L 8 AY 2/10

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8.
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 10 AY 36/06
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 8 AY 2/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 7 AY 7/12 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 22. Dezember 2009 geändert.

Der Beklagte wird unter weiterer Änderung des Bescheides vom 1. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 2008 verurteilt, der Klägerin vom 8. September 2005 bis zum 31. Dezember 2007 den Barbetrag in Höhe von monatlich weiteren 40,90 EUR bzw. dem für Teilzeiträume eines Monats entsprechenden Anteil hiervon zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist (nur noch) umstritten, ob die Klägerin auch für den Zeitraum vom 1. Juli 2005 bis zum 31. Dezember 2007 einen Anspruch auf den Barbetrag in Höhe von monatlich weiteren 40,90 EUR nach § 3 Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) hat oder ob der Beklagte berechtigt war, ihr (lediglich) Leistungen nach § 1a AsylbLG zu gewähren.

Die Klägerin ist nach ihren Angaben am ... 1964 geboren und m. Staatsangehörige. Ihr nach Einreise in das Bundesgebiet im November 1997 gestellter Asylantrag blieb erfolglos: Mit Beschluss vom 26. Juni 1998 lehnte das Verwaltungsgericht Magdeburg (VG) ihren Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Ablehnung ihres Asylantrags durch das damalige Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge ab. Mit rechtskräftigem Urteil vom 18. Mai 1999 (Az.: A 1 K 45/98) wies das VG ihre Klage gegen die Ablehnung des Asylantrags ab. Mit ebenfalls rechtskräftigem Urteil vom 14. Januar 2008 wies das VG in dem auf den Antrag der Klägerin vom 24. März 2006 geführten Folgeverfahren die Klage auf Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) ab.

Mit mehrfacher Verlängerung wurde die Abschiebung der Klägerin ab Juli 1998 ausgesetzt ("Duldung"). Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis im Sinne von § 30 Abs. 4 Ausländergesetz (AuslG) wurden von der Ausländerbehörde des ehemaligen Landkreises B. bzw. des Landesverwaltungsamtes abgelehnt (Bescheid vom 17. September 2002 und Bescheid des Landkreises B., nunmehr S., vom 6. Juni 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. April 2009 – jeweils bestandskräftig).

Mit Bescheid vom 2. Februar 1999 hatte der damalige Landkreis B. der Klägerin "gemäß § 3 AsylbLG ab Monat Februar 1999 380,00 DM" bewilligt. Im Weiteren ist in diesem Bescheid ausgeführt, dass die Bewilligung der Leistungen nach dem AsylbLG grundsätzlich "für einen Monat" ausgesprochen werde, sofern sich keine Veränderung in den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen ergeben habe. Der Betrag in Höhe von 380,00 DM setzte sich wie folgt zusammen:

- Verpflegung 240,00 DM

- Körperpflege 20,00 DM

- Bekleidung 40,00 DM

- Barbetrag 80,00 DM

Ab 2002 erhielt die Klägerin 194,29 EUR monatlich; der Betrag setzte sich wie folgt zusammen:

- Verpflegung 122,71 EUR

- Körperpflege 10,23 EUR

- Bekleidung 20,45 EUR

- Barbetrag 40,90 EUR

Am 29. August 2000, 31. Juli 2001, 19. März 2002 und 20. April 2004 stellte sich die Klägerin auf Veranlassung der Ausländerbehörde bei der Botschaft von M. zur Ausstellung von Passersatzpapieren vor. Die Klägerin weigerte sich bei den Vorstellungsterminen jeweils, eine ihr vom Botschaftspersonal vorgelegte vorformulierte Erklärung, eine sogenannte Ehrenerklärung, zu unterschreiben. Diese weist folgenden Wortlaut (in französischer und deutscher Sprache) auf:

"Ehrenerklärung

Ich bin m. Staatsangehöriger und ich möchte freiwillig in mein Heimatland zurückkehren. Ich versichere hiermit nicht nach Deutschland zurückzukehren, es sei denn unter den Bedingungen der deutschen Einwanderungsgesetze.

Erklärt gegenüber der Botschaft M. und dem Bundesgrenzschutz.

Name, Vorname, Geburtsdatum, Unterschrift"

Diese Erklärung hat die Klägerin (erst) unter dem 5. November 2009 unterschrieben.

Auf ihren Antrag vom 10. Januar 2003, im Hinblick auf ihren seit November 1997 bestehenden Aufenthalt in Deutschland Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG zu bewilligen, wies der Landkreis B. die Klägerin mit Schriftsatz vom 17. Januar 2003 darauf hin, es sei beabsichtigt, den Antrag abzulehnen sowie die zu gewährenden Leistungen gemäß § 1a AsylbLG um den Barbetrag zu kürzen, da die Klägerin ihren Verpflichtungen zur Mitwirkung im Rahmen der Passersatzbeschaffung nicht nachkomme. Es wurde Gelegenheit gegeben, dies persönlich zu erörtern. Am 11. Februar 2003 wurde die Klägerin nochmals aufgefordert, die "erforderliche Ehrenerklärung" bis zum 14. Februar 2003 abzugeben; anderenfalls unterliege sie der Leistungskürzung nach § 1a AsylbLG. Ausweislich der Niederschrift über ein persönliches Gespräch mit der Klägerin am 12. Februar 2003 habe diese hierzu mitgeteilt, hierfür keine Zeit zu haben.

Mit Bescheid vom 21. Februar 2003 lehnte der Landkreis B. die Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG ab. Die Ausländerbehörde habe mitgeteilt, dass die Klägerin ihren Mitwirkungspflichten im Rahmen der Passersatzbeschaffung nicht nachgekommen sei; insbesondere habe sie die Abgabe einer Ehrenerklärung, die Voraussetzung für die Ausstellung eines Passersatzdokumentes sei, verweigert. Damit falle sie unter den Personenkreis, der eingeschränkte Leistungen nach § 1a AsylbLG erhalte. Ebenfalls unter dem 21. Februar 2003 erteilte der Landkreis B. der Klägerin den Bescheid, ihr "ab Februar 2003" nur noch gekürzte Leistungen nach § 1a AsylbLG zu gewähren. Für den Monat Februar 2003 würden 97,15 EUR (132, 94 EUR abzüglich 56,24 EUR Einbehaltung wegen Krankenhausaufenthalt, zuzüglich 20,45 EUR Bekleidungshilfe) und für den Monat März 153,39 EUR (132, 94 EUR zuzüglich 20,45 EUR Bekleidungshilfe) bewilligt. Die hiergegen eingelegten Widersprüche wurden als unbegründet zurückgewiesen. Die Kürzung nach § 1a AsylbLG sei rechtmäßig (Widerspruchsbescheid vom 2. Juli 2003). Die Anspruchsvoraussetzungen für eine Privilegierung nach § 2 Abs. 1 AsylbLG lägen nicht vor (Widerspruchsbescheid vom 3. Juli 2003). Die Klägerin hat hiergegen nicht Klage erhoben.

