L 3 R 145/12 B ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 5 R 1427/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 3 R 145/12 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 7. März 2012 wird aufgehoben.

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 7. September 2010 in der Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 15. August 2011 wird angeordnet.

Die Beschwerdegegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 13.116,44 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (im weiteren Bf.) verfolgt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen einen Bescheid zur Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen der Antrags- und Beschwerdegegnerin (im weiteren Bg.).

Die Bg. führte bei der Bf. am 23. Oktober 2009 eine Betriebsprüfung für den Prüfzeitraum vom 15. März 2007 bis zum 31. Dezember 2008 durch. Unter Nr. 1 des Protokolls der Schlussbesprechung wurden die vollständige Aufstellung aller freien Mitarbeiter mit Adresse sowie die Höhe der monatlichen Entgelte pro Mitarbeiter als auch Verträge und andere sachdienliche Unterlagen angefordert. Die Bf. wies unter dem 24. November 2009 darauf hin, im Prüfzeitraum mit Subunternehmern zusammengearbeitet zu haben; für die Überlassung der Anschriften der Subunternehmer bestehe kein Rechtsgrund. Sie überließ der Bg. eine Kopie einer Rahmenvereinbarung, die üblicherweise zwischen den Bf. und den Subunternehmern geschlossen werde. Die von der Bg. daraufhin angeforderten Summen- und Saldenlisten für 2007 und 2008 sowie die Auszüge der vollständigen Kontenblätter des Kontos Fremdleistungen 03100 für 2007 bis 2008 sowie des Kontos Fremdarbeiten 04780 für 2007 und 2008 sowie Kopien der zu diesen Buchungsvorgängen gehörenden Einzelbelege nebst kompletter Rechnungslegung der Auftragsnehmer/Leistungserbringer und der dazugehörigen Verträge (z. B. Werk-, Honorar- und Subunternehmerverträge) übersandte die Bf. nicht. Das Finanzamt Q. teilte der Bg. auf deren Nachfrage am 6. Mai 2010 mit, durch die Bf. seien für den Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Dezember 2007 Fremdleistungen in Höhe von 312.326,23 EUR in Anspruch genommen worden; für weitere Zeiträume ab 2008 lägen bislang keine Unterlagen vor.

Daraufhin teilte die Bg. der Bf. unter dem 20. Juli 2010 mit, es sei bei der Betriebsprüfung am 23. Oktober 2009 festgestellt worden, dass freie Mitarbeiter/Subunternehmer in erheblichem Umfang beschäftigt worden seien. Angeforderte Unterlagen seien nicht übersandt worden. Es müsse daher von abhängig beschäftigten Arbeitnehmern ausgegangen werden. Die Höhe der gezahlten Arbeitsentgelte habe nicht ermittelt werden können. Deshalb habe man sich vom zuständigen Finanzamt die vom 15. März 2007 bis zum 31. Dezember 2007 gemeldeten Fremdleistungen in Höhe von 312.326,23 EUR mitteilen lassen. Hierbei handele es sich um Nettoarbeitsentgelte, welche auf Bruttoarbeitsentgelte hochgerechnet werden müssten. Insoweit würden sich Nachforderungen in Höhe von 207.883,01 EUR zuzüglich Säumniszuschlägen ergeben. Mit Bescheid vom 7. September 2010 erhob die Bg. dann für die Zeit vom 15. März bis zum 31. Dezember 2007 eine Nachforderung in Höhe von insgesamt 281.177,01 EUR; in der Nachforderung seien Säumniszuschläge in Höhe von 73.294,00 EUR enthalten. Zur Begründung wurden die Ausführungen in der Anhörung wiederholt.

Am 10. September 2010 erhob die Bf. Widerspruch und beantragte, den Bescheid vom 7. September 2010 aufzuheben sowie die Vollziehung des Bescheides bis zum rechtskräftigen Abschluss des Widerspruchsverfahrens auszusetzen. Die Aussetzung sei geboten, weil die Vollziehung schwerwiegende Nachteile zur Folge hätte.

