung der Neufestsetzung des Rentenhöchstwertes nur auf die Fälle einer Rentenerhöhung lasse sich dem Urteil des BSG vom 31. März 2004 nicht entnehmen. Der geringere Rangstellenwert der AAÜG-Zeiten beruhe auch darauf, dass nach den Vorgaben des BSG vom 31. März 2004 solche Zeiten gemäß § 256a SGB VI und damit unter Anwendung der Anlage 1 zum SGB VI, allgemeine SV-Zeiten dagegen gemäß § 307a SGB VI und damit unter Anwendung Anlage 12 zu bewerten seien.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 9. April 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er meint, die Entscheidung des BSG vom 31. März 2004 nebst ihrem Leitsatz erlaube eine Neuberechnung der Rente nur im Falle einer Erhöhung. Die Neuberechnung sollte zudem nur Monate berücksichtigen, "für die im Feststellungsbescheid eine Zusatzversorgung (Ausgleich zwischen sozialversicherungspflichtigem und tatsächlichem Einkommen) vorgesehen wurde, vorausgesetzt dass der Antragsteller die gesetzlichen Möglichkeiten des Beitritts zur FZR ausgeschöpft hat." Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts stehe allerdings mit der ständigen Rechtsprechung des BSG die "Intelligenzrente" grundsätzlich nicht nur den politisch Privilegierten der ehemaligen DDR zu, sondern auch Rentnern, die – wie der Kläger – niemals Mitglied der SED gewesen seien. Sie dürfe sich aber für diesen Personenkreis nicht zum Nachteil auswirken. Schließlich zweifelt der Kläger weiterhin die Berechnungsweise an, mit der die Beklagte die Sonderversorgungszeiten in die allgemeine Rentenberechnung nach § 307a SGB VI einbezogen hat.
Die Verwaltungsakte der Beklagten hat vorgelegen und ist Gegenstand der Beratung und Entscheidung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben. Der Bescheid der Beklagten vom 19. August 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2006 sowie der weitere Bescheid vom 1. März 2006 sind rechtswidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten. Die Voraussetzungen für eine Neufeststellung der Altersrente unter Kürzung des monatlichen Zahlbetrages um knapp 50,00 EUR und der Summe der persönlichen EP von 86, 6124 auf 84,2616 liegen nicht vor.
1.
Gegenstand der Klage ist ausschließlich die Anfechtung des Bescheides vom 19. August 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2006 sowie des weiteren Bescheides vom 1. März 2006. Der erstgenannte Bescheid hebt nach seinem Wortlaut den ursprünglichen Umwertungsbescheid vom 2. Dezember 1991 teilweise auf und setzt die Rente für den Zeitraum ab dem 1. Oktober 2005 neu und zwar in niedrigerer Höhe fest. Der zweitgenannte Bescheid ersetzt diese Rentenfestsetzung – ohne Änderung der Rentenhöhe – für den Zeitraum ab dem 1. April 2006 und stellt zugleich eine Überzahlung für die Zeit vom 1. Oktober 2005 bis zum 31. März 2006 in Höhe von 294,84 EUR fest. Der Kläger macht nicht geltend, dass die Beklagte verpflichtet sei, eine höhere Rente zu zahlen als vor der Kürzung. Widerspruch und Klage zielen allein auf Aufhebung der angegriffenen Bescheide und Weiterzahlung der Rente auf der Grundlage ihrer bisherigen Wertfeststellung.
Der Bescheid vom 1. März 2006 wurde nach § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG – in der bis 31. März 2008 geltenden und hier anwendbaren Fassung) Gegenstand des Verfahrens, da er den streitbefangenen Bescheid vom 19. August 2005 nach Erlass des Widerspruchsbescheides am 15. Februar 2006 teilweise – wenn auch ohne inhaltliche Änderungen – für die Rentenbezugszeiten ab 1. April 2004 ersetzt hat. Der Bescheid vom 1. März 2006 ist damit insgesamt Gegenstand des Rechtsstreits, auch soweit er eine Überzahlung feststellt.
2.