Den am 27. April 2004 gestellten weiteren Antrag auf Bewilligung von Leistungen nach § 2 AsylbLG lehnte der Landkreis B. mit bestandskräftigem Bescheid vom 28. Juni 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. Juni 2005 ab.

Am 10. Oktober 2005 stellte die Klägerin beim Sozialgericht Dessau – jetzt Dessau-Roßlau – (SG) den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes mit der Begründung, sie habe Anspruch auf ungekürzte Leistungen nach § 3 AsylbLG. Mit Beschluss vom 14. Februar 2006 lehnte das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mangels eines Anordnungsanspruchs ab. Die Nichtabgabe der Ehrenerklärung sei ein von der Klägerin zu vertretender Grund dafür, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht hätten vollzogen werden können. Die Gewährung von gekürzten Leistungen nach § 1a Nr. 2 AsylbLG sei rechtmäßig.

Die hiergegen eingelegte Beschwerde wies das Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt mit Beschluss vom 28. September 2007 (L 8 B 11/06 AY ER) als unbegründet zurück. Es bestehe kein Anordnungsanspruch. Der Klägerin stünden Leistungen nach § 3 AsylbLG nicht zu, da sie zum Personenkreis des § 1a AsylbLG gehöre. Den formellen und materiellen Anforderungen der Anwendung des § 1a AsylbLG sei vorliegend genügt. Die Klägerin sei nach rechtskräftiger Ablehnung ihres Asylbegehrens unanfechtbar und vollziehbar zur Ausreise verpflichtet. Die Abschiebung in ihr Heimatland M. sei nicht möglich, weil sie nicht über gültige Personalpapiere verfüge. Die Gründe dafür habe allein die Klägerin zu vertreten. Sie habe bei der inzwischen viermaligen Vorsprache bei der Botschaft von M. die von der zuständigen Behörde verlangte Erklärung zu einer freiwilligen Rückkehr nicht abgegeben. Ihr sei bewusst gewesen, dass bei Unterlassen der Abgabe der Erklärung die Ausstellung von Ausreisedokumenten verweigert werden würde mit der Folge, dass eine Abschiebung nach M. weiterhin nicht möglich sein würde. Damit habe die Klägerin die Ursache dafür gesetzt, dass sie nicht abgeschoben und ihr Aufenthalt in der Bundesrepublik nicht habe beendet werden können. Es seien weder von der Klägerin vorgetragen worden noch aus dem Verwaltungsvorgang ersichtlich, dass noch andere Umstände oder Gründe existieren könnten, die einer Abschiebung entgegengestanden hätten. Die Klägerin habe verkannt, dass sie als abgelehnte Asylbewerberin nach § 15 Abs. 2 Nr. 6 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) die gesetzliche Verpflichtung zur Mitwirkung bei der Beschaffung der für eine Ausreise notwendigen Dokumente träfe. Zudem ergebe sich ihre Mitwirkungspflicht bei der Beschaffung von Pass- oder Passersatzpapieren aus den hier anzuwendenden §§ 48 Abs. 3, 49 Abs. 1 des zum 1. Januar 2005 in Kraft getretenen AufenthG. Insbesondere sei nach § 49 Abs. 1 AufenthG jeder Ausländer verpflichtet, die von der Vertretung des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er besitze oder vermutlich besitze, geforderten und mit dem deutschen Recht in Einklang stehenden Erklärungen im Rahmen der Beschaffung von Heimreisedokumenten abzugeben. Die sogenannte Ehrenerklärung entspreche deutschem Recht, denn sie spiegle die Wertungen des geltenden Aufenthaltsrechts wider. Die Erklärung der freiwilligen Rückkehr entspreche der rechtlichen Regelung des § 50 AufenthG, nach der ein Ausländer, der keinen ausländerrechtlichen Aufenthaltstitel besitze, verpflichtet sei, die Bundesrepublik Deutschland – grundsätzlich freiwillig – zu verlassen. Dies sei der Maßstab zur Bewertung der Erklärung der Freiwilligkeit der Rückkehr. Die Verweigerung der Abgabe der Erklärung sei der Klägerin vorwerfbar. Gewichtige Gründe, die die Weigerung der Klägerin, den Regelungen des deutschen Aufenthaltsrechts Folge zu leisten, entschuldigen könnten, seien weder vorgetragen noch aus anderen Gründen zu erkennen.

Im Oktober 2005 hatte der Landkreis B. der Klägerin wegen eines stationären Krankenaufenthaltes in der Zeit vom 7. bis zum 28. September 2005 wegen ersparter Aufwendungen lediglich 46,02 EUR anstelle des ansonsten gezahlten Monatsbetrages von 153,39 EUR ausgezahlt, ohne hierzu einen gesonderten Bescheid zu erteilen.

Bereits am 8. September 2005 hatte die Klägerin (durch ihren Prozessbevollmächtigten) beim Landkreis B. Widerspruch "gegen die Erbringung lediglich nach § 1a AsylbLG gekürzter Leistungen in der Zeit seit dem 1. Oktober 2004" eingelegt. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. August 2006 wies das Landesverwaltungsamt den Widerspruch als unzulässig zurück. Mit Bescheid vom 21. Februar 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. Juli 2003, der nach Ablauf der Klagefrist unanfechtbar geworden sei, seien Höhe und Umfang der Leistungsgewährung nach dem AsylbLG geregelt und aufgrund dessen monatlich Leistungen gewährt worden. Bei der monatlichen Auszahlung handele es sich daher nicht um einen neuen – jeweils anfechtbaren – Verwaltungsakt, sondern um die Umsetzung der mit Bescheid vom 21. Februar 2003 getroffenen Regelung. Der Widerspruch könne daher nur als Antrag auf Überprüfung der derzeitigen Leistungsgewährung gewertet werden. Hiergegen hat sich die Klägerin mit der am 18. September 2006 beim SG erhobenen Klage gewandt und die Bewilligung von Leistungen nach § 3 AsylbLG weiterverfolgt.

Mit Bescheid vom 1. Februar 2008 lehnte der Beklagte sodann den Antrag vom 8. September 2005 auf Gewährung ungekürzter Leistungen nach § 3 AsylbLG für die Zeit ab dem 1. Juli 2005 ab. Als abgelehnte Asylbewerberin und Duldungsinhaberin sei die Klägerin zur Ausreise und zur Mitwirkung an der Klärung ihrer Identität sowie zur Beschaffung von Identitäts- bzw. Ausreisedokumenten verpflichtet. Es seien für die Klägerin bereits mehrere Vorführungstermine bei der m. Botschaft vereinbart worden, die sie auch wahrgenommen habe. Die m. Staatsangehörigkeit sei bestätigt worden. Sie sei aufgefordert worden, eine Ehrenerklärung abzugeben, da diese zwingende Voraussetzungen für die Passersatzausstellung sei. Die Abgabe dieser Erklärung habe sie verweigert mit der Folge, dass bis heute kein Passersatzdokument habe ausgestellt werden können. Zwingende Gründe für die Verweigerungshaltung seien nicht gegeben. Die Abgabe der Ehrenerklärung sei zumutbar. Andere Gründe, die einer Abschiebung entgegenstünden, seien nicht bekannt. Die fehlende Möglichkeit zum Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen beruhe folglich auf von der Klägerin zu vertretenen Gründen. Damit lägen die Kürzungsvoraussetzungen des § 1a AsylbLG weiterhin vor.