Am 21. September 2010 teilte die Bg. zunächst mit, dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nicht zuzustimmen. Die Bf. übersandte daraufhin Listen mit den Namen von Subunternehmern und der an diese gezahlten Beträge. Daraufhin teilte die Bg. unter dem 29. Dezember 2010 mit, aufgrund der nachgereichten Unterlagen sei nicht auszuschließen, dass der Beitragsbescheid nach Abschluss notwendiger Ermittlungen zumindest teilweise zurückzunehmen sei; insoweit werde der Vollzug der Beitragsforderung in voller Höhe bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens ausgesetzt.

Die Bg. versandte daraufhin 52 formularmäßige Anfragen. In 38 Fällen erhielt sie eine Antwort. Nach interner Prüfung anhand eines Vordrucks mit 25 Prüfungspunkten, die aus Sicht der Bg. für/gegen ein Beschäftigungsverhältnis (BV)/selbständige Tätigkeit (SB) sprechen, kam die Bg. in 21 Fällen zu dem Ergebnis, dass von einer Selbständigkeit der befragten Person auszugehen sei. In weiteren vier Fällen ist die Annahme einer versicherungspflichtigen Tätigkeit nicht weiterverfolgt worden. Sechs Personen haben mitgeteilt, beim Bf. nicht gearbeitet zu haben; es müsse sich um eine Verwechselung handeln. Sieben Personen sind aufgrund der Antworten als abhängig Beschäftigte beurteilt worden, namentlich "D." Sch., R. S., M. L., S. H., H. B., J. H. und M. R ... Dabei sind die Prüfungspunkte bei "D." Sch., M. L. und J. H. mit 12/12 (BV/SB), bei S. H. mit 13/11 (BV/SB), bei R. S. mit 18/3 (BV/SB) und bei H. B. mit 17/7 (BV/SB) bewertet worden; bei M. R. war kein Fragebogen eingegangen und dementsprechend keine Auswertung erfolgt. Vierzehn Anfragen sind unbeantwortet geblieben.

Mit Bescheid vom 15. August 2011 half die Bg. dem Widerspruch teilweise ab und setzte die Nachforderung nunmehr mit insgesamt 71.300,27 EUR fest, wobei Säumniszuschläge in Höhe von 18.834,50 EUR enthalten seien. Die weiteren Ermittlungen hätten ergeben, dass etliche Personen eine selbständige Tätigkeit ausgeübt hätten; insoweit ergäben sich keine sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen. Für mehrere Personen sei hingegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis festgestellt worden. Hinsichtlich der Personen ohne Rückmeldung müsse gleichfalls von einer abhängigen Beschäftigung ausgegangen werden, da eine entsprechende Beurteilung aufgrund der durch die Bf. nicht ordnungsgemäß erfüllten Aufzeichnungspflichten und der damit fehlenden Nachweise keine entsprechende Beurteilung möglich gewesen sei. Sofern der Arbeitgeber durch die Verletzung der ihm obliegenden Aufzeichnungspflicht vereitele, dass eine Prüfung durchgeführt werden könne, obliege die Beweislast nicht dem Träger der Rentenversicherung, sondern dem Arbeitgeber (Umkehr der Beweislast). In der Anlage zum Bescheid sind für "S." Sch., R. S., M. L., S. H., H. B., J. H. (vorher Sch.), M. R., T. D., O. D., L. Sch., M. T., R. T., T. F., M. S., W. B., H. G., R. W., L. K., M. B., G. T., G. S. und M. R. Entgelte und die sich daraus errechnenden Sozialversicherungsbeiträge aufgeführt.