Die Bescheide sind rechtswidrig. Die Rechtswidrigkeit folgt bereits aus verwaltungsverfahrensrechtlichen Gründen, da die Bescheide eine rechtmäßige Aufhebung des vorausgegangenen Bescheides vom 20. November 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juli 2004 erfordern, an der es fehlt (dazu a). Ohne dass es darauf noch entscheidend ankommt ist der Senat zudem der Auffassung, dass auch die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Umwertungsbescheides vom 2. November 1991 fehlen, da eine Änderung der Verhältnisse im Sinne einer Kürzung des Rentenwertes nicht eingetreten ist (dazu b).
a. Der streitgegenständliche Bescheid vom 19. August 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2006 ist rechtswidrig, weil der bestandskräftige Bescheid vom 20. November 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juli 2004 entgegensteht (dazu aa) und nicht rechtswirksam aufgehoben wurde (dazu bb). Der Bescheid vom 1. März 2006 ist damit ebenfalls rechtswidrig (dazu cc).
aa. Mit Bescheid vom 20. November 2003 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Neuberechnung seiner Rente ab und führte zur Begründung aus, dass die Feststellungen des Versorgungsträgers im Bescheid vom 1. August 2003 kein Grund für eine Neuberechnung der Rente seien. Damit hat die Beklagte jede Neuberechnung aus diesem Anlass insgesamt abgelehnt, und zwar mit Wirkung für die Vergangenheit wie für die Zukunft und sowohl zu Gunsten als auch zu Ungunsten des Klägers. Indem die Beklagte mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 19. August 2005 nachfolgend doch eine Neuberechnung aus demselben Anlass – wenn auch mit Wirkung für die Zukunft – vornahm, setzte sie sich insoweit in Widerspruch zu dem Bescheid vom 20. November 2003. Der inhaltliche Widerspruch besteht unabhängig davon, ob dem Bescheid vom 20. November 2003 eine Dauerwirkung beizumessen ist. Denn beide Bescheide regeln das Gleiche; sie stellen zudem – wie sogleich gezeigt wird (unter bb (1)) – auf dieselbe Sach- und Rechtslage ab.
bb. Die Beklagte hat den Bescheid vom 20. November 2003 nicht rechtswirksam aufgehoben.
Der Bescheid hatte eine Doppelwirkung sowohl zu Gunsten als auch zu Ungunsten des Klägers. Er hatte begünstigenden Inhalt, soweit er auch eine Rentenneuberechnung mit dem Ergebnis einer Kürzung der Rente ablehnte. Indem der Bescheid vom 15. August 2005 den Umwertungsbescheid vom 2. November 1991 teilweise aufhob und eine Neuberechnung der Rente mit dem Ergebnis einer Rentenkürzung vornahm, hob er zugleich (stillschweigend) den begünstigenden Teil des Bescheides vom 20. November 2003 auf. Die Voraussetzungen hierfür lagen nicht vor.
(1) Für eine Aufhebung gemäß § 48 SGB X fehlt es ungeachtet der Frage, ob der Bescheid vom 23. November 2003 Dauerwirkung hatte, jedenfalls an der erforderlichen wesentlichen Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, die bei seinem Erlass vorgelegen haben.
Der streitgegenständliche Bescheid vom 19. August 2005 erging auf derselben Tatsachengrundlage wie der Bescheid vom 20. November 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juli 2004. Bei Erlass des Bescheides vom 20. November 2003 war der Bescheid des Versorgungsträgers vom 1. August 2003 bestandskräftig und dies war der Beklagten schon bekannt.
Bei Erlass des Bescheides vom 19. August 2005 hatte sich auch die maßgebliche Rechtslage im Vergleich zur Rechtslage bei Erlass des vorausgegangenen Bescheides vom 20. November 2003 nicht geändert. In Betracht kommt insoweit allein die inzwischen ergangene Rechtsprechung des BSG mit Urteil vom 31. März 2004 (B 4 RA 39/03 R), auf die der Bescheid vom 19. August 2005 auch abstellt. Gemäß § 48 Abs. 2 SGB X kann sich jedoch bei Verwaltungsakten mit Dauerwirkung eine nachträglich begründete ständige Rechtsprechung des zuständigen Obersten Gerichtshofs des Bundes, die zu einer anderen Auslegung des Rechts führt, als sie die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes vorgenommen hat, nur zu Gunsten des Berechtigten auswirken. Die Beklagte konnte daher die neue Rechtsprechung des BSG mit Urteil vom 31. März 2004 nur zum Anlass für eine neue Bescheidung zu Gunsten des Klägers nehmen. Abgesehen davon existierte die neue Rechtsprechung bereits bei Erlass des Widerspruchsbescheides am 30. Juli 2004. Außerdem folgt aus ihr gerade nicht tragend, dass die fiktive Einbeziehung in eine Zusatzversorgung zu einer Kürzung der nach § 307a SGB VI berechneten Bestandsrente führen könne. Über eine Rentenkürzung hatte das BSG (a.a.O.) nicht zu entscheiden.