Hiergegen legte die Klägerin am 13. Februar 2008 Widerspruch ein. Die Nichtabgabe der Ehrenerklärung bedinge keine Anwendbarkeit des § 1a Nr. 2 AsylbLG. Unabhängig davon sei zu prüfen, ob ihr angesichts ihrer gesundheitlichen Situation eine Rückkehr in ihr Heimatland zumutbar sei oder diese nicht einen wichtigen Grund für die Nichtausreise darstelle.

Daraufhin veranlasste der Beklagte eine Überprüfung der Reisefähigkeit der Klägerin im Rahmen einer ambulanten Untersuchung durch Dipl.-Med. U. am 13. März 2008 im Gesundheitsamt B. Dieser gab an, zur Untersuchung hätten die Epikrisen der Klinik O. M. über den stationären Aufenthalt der Klägerin vom 10. bis zum 18. September 2005 sowie des Klinikums B. über stationäre Aufenthalte der Klägerin 5. bis zum 14. Dezember 2007 und vom 7. bis zum 20. Februar 2008 sowie ein Schreiben der Hausärztin Dr. S. vom 10. März 2008 vorgelegen. Im Hinblick auf die im September 2005 durchgeführte Bandscheibenoperation habe die Klägerin immer noch über rezidivierend auftretende Rückenschmerzen und zeitweise Missempfindungen im linken Bein geklagt. Zudem sei sie wegen einer Lungenentzündung stationär und wegen einer Lungensarkoidose (systemische Erkrankung der Lunge) behandelt worden. Bei der klinischen Untersuchung habe sich eine 44-jährige Frau im guten Ernährungs- und Allgemeinzustand vorgestellt. Es habe sich eine reizlose Narbe nach Bandscheibenoperation gezeigt. Das Lasègue´sche-Zeichen sei beidseits negativ und die Sensibilität über der Außenseite des linken Beines gegenüber dem rechten Bein etwas herabgesetzt gewesen. Aus amtsärztlicher Sicht lägen keine Erkrankungen vor, die eine Reise unmöglich machten.

Das Ordnungsamt/Zentrale Abschiebungsstelle des Landkreises H. teilte dem Landesverwaltungsamt unter dem 2. Mai 2008 mit, dass seit ca. Mitte des vergangenen Jahres die sogenannte Ehrenerklärung nicht mehr zwingend erforderlich sei. Die Botschaft M. stelle allerdings Reisedokumente auch nur noch sehr sporadisch und nur auf Druck von Seiten des Bundespolizeipräsidiums und/oder des Auswärtigen Amtes aus. So seien von den aus Sachsen-Anhalt vorgeführten Ausländern bisher 36 Personen positiv als m. Staatsangehörige durch die Botschaft anerkannt und nach mehrmaligem Einschalten des Auswärtigen Amtes für zehn Personen Rückreisedokumente ausgestellt worden. Für 18 Personen stehe die Ausstellung noch aus und bei acht Personen habe sich die Ausstellung der Rückreisedokumente aufgrund eines Bleiberechtes erübrigt. Werde die Ehrenerklärung jedoch von den Betroffenen gegenüber der Botschaft bekundet, werde "i.d.R. ein Rückreisedokument umgehend ausgestellt". Zum vereinbarten Vorstellungstermin bei der Botschaft am 26. Februar 2008 sei die Klägerin nicht erschienen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Juni 2008 wies das Landesverwaltungsamt den Widerspruch vom 13. Februar 2008 als unbegründet zurück. Ergänzend zu den Ausführungen im angefochtenen Bescheid wurde darauf hingewiesen, dass von der Botschaft M. bei Vorliegen der sogenannten Ehrenerklärung in der Regel umgehend ein Rückreisedokument ausgestellt werde. Insofern beruhe die fehlende Möglichkeit zum Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen derzeit allein auf Gründen, die die Klägerin zu vertreten habe. Auch gesundheitliche Gründe stünden dem nicht entgegen. Der von der Klägerin gestellte Asylfolgeantrag sei abgewiesen worden. Weder der lumbale Bandscheibenvorfall noch der Vortrag, aufgrund des Krankheitsbildes bestehe bei Rückkehr ins Heimatland Lebensgefahr, seien bestätigt worden; Abschiebungshindernisse seien nicht festgestellt worden. Schließlich scheide die rückwirkende Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG unter Hinweis auf Strukturprinzipien des Sozialhilferechts aus. Eine nach Sinn und Zweck des AsylbLG entsprechende Anwendungen des § 44 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – SGB X) schließe aus, unanfechtbar gewordene Leistungsbescheide für die Vergangenheit auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen, diese im Falle der Rechtswidrigkeit aufzuheben und für die Vergangenheit Leistungen zu bewilligen. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 13. November 2003 (5 C 26.02) sei § 44 SGB X auf das Leistungsrecht des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) nicht anwendbar; gleiches gelte somit in analoger Anwendung für die Leistungen nach dem AsylbLG. Das BVerwG habe den Grundsatz "keine Hilfe für die Vergangenheit" als Strukturprinzip des Sozialhilferechts anerkannt.

Die Klägerin hat vor dem SG mit Schriftsatz vom 2. Juli 2008 die Einbeziehung des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 2008 erklärt.

Auf die Anfrage des SG hat das Ordnungsamt/Zentrale Abschiebungsstelle des Landkreises Harz hat unter dem 17. Dezember 2009 mitgeteilt, dass in den Jahren 2003 bis 2007 regelmäßig Rückführungen/Abschiebungen nach M. stattgefunden hätten, ohne dass hierzu statische Erhebungen vorlägen. Seit dem Jahr 2008 seien keine Abschiebungen nach M. mehr veranlasst worden. Grund hierfür sei die gesunkene Kooperationsbereitschaft der Botschaft bei der Ausstellung von Rückreisedokumenten ohne Vorlage von Sachbeweisen, welche nur in den seltensten Fällen von den Betroffenen beigebracht worden seien. Das Interview in der Botschaft reiche nunmehr nicht mehr aus, auch wenn die m. Staatsangehörigkeit außer Frage stehe. Aus diesem Grund sei seit dieser Zeit die Ehrenerklärung nicht mehr erforderlich. Unter dem 18. Dezember 2009 ist ergänzt worden, dass im Jahr 2007 von der Botschaft M. 13 Rückreisedokumente ausgestellt worden seien, wobei aus Sachsen-Anhalt insgesamt nur vier Personen abgeschoben worden seien; die Nichtabschiebung der anderen Personen habe nicht der Botschaft zugerechnet wird können. In 21 Fällen habe sich die Botschaft geweigert, aufgrund fehlender Ehrenerklärungen Rückreisedokumente auszustellen. Seit 2008 werde auf die Ehrenerklärung verzichtet.