Am 16. September 2011 teilte die Bf. mit, den Widerspruch aufrecht zu erhalten. Die von ihr in Anspruch genommenen Auftragnehmer hätten jederzeit versichert, "im eigenen Namen und auf eigene Rechnung" Tätigkeiten auszuführen. Es habe keine regelmäßigen Arbeitszeiten gegeben, teilweise seien Wochen und Monate keine Aufträge an einzelne Subunternehmer vergeben worden. Jeder Subunternehmer sei für die Planung, Durchführung und Abrechnung der Aufträge allein verantwortlich gewesen. Eine Berichtspflicht habe nicht bestanden. Die Form der Ausführung der Aufträge sei allein Entscheidung und Planung des Subunternehmers gewesen. Jeder Subunternehmer habe frei entscheiden können, ob er die Fahrten selber durchführe, dafür eigene Mitarbeiter einsetze oder die Aufträge sogar an andere Subunternehmer weiter vergebe. Jeder Subunternehmer habe auf eigene Kosten gehandelt (Treibstoff-, Mautkosten, fahrzeugspezifische Kosten). Die beauftragten Subunternehmer hätten entweder über eine eigene Homepage verfügt oder seien in den Gelben Seiten als selbständige Tranportunternehmen aufgeführt. Jeder Subunternehmer sei allein verantwortlich für das Gelingen des Auftrages gewesen; es habe eine Kaution in Höhe von 800,00 EUR hinterlegt werden müssen.

Unter dem 26. September 2011 teilte die Bg. der Bf. mit, dass nach Erlass des Abhilfebescheides der beantragten Aussetzung der Vollziehung, bezogen auf die Beitragsnachforderung in Höhe von 71.300,27 EUR, nicht zugestimmt werden könne, da eine unbillige Härte durch den Abschluss von Ratenzahlungsvereinbarungen mit den beteiligten Krankenkassen in der Funktion als Einzugsstellen vermieden werden könne. Zudem bestehe die Möglichkeit, bei dem zuständigen Sozialgericht einen Eilantrag auf Aussetzung der Vollziehung zu stellen. Das öffentliche Interesse an der Vollziehung der Beitragsnachforderung und der Säumniszuschläge überwiege im Ergebnis bei der summarischen Prüfung.

Daraufhin hat die Bf. am 19. Oktober 2011 beim Sozialgericht Magdeburg den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt und die ihr inzwischen zugegangenen Mahnungen und Zwangsvollstreckungsandrohungen einiger Krankenkassen beigefügt. Die Durchführung der Zwangsvollstreckung würde zu Zahlungsunfähigkeit führen; insoweit sind Kontoauszüge der zurückliegenden drei Monate vorgelegt worden.

Die Bg. hat daran festgehalten, ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit ihres Prüfbescheides vom 7. September 2010 in der Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 15. August 2011 bestünden nicht. Sie gehe weiterhin vom Vorliegen von Beschäftigungsverhältnissen aus. Eine unbillige Härte sei nicht nachgewiesen, da die wirtschaftliche Situation der Bf. nicht dargestellt worden sei. Schließlich hat sie Auskünfte von u.a. W. B. und H. G. nachgereicht.

Mit den Beschlüssen vom 16. November 2011 und 7. März 2012 hat das Sozialgericht Magdeburg zunächst die aus dem Rubrum ersichtlichen Beiladungen veranlasst.

