Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 6 R 562/09
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 300/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 28. Juli 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob die Beklagte zu Recht eine Überzahlung in Höhe von 5.248,15 Euro wegen nicht einbehaltener Beitragsanteile zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung festgestellt hat und ob die Beklagte berechtigt ist, an den Kläger gezahlte Beitragszuschüsse zur Krankenversicherung in Höhe von 3.150,30 Euro zurückzufordern.
Der am ... 1940 geborene Kläger erhielt von der Beklagten ab dem 01. November 2005 eine Regelaltersrente (Bescheid vom 30. August 2005). Nach diesem Bescheid war er nach dem Fünften Buch des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) in der gesetzlichen Krankenversicherung und nach dem Elften Buch des Sozialgesetzbuches – Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) in der sozialen Pflegeversicherung pflichtversichert. Die Rentenhöhe betrug 1.643,56 Euro; der Zahlbetrag belief sich nach Abzug des Versichertenanteils der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung auf 1.487,43 Euro. Anfang April 2006 wurden der Beklagten im maschinellen Meldeverfahren Daten übermittelt, die eine Änderung der Daten zur Krankenversicherung bzw. Pflegeversicherung beinhalteten. Mit Bescheid vom 10. April 2006 erfolgte daraufhin eine Neuberechnung der Altersrente, weil der Kläger nicht der Kranken- und Pflegeversicherungspflicht unterliege. Ab 01. Mai 2006 erhöhte sich dementsprechend der Auszahlbetrag der Rente auf 1.643,56 Euro. Die sich für die Zeit vom 01. November 2005 bis zum 30. April 2006 ergebende Nachzahlung einbehaltener Beitragsanteile zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 936,78 Euro wurde auf das Konto des Klägers überwiesen.
Mit Schreiben vom 07. April 2006 und vom 11. Mai 2006 wies die Beklagte den Kläger zudem darauf hin, dass nach ihren Unterlagen für den Kläger eine freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung bzw. eine Krankenversicherung bei einem privaten Versicherungsunternehmen bestehe und zeigte die Möglichkeit auf, Zuschüsse zur Krankenversicherung zu erhalten. Der Kläger beantragte daraufhin am 24. Mai 2006 bei der Auskunfts- und Beratungsstelle der Beklagten in H. einen Zuschuss zur Krankenversicherung gemäß § 106 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Rentenversicherung. In dem Antragsvordruck ist angekreuzt, dass keine Versicherungspflicht bei einer gesetzlichen Krankenkasse bestehe. Die Beklagte bewilligte dem Kläger deshalb mit Bescheid vom 12. Juni 2006 für die Zeit ab 01. Mai 2006 einen Beitragszuschuss zur Krankenversicherung in Höhe von 113,41 Euro monatlich, der ab 01. Juli 2006 laufend gezahlt wurde. Für die Zeit vom 01. Mai 2006 bis zum 30. Juni 2006 ergab sich dementsprechend eine Nachzahlung in Höhe von 226,82 Euro, die an den Kläger überwiesen wurde.
Mit Schreiben vom 06. Juni 2008 berichtete die Barmer Ersatzkasse (BEK) dem Kläger, dass ihr der Rentenversicherungsträger mitgeteilt habe, dass ihm seit dem 01. November 2005 fälschlicherweise der Beitragszuschuss des Rentenversicherungsträgers ausgezahlt und sein Anteil zur Krankenversicherung der Rentner (KVdR) nicht einbehalten werde. Am 16. Juni 2008 meldete die BEK der Beklagten im maschinellen Verfahren, dass der Kläger seit Rentenbeginn (01. November 2005) in der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung versicherungspflichtig ist. Die Beklagte berechnete angesichts dessen mit Bescheid vom 04. August 2008 die Altersrente des Klägers neu, in dem sie die vom Kläger aufzubringenden Anteile an den Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen abzog. Mit Wirkung ab 01. August 2008 zahlte sie eine dementsprechend verringerte Rente aus und stellte den Zuschuss zur Krankenversicherung ein. Für die Zeit vom 01. November 2005 bis zum 31. Juli 2008 stellte sie eine Überzahlung wegen nicht einbehaltener Beitragsanteile zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 5.248,15 Euro fest. In Anlage 10 des Bescheides hörte die Beklagte den Kläger zu ihrer Absicht an, den überzahlten Betrag aus der weiterhin zu zahlenden Rente einzubehalten und die Bewilligung des Beitragszuschusses zur Krankenversicherung zurückzunehmen sowie überzahlte Zuschüsse in Höhe von 3.150,30 Euro zurückzufordern. Dagegen legte der Kläger am 27. August 2008 Widerspruch ein und führte aus, er habe die Fehlerhaftigkeit nicht gekannt. Da ihm durch die Rückzahlungsforderung eine erhebliche Belastung entstehe, das fehlerhaft überwiesene Geld verbraucht sei und er inzwischen getroffene Dispositionen nicht mehr rückgängig machen könne, müsse er die Forderung ablehnen.