Mit Bescheid vom 16. November 2009 hat der Beklagte der Klägerin Leistungen nach § 3 AsylbLG ab dem 5. November 2009 gewährt, d.h. für November 2009 (anteilig) 330,74 EUR und für Dezember 2009 340,92 EUR. Da die Klägerin am 5. November 2009 gegenüber der Ausländerbehörde des Salzlandkreises die Ehrenerklärung unterzeichnet habe, sei davon auszugehen, dass sie ihren Mitwirkungspflichten in gefordertem Maße nachgekommen sei.

Im Verhandlungstermin am 22. Dezember 2009 beim SG hat die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verpflichten, seinen Bescheid vom 21. Februar 2003 ab dem 1. Juli 2005 abzuändern und ihr vom 1. Juli 2005 bis zum 4. November 2009 Leistungen nach § 3 AsylbLG unter Anrechnung der bereits erbrachten Leistungen zu zahlen und den Ablehnungsbescheid vom 1. Februar 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 2008 insoweit aufzuheben, hilfsweise den Änderungsbescheid vom 4. Oktober 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. August 2006 aufzuheben, hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, ihr 107,37 EUR für den Monat Oktober 2005 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 22. Dezember 2009 hat das SG den Beklagten verurteilt, der Klägerin für den Monat Oktober 2005 weitere 107,37 EUR und ihr unter Aufhebung des Bescheides vom 1. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 2008 ab dem 1. Januar 2008 bis zum 4. November 2009 Leistungen nach § 3 AsylbLG zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die Klage sei zulässig und begründet, soweit mit ihr Leistungen nach § 3 AsylbLG für den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 4. November 2009 begehrt worden seien. Da nach der glaubhaften schriftlichen Äußerung der Mitarbeiterin der Zentralen Abschiebestelle in H. seit dem Jahr 2008 nicht mehr nach M. abgeschoben werde, beruhe der Umstand, dass der Aufenthalt der Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland seit diesem Zeitpunkt nicht habe beendet werden können, nicht mehr auf deren Verhalten. Die Klägerin habe daher die Gründe, die ihrer Abschiebung ab dem 1. Januar 2008 entgegenstünden, nicht mehr im Sinne von § 1a AsylbLG zu vertreten. – Die Klage sei zulässig, aber unbegründet, soweit die Klägerin Leistungen nach § 3 AsylbLG auch für den Zeitraum vom 1. Juli 2005 bis zum 31. Dezember 2007 beanspruche. Für diesen Zeitraum habe sie nur Anspruch auf die ihr gewährten Leistungen nach § 1a AsylbLG. Denn die Klägerin sei nach rechtskräftiger Ablehnung ihres Asylbegehrens unanfechtbar und vollziehbar zur Ausreise verpflichtet gewesen. Dem stünden auch keine gesundheitlichen Einschränkungen entgegen; dies sei bereits Gegenstand eines rechtskräftig abgeschlossenen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gewesen. Danach sei bestandskräftig festgestellt, dass Asylgründe ebenso wenig vorlägen wie ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG. Im genannten Zeitraum könnten bei der Klägerin aus von ihr zu vertretenen Gründen aufenhaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden, weil sie sich geweigert habe, die von den zuständigen Behörden ihres Heimatlandes geforderte Erklärung über einen freiwillige Rückkehr abzugeben und mithin an der Passersatzbeschaffung mitzuwirken, obwohl dies von ihr gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylVfG und den §§ 48 ff. AufenthG gefordert werde. Die Abgabe der Ehrenerklärung sei ihr auch zumutbar gewesen. Insoweit verweise die Kammer auf die überzeugenden Ausführungen des LSG Sachsen-Anhalt im Beschluss vom 28. September 2007 (L 8 B 11/06 AY ER). Die Nichtabgabe der Ehrenerklärung sei auch die einzige Ursache dafür, dass die Klägerin im genannten Zeitraum nicht habe abgeschoben werden können. M. habe die Ausstellung von Passersatzpapieren von der Abgabe der Ehrenerklärung abhängig gemacht und nach glaubhafter Auskunft der Zentralen Abschiebestelle seien in den Jahren von 2005 bis 2007 regelmäßig Abschiebungen nach M. vorgenommen worden. Angesichts von 17 von der Zentralen Abschiebestelle dokumentierten Fällen, in denen Passersatzpapiere im Jahr 2007 von der m. Botschaft ausgestellt worden seien, könne von einer objektiven Unmöglichkeit der Abschiebung nach M. im Zeitraum von 2005 bis 2007 nicht ausgegangen werden. Es spreche alles dafür, dass die Klägerin nach M. hätte abgeschoben werden können, wenn sie an der Passersatzbeschaffung mitgewirkt hätte. – Die Klage gegen den Bescheid vom 21. Februar 2003 sei unzulässig, da insoweit die erforderliche Klagefrist nicht eingehalten worden sei. Da der Hauptantrag für den Monat Oktober keinen Erfolg gehabt habe, sei über den Hilfsantrag zu entscheiden gewesen. Mangels eines entsprechenden Verwaltungsaktes sei die Klage als Leistungsklage zulässig und insoweit begründet, als sich die verminderte Leistungsgewährung für den Monat Oktober 2005 als rechtswidrig dargestellt habe.

Das Urteil ist der Klägerin am 27. Januar 2010 zugestellt worden. Auf den Antrag der Klägerin vom 24. Februar 2010, die Sprungrevision zum Bundessozialgericht (BSG) zuzulassen, ist mit Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 17. September 2010 die Revision zum BSG nicht zugelassen worden. Die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) lägen nicht vor. Dieser Beschluss ist der Klägerin am 29. September 2010 zugestellt worden.

