L 8 SO 5/12 B ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 16 SO 163/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 8 SO 5/12 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 31. Januar 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander im Beschwerdeverfahrens keine Kosten zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller (im Weiteren: Ast.) begehrt im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung des Antragsgegners (im Weiteren: Ag.) zur Übernahme von Kosten eines behinderungsbedingten Mehrbedarfs im Rahmen der Betreuung durch den Beigeladenen.

Bei dem am ... 2005 geborenen Ast. entwickelten sich in Folge eines Hirninfarktes im Bereich der arteria cerebri media rechts (ICD-10 G 80.1) am zehnten Lebenstag eine linksbetonte spastische Tetraparese sowie eine fokale Epilepsie. Nach der von Dipl.- Med. H. erstellten amtsärztlichen Stellungnahme vom 8. Mai 2006 gehört der Ast. zum Personenkreis des § 53 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII); aufgrund seiner schweren körperlichen Behinderung sei eine ganzheitliche Förderung in einer integrativen Kindereinrichtung erforderlich. Der Landkreis gab unter dem 8. August 2006 ein schriftliches Anerkenntnis im Namen des Ag. für die Kosten des Aufenthaltes des Ast. in der von dem Beigeladenen betriebenen Kindertagesstätte "W." für die Zeit vom 1. September 2006 zum 31. Oktober 2008 ab. Der geltende Monatssatz betrage - für den über dreijährigen Ast. - 880,96 EUR. Nachfolgend wurde ein Monatssatz in Höhe von 898,98 EUR bewilligt (Bescheide vom 8. September 2008). Auf den Antrag des Ast. vom 30. Oktober 2008 auf Weiterbetreuung durch den Beigeladenen ab dem 1. November 2008 gab der Landkreis für den Zeitraum vom 1. November 2008 bis zum 31. Oktober 2010 im Namen des Ag. weiterhin ein Kostenanerkenntnis mit einem Monatssatz in Höhe von 898,58 EUR ab (Bescheid vom 28. November 2008). Gegen diesen Bescheid legte der Ast. keinen Rechtsbehelf ein.

Unter dem 27. Mai 2009 beantragte der Beigeladene die Erstattung eines behinderungsbedingten Mehrbedarfs zur Sicherstellung von Leistungen bei der Betreuung des Ast. Zur Begründung führte er aus, das Entwicklungsbild des Kindes zeige eine schwere komplexe Behinderung. Die ausgeprägte linksbetonte Tetraspastik bedinge eine starke Hypotonie der Muskulatur, die alle Bewegungsabläufe stark verändere. Aufgrund der entwickelten Asymmetrie in Haltung und Bewegung könne der Ast. weder selbständig stehen noch gehen oder von sich aus bewusst eine Körperhaltung einnehmen. Er benötige im gesamten Tagesverlauf heilpädagogische Unterstützung. Anderenfalls bestehe die Gefahr von frühzeitigen Haltungsschäden, Kontrakturen, Bewegungseinschränkungen und Deformierungen der Gelenke. Aufgrund des Hirninfarktes sei das Sprachzentrum geschädigt und die Mundsensorik gestört. Der Ast. könne nicht sprechen und sich nur durch Lautieren sowie Mimik und Gestik verständlich machen. Ihm sei deshalb seit Oktober 2008 ein kommunikationsunterstützendes Hilfsmittel - ein symbolgestützter Talker - zur Verfügung gestellt worden. Das Erlernen der sicheren Nutzung dieses Talkers sei sehr langwierig und aufwendig und nur in enger Zusammenarbeit zwischen Logopädin, heilpädagogischer Bezugserzieherin, Eltern und dem Ast. möglich. Der Ast. sei seit August 2008 von einer Kleingruppe in eine Integrationsgruppe mit zwölf normal entwickelten und vier behinderten Kindern eingegliedert. Mit dieser Eingliederung werde dem Ast. die Diskrepanz zwischen seinen Bedürfnissen und seinen körperlichen Grenzen zunehmend bewusster, was sich häufiger in Frustration und emotionaler Instabilität ausdrücke. Er brauche eine verlässliche Bezugsperson, die ihm in diesen Situationen emotionale Sicherheit und das Gefühl von Angenommensein vermittele sowie im Rahmen seiner Entwicklungsmöglichkeiten helfe, Erfolg und Selbstwirksamkeit zu erleben. Diese Leistungen könnten nur mit besonders erfahrenem und geschultem Fachpersonal sichergestellt werden. Zur Sicherstellung der Leistungen sei eine 1:1-Betreuung notwendig. Es werde die Finanzierung des zusätzlichen behinderungsbedingten Mehrbedarfes im Umfang von monatlich 1.663,37 EUR ab dem 1. Juni 2009 beantragt. Dem Antrag sind eine Kostenkalkulation sowie die Aufstellung des individuellen Hilfebedarfs beigefügt; wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 34 bis 43 der medizinischen Beiakte des Ag. Bezug genommen.