Mit Bescheid vom 03. September 2008 nahm die Beklagte den Bescheid vom 12. Juni 2006 über die Bewilligung der Zuschüsse zur Krankenversicherung gemäß § 45 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) mit Wirkung ab 01. November 2005 zurück und forderte gemäß § 50 Abs. 1 SGB X für die Zeit vom 01. November 2005 bis zum 31. Juli 2008 die Erstattung überzahlter Zuschüsse in Höhe von 3.150,30 Euro. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe erkennen können, dass ihm die Zuschüsse nicht mehr zustehen. Auch im Rahmen der Ermessensausübung könne nicht von der Rückforderung abgesehen werden. Denn sie sei verpflichtet, das Vermögen der Versichertengemeinschaft nach bestem Wissen und Gewissen treuhändisch zu verwalten. Das zwinge zu einer sparsamen Haushaltsführung. Sie sei allerdings bereit, nach Darlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse eine angemessene Teilzahlung zu prüfen.
Dagegen legte der Kläger am 26. September 2008 Widerspruch ein. Er sei mit der Rückforderung in Höhe von 3.150,30 Euro nicht einverstanden, weil er ab Feststellung seiner Altersrente mit Bescheid vom 30. August 2005 davon ausgegangen sei, dass er in der KVdR pflichtversichert sei. Warum die Beklagte eine freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung festgestellt habe, sei für ihn nicht nachvollziehbar. Er sei der Aufforderung der Beklagten gefolgt, einen Beitragszuschuss zur Krankenversicherung zu beantragen. Bei der Beantragung am 24. Mai 2006 sei jedoch keine Beratung erfolgt. Er habe den von der Mitarbeiterin in der Auskunfts- und Beratungsstelle ausgefüllten Antrag nur noch unterschreiben müssen, ohne dass ihm die Tragweite des Antrags und seine Auswirkungen bekannt gemacht worden seien. Mit Bescheid vom 12. Juni 2006 sei ihm der Beitragszuschuss bewilligt worden. Auch in diesem Bescheid sei jedoch nicht erläutert worden, warum der Zuschuss gezahlt werde und welche Pflichten er infolge der Bewilligung gegenüber der Krankenkasse habe. Bis heute sei er davon ausgegangen, dass er in der KVdR pflichtversichert sei. Er könne auf keine finanziellen Rücklagen zurückgreifen und wisse nicht, wovon er die Rückzahlungsforderung begleichen solle.
Während des Widerspruchsverfahrens änderte die Beklagte mit Bescheid vom 09. April 2009 den Bescheid vom 03. September 2008 dahingehend ab, dass die Rücknahme mit Wirkung ab 01. Mai 2006 (statt 01. November 2005) erfolge und dass sich die Rückforderung auf den Zeitraum vom 01. Mai 2006 bis zum 31. Juli 2008 beziehe. Sodann wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juni 2009 die Widersprüche gegen die Bescheide vom 04. August 2008 und vom 03. September 2008, letzterer in der Gestalt des Bescheides vom 09. April 2009, zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Feststellung, dass für die Zeit vom 01. November 2005 bis zum 31. Juli 2008 noch die Beiträge bzw. Beitragsanteile wegen der Pflichtmitgliedschaft in der KVdR in Höhe von 5.248,15 Euro nach § 255 Abs. 2 SGB V und nach § 60 Abs. 1 Satz 2 SGB XI aus der laufenden Rente einzubehalten seien, sei rechtmäßig. Die Vorschrift des § 255 Abs. 2 SGB V räume dem Rentenversicherungsträger keinerlei Ermessensspielraum ein. Auf ein etwaiges Verschulden komme es nicht an. Auch der Bescheid vom 12. Juni 2006 über die Bewilligung des Zuschusses zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung ab 01. Mai 2006 sei zu Recht zurückgenommen worden, denn die Voraussetzungen des § 45 SGB X seien erfüllt. Der Kläger habe bei verständiger Würdigung der Sach- und Rechtslage erkennen müssen, dass die Bewilligung des Zuschusses fehlerhaft erfolgt und damit rechtswidrig gewesen sei. Auch im Wege der Ermessensausübung könne von der Rückforderung nicht, auch nicht teilweise, abgesehen werden. Sie selbst habe die Überzahlung des Beitragszuschusses nicht verschuldet. Zwar müsse sie sich das Mitverschulden der BEK aufgrund der verspätet vorgenommenen Meldung der Versicherungspflicht anrechnen lassen. Dies gebiete jedoch nicht, von der Bescheidaufhebung abzusehen, da ein überwiegendes Verschulden des Klägers vorliege. Auch eine unbillige Härte liege nicht vor, denn die mit jeder Rückforderung verbundene Härte sei hierfür nicht ausreichend.