Am 26. Oktober 2010 ist beim SG die Berufung der Klägerin gegen das Urteil vom 22. Dezember 2009 eingelegt worden, die am 16. November 2010 beim LSG Sachsen-Anhalt eingegangen ist. Zur Begründung hat die Klägerin vorgetragen, der Botschaft M. sei es mit der Vorgehensweise, die Ausstellung von eine Abschiebung ermöglichenden Heimreisedokumenten davon abhängig zu machen, dass der Betroffenen die sogenannte Ehrenerklärung unterschreibe, erkennbar darum gegangen, zu verhindern, dass m. Staatsangehörige gegen ihren Willen aus Deutschland abgeschoben würden. Das Unterzeichnen der Ehrenerklärung gegen die eigene innere Grundeinstellung bedeute eine Täuschung der m. Stellen. Sie hat sich insoweit auf das Urteil des Oberlandesgericht (OLG) München vom 9. März 2010 (4ST RR 102/09) bezogen, wonach die Freiwilligkeitserklärung sich ihrem Sinne nach nicht darin erschöpfe, dass der Ausländer damit lediglich seine Bereitschaft, der im Bundesgebiet bestehenden Ausreisepflicht ohne staatlichen Zwang Folge leisten zu wollen, dokumentiere. Damit habe sich das OLG auch von der Begründung des Urteils des BVerwG vom 10. November 2009 (1 C 19.08) distanziert. Auch habe der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Beschluss vom 6. Mai 2010 (V ZB 193/09) ausgeführt, dass die Weigerung des Betroffenen, freiwillig in den Libanon zurückzukehren, kein ihm zurechenbarer Zustand sei, durch den ein Abschiebungshindernis geschaffen worden sei. Soweit allerdings sowohl das BVerwG als auch das OLG München in ihren Entscheidungen betont hätten, im Straf- bzw. Abschiebungshaftrecht einerseits und im Verwaltungsrecht andererseits müssten unterschiedliche Maßstäbe gelten, erscheine dies problematisch. Sofern die Verpflichtung zur Abgabe einer unwahren Erklärung einen verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des betroffenen Ausländers darstelle, müsse dies grundsätzlich in alle Rechtsgebiete ausstrahlen. Schließlich sei problematisch, ob für eine sozialrechtliche Norm, hier § 1a AsylbLG, die gleichen Auslegungsgrundsätze wie im Ausländerrecht als Teil des Ordnungsrechts gelten könnten. Im Übrigen sei ihr Vorbringen auch nach § 48 SGB X zu würdigen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 22. Dezember 2009 zu ändern sowie den Bescheid des Beklagten vom 1. Februar 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 2008 auch im Übrigen aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Bescheid vom 21. Februar 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. Juli 2003 zurückzunehmen, und ihr auch vom 1. Juli 2005 bis zum 31. Dezember 2007 den Barbetrag in Höhe von weiteren 40,90 EUR/monatlich zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das Urteil des SG für zutreffend, soweit es Gegenstand der Berufung ist. Es müsse zwischen der strafrechtlichen Beurteilung der Weigerung der Abgabe der Freiwilligkeitserklärung und der sozialrechtlichen Beurteilung einen Unterschied geben. Da die Leistungskürzung nach § 1a AsylbLG keine Sanktion für strafrechtlich relevantes Verhalten darstelle, sondern der eigenständigen leistungsrechtlichen Wertung folge, könne nicht auf die zu der Freiwilligkeitserklärung ergangene strafgerichtliche Rechtsprechung zurückgegriffen werden. Die Klägerin habe lediglich die Erklärung abgeben sollen, freiwillig nach M. zurückkehren zu wollen, und damit nur zu bekunden sollen, was ihr das deutsche Recht ausländerrechtlich zumute und von ihr erwarte. Die Pflicht zur Ausreise habe die Klägerin grundsätzlich freiwillig zu erfüllen. Die Abschiebung dürfe erst erfolgen, wenn die freiwillige Erfüllung der Ausreisepflicht nicht gesichert sei.

Im Berufungsverfahren ist eine Auskunft des Bundespolizeipräsidiums vom 11. August 2011 eingeholt worden. Darin ist bestätigt worden, dass weitere Vorführtermine außer den aktenkundigen nicht stattgefunden hätten; zuletzt habe am 20. April 2004 eine Vorführung der Klägerin bei der Botschaft von M. stattgefunden. Die persönliche Vorstellung der Klägerin in dieser Botschaft sei für die Ausstellung eines Passersatzdokuments unabdingbare Voraussetzung gewesen. In der Zeit ab dem 27. März 2006 wäre der Klägerin auch bei Unterzeichnung der Ehrenerklärung aller Wahrscheinlichkeit nach kein Passersatzdokument ausgestellt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten des Beklagten, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben worden. Gemäß § 161 Abs. 1 Satz 1 SGG beginnt mit der Zustellung des den Antrag auf Zulassung der Revision ablehnenden Beschlusses des SG der Lauf der Berufungsfrist, sofern der Antrag in der gesetzlichen Form und Frist gestellt und die Zustimmungserklärung des Gegners beigefügt war. Der Antrag auf Zulassung der Sprungrevision zum BSG ist am 24. Februar 2010 form- und fristgerecht nach der Zustellung des Urteils vom 22. Dezember 2009 an die Klägerin von dieser am 27. Januar 2010 unter Beifügung der Zustimmungserklärung des Beklagten vom 23. Februar 2010 gestellt worden. Der den Antrag auf Zulassung der Revision ablehnende Beschluss des SG vom 17. September 2010 ist der Klägerin am 29. September 2010 zugestellt worden. Die am 26. Oktober 2010 beim SG eingegangene Berufungsschrift ist damit gemäß § 151 Abs. 1, 2 SGG innerhalb eines Monats beim SG schriftlich eingelegt und an das LSG Sachsen-Anhalt weitergeleitet worden.

Die Berufung ist insoweit begründet, als das SG die auf die Bewilligung und nachfolgende Auszahlung des Barbetrages nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG gerichtete Klage für die Zeit vom 8. September 2005 bis zum 31. Dezember 2007 abgewiesen hat. Im Übrigen ist die Berufung unbegründet; für die Zeit vom 1. Juli bis zum 7. September 2005 hat das SG die Klage zu Recht abgewiesen.

Zulässige Klageart ist die Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage mit dem Ziel der weiteren Änderung des Bescheides vom 1. Februar 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 2008 sowie der Verurteilung des Beklagten zur Bewilligung und Auszahlung weiterer 40,90 EUR monatlich für die Zeit vom 1. Juli 2005 bis zum 31. Dezember 2007.

Am 8. September 2005 hat die Klägerin "Widerspruch gegen die Erbringung lediglich nach § 1a AsylbLG gekürzter Leistungen in der Zeit seit dem 1. Oktober 2004" eingelegt. Da der Widerspruch wegen der bereits abgelaufenen einmonatigen Widerspruchsfrist (§ 84 Abs. 1 Satz1 SGG) unzulässig gewesen ist, ist er darüber hinaus entsprechend dem Willen der Klägerin nach § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auszulegen. Bei der Auslegung eines Antrags ist auf dessen Sinn und Inhalt abzustellen (vgl. Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, § 123 Anm. 3 S. II/111 und § 92 Anm. 1). Dabei ist maßgebend, wie die Erklärung im Augenblick ihrer Abgabe unter Berücksichtigung der aus den Akten erkennbaren Umstände verstanden werden muss (vgl. BSG, Urteil vom 23. Mai 1962 - 9 RV 6/59 - juris). Hier ist der "Widerspruch" der Klägerin im Gesamtzusammenhang dahingehend auszulegen gewesen, dass die Klägerin mit anwaltlicher Hilfe hat zum Ausdruck bringen wollen, dass sie einerseits für in der Vergangenheit liegende Zeiträume und andererseits jedenfalls ab "Widerspruchseinlegung" nicht mehr lediglich Leistungen nach § 1a AsylbLG, sondern insbesondere den Barbetrag nach § 3 Abs. 1 Satz 4 AsylbLG in Höhe von 40,90 EUR bewilligt bekommen wollte.