(2) Als Rechtsgrundlage für die (teilweise) Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes bleibt damit allein § 45 SGB X. Nach dieser Vorschrift darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden, allerdings nur unter den Einschränkungen der Abs. 2 bis 4 der Norm. Nach ganz herrschender Meinung (vgl. etwa BSG SozR 3 - 5425 § 24 Nr. 11) erfordert die Rücknahme gemäß § 45 SGB X die Ausübung von Ermessen durch die Behörde ("darf").
Die Beklagte hat in dem streitgegenständlichen Bescheid vom 19. August 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2006 kein Ermessen ausgeübt. Sie hat sich zur Begründung allein auf § 48 SGB X berufen, der im Regelfall keine Ermessensausübung erfordert. Der Bescheid enthält nicht einmal eine ausdrückliche (teilweise) Aufhebung des Bescheides vom 20. November 2003. Es ist nicht erkennbar, dass sich die Beklagte bei Erlass des Bescheides überhaupt darüber bewusst gewesen ist, dass sie den vorausgegangenen Bescheid teilweise aufheben würde. Eine Ermessensbetätigung der Beklagten liegt auch nicht darin, dass sie den Bescheid vom 2. November 1991 nur für die Zukunft und nicht auch für die Vergangenheit aufgehoben hat (vgl. dazu BSG a.a.O.). Dabei handelte es sich nicht um eine Ermessensausübung in Bezug auf die Teilaufhebung des Bescheides vom 20. November 2003, sondern allein um die Anwendung von § 48 SGB X in Bezug auf den Umwertungsbescheid vom 2. November 1991 unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des BSG vom 31. März 2004.
Das Ermessen war für die Beklagte im vorliegenden Fall auch nicht auf Null reduziert. Hierfür müsste ausgeschlossen sein, dass die Umstände nach dem festgestellten Sachverhalt auch eine anderweitige Entscheidung rechtsfehlerfrei zuließen (vgl. etwa BSG SozR 1300 § 45 Nr. 34; BSG SozR 3 -1300 § 40 Nr. 5 und Nr. 10). Anhaltspunkte für eine solche Ausnahmekonstellation bestehen nicht. Ein Absehen von der (teilweisen) Aufhebung des Bescheides vom 20. November 2003 kam aus mehreren Gründen durchaus in Betracht (Alter des Klägers; Geringfügigkeit der angestrebten Rentenänderung; Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes; insgesamt nicht vollständig geklärte Rechtslage, da eine explizite Rechtsprechung zur effektiven Rentenkürzung fehlte). Außerdem war über die Frage einer Besitzstandswahrung zu entscheiden.
cc. Aus dem Bescheid vom 19. August 2005 konnte sich nach alledem keine effektive Verschlechterung des Rentenwertes für den Kläger infolge des Feststellungsbescheides des Versorgungsträgers ergeben. Ob der beklagte Rentenversicherungsträger in dem angegriffenen Bescheid vom 19. August 2005 die vom Versorgungsträger bindend festgestellten Daten über die fiktive Zugehörigkeit des Klägers zur AVItech und die erzielten Einkünfte auch im Übrigen zutreffend bewertet hat oder dies zu einem höheren Rentenwert hätte führen müssen (§ 44 SGB X), bedurfte im Rahmen der (reinen) Anfechtungsklage keiner Klärung. Der Aufhebungsbescheid mit gleichzeitiger Kürzung des Rentenwertes ist jedenfalls rechtswidrig. Das Gleiche gilt damit auch für den Bescheid vom 1. März 2006, der auf dem Aufhebungs- und Kürzungsbescheid vom 19. August 2005 aufbaut. Für die Rentenberechnung bleibt bis auf weiteres der Umwertungsbescheid vom 2. Dezember 1991 mit seinen – gegebenenfalls nachzuholenden – Anpassungen maßgeblich.
b. Ohne dass es darauf noch entscheidend ankommt ist der Senat zudem der Auffassung, dass auch die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Umwertungsbescheides vom 2. November 1991 fehlten. Der begünstigende Teil des Bescheides vom 20. November 2003 entsprach somit tatsächlich der Rechtslage.