Dagegen hat der Kläger am 07. Juli 2009 Klage beim Sozialgericht Halle (SG) erhoben und vorgetragen, weil er den Hintergrund des von ihm als verpflichtend verstandenen Aufforderungsschreibens der Beklagten, einen Antrag auf Zuschuss zur freiwilligen Krankenversicherung zu stellen, inhaltlich nicht verstanden habe, habe er am 24. Mai 2006 die Beratungsstelle der Beklagten in Halle aufgesucht. Die dort für ihn zuständige Mitarbeiterin habe ihm gegenüber sinngemäß geäußert, dass er lediglich ein Formular ausfüllen müsse und alles seine Richtigkeit und Ordnung habe. Die Mitarbeiterin habe daraufhin das Formular für ihn ausgefüllt, ein Kreuz für die Gegenzeichnung gesetzt und ihm das Formular gereicht. Nachdem er unterzeichnet habe, habe die Mitarbeiterin das Formular wieder an sich genommen. Eine Beratung sei nicht erfolgt. Er habe im Folgenden auf die Richtigkeit der Rentenbewilligung vertraut, Vermögensdispositionen getroffen und die an ihn gezahlte Rente verbraucht. Grob fahrlässige Unkenntnis der Rechtswidrigkeit könne ihm vor diesem Hintergrund nicht vorgeworfen werden. Auch unter Berücksichtigung der Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten auf Seite 3 des Bescheides vom 12. Juni 2006 gelte nichts anderes. Diese hätten sich ausweislich des Wortlauts auf eine Änderung des Krankenversicherungsverhältnisses bezogen. Eine Änderung habe jedoch nicht vorgelegen, so dass er nichts habe mitteilen können. Außerdem habe die Beklagte das ihr eingeräumte Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Fehlerhaft unberücksichtigt geblieben sei ihr Verhalten selbst, welches sich aus dem Verkennen seines Versicherungsstatus, einer unterlassenen Nachfrage bei der zuständigen Krankenkasse und der falschen bzw. unterlassenen Beratung bei der Antragstellung ergebe. Der Bescheid vom 04. August 2008 hinsichtlich der nicht abgeführten Pflichtbeiträge sei rechtswidrig, weil diese nicht mit einem Male zu erstatten, sondern von der weiteren Rente einzubehalten seien. Auch insoweit sei Ermessen auszuüben, wie sich aus dem Verweis auf § 51 SGB X ergebe. Dies sei nicht erfolgt.
Mit Urteil vom 28. Juli 2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe zu Recht 5.248,15 Euro an nicht abgeführten Pflichtbeiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung gemäß § 255 SGB V und § 60 SGB XI von der Altersrente des Klägers einbehalten. Sie sei auch gemäß §§ 45, 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X berechtigt, 3.150,30 Euro an im Zeitraum vom 01. Mai 2006 bis zum 31. Juli 2008 überzahlten Beitragszuschüssen zur freiwilligen Krankenversicherung zurückzufordern. Im Hinblick auf die Gewährung der Beitragszuschüsse könne sich der Kläger nicht auf Vertrauensschutz berufen. Sein evtl. vorhandenes subjektives Vertrauen auf den Bestand des Bescheides vom 12. Juni 2006 sei objektiv gesehen nicht schutzwürdig. Er habe die Rechtswidrigkeit dieses Verwaltungsaktes zumindest infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt. Die Fristen des § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X und des § 45 Abs. 4 Sätze 1 und 2 SGB X seien gewahrt. Es bestehe auch kein Grund, die Ermessenserwägungen der Beklagten zu beanstanden.
Gegen das am 19. August 2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 19. September 2011 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Ergänzend und vertiefend trägt er vor, ihm sei keine grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Obwohl er mit Rentenbeginn bei der BEK pflichtversichert gewesen sei, seien die zu entrichtenden Beiträge aufgrund eines Fehlers der Beklagten und der Krankenkasse nicht einbehalten bzw. abgeführt worden. Darüber hinaus habe er den Zuschuss zur freiwilligen Krankenversicherung auf ausdrückliche Veranlassung und unter Mitwirkung der Beklagten beantragt. So sei er wiederholt unter Verweis auf seine Mitwirkungspflicht zur Antragstellung aufgefordert worden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 28. Juli 2011 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 04. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2009 aufzuheben, soweit darin für den Zeitraum vom 01. November 2005 bis zum 31. Juli 2008 eine Überzahlung in Höhe von 5.248,15 Euro festgestellt worden ist, und den Bescheid der Beklagten vom 03. September 2008, geändert durch den Bescheid der Beklagten vom 09. April 2009, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2009 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 28. Juli 2011 zurückzuweisen.
Sie hält ihre Entscheidung und das sie bestätigende Urteil des SG für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Senats.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 142, 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und beschweren den Kläger nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Das Urteil des SG ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
1.
Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens als zulässiges Anfechtungsbegehren ist zum Einen die Frage der Rechtmäßigkeit der in dem angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 04. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2009 enthaltenen Feststellung, dass für den Zeitraum vom 01. November 2005 bis zum 31. Juli 2008 wegen nicht einbehaltener Beitragsanteile zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung eine Überzahlung in Höhe von 5.248,15 Euro eingetreten ist. Regelungen zur Verrechnung dieses Betrages mit der laufenden Rente des Klägers enthält der Bescheid – entgegen der Auffassung des SG – nicht. Denn in dem Bescheid ist ausgeführt, dass eine Verrechnung "vorgesehen" ist. Dies beinhaltet aber lediglich die Ankündigung einer Regelung, nicht aber eine Regelung an sich.
Der Kläger ist seit dem Beginn der Regelaltersrente am 01. November 2005 durchgehend Mitglied der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung der Rentner. Dies hat er im Übrigen nach eigenem Bekunden auch selbst immer so gesehen. Die Beitragsnachforderung der Beklagten besteht dem Grunde nach zu Recht und ist auch nicht verjährt.
Zutreffend ist die Beklagte davon ausgegangen, dass der Kläger seit dem 01. November 2005, dem Beginn der Regelaltersrente, in der Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner pflichtversichert ist. Für die gesetzliche Krankenversicherung folgt dies aus § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V und für die Pflegeversicherung aus § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 11 SGB XI. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger ab dem genannten Datum versicherungsfrei nach § 6 SGB V gewesen sein könnte, sind für den Senat nicht erkennbar.