Dementsprechend hat auch der Beklagte den "Widerspruch" der Klägerin zutreffend als Antrag auf Überprüfung der derzeitigen Leistungsgewährung gewertet und diesen Antrag auf Gewährung ungekürzter Leistungen für die Zeit ab dem 1. Juli 2005 mit Bescheid vom 1. Februar 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 2008 abgelehnt. Dieser Bescheid vom 1. Februar 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 2008 ist gemäß § 99 Abs. 1 und 2 SGG mit dem Antrag des Beklagten, die Klage abzuweisen, zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Im Widerspruchsbescheid vom 16. August 2006 war ausgeführt worden, mit Bescheid vom 21. Februar 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. Juli 2003, der nach Ablauf der Klagefrist unanfechtbar geworden sei, seien Höhe und Umfang der Leistungsgewährung nach dem AsylbLG geregelt und aufgrund dessen monatlich Leistungen gewährt worden. Bei der monatlichen Auszahlung habe es sich um die Umsetzung der mit Bescheid vom 21. Februar 2003 getroffenen Regelung gehandelt. Der Widerspruch könne daher nur als Antrag auf Überprüfung der derzeitigen Leistungsgewährung gewertet werden. Auch über diesen Antrag hat dann der Beklagte mit Bescheid vom 1. Februar 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 2008 entschieden. Damit betreffen der Widerspruchsbescheid vom 16. August 2006 und der Bescheid vom 1. Februar 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 2008 unterschiedliche Streitgegenstände. Eine Einbeziehung gemäß § 96 Abs. 1 SGG kam deshalb nicht in Betracht. Nach § 96 Abs. 1 SGG in der hier noch anzuwendenden Fassung vom 23. September 1975 (BGBl I, 2535) wird, wenn nach Klageerhebung der Verwaltungsakt durch einen neuen abgeändert oder ersetzt wird, auch der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Hier ist keine Abänderung oder Ersetzung des Widerspruchsbescheides vom 16. August 2006 durch den Bescheid vom 1. Februar 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 2008 erfolgt.

Der Bescheid vom 1. Februar 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 2008 ist, soweit er noch Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten gemäß §§ 153 Abs. 2, 54 Abs. 2 SGG, soweit er den Zeitraum vom 1. Juli 2007 bis zum 7. September 2007 betrifft. Ein Anspruch der Klägerin, ihr für die Zeit vom 1. Juli 2007 bis zum 7. September 2007 monatlich weitere 40,90 EUR zu bewilligen, besteht nicht.

Verfahrensrechtlicher Prüfungsmaßstab für diesen Anspruch ist auf der Grundlage des Vorbringens der Klägerin, das Unterzeichnen der sogenannten Ehrenerklärung sei ihr nicht zumutbar gewesen, § 44 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind; Sozialleistungen sind dann für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor dem Antrag auf Rücknahme zu erbringen. Die Zugunstenregelung des § 44 SGB X ist entgegen der vom Beklagten im Widerspruchsbescheid vertretenen - im Weiteren aber nicht mehr aufgegriffenen - Ansicht auch auf Leistungen nach dem AsylbLG anwendbar. Das ergibt sich bereits aus § 9 Abs. 3 AsylbLG. Der im Sozialhilferecht geltende Grundsatz "Keine Hilfe für die Vergangenheit" findet keine Anwendung (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8 AY 5/07 R - SozR 4-3520 § 9 Nr 1).

Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin mit ihrem "Widerspruch" einen Antrag nach § 48 SGB X stellen wollte, sind nicht erkennbar und dementsprechend auch nicht in den angefochtenen Bescheiden behandelt worden.

Mit dem insoweit zu prüfenden Bescheid vom 21. Februar 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. Juli 2003 hatte der Beklagte der Klägerin bestandkräftig "ab Februar 2003" nur noch Leistungen nach § 1a AsylbLG nach § 3 AsylbLG bewilligt. Die in der Folgezeit gezahlten (gekürzten) Leistungen basierten sämtlich auf diesem unanfechtbar gewordenen (Dauer-)Verwaltungsakt. Der Bescheid vom 28. Juni 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. Juni 2005 ist insoweit nicht in die Prüfung einzubeziehen, da der Beklagte darin lediglich über den geltend gemachten Anspruch auf Bewilligung sogenannter Analogleistungen nach § 2 AsylbLG entschieden, aber keine Regelung zu den auf der Basis des Bescheides vom 21. Februar 2003 bewilligten Leistungen getroffen hat.

Der Bescheid vom 21. Februar 2003 war bei seinem Erlass rechtmäßig. Der Beklagte hat zutreffend festgestellt, dass die Klägerin ab dem 1. Februar 2003 zum Personenkreis des § 1a AsylbLG gehörte und ihr kein Anspruch mehr auf Auszahlung des sogenannten Barbetrages zustand. Dabei bedurfte es nicht der teilweisen Aufhebung des Bescheides vom 2. Februar 1999. Der Klägerin waren mit diesem Bescheid zwar "gemäß § 3 AsylbLG ab Monat Februar 1999 380,00 DM" bewilligt worden. Im Weiteren ist in diesem Bescheid aber ausgeführt worden, dass die Bewilligung der Leistungen nach dem AsylbLG grundsätzlich "für einen Monat" ausgesprochen werde, sofern sich keine Veränderung in den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen ergeben habe. Die Zahlungen, die der Bewilligung im Februar 2003 folgten, stellten somit jeweils eine Neubewilligung unter der Maßgabe, dass keine Veränderung in den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen eingetreten sei, dar. Die Klägerin hat demnach ab März 2003 auf der Grundlage der für jeden Monat getroffenen Feststellung der Höhe des Anspruchs durch die tatsächliche Auszahlung ihre Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten.

Voraussetzung für die Zugehörigkeit zum Personenkreis nach § 1a Nr. 2 AsylbLG ist, dass gegen einen geduldeten oder vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer oder dessen Angehörige aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können. Die Möglichkeit, solche Maßnahmen zu vollziehen, muss daher zumindest vorübergehend vollständig ausgeschlossen sein und aufenthaltsbeendende Maßnahmen müssen aus Gründen unmöglich sein, die allein der Leistungsberechtigte zu vertreten hat. Demzufolge darf es keine anderen Gründe geben, die die Ausreise auch dann unmöglich machen, wenn der von dem Leistungsberechtigten zu vertretende Grund hinweggedacht würde.

Die Klägerin ist aufgrund der ihr nach § 60a AufenthG erteilten Duldung Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG und im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 21. Februar 2003 konnten aufenthaltsbeendende Maßnahmen aus Gründen, die sie zu vertreten hatte, nicht vollzogen werden. Unter aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sind alle tatsächlichen oder rechtlichen Handlungen zu verstehen, die notwendig sind, um eine Ausreise herbeizuführen. Nicht vollzogen werden können diese Maßnahmen, wenn die von der zuständigen Ausländerbehörde beabsichtigten oder schon eingeleiteten Maßnahmen nicht vollstreckt werden können (vgl. Fasselt in Fichtner/Wenzel, Kommentar zum SGB XII - Sozialhilfe – AsylbLG, § 1a Rz. 11). Hier war die Nichtabgabe der sogenannten Ehrenerklärung die maßgebende Ursache dafür, dass die Klägerin bei den von der Ausländerbehörde bei der Botschaft des Landes M. in Bonn bzw. Berlin veranlassten Vorführungen keine Passersatzpapiere erhielt und deshalb nicht nach M. zurückgeführt werden konnte.