Daraufhin begutachtete P. S.l vom Reha-pädagogischen Fachdienst den Ast. am 17. März 2010 in der von dem Beigeladenen betriebenen Kindertagesstätte. In Folge der linksbetonten spastischen Tetraparese könne sich der Ast. nur einhändig im Rollstuhl fortbewegen. Beim Geradeausfahren oder Kurveneinschlagen bedürfe er Hilfe. Zu den täglich erforderlichen Laufübungen habe er einen Lauftrainer, wobei die Laufstrecke derzeit 5 Meter betrage. Der Ast. könne sich in Folge des Infarktes nicht akustisch ausdrücken. Er mache mit Hilfe von Lautieren auf sich aufmerksam und benutze zur Verständigung einen Talker. Bei den Beschäftigungen in der Gruppe könne er nur mit individueller Hilfestellung teilnehmen, da die linke Hand nicht benutzt werden und er seine Wünsche und Antworten nur mit dem Talker äußern könne. Das Essen sei eingeschränkt mit der rechten Hand möglich, das Schlucken erschwert. Seine Ausscheidung habe der Ast. nicht unter Kontrolle; er trage Windeln. Bei der Handwäsche nach dem Toilettengang benötige er Hilfe. Zur Mittagsruhe, ca. von 12.15 Uhr bis 14.00 Uhr, befinde er sich in der Gruppe, wobei eine zusätzliche Gruppenerzieherin zur Beaufsichtigung der Kinder nicht erforderlich sei. Der Ast. habe, seitdem er eine Fachkraft zur Seite habe, welche die individuellen Fördermaßnahmen erbringe, große Fortschritte gemacht. Seine kognitiven Fähigkeiten müssten aber weiter ausgebaut werden. Er befinde sich von ca. 7.30 Uhr bis ca. 14.45 Uhr in der Einrichtung. Er erhalte zweimal wöchentlich eine Psychotherapie (insgesamt 1 Stunde 15 Minuten) und einmal eine logopädische Behandlung (40 Minuten), wobei es sich hierbei um Krankenkassenleistungen handele. Aus rehabilitativer Sicht liege ein individueller Mehrbedarf vor; eine 1:1 Betreuung von täglich drei Stunden wäre erfolgversprechend. Für die übrige Zeit erscheine der übliche Betreuungsschlüssel ausreichend. Die erbrachten Mehrleistungen seien durch eine Fachkraft auszuführen; diese Fachkraft sei erforderlich, da das Kind umfassend pädagogisch gefördert werden solle. Die Pflege spiele eher eine untergeordnete Rolle.

Unter dem 13. August 2010 übersandte der Beigeladene auf die Aufforderung des Ag. vom 21. Juli 2010 eine "Dokumentation des zusätzlichen Personaleinsatzes" u.a. beim Ast.

Der Landkreis bewilligte dem Ast. auf den Antrag vom 30. November 2010 im Namen des Ag. mit Bescheid vom 2. Dezember 2010 für den Zeitraum vom 1. November 2010 bis zum 31. Juli 2011 weitere Leistungen der Eingliederungshilfe in Höhe von 898,58 EUR monatlich. Gleichzeitig forderte der Landkreis einen Abschlussbericht hinsichtlich des Ast. von dem Beigeladenen.

Unter dem 2. Dezember 2010 berichtete der Beigeladene zum Entwicklungsstand des Ast. Er zeige weiterhin in allen Bereichen seiner Entwicklung Auffälligkeiten. Dies ist im Hinblick auf die Grob- und Feinmotorik, das affektiv-emotionale Verhalten, die soziale Entwicklung, die Wahrnehmens- und Orientierungsfähigkeit, das Kommunikationsverhalten, die Kognition, das Spielverhalten sowie die Selbstbedienung (bei der Nahrungsaufnahme, An- und Auskleiden, Hygiene etc.) im Einzelnen dargestellt; insoweit wird wegen der Einzelheiten auf Bl. 44 bis 47 des medizinischen Teils der Verwaltungsakte des Ag. Bezug genommen.