Die Beitragsnachforderung der Beklagten besteht dem Grunde nach zu Recht und ist auch nicht verjährt. Rechtsgrundlagen dafür sind § 255 Abs. 1 Satz 1 Erster Halbsatz SGB V und § 60 Abs. 1 Satz 2 SGB XI. Danach sind für den Fall, dass bei der Zahlung einer Rente die Einbehaltung von Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- oder Pflegeversicherung unterblieben ist, die rückständigen Beiträge durch den Träger der Rentenversicherung aus der weiterhin zu zahlenden Rente einzubehalten. Dies hat die Beklagte rechtsfehlerfrei festgestellt. Auf die Frage, ob die Beklagte oder ein anderer Sozialversicherungsträger hinsichtlich der nachträglichen Erhebung der Beiträge ein Verschulden trifft, kommt es nicht an. Insbesondere finden auch die §§ 44 ff. SGB X in diesen Fällen keine Anwendung (Urteil des erkennenden Senats vom 12. April 2012 – L 1 R 21/10 – mit weiteren Nachweisen). Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes und der Ausübung von pflichtgemäßem Ermessen durch die Beklagte können an dieser Stelle deshalb nicht berücksichtigt werden. Insbesondere verdrängen die besonderen Aufhebungs- und Rückforderungsvorschriften der §§ 255 SGB V und 60 SGB XI die Vorschriften der §§ 44 ff. SGB X (vergleiche § 37 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil, SGB I).
Die Beitragsnachforderung der Beklagten ist auch nicht verjährt. Für die Beitragsansprüche nach § 255 Abs. 1 SGB V (und auch nach § 60 Abs. 1 SGB XI) gilt die vierjährige Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 Satz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (Bundessozialgericht, Urteil vom 15. Juni 2000 – B 12 RJ 6/99 R – zitiert nach juris, Rdnr. 19 f.). Danach verjähren Beitragsansprüche in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Die aus der Altersrente des Klägers für die Zeit vom 01. November 2005 bis zum 31. Juli 2008 zu zahlenden Beiträge waren deshalb bei Erlass des angefochtenen Bescheides vom 04. August 2008 noch nicht verjährt.
2.
Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist zum Anderen, ob die Beklagte mit dem Bescheid vom 03. September 2008, geändert durch den Bescheid vom 09. April 2009, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2009 vom Kläger zu Recht gemäß §§ 45, 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X 3.150,30 Euro an im Zeitraum vom 01. Mai 2006 bis zum 31. Juli 2008 zu Unrecht gezahlte Beitragszuschüsse zur freiwilligen Krankenversicherung zurückfordert. Der Senat verweist insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des SG in seinem Urteil vom 28. Juli 2011 (S. 9 ff.) und macht sich diese gemäß § 153 Abs. 2 SGG zu eigen. In der Berufungsbegründung sind insoweit keine neuen relevanten Tatsachen vorgetragen worden.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Ermessensentscheidung der Beklagten nicht zu beanstanden ist, wobei dahinstehen kann, ob hier – wie das SG gemeint hat – sogar eine Ermessensreduzierung auf Null in Betracht käme. Eine rechtsfehlerfreie Ermessensentscheidung erfordert nach § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB I, dass die Behörde ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung ausübt und dabei die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einhält. Der von der Ermessensentscheidung Betroffene hat dementsprechend einen Anspruch auf pflichtgemäße Ausübung fehlerfreien Ermessens (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB I). In diesem eingeschränkten Umfang unterliegt die Ermessensentscheidung der richterlichen Kontrolle (§ 54 Abs. 2 Satz 2 SGG). Als Ermessensfehler kommen zum einen eine Ermessensunterschreitung bzw. Ermessensnichtgebrauch (die Beklagte unterlässt es, das ihr eingeräumte Ermessen auszuüben), zum anderen eine sogenannte Ermessensüberschreitung (die Beklagte setzt eine im Gesetz nicht vorgesehene Rechtsfolge) in Betracht. Für derartige Ermessensfehler gibt es im vorliegenden Fall keinen Anhaltspunkt. Schließlich stellt es einen Ermessensfehler dar, wenn die Beklagte von dem ihr eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung widersprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Dies ist dann der Fall, wenn die Beklagte ihrer Entscheidung entweder einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde gelegt, für die Entscheidung objektiv wesentliche Gesichtspunkte nicht ermittelt oder berücksichtigt oder objektiv gemessen am Ermächtigungszweck sachfremde bzw. unsachliche Erwägungen zur Entscheidungsgrundlage gemacht hat (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 10. Auflage, 2012, § 54 Rn. 27 ff.).
Vorliegend liegt kein Ermessensfehlgebrauch vor. Die Beklagte hat die objektiv wesentlichen Gesichtspunkte korrekt ermittelt. Zutreffend hat sie ausgeführt, dass sie selbst die Überzahlung des Beitragszuschusses nicht verschuldet hat. Sie hat auch zu Recht berücksichtigt, dass sie sich das Mitverschulden der BEK anrechnen lassen muss. Ebenfalls nicht zu beanstanden ist ihre Schlussfolgerung, nicht von der Bescheidaufhebung abzusehen, weil ein überwiegendes Verschulden des Klägers vorliegt.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob die Beklagte zu Recht eine Überzahlung in Höhe von 5.248,15 Euro wegen nicht einbehaltener Beitragsanteile zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung festgestellt hat und ob die Beklagte berechtigt ist, an den Kläger gezahlte Beitragszuschüsse zur Krankenversicherung in Höhe von 3.150,30 Euro zurückzufordern.