Hier war die Klägerin nach rechtskräftiger Ablehnung des Asylantrags vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und hatte die im Rahmen der Beschaffung von Heimreisedokumenten erforderlichen Erklärungen abzugeben. Die Nichtabgabe der Ehrenerklärung hatte die Klägerin zur Überzeugung des Senats zu vertreten. Denn einem ausreisepflichtigen Ausländer ist es zumutbar, die von seinem Heimatstaat für die Ausstellung von Reisepapieren geforderte Erklärung gegenüber der Heimatvertretung, freiwillig in das Heimatland zurückzukehren, abzugeben (so auch; Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht (OVG), Urteil vom 11. Dezember 2002 - 4 LB 471/02 -, LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 24. November 2008 - L 7 AY 5149/08 - m.w.N., jeweils juris). Dies ergibt sich aus §§ 49 Abs. 1, 50 Abs. 2 AufenthG. Nach § 49 Abs. 1 AufenthG ist jeder Ausländer verpflichtet, die von der Vertretung des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder vermutlich besitzt, geforderten und mit dem deutschen Recht in Einklang stehenden Erklärungen im Rahmen der Beschaffung von Heimreisedokumenten abzugeben. Nach § 50 Abs. 2 AufenthG hat ein Ausländer das Bundesgebiet unverzüglich oder, wenn ihm eine Ausreisefrist gesetzt ist, bis zum Ablauf der Frist zu verlassen. Die Ausreisefrist endet spätestens sechs Monate nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Ausreisepflicht. Ein ausreisepflichtiger Ausländer ist daher aufenthaltsrechtlich gehalten, das Land freiwillig zu verlassen. Die Rechtsordnung mutet dem Ausländer zu, seiner Ausreisepflicht von sich aus nachzukommen. Die gesetzliche Ausreisepflicht schließt die Obliegenheit für den Ausländer ein, sich auf seine Ausreise einzustellen, zur Ausreise bereit zu sein und einen dahingehenden Willen zu bilden. In diesem Rahmen ist es für einen ausreisepflichtigen Ausländer rechtlich grundsätzlich nicht unzumutbar, zur Ausreise nicht nur willens und bereit zu sein, sondern diese Bereitschaft auch zu bekunden und eine "Freiwilligkeitserklärung" in der hier gegebenen Form abzugeben. Ein entgegenstehender innerer Wille des Ausländers, der die Erklärung mangels Bildung eines entsprechenden Willens als unwahr empfindet, ist aufenthaltsrechtlich regelmäßig unbeachtlich (BVerwG, Urteil vom 10. November 2009 - 1C 19/08 -, BVerwGE 135, 219-225; juris Rz. 14). Die strafrechtlichen Konsequenzen einer Nichtabgabe der sogenannten Ehren- oder Freiwilligkeitserklärung haben keine Auswirkungen auf die Beurteilung im Rahmen des AsylbLG. Denn der Eingriff in die Rechtspositionen des Betroffenen unterliegt im Verwaltungsrecht anderen Grundsätzen als im Strafrecht; hierauf hat auch das OLG München in der von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgelegten Entscheidung vom 9. März 2010 in dem Verfahren 4 St RR 102/09 ausdrücklich hingewiesen (Seite 7). Die Leistungskürzung nach § 1a AsylbLG ist keine Sanktion für strafrechtlich relevantes Verhalten. Die Gesetzesbegründung zu § 1a Nr. 2 AsylbLG (BT-Drucks. 13/10155 S. 5) nennt als Beispiele für vom Leistungsberechtigten zu vertretende Gründe die Vernichtung von Ausweisdokumenten, die Nichtmitwirkung bei der Passbeschaffung und die Vereitelung der Abschiebung, also ein Verhalten, das auf die Verhinderung der Aufenthaltsbeendigung gerichtet ist.

Die Klägerin hat sich bei ihren Vorführungen in der Botschaft M. am 29. August 2000, 31. Juli 2001 und am 19. März 2002 jeweils geweigert, die Ehrenerklärung zu unterschreiben. Wie sich aus den Ermittlungen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren ergibt, wären für die Klägerin bei Unterzeichnung dieser Ehrenerklärung in der Botschaft M. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Passersatzdokumente ausgestellt worden und sie hätte nach M. zurückgeführt werden können. Andere Gründe, die einer Rückführung entgegengestanden hätten, lagen zur Überzeugung des Senats bis zum Erlass des zu überprüfenden Bescheides nicht vor. Das Verhalten der Klägerin war damit ausschließlich ursächlich für die Nichtvollziehbarkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen. Der Klägerin war zudem bekannt, dass die Ausstellung von Passersatzdokumenten ohne die Ehrenerklärung verweigert werden würde mit der Folge, dass sie nicht nach M. zurückgeführt werden würde.

Die Klägerin ist vor Erlass des Bescheides vom 21. Februar 2003 angehört und über die beabsichtigte Entscheidung umfassend informiert worden. Ihr ist ferner eine nochmalige Frist gesetzt worden, innerhalb derer sie sich zur Abgabe der Ehrenerklärung hätte bereit erklären können. Diese Frist war bei Erlass des Bescheides erfolglos verstrichen. Der Beklagte war auch berechtigt, ab Februar 2003 den Barbetrag in Höhe von 40,90 EUR nicht mehr an die Klägerin auszuzahlen. Regelmäßig unterschreitet die Kürzung der Leistungen um den Geldbetrag zur Deckung der persönlichen Bedürfnisse des täglichen Gebrauchs (Taschengeld oder Barbetrag) im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 4 AsylbLG nicht das nach § 1a Nr. 2 AsylbLG vorgesehene Mindestmaß der Leistungen. Denn dieser Betrag gehört in der Regel nicht zu der unabweisbar gebotenen Hilfe, die in der Sicherung des physischen Existenzminimums liegt. Die Geldmittel in Höhe von monatlich 40,90 EUR sind Zusatzleistungen, die ihren Hauptzweck - anders als die Grundleistungen (für Verpflegung, Körperpflege, Bekleidung, Unterkunft und Heizung), die der Klägerin weiterhin ungekürzt bewilligt worden sind - nicht in der bloßen Existenzsicherung haben. Das materielle Existenzminimum der Klägerin war gewahrt, denn sie erhielt weiterhin die Grundleistungen nach § 3 AsylbLG in Form von Geldleistungen nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 AsylbLG in Höhe von 153,39 EUR zuzüglich der notwendigen Kosten für Unterkunft, Heizung und Hausrat. Auch Leistungen bei Krankheit (§ 4 AsylbLG) und sonstige Leistungen (§ 6 AsylbLG) wurden gewährt. Besondere Umstände des Einzelfalls, die eine nur teilweise Kürzung des Barbetrags hätten rechtmäßig erscheinen lassen, sind nicht ersichtlich.

Der Beklagte war auf der Grundlage des rechtmäßigen bestandskräftigen Bescheides vom 21. Februar 2003 berechtigt, der Klägerin von Februar 2003 bis zum 7. September 2005 lediglich das nach § 1a AsylbLG vorgesehene Mindestmaß von Leistungen zu erbringen.