Unter dem 4. Februar 2011 forderte der Ag. die Beigeladene auf, Übersichten zu erstellen, aus denen sich u.a. für den Ast. ergibt, wie sich die Situation vor der Mehrbedarfsvorhaltung bzw. danach dargestellt habe.

Auf die am 14. Dezember 2010 eingegangene Untätigkeitsklage verpflichtete das Sozialgericht Magdeburg den Ag. mit rechtskräftig gewordenem Gerichtsbescheid vom 28. März 2011, den Antrag des Ast. - des Klägers im dortigen Verfahren - vom 27. Mai 2009, eingegangen am 2. Juni 2009, auf Erstattung und Gewährung des behinderungsbedingten Mehrbedarfs als Eingliederungshilfeleistung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts bis zum 15. Mai 2011 zu bescheiden. Ein zureichender Grund im Sinne des § 88 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) für die Nichtbescheidung liege nach Auffassung des Sozialgerichts nicht vor.

Der Landkreis bewilligte dem Ast. mit Bescheid vom 20. April 2011 für den Zeitraum vom 1. Mai bis zum 31. Juli 2011 weitere Leistungen der Eingliederungshilfe nach §§ 53, 54 SGB XII in der Kindertagesstätte "W." des Beigeladenen für den behinderungsbedingten Mehrbedarf zur Teilhabe an der Gemeinschaft nach § 55 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - SGB IX) in Höhe von 512,19 EUR monatlich. Für den vorausgehenden Zeitraum vom 2. Juni 2009 bis zum 30. April 2011 lehnte er ebenfalls mit Bescheid vom 20. April 2011 eine entsprechende Bewilligung ab. Von dem Beigeladenen sei nicht nachvollziehbar dargelegt worden, dass für den vorbenannten Zeitraum tatsächlich zusätzliches Personal vorgehalten worden sei. Die vorgelegten Unterlagen seien unvollständig und ohne jegliche Beweiskraft gewesen. Es seien weitere Unterlagen abgefordert worden, welche bis zum heutigen Tag nicht vorgelegt worden seien. Sollte der Beigeladene nachweisen, dass sie für den Ast. tatsächlich Leistungen mit zusätzlichem Personal für den genannten Zeitraum erbracht habe, könne eine entsprechende Ermittlung der Vergütung erfolgen.

Der Ast. legte gegen die Bescheide vom 20. April 2011 am 23. Mai 2011 Widerspruch insoweit ein, als ein behinderungsbedingter Mehrbedarf von mehr als 512,19 EUR für den Zeitraum vom 1. Mai bis zum 31. Juli 2011 abgelehnt und jeglicher behinderungsbedingter Mehrbedarf für den Zeitraum vom 2. Juni 2009 bis zum 30. April 2011 versagt worden sei.

Auf den Folgeantrag des Ast. vom 14. Juni 2011 bewilligte der Landkreis im Namen des Ag. dem Ast. mit Bescheid vom 5. Juli 2011 zum einen für den Zeitraum vom 1. August 2011 bis zum 31. Juli 2012 die Kosten für den Aufenthalt in der Einrichtung des Beigeladenen in Höhe von 898,58 EUR und mit Bescheid gleichfalls vom 5. Juli 2011 für die Zeit vom 1. August 2011 bis zum 30. April 2012 behinderungsbedingten Mehrbedarf als Leistungen zur Teilhabe an der Gemeinschaft nach § 55 SGB IX in Höhe von 512,19 EUR. Auch hiergegen legte der Ast. Widerspruch ein.

Der Ast. hat am 9. September 2011 beim Sozialgericht Magdeburg einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Er hat beantragt, den Ag. im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG zu verpflichten, vorläufig die Kosten für seine weitere Betreuung Ast. in der integrativen Kindertageseinrichtung des Beigeladenen im Wege der Eingliederungshilfe nach §§ 53, 54 SGB XII bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung über den Antrag vom 27. Mai 2009 zu übernehmen. Der Beigeladene habe mit Schreiben vom 1. Juli 2011 den Betreuungsvertrag zum 1. August 2011 gekündigt; vor dem Hintergrund des Finanzierungsrisikos habe die Eingliederungsleistung für den Ast. nicht mehr erbracht werden können.