Der am ... 1940 geborene Kläger erhielt von der Beklagten ab dem 01. November 2005 eine Regelaltersrente (Bescheid vom 30. August 2005). Nach diesem Bescheid war er nach dem Fünften Buch des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) in der gesetzlichen Krankenversicherung und nach dem Elften Buch des Sozialgesetzbuches – Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) in der sozialen Pflegeversicherung pflichtversichert. Die Rentenhöhe betrug 1.643,56 Euro; der Zahlbetrag belief sich nach Abzug des Versichertenanteils der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung auf 1.487,43 Euro. Anfang April 2006 wurden der Beklagten im maschinellen Meldeverfahren Daten übermittelt, die eine Änderung der Daten zur Krankenversicherung bzw. Pflegeversicherung beinhalteten. Mit Bescheid vom 10. April 2006 erfolgte daraufhin eine Neuberechnung der Altersrente, weil der Kläger nicht der Kranken- und Pflegeversicherungspflicht unterliege. Ab 01. Mai 2006 erhöhte sich dementsprechend der Auszahlbetrag der Rente auf 1.643,56 Euro. Die sich für die Zeit vom 01. November 2005 bis zum 30. April 2006 ergebende Nachzahlung einbehaltener Beitragsanteile zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 936,78 Euro wurde auf das Konto des Klägers überwiesen.
Mit Schreiben vom 07. April 2006 und vom 11. Mai 2006 wies die Beklagte den Kläger zudem darauf hin, dass nach ihren Unterlagen für den Kläger eine freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung bzw. eine Krankenversicherung bei einem privaten Versicherungsunternehmen bestehe und zeigte die Möglichkeit auf, Zuschüsse zur Krankenversicherung zu erhalten. Der Kläger beantragte daraufhin am 24. Mai 2006 bei der Auskunfts- und Beratungsstelle der Beklagten in H. einen Zuschuss zur Krankenversicherung gemäß § 106 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Rentenversicherung. In dem Antragsvordruck ist angekreuzt, dass keine Versicherungspflicht bei einer gesetzlichen Krankenkasse bestehe. Die Beklagte bewilligte dem Kläger deshalb mit Bescheid vom 12. Juni 2006 für die Zeit ab 01. Mai 2006 einen Beitragszuschuss zur Krankenversicherung in Höhe von 113,41 Euro monatlich, der ab 01. Juli 2006 laufend gezahlt wurde. Für die Zeit vom 01. Mai 2006 bis zum 30. Juni 2006 ergab sich dementsprechend eine Nachzahlung in Höhe von 226,82 Euro, die an den Kläger überwiesen wurde.
Mit Schreiben vom 06. Juni 2008 berichtete die Barmer Ersatzkasse (BEK) dem Kläger, dass ihr der Rentenversicherungsträger mitgeteilt habe, dass ihm seit dem 01. November 2005 fälschlicherweise der Beitragszuschuss des Rentenversicherungsträgers ausgezahlt und sein Anteil zur Krankenversicherung der Rentner (KVdR) nicht einbehalten werde. Am 16. Juni 2008 meldete die BEK der Beklagten im maschinellen Verfahren, dass der Kläger seit Rentenbeginn (01. November 2005) in der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung versicherungspflichtig ist. Die Beklagte berechnete angesichts dessen mit Bescheid vom 04. August 2008 die Altersrente des Klägers neu, in dem sie die vom Kläger aufzubringenden Anteile an den Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen abzog. Mit Wirkung ab 01. August 2008 zahlte sie eine dementsprechend verringerte Rente aus und stellte den Zuschuss zur Krankenversicherung ein. Für die Zeit vom 01. November 2005 bis zum 31. Juli 2008 stellte sie eine Überzahlung wegen nicht einbehaltener Beitragsanteile zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 5.248,15 Euro fest. In Anlage 10 des Bescheides hörte die Beklagte den Kläger zu ihrer Absicht an, den überzahlten Betrag aus der weiterhin zu zahlenden Rente einzubehalten und die Bewilligung des Beitragszuschusses zur Krankenversicherung zurückzunehmen sowie überzahlte Zuschüsse in Höhe von 3.150,30 Euro zurückzufordern. Dagegen legte der Kläger am 27. August 2008 Widerspruch ein und führte aus, er habe die Fehlerhaftigkeit nicht gekannt. Da ihm durch die Rückzahlungsforderung eine erhebliche Belastung entstehe, das fehlerhaft überwiesene Geld verbraucht sei und er inzwischen getroffene Dispositionen nicht mehr rückgängig machen könne, müsse er die Forderung ablehnen.