aa. Rechtsgrundlage für eine Aufhebung des Umwertungsbescheides konnte nur § 48 SGB X sein. Die Umwertungsbescheide nach § 307a SGB VI – wie hier der Bescheid vom 2. November 1991 – sind auch in den Fällen ursprünglich rechtmäßig ergangen, in denen – wie hier – der Versorgungsträger später durch Feststellungsbescheid eine fiktive Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem festgestellt hat. Insbesondere scheidet eine (rückwirkende) Aufhebung nach § 45 SGB X und eine Neuberechnung der Rente nach § 307b SGB VI aus, da dies einen am 31. Dezember 1991 bestehenden Anspruch auf eine nach dem AAÜG überführte Rente voraussetzt. Ein solcher Anspruch ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG nur gegeben, wenn durch bindenden Verwaltungsakt festgestellt ist, dass der früher Versorgungsberechtigte für Dezember 1991 gegen einen Versorgungsträger das Recht hatte, Zahlung von Versorgung zu verlangen. Das ist bei lediglich fiktiver Zugehörigkeit nicht der Fall (vgl. zu allem BSG 29. Oktober 2002 – B 4 RA 27/02 R; BSG 31. März 2004 – B 4 RA 39/03 R; BSG 27. Juli 2004 – B 4 RA 6/04 R, alle Juris).
bb. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse i.S.v. § 48 SGB X – hier im Sinne einer Kürzung des Rentenwertes – ist nach Auffassung des Senats durch die Datenfeststellungen des Versorgungsträgers im Bescheid vom 1. August 2003 für die Bestandsrente des Klägers nicht eingetreten.
(1) Nach der Rechtsprechung des BSG (29. Oktober 2002 – B 4 RA 27/02 R, Rn. 34 in Juris) kann eine wesentliche Änderung bei der Rente eines Bestandsrentners des Beitrittsgebiets, der 1991 tatsächlich keine Versorgungsrente i.S.v. § 307b SGB VI bezogen hatte, eintreten, wenn der zuständige Versorgungsträger nachträglich unanfechtbar Zeiten und Entgelte aus einer (fiktiven) Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nach den §§ 5 bis 8 AAÜG feststellt. Der Rentenversicherungsträger muss dann auch bei solchen Bestandsrentnern des Beitrittsgebiets, bei denen § 307b SGB VI mangels eines "Versorgungsanspruchs" für Dezember 1991 nicht anwendbar ist, prüfen, ob sich aufgrund der Datenfeststellungen der Monatsbetrag eines bestehenden Rechts auf Rente aus dem SGB VI erhöht (oder erniedrigt). Dann muss der Rentenversicherungsträger gemäß § 48 Abs. 1 SGB X die bisherige Festsetzung mit Wirkung für die Zukunft aufheben (BSG, a.a.O., sowie BSG 31. März 2004 – B 4 RA 39/03 R, Rn. 18 und 24 in Juris).
Die Beklagte war – entgegen der Auffassung des Sozialgerichts – an die bestandskräftigen Feststellungen des Versorgungsträgers aus dem Bescheid vom 1. August 2003 gemäß § 8 Abs. 5 Satz 2 AAÜG gebunden. Es erscheint auch möglich, dass bei der von der Beklagten gewählten Berechnungsweise die Heranziehung der jährlichen Beitragsbemessungsgrenzen der Anlagen 2 und 2b zum SGB VI anstelle von durchschnittlichen jährlichen Höchstwerten sowie der Anlage 1 (Durchschnittsentgelt West) anstelle der Anlage 12 (Ost) im Falle des Klägers zu einem geringeren Rentenwert geführt hat. Ob die von der Beklagten verwendete Methode zur Berücksichtigung dieser Daten bei der Rentenberechnung den Vorgaben des BSG aus der Entscheidung vom 31. März 2004 (a.a.O., Rn. 25 ff.) entspricht, kann aber dahinstehen. Selbst wenn die Berechnung, wie das BSG ausgeführt hat, zu einem höheren oder niedrigeren Rentenwert führen kann, besagt dies allein noch nicht, dass daraus auch im Ergebnis eine effektive Kürzung von Bestandsrenten nach § 307a SGB VI folgt. Diese Frage hat das BSG bislang – soweit ersichtlich – nicht entschieden.
(2) Die Frage ist nach Auffassung des Senats zu verneinen. Ein Bestandsrentner, der niemals Mitglied einer Zusatzversorgung gewesen ist und damit zunächst unter die gesetzliche Regelung des § 307a SGB VI fällt, kann unter Hinweis auf die Feststellung einer "fiktiven" Zugehörigkeit im Ergebnis nicht schlechter gestellt werden als nach § 307a SGB VI. Soweit die vom BSG vorgegebene Methode zur Berücksichtigung fiktiver Zugehörigkeitszeiten im Einzelfall ausnahmsweise zu einem geringeren Rentenwert führt als bei der Berechnung nach § 307a SGB VI, handelt es sich um eine rechtlich nicht erhebliche und damit nicht i.S.v. § 48 SGB X wesentliche Änderung.