Sodann hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 7. März 2012 den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs abgelehnt. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 7. September 2010 in der Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 15. August 2011 bestünden nicht. Für die im Bescheid genannten Personen sei eine abhängige Beschäftigung überwiegend wahrscheinlich, da die Merkmale hierfür nach den bisher vorliegenden Unterlagen überwiegen würden. Die genannten Fahrer hätten im streitgegenständlichen Zeitraum keine eigenen Mittel zur Ausübung der Tätigkeit aufgebracht; dies stehe einem unternehmerischen Risiko entgegen. Eine eigene Betriebsstätte sei nicht eingerichtet gewesen und ein Kapitalverlustrisiko habe nicht bestanden. Kundenakquisition hätten die Fahrer nicht betrieben. Sie hätten keinen Kundenstamm gehabt und die Preise nicht vorgeben können. Für ein unternehmerisches Risiko und somit eine selbständige Tätigkeit spräche hingegen die Vorgabe der Pauschalbeträge seitens der Bf. Diese habe jedoch den Umgang mit den Fahrzeugen (Mitnahme von Personen, Rauchverbot, Überholverbot, Geschwindigkeitsbegrenzung) vorgegeben. Art der Ausführungen der Arbeit, Zeit und Ort seien genau bestimmt gewesen. Eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation der Bf. habe wahrscheinlich ebenfalls vorgelegen. Den aktenkundigen Angaben sei zu entnehmen, dass ein Fahrer nach zwei Tagen ohne Bett und Ruhe nicht mehr gekonnt und gewollt habe und dann in M. am Bahnhof "ausgesetzt" worden sei. Hieraus sei zu schließen, dass dieser Fahrer keinen Einfluss auf den Ablauf der Tätigkeit gehabt habe. Anderen aktenkundigen Angaben sei zu entnehmen gewesen, dass mehrere Fahrer in Trupps organisiert und geschlossen zum Zielort hin sowie vom Zielort wieder wegbefördert worden seien. Diese Organisation durch die Bf. habe Arbeitgebercharakter. Für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses spreche auch die Verteilung von sogenannten Personalnummern; hierfür seien nach den Unterlagen zumindest in Einzelfällen Personalstammblätter auszufüllen gewesen. Hinsichtlich der Fahrer, die Auskünfte nicht erteilt hätten, könnten ebenfalls Beitragszahlungen gefordert werden. Bis auf einen Mustervertrag und eine Liste der Fremdleistungen habe die Bf. keine Unterlagen vorgelegt, die die versicherungsrechtliche Beurteilung der Fahrer ermöglicht habe. Insoweit sei nicht zu beanstanden, dass die Bg. bei der Berechnung der Nachforderung die Liste "Sachkonto Fremdleistungen" zugrunde gelegt habe. Dass die Vollziehung des Beitragsbescheides für die Bf. eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge habe, sei nicht dargetan worden. Eine drohende Zahlungsunfähigkeit sei nicht ersichtlich, zumal die Bg. eine Ratenzahlungs- bzw. Stundungsvereinbarung angeboten habe.

Gegen den ihr am 9. März 2012 zugestellten Beschluss hat die Bf. am 5. April 2012 Beschwerde beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Das Sozialgericht habe im Wesentlichen die Argumente der Bg. wiederholt, der es innerhalb einer fast dreijährigen Verfahrensdauer nicht gelungen sei, belastbare Tatbestandsvoraussetzungen beizubringen. Sie hat nochmals darauf hingewiesen, dass ihr Betätigungsfeld mit 20 Mitarbeitern von vornherein nicht betrieben werden könne. Um Marktchancen zu haben und auf die ständig wechselnde Auftragslage, die sie nicht beeinflussen könne, reagieren zu können, müssten flexibel Subunternehmer beauftragt werden. Schließlich sei sie niemals in der Lage, die erhobene Forderung von ca. 100.000,00 EUR auszugleichen. Ihre knappe Gewinnspanne ließe nachweisbar Zahlungen nicht zu.

Sie beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 7. März 2012 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 7. September 2010 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 15. August 2011 wieder herzustellen.

Die Bg. beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hat nochmals darauf hingewiesen, dass die Bf. die Sachverhaltsermittlung erheblich erschwert und trotz mehrfacher Erinnerungen, mit Ausnahme eines Mustervertrages, keine Unterlagen eingereicht habe. Erst im Widerspruchsverfahren habe aufgrund der eingereichten Unterlagen eine Befragung und versicherungsrechtliche Beurteilung der Mitarbeiter erfolgen können. Im Hinblick auf die vorgetragene wirtschaftliche Härte hat sie nochmals auf die Möglichkeit des Abschlusses von Stundungsvereinbarungen mit den Einzugsstellen hingewiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Bg., die Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats gewesen sind, Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts vom 7. März 2012 wird die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 7. September 2010 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 15. August 2011 angeordnet.

Nach § 86a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung entfällt nach § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG u.a. bei einer Entscheidung über die Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. In den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 4 SGG durch Beschluss die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. In entsprechender Anwendung der Regelung in § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG liegen die Voraussetzungen der Anordnung der aufschiebenden Wirkung vor, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Die Voraussetzungen einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs liegen hier vor.

Zur Überzeugung des Senats bestehen erhebliche Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 7. September 2010 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 15. August 2011.

Die Bg. konnte im Rahmen der Betriebsprüfung gemäß § 28p Abs. 1 Satz 5 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - SGB IV) über die Versicherungspflicht der für die Bf. tätig gewordenen Personen und die Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung durch Verwaltungsakt gegenüber der Bf. entscheiden.