Mit Bescheid vom 03. September 2008 nahm die Beklagte den Bescheid vom 12. Juni 2006 über die Bewilligung der Zuschüsse zur Krankenversicherung gemäß § 45 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) mit Wirkung ab 01. November 2005 zurück und forderte gemäß § 50 Abs. 1 SGB X für die Zeit vom 01. November 2005 bis zum 31. Juli 2008 die Erstattung überzahlter Zuschüsse in Höhe von 3.150,30 Euro. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe erkennen können, dass ihm die Zuschüsse nicht mehr zustehen. Auch im Rahmen der Ermessensausübung könne nicht von der Rückforderung abgesehen werden. Denn sie sei verpflichtet, das Vermögen der Versichertengemeinschaft nach bestem Wissen und Gewissen treuhändisch zu verwalten. Das zwinge zu einer sparsamen Haushaltsführung. Sie sei allerdings bereit, nach Darlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse eine angemessene Teilzahlung zu prüfen.
Dagegen legte der Kläger am 26. September 2008 Widerspruch ein. Er sei mit der Rückforderung in Höhe von 3.150,30 Euro nicht einverstanden, weil er ab Feststellung seiner Altersrente mit Bescheid vom 30. August 2005 davon ausgegangen sei, dass er in der KVdR pflichtversichert sei. Warum die Beklagte eine freiwillige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung festgestellt habe, sei für ihn nicht nachvollziehbar. Er sei der Aufforderung der Beklagten gefolgt, einen Beitragszuschuss zur Krankenversicherung zu beantragen. Bei der Beantragung am 24. Mai 2006 sei jedoch keine Beratung erfolgt. Er habe den von der Mitarbeiterin in der Auskunfts- und Beratungsstelle ausgefüllten Antrag nur noch unterschreiben müssen, ohne dass ihm die Tragweite des Antrags und seine Auswirkungen bekannt gemacht worden seien. Mit Bescheid vom 12. Juni 2006 sei ihm der Beitragszuschuss bewilligt worden. Auch in diesem Bescheid sei jedoch nicht erläutert worden, warum der Zuschuss gezahlt werde und welche Pflichten er infolge der Bewilligung gegenüber der Krankenkasse habe. Bis heute sei er davon ausgegangen, dass er in der KVdR pflichtversichert sei. Er könne auf keine finanziellen Rücklagen zurückgreifen und wisse nicht, wovon er die Rückzahlungsforderung begleichen solle.
Während des Widerspruchsverfahrens änderte die Beklagte mit Bescheid vom 09. April 2009 den Bescheid vom 03. September 2008 dahingehend ab, dass die Rücknahme mit Wirkung ab 01. Mai 2006 (statt 01. November 2005) erfolge und dass sich die Rückforderung auf den Zeitraum vom 01. Mai 2006 bis zum 31. Juli 2008 beziehe. Sodann wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. Juni 2009 die Widersprüche gegen die Bescheide vom 04. August 2008 und vom 03. September 2008, letzterer in der Gestalt des Bescheides vom 09. April 2009, zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Feststellung, dass für die Zeit vom 01. November 2005 bis zum 31. Juli 2008 noch die Beiträge bzw. Beitragsanteile wegen der Pflichtmitgliedschaft in der KVdR in Höhe von 5.248,15 Euro nach § 255 Abs. 2 SGB V und nach § 60 Abs. 1 Satz 2 SGB XI aus der laufenden Rente einzubehalten seien, sei rechtmäßig. Die Vorschrift des § 255 Abs. 2 SGB V räume dem Rentenversicherungsträger keinerlei Ermessensspielraum ein. Auf ein etwaiges Verschulden komme es nicht an. Auch der Bescheid vom 12. Juni 2006 über die Bewilligung des Zuschusses zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung ab 01. Mai 2006 sei zu Recht zurückgenommen worden, denn die Voraussetzungen des § 45 SGB X seien erfüllt. Der Kläger habe bei verständiger Würdigung der Sach- und Rechtslage erkennen müssen, dass die Bewilligung des Zuschusses fehlerhaft erfolgt und damit rechtswidrig gewesen sei. Auch im Wege der Ermessensausübung könne von der Rückforderung nicht, auch nicht teilweise, abgesehen werden. Sie selbst habe die Überzahlung des Beitragszuschusses nicht verschuldet. Zwar müsse sie sich das Mitverschulden der BEK aufgrund der verspätet vorgenommenen Meldung der Versicherungspflicht anrechnen lassen. Dies gebiete jedoch nicht, von der Bescheidaufhebung abzusehen, da ein überwiegendes Verschulden des Klägers vorliege. Auch eine unbillige Härte liege nicht vor, denn die mit jeder Rückforderung verbundene Härte sei hierfür nicht ausreichend.