Der Ag. hat die Ablehnung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Es fehle sowohl an einem Anordnungsanspruch als auch an einem Anordnungsgrund. Das Kündigungsschreiben des Beigeladenen sei dort nicht bekannt. Vielmehr sei noch am 7. Juni 2011 einvernehmlich mit den Eltern und dem Beigeladenen ein Folgeantrag zur Weiterbetreuung des Ast. durch den Beigeladenen gestellt und von ihm - dem Ag. - beschieden worden. Für den Zeitraum vor Antragseingang bei Gericht fehle es stets an einem Anordnungsgrund.

Hierzu hat der Ast. mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2011 klar gestellt, für die Vergangenheit keine Kosten geltend zu machen. Es gehe nur um eine vorläufige Kostenübernahme zur Deckung des notwendigen und angemessenen Hilfebedarfs.

Der Beigeladene hat mit Schriftsatz vom 15. November 2011 gegenüber dem Sozialgericht zur Betreuungssituation des Ast. angegeben, dessen Betreuung auf den finanzierten Umfang zu beschränken.

Das Sozialgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 31. Januar 2012 abgelehnt. Ein Anordnungsgrund sei nicht glaubhaft gemacht worden. Nach der durch den Einrichtungsträger erfolgten Kündigung des Betreuungsvertrages zum "31. August 2011" (es hätte 1. August 2011 heißen müssen) könne nicht mehr festgestellt werden, ob der Ast. den grundsätzlich bestehenden Anspruch auf Eingliederungshilfe weiterhin in der von dem Beigeladenen betriebenen Kindertagesstätte "W." habe. Dass er dort, auf Grund welcher Vereinbarung auch immer, weiterhin betreut werde, ändere daran nichts. Der seit dem 1. August 2011 vertragslose Zustand müsse bei der Entscheidung des Gerichts berücksichtigt werden. Es verbiete sich, staatliche Leistungen auszuwerfen, ohne dass diesen Leistungen ordentliche zivilrechtliche Vertragsverhältnisse zugrunde lägen. Nicht die Einrichtung, sondern der Ast. sei hier der Leistungsberechtigte. Die Zahlungen unmittelbar an die Einrichtung dienten lediglich der Verwaltungsvereinfachung. Müsste der Ast. die Leistungen der Einrichtung selbst tragen, ohne staatliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, würde er sich ohne Zweifel dagegen wehren, nach Kündigung eines Vertragsverhältnisses noch ein Entgelt zu entrichten. Im Zweifel könnte nach erfolgter Kündigung des "ordentlichen" Betreuungsvertrages die weitere Betreuung durch die Kindertagesstätte als "freiwillig" und damit als Leistungen nach dem SGB XII ausschließende Maßnahme der Einrichtung bzw. seines Trägers angesehen werden. Derartig streitige Rechtsverhältnisse zivilrechtlicher Natur ließen sich im einstweiligen Anordnungsverfahren vor dem Sozialgericht nicht klären.

Der Ast. hat am 2. März 2012 Beschwerde gegen den ihm am 2. Februar 2012 zugestellten Beschluss bei dem Sozialgericht eingelegt, das diese an das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt weitergeleitet hat.

Zur Begründung seines Rechtsmittels führt der Ast. in seinem am 11. April 2012 bei dem Senat eingegangenen Schriftsatz im Wesentlichen aus, er benötige eine 1:1-Betreuung, die von der Beigeladenen weiter sichergestellt werden könnte. Im Rahmen der Folgenabwägung sei zu berücksichtigen, dass ohne die Anordnung des Gerichts seine Betreuung nicht im erforderlichen Maß sichergestellt werde. Er sei nicht in der Lage, die Differenz zwischen dem bewilligten und den von der Einrichtung für erforderlich gehaltenen behinderungsbedingten Mehrbedarf in Höhe von monatlich 1.151,18 EUR aus eigenen Mitteln zu bestreiten. Die Betreuung lasse sich nicht nachholen. Zur Betreuungssituation ab dem 1. August 2011 verweist er auf ein Schreiben der Beigeladenen vom 11. April 2012, in welchem dem Bevollmächtigten des Ast. mitgeteilt wird, dass die Kündigung des Betreuungsplatzes nicht vollzogen worden sei, sondern der Ast. bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Eilverfahren weiterbetreut werde; im Übrigen wird wegen der Einzelheiten auf Bl. 168 der Gerichtsakte Bezug genommen.

Der Ast. beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 31. Januar 2012