Arbeitgeber ist derjenige, dem der Anspruch auf die von einem Beschäftigten nach Maßgabe des Weisungsrechts geschuldete Arbeitsleistung zusteht und der dem Beschäftigten dafür als Gegenleistung zur Entgeltzahlung verpflichtet ist (so BSG, Urteil vom 27. Juli 2011 - B 12 KR 10/09 R - juris, RdNr. 18). Soweit rechtsfähige Vereinigungen und Institutionen Träger eigener Rechte und Pflichten sind, kommt regelmäßig diesen selbst auch im juristischen Sinne die Arbeitgebereigenschaft zu. Stehen die für die Bf. tätig gewordenen Personen in einem Beschäftigungsverhältnis bei der Bf., ist diese damit gleichzeitig Arbeitgeber im Sinne der Beitragspflicht (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juli 2011, ebenda).

Die Gesamtwürdigung aller Umstände der hier zu beurteilenden Sachverhalte durch den Senat lässt eine abschließende Beurteilung, ob die für die Bf. tätig gewordenen Personen in einem Beschäftigungsverhältnis zu dieser standen, das eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, Pflege-, Rentenversicherung und eine Beitragspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung begründet hätte, nicht zu.

Versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung, der gesetzlichen Rentenversicherung und beitragspflichtig nach dem Recht der Arbeitsförderung sind insbesondere Arbeiter und Angestellte, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V), § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch - Soziale Pflegeversicherung (SGB XI), § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI); § 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung (SGB III)).

Versicherungsfrei sind Personen, die eine geringfügige Beschäftigung (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 SGB IV) ausüben. Geringfügig ist eine Beschäftigung, wenn das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung regelmäßig im Monat 400 EUR nicht übersteigt (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV) oder die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens zwei Monate oder 50 Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im Voraus vertraglich begrenzt wird, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird und ihr Entgelt 400 EUR im Monat übersteigt (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV).

Nach § 7 Abs. 1 SGB IV ist eine Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Bei einer Tätigkeit in einem fremden Betrieb muss ein Beschäftigter in den Betrieb eingegliedert sein und einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegen (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juli 2011, a.a.O. RdNr. 17 m.w.N.). Eine selbständige Tätigkeit ist dagegen charakterisiert durch das eigene Unternehmerrisiko, die Unterhaltung einer eigenen Betriebsstätte und die eigene Verfügung über die Arbeitskraft und deren zeitlichen Einsatz (vgl. BSG, Urteil vom 28. September 2011, juris, RdNr. 16 m.w.N.). Ob jemand im Verhältnis zu einem anderen abhängig beschäftigt ist, richtet sich - ausgehend von den genannten Umständen - nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (vgl. BSG, Urteil vom 28. September 2011, ebenda).

Die Bg. hat hier 52 Anfragen zur sozialversicherungsrechtlichen Feststellung durchgeführt. Davon sind 38 Antworten eingegangen, die in 31 Fällen dazu geführt haben, dass die Bg. von einer selbständigen Tätigkeit ausgegangen ist bzw. kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis angenommen hat. In 14 Fällen sind keine Antworten eingegangen; gleichwohl hat die Bg. ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis angenommen. Bezogen auf sieben Antworten von "D." Sch., R. S., M. L., S. H., H. B., J. H. und M. R. ist die Bg. vom Vorliegen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausgegangen. Die Beurteilung hinsichtlich der zuletzt genannten Personen begegnet Bedenken. H. B. hat nach seinen Angaben ein selbständiges Gewerbe angemeldet, S. H., J. H. und M. R. haben die Fragen "Können/Konnten Sie die Übernahme bestimmter Aufträge ablehnen?" und "Ist/War Ihnen eine weitere Tätigkeit bei anderen Auftraggebern erlaubt?" jeweils mit "Ja" beantwortet; auch ist die Bewertung nach den Prüfungspunkten bei "D." Sch., M. L. und J. H. mit 12/12 (BV/SB) ausgegangen, d.h. der 25. Prüfungspunkt war unbeantwortet geblieben. Trotz des ausgeglichenen Ergebnisses ist die Bg. schematisch vom Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses ausgegangen, ohne insbesondere die oben genannten Punkte, die erheblich für eine selbständige Tätigkeit sprechen, aufzuklären. Die Beantwortung der Fragen durch "D." Sch. ist "S." Schn. zugeschrieben worden, ohne die Personenidentität zu klären. M. L. hat nach seinen Angaben für die Bf. von Dezember 2006 bis August 2007 Aufträge ausgeführt und Listen mit Namen von Personen, die die erteilten Aufträge ausgeführt haben, sowie die anhand dieser Listen erstellten Abrechnungen und Rechnungen vorgelegt. Insoweit hätten weitere konkrete Rückfragen erfolgen müssen, um die einzelnen Umstände der Vertragsbeziehung aufzuklären und zweifelsfrei die Feststellung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses treffen zu können.