Dagegen hat der Kläger am 07. Juli 2009 Klage beim Sozialgericht Halle (SG) erhoben und vorgetragen, weil er den Hintergrund des von ihm als verpflichtend verstandenen Aufforderungsschreibens der Beklagten, einen Antrag auf Zuschuss zur freiwilligen Krankenversicherung zu stellen, inhaltlich nicht verstanden habe, habe er am 24. Mai 2006 die Beratungsstelle der Beklagten in Halle aufgesucht. Die dort für ihn zuständige Mitarbeiterin habe ihm gegenüber sinngemäß geäußert, dass er lediglich ein Formular ausfüllen müsse und alles seine Richtigkeit und Ordnung habe. Die Mitarbeiterin habe daraufhin das Formular für ihn ausgefüllt, ein Kreuz für die Gegenzeichnung gesetzt und ihm das Formular gereicht. Nachdem er unterzeichnet habe, habe die Mitarbeiterin das Formular wieder an sich genommen. Eine Beratung sei nicht erfolgt. Er habe im Folgenden auf die Richtigkeit der Rentenbewilligung vertraut, Vermögensdispositionen getroffen und die an ihn gezahlte Rente verbraucht. Grob fahrlässige Unkenntnis der Rechtswidrigkeit könne ihm vor diesem Hintergrund nicht vorgeworfen werden. Auch unter Berücksichtigung der Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten auf Seite 3 des Bescheides vom 12. Juni 2006 gelte nichts anderes. Diese hätten sich ausweislich des Wortlauts auf eine Änderung des Krankenversicherungsverhältnisses bezogen. Eine Änderung habe jedoch nicht vorgelegen, so dass er nichts habe mitteilen können. Außerdem habe die Beklagte das ihr eingeräumte Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Fehlerhaft unberücksichtigt geblieben sei ihr Verhalten selbst, welches sich aus dem Verkennen seines Versicherungsstatus, einer unterlassenen Nachfrage bei der zuständigen Krankenkasse und der falschen bzw. unterlassenen Beratung bei der Antragstellung ergebe. Der Bescheid vom 04. August 2008 hinsichtlich der nicht abgeführten Pflichtbeiträge sei rechtswidrig, weil diese nicht mit einem Male zu erstatten, sondern von der weiteren Rente einzubehalten seien. Auch insoweit sei Ermessen auszuüben, wie sich aus dem Verweis auf § 51 SGB X ergebe. Dies sei nicht erfolgt.
Mit Urteil vom 28. Juli 2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe zu Recht 5.248,15 Euro an nicht abgeführten Pflichtbeiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung gemäß § 255 SGB V und § 60 SGB XI von der Altersrente des Klägers einbehalten. Sie sei auch gemäß §§ 45, 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X berechtigt, 3.150,30 Euro an im Zeitraum vom 01. Mai 2006 bis zum 31. Juli 2008 überzahlten Beitragszuschüssen zur freiwilligen Krankenversicherung zurückzufordern. Im Hinblick auf die Gewährung der Beitragszuschüsse könne sich der Kläger nicht auf Vertrauensschutz berufen. Sein evtl. vorhandenes subjektives Vertrauen auf den Bestand des Bescheides vom 12. Juni 2006 sei objektiv gesehen nicht schutzwürdig. Er habe die Rechtswidrigkeit dieses Verwaltungsaktes zumindest infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt. Die Fristen des § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X und des § 45 Abs. 4 Sätze 1 und 2 SGB X seien gewahrt. Es bestehe auch kein Grund, die Ermessenserwägungen der Beklagten zu beanstanden.
Gegen das am 19. August 2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 19. September 2011 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Ergänzend und vertiefend trägt er vor, ihm sei keine grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Obwohl er mit Rentenbeginn bei der BEK pflichtversichert gewesen sei, seien die zu entrichtenden Beiträge aufgrund eines Fehlers der Beklagten und der Krankenkasse nicht einbehalten bzw. abgeführt worden. Darüber hinaus habe er den Zuschuss zur freiwilligen Krankenversicherung auf ausdrückliche Veranlassung und unter Mitwirkung der Beklagten beantragt. So sei er wiederholt unter Verweis auf seine Mitwirkungspflicht zur Antragstellung aufgefordert worden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 28. Juli 2011 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 04. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2009 aufzuheben, soweit darin für den Zeitraum vom 01. November 2005 bis zum 31. Juli 2008 eine Überzahlung in Höhe von 5.248,15 Euro festgestellt worden ist, und den Bescheid der Beklagten vom 03. September 2008, geändert durch den Bescheid der Beklagten vom 09. April 2009, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2009 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 28. Juli 2011 zurückzuweisen.
Sie hält ihre Entscheidung und das sie bestätigende Urteil des SG für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Senats.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 142, 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und beschweren den Kläger nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Das Urteil des SG ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
1.
Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens als zulässiges Anfechtungsbegehren ist zum Einen die Frage der Rechtmäßigkeit der in dem angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 04. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2009 enthaltenen Feststellung, dass für den Zeitraum vom 01. November 2005 bis zum 31. Juli 2008 wegen nicht einbehaltener Beitragsanteile zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung eine Überzahlung in Höhe von 5.248,15 Euro eingetreten ist. Regelungen zur Verrechnung dieses Betrages mit der laufenden Rente des Klägers enthält der Bescheid – entgegen der Auffassung des SG – nicht. Denn in dem Bescheid ist ausgeführt, dass eine Verrechnung "vorgesehen" ist. Dies beinhaltet aber lediglich die Ankündigung einer Regelung, nicht aber eine Regelung an sich.
Der Kläger ist seit dem Beginn der Regelaltersrente am 01. November 2005 durchgehend Mitglied der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung der Rentner. Dies hat er im Übrigen nach eigenem Bekunden auch selbst immer so gesehen. Die Beitragsnachforderung der Beklagten besteht dem Grunde nach zu Recht und ist auch nicht verjährt.
Zutreffend ist die Beklagte davon ausgegangen, dass der Kläger seit dem 01. November 2005, dem Beginn der Regelaltersrente, in der Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner pflichtversichert ist. Für die gesetzliche Krankenversicherung folgt dies aus § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V und für die Pflegeversicherung aus § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 11 SGB XI. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger ab dem genannten Datum versicherungsfrei nach § 6 SGB V gewesen sein könnte, sind für den Senat nicht erkennbar.