Das BSG beruft sich nämlich für die – gesetzlich nicht ausdrücklich angeordnete – Unterwerfung der fiktiven Angehörigen einer Zusatzversorgung unter das Renten-Überführungsregime des AAÜG maßgeblich auf Art. 3 GG (vgl. etwa BSG 9. April 2004 – B 4 RA 41/01 R, Juris). Die dabei genannten Gründe handeln ausschließlich davon, dass es keinen rechtfertigenden Grund für ihre schlechtere Behandlung im Vergleich zu den Personengruppen nach § 1 Abs. 1 AAÜG gebe, die im allgemeinen über die Zusatzversorgung besser gestellt war als die große Gruppe der Angehörigen der SV und FZR. Die in erweiternder Auslegung von § 1 Abs. 1 AAÜG vorgenommene Einbeziehung diente somit allein der Vermeidung einer – nach Auffassung des BSG – ungerechtfertigten Schlechterstellung gegenüber wirklichen bzw. ehemaligen Angehörigen der Zusatzversorgung. Hieran hat der heute zuständige 5. Senat festgehalten (vgl. etwa BSG 19. Oktober 2010 – B 5 RS 3/09 R, Rn. 31 in Juris).
Die Ratio dieser Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG erfordert aber – bezogen auf die Gruppe der Bestandsrentner – eine Beschränkung dahin, dass fiktive Zugehörigkeitszeiten nicht zu einer Schlechterstellung gegenüber der Rechtslage nach § 307a SGB VI führen dürfen. Anderenfalls fehlt es an einer Rechtfertigung für diese Schlechterstellung im Vergleich zu der Gruppe der übrigen Bestandsrentner nach § 307a SGB VI. Das gilt insbesondere mit Blick auf den Umstand, dass die Rentenberechnung nach § 307a SGB VI im Wesentlichen auf tatsächlich erzielte Einkünfte abgestellt hat, für die von den Betroffenen Beiträge abgeführt worden waren. Von den übrigen Bestandsrentnern nach § 307a SGB VI unterscheidet sich der Kläger allein dadurch, dass er Ingenieur in einem der von der AVItech betroffenen Betriebe war. Dieser Umstand vermag es nicht zu rechtfertigen, ihn im Vergleich zu anderen Bestandsrentnern schlechter zu behandeln, indem ein Teil seiner erzielten Einkünfte und Beitragsleistungen nicht rentenwirksam berücksichtigt wird (vgl. dazu BVerfG 28. September 1999 – 1 BvL 22/95, SozR 3-8570 § 6 Nr. 3; BVerfG 23. Juni 2004 – 1 BvL 3/98, SozR 4-8570 § 6 Nr. 3).
Eine Rechtfertigung liegt auch nicht in einer zulässigen pauschalierenden und typisierenden Unterscheidung, wie sie bei der Regelung von Massenphänomenen oft unvermeidbar ist und die eine Ungleichbehandlung im Einzelfall hinnehmbar erscheinen lässt. Denn einer solchen ungerechtfertigten Benachteiligung kann leicht dadurch begegnet werden, dass den "fiktiv" einbezogenen Bestandsrentnern der – bereits feststehende und bekannte – Rentenwert aus der Umwertung nach § 307a SGB VI erhalten bleibt, soweit er im Einzelfall günstiger ist. Dies entspräche auch systematisch den nach § 307b SGB VI vorzunehmenden Vergleichsberechnungen, von denen auch die jeweils günstigste maßgeblich ist.
cc. Der vom BSG (31. März 2004, a.a.O.) beschriebene Weg zur Berücksichtigung fiktiver Zugehörigkeitszeiten zu einem Zusatzversorgungssystem über § 256a SGB VI kann nach Auffassung des Senats daher bei Bestandsrentnern nur dann auf den Rentenwert durchschlagen, wenn sich dieser gegenüber der Umwertung der Bestandsrente nach § 307a SGB VI erhöht. Ein solches Vorgehen entspricht der mit der Rechtsprechung zur "fiktiven" Zusatzversorgung verfolgten Intention, die betroffene Gruppe von den Privilegien der übrigen Zusatzversorgten nicht auszuschließen. Zugleich vermeidet es, sie dadurch gegenüber den übrigen Bestandsrentnern nach § 307a SGB VI im Einzelfall schlechter zu stellen.
3.
Nach alledem war die Berufung der Beklagten als unbegründet zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision i.S.v. § 160 Abs.2 SGG bestanden im Hinblick auf die tragenden Ausführungen zu 2.a. nicht.
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