R. S. hat angegeben, lediglich vier Tage für die Bf. gearbeitet und 280,00 EUR verdient zu haben. M. R. hat lediglich zwei Tage für die Bf. gearbeitet und 90,00 EUR verdient. In allen vorgenannten Fällen hätten weitere Rückfragen erfolgen müssen, um ein sozialversicherungspflichtiges und nicht lediglich ein von vornherein auf wenige Tage angelegtes und damit versicherungsfreies Beschäftigungsverhältnis zweifelsfrei festzustellen. Auf die Antworten des befragten T. H., wonach dieser als Student lediglich zwei- bis dreimal Autos für die Bf. überführt habe (Bl. 348 Ordner Verwaltungsakte) und des S. G., er habe lediglich zwei- bis dreimal Autos für die Bf. Autos überführt (Bl. 424 Ordner Verwaltungsakte), hat die Bg. ebenfalls - wohl zu Recht - kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis angenommen. Die Frage einer von vornherein vereinbarten kurzzeitigen und damit nicht versicherungspflichtigen Beschäftigung hätte sich auch hinsichtlich des Fahrers auf Probe, der - wie vom Sozialgericht angeführt -, nach zwei Tagen ohne Bett und Ruhe nicht mehr gekonnt und gewollt habe und dann in Münster am Bahnhof "ausgesetzt" worden sei, geklärt werden müssen. In diesem Zusammenhang ist auch von Bedeutung, dass das Argument, die Fahrer seien in Trupps organisiert und geschlossen zum Zielort hin sowie vom Zielort wieder wegbefördert worden, auf der Angabe des R. S., der ebenfalls nur vier Tage als Student und damit ggfs. ebenfalls versicherfrei gearbeitet hat, beruhte (Bl. 374 Ordner Verwaltungsakte). Hieraus den Schluss zu ziehen, dass alle für die Bf. tätig gewordenen Personen im Rahmen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses gearbeitet haben, kann ohne eine weitere Sachverhaltsaufklärung, ggfs. im Rahmen einer persönlichen Anhörung, nicht überzeugen.

Im Hinblick darauf, dass sich mehr als die Hälfte der angefragten Personen als selbständig tätige Auftragnehmer erwiesen haben und auf die oben dargelegten Bedenken in Bezug auf die als sozialversicherungspflichtig Eingestuften kann dann auch nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Personen, die nicht geantwortet haben, im Rahmen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses für die Bf. gearbeitet haben. Die Annahme einer Beweislastumkehr ist vor diesem Hintergrund nicht gerechtfertigt. Denn in den überwiegenden Fällen hat sich herausgestellt, dass für die Bf. selbständige Subunternehmer tätig geworden sind. Insoweit bestehen beim derzeitigen Sachstand ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 ff. Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Kosten sind den Beigeladenen nach § 162 Abs. 3 VwGO nicht zu erstatten.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG). Als Grundlage der Festsetzung hat der Senat ein Viertel der streitigen Beitragsforderung (ohne Säumniszuschläge) in Höhe von 13.116,44 EUR angesetzt (vgl. ständige Rspr. des erkennenden Senats: Beschluss vom 14. Juli 2008 - L 3 B 16/08 R - nicht veröffentlicht; Beschlüsse vom 17. Mai 2010 - L 3 R 408/09 B ER - und - L 3 R 18/10 B ER -, Beschluss vom 11. Mai 2011 - L 3 R 209/ 10 B ER -, juris).

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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