Die Beitragsnachforderung der Beklagten besteht dem Grunde nach zu Recht und ist auch nicht verjährt. Rechtsgrundlagen dafür sind § 255 Abs. 1 Satz 1 Erster Halbsatz SGB V und § 60 Abs. 1 Satz 2 SGB XI. Danach sind für den Fall, dass bei der Zahlung einer Rente die Einbehaltung von Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- oder Pflegeversicherung unterblieben ist, die rückständigen Beiträge durch den Träger der Rentenversicherung aus der weiterhin zu zahlenden Rente einzubehalten. Dies hat die Beklagte rechtsfehlerfrei festgestellt. Auf die Frage, ob die Beklagte oder ein anderer Sozialversicherungsträger hinsichtlich der nachträglichen Erhebung der Beiträge ein Verschulden trifft, kommt es nicht an. Insbesondere finden auch die §§ 44 ff. SGB X in diesen Fällen keine Anwendung (Urteil des erkennenden Senats vom 12. April 2012 – L 1 R 21/10 – mit weiteren Nachweisen). Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes und der Ausübung von pflichtgemäßem Ermessen durch die Beklagte können an dieser Stelle deshalb nicht berücksichtigt werden. Insbesondere verdrängen die besonderen Aufhebungs- und Rückforderungsvorschriften der §§ 255 SGB V und 60 SGB XI die Vorschriften der §§ 44 ff. SGB X (vergleiche § 37 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil, SGB I).
Die Beitragsnachforderung der Beklagten ist auch nicht verjährt. Für die Beitragsansprüche nach § 255 Abs. 1 SGB V (und auch nach § 60 Abs. 1 SGB XI) gilt die vierjährige Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 Satz 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (Bundessozialgericht, Urteil vom 15. Juni 2000 – B 12 RJ 6/99 R – zitiert nach juris, Rdnr. 19 f.). Danach verjähren Beitragsansprüche in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Die aus der Altersrente des Klägers für die Zeit vom 01. November 2005 bis zum 31. Juli 2008 zu zahlenden Beiträge waren deshalb bei Erlass des angefochtenen Bescheides vom 04. August 2008 noch nicht verjährt.
2.
Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist zum Anderen, ob die Beklagte mit dem Bescheid vom 03. September 2008, geändert durch den Bescheid vom 09. April 2009, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2009 vom Kläger zu Recht gemäß §§ 45, 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X 3.150,30 Euro an im Zeitraum vom 01. Mai 2006 bis zum 31. Juli 2008 zu Unrecht gezahlte Beitragszuschüsse zur freiwilligen Krankenversicherung zurückfordert. Der Senat verweist insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des SG in seinem Urteil vom 28. Juli 2011 (S. 9 ff.) und macht sich diese gemäß § 153 Abs. 2 SGG zu eigen. In der Berufungsbegründung sind insoweit keine neuen relevanten Tatsachen vorgetragen worden.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Ermessensentscheidung der Beklagten nicht zu beanstanden ist, wobei dahinstehen kann, ob hier – wie das SG gemeint hat – sogar eine Ermessensreduzierung auf Null in Betracht käme. Eine rechtsfehlerfreie Ermessensentscheidung erfordert nach § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB I, dass die Behörde ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung ausübt und dabei die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einhält. Der von der Ermessensentscheidung Betroffene hat dementsprechend einen Anspruch auf pflichtgemäße Ausübung fehlerfreien Ermessens (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB I). In diesem eingeschränkten Umfang unterliegt die Ermessensentscheidung der richterlichen Kontrolle (§ 54 Abs. 2 Satz 2 SGG). Als Ermessensfehler kommen zum einen eine Ermessensunterschreitung bzw. Ermessensnichtgebrauch (die Beklagte unterlässt es, das ihr eingeräumte Ermessen auszuüben), zum anderen eine sogenannte Ermessensüberschreitung (die Beklagte setzt eine im Gesetz nicht vorgesehene Rechtsfolge) in Betracht. Für derartige Ermessensfehler gibt es im vorliegenden Fall keinen Anhaltspunkt. Schließlich stellt es einen Ermessensfehler dar, wenn die Beklagte von dem ihr eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung widersprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Dies ist dann der Fall, wenn die Beklagte ihrer Entscheidung entweder einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde gelegt, für die Entscheidung objektiv wesentliche Gesichtspunkte nicht ermittelt oder berücksichtigt oder objektiv gemessen am Ermächtigungszweck sachfremde bzw. unsachliche Erwägungen zur Entscheidungsgrundlage gemacht hat (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 10. Auflage, 2012, § 54 Rn. 27 ff.).
Vorliegend liegt kein Ermessensfehlgebrauch vor. Die Beklagte hat die objektiv wesentlichen Gesichtspunkte korrekt ermittelt. Zutreffend hat sie ausgeführt, dass sie selbst die Überzahlung des Beitragszuschusses nicht verschuldet hat. Sie hat auch zu Recht berücksichtigt, dass sie sich das Mitverschulden der BEK anrechnen lassen muss. Ebenfalls nicht zu beanstanden ist ihre Schlussfolgerung, nicht von der Bescheidaufhebung abzusehen, weil ein überwiegendes Verschulden des Klägers vorliegt.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
SAN
Saved