Vom 8. September 2005 bis zum 31. Dezember 2007 stand der Klägerin demgegenüber ein Anspruch auf Bewilligung und Auszahlung von weiteren 40,90 EUR bzw. für September 2005 der entsprechende Anteil hiervon zu. Insoweit waren das Urteil des SG und der Bescheid des Beklagten vom 1. Februar 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 2008 über die Entscheidung des SG hinausgehend abzuändern.

Maßgebend ist, da es sich bei dem Barbetrag nach § 3 Abs. 1 Satz 4 AsylbLG um eine antragsabhängige Sozialleistung handelt (so auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25. September 2008 - L 7 288/08 AS – juris), der Eingang des auch als Antrag auf Bewilligung von Leistungen nach § 3 Abs. 1 Satz 4 AsylbLG auszulegenden "Widerspruchs" der Klägerin bei der Beklagten am 8. September 2005. Während in dem am 12. Oktober 2005 bei dem Beklagten eingegangenen Schriftsatz der Klägerin ausdrücklich ein solcher Neuantrag enthalten war, lässt auch das Widerspruchsschreiben die vom Beklagten im Bescheid vom 1. Februar 2008 dokumentierte Auslegung als Neuantrag zu.

Im Zeitpunkt dieser Antragstellung gehörte die Klägerin nicht mehr zum Personenkreis des § 1a AsylbLG. Denn sie hatte zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zu vertreten, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden konnten. Die Nichtabgabe der sogenannten Ehrenerklärung war nicht mehr die maßgebende Ursache für die fehlende Möglichkeit, sie nach M. zurückzuführen.

Eine persönliche Vorstellung der Klägerin bei der Botschaft M. wäre unabdingbare Voraussetzung für eine Rückführung gewesen. Die Nichtabgabe der Ehrenerklärung gegenüber dem Beklagten war ohne Bedeutung für die unterbliebene Rückführung. Eine Rückführung hätte nur erfolgen können, wenn die Klägerin - wie regelmäßig in den Jahren 2000 bis 2004 - auf Veranlassung der Ausländerbehörde bei der Botschaft des Landes M. vorgeführt worden wäre, um dort die vom Botschaftspersonal vorgefertigte und dort vorgelegte Erklärung zu unterschreiben. Eine solche Vorführung war vor dem Neuantrag zuletzt am 20. April 2004 erfolgt. Dies ergibt sich aus den Verwaltungsakten des Beklagten und der Auskunft der Bundespolizei vom 11. August 2011. Insoweit konnte sich der Beklagte im Zeitpunkt der Bescheidung des Neuantrages der Klägerin vom 8. September 2005 nicht mehr auf die schon bei Antragstellung bereits siebzehn Monate zurückliegende erfolglose Vorführung berufen.

Zudem war die Klägerin vom 10. bis zum 28. September 2005 wegen der durchgeführten Bandscheibenoperation in stationärer Behandlung. Die Bandscheibenoperation ist eine Folge langjähriger Rückenbeschwerden der Klägerin gewesen, so dass auch aus gesundheitlichen Gründen jedenfalls im Zeitraum der stationären Behandlung eine Rückführung nicht möglich war. Insoweit war auch noch am 2. Dezember 2005 eine Nachbehandlung in der Klinik für Neurochirurgie erforderlich. Eine unverschuldet entstandene persönliche Reiseunfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen ist ein nicht zu vertretender Umstand (vgl. Fasselt in Fichtner/Wenzel, a.a.O. § 1a AsylbLG Rz.14).

Ferner hatte die Klägerin am 24. März 2006 einen Folgeasylantrag gestellt. Damit hatte die Klägerin ab diesem Zeitpunkt bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Magdeburg am 14. Januar 2008 auch deshalb den weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet "nicht zu vertreten" (vgl. GK-AsylbLG § 1a Rn. 131).

Wie sich aus der im Berufungsverfahren eingeholten Auskunft des Bundespolizeipräsidiums vom 11. August 2011 ergibt, hätte die Unterzeichnung der Ehrenerklärung ohnehin nur noch in der Zeit bis zum 27. März 2006 grundsätzlich zum Erhalt eines Passersatzdokuments und somit zur Rückführung nach M. führen können. Dies ergibt sich aus den Ausführungen zum Ablauf der Botschaftsanhörungen mit dem Ziel der Ausstellung von Passersatzdokumenten zur Rückführung von m. Staatsangehörigen in der o.g. Auskunft.

Von der Klägerin konnte schließlich nicht verlangt werden, sich freiwillig in der Botschaft M. vorzustellen, um dort um die Ausstellung eines Passersatzdokumentes und die Rückführung nach M. zu ersuchen. Zwar ist aus der Stellungnahme des Bundespolizeipräsidiums vom 11. August 2011 ersichtlich, dass alle Personen, die bei der Botschaft M. vorstellig geworden sind und dort um Rückführung in ihr Heimatland gebeten haben, jederzeit zurückgeführt worden sind. Es ist jedoch von der Klägerin "nicht zu vertreten", dass sie dies nicht getan hat. Denn die Anwendbarkeit von § 1a Nr. 2 AsylbLG setzt - wie oben ausgeführt - die Verhinderung des Vollzugs aufenthaltsbeendender Maßnahmen voraus (vgl. GK-AsylbLG § 1a Rn. 98 ff;).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass die Klägerin mit ihrer Klage und Berufung im Wesentlichen erfolgreich war. In der Zeit vom 1. Juli 2005 bis zum 4. November 2009 ist ihr der Barbetrag mit Ausnahme von nur 69 Tagen zuerkannt worden.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt. Gemäß § 1 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz Sachsen-Anhalt (VwVfG LSA vom 18. November 2005) i.V.m. § 80 Abs. 2 VwVfG (in der Fassung vom 23. Januar 2003), die wegen der im AsylbLG fehlenden Verweisung auf § 63 SGB X hier Anwendung finden, ist die Erstattungsfähigkeit von Kosten eines Bevollmächtigten im Vorverfahren nur unter der Voraussetzung der konkreten Notwendigkeit anzuerkennen. Das bedeutet, dass die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren unter Würdigung der jeweiligen Verhältnisse vom Standpunkt einer verständigen Partei aus zu beurteilen ist. Notwendig ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts nur dann, wenn es der Partei nach ihren persönlichen Verhältnissen und wegen der Schwierigkeiten der Sache nicht zuzumuten war, das Vorverfahren selbst zu führen (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Juni 2011 - 10 N 47.09 - juris). Hier hat sich die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten als notwendig erwiesen, da die Klägerin als rechtsunkundige Ausländerin der Unterstützung durch einen Rechtskundigen bedurfte.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht. Eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der Abgabe der sogenannten Ehrenerklärung ist nicht erkennbar, da im Rahmen der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 1a AsylbLG sämtliche Umstände des Einzelfalls auch für das konkrete Heimatland des Leistungsberechtigten zu prüfen sind, die dann in der Gesamtschau zu einer abschließenden Beurteilung führen.
Rechtskraft
Aus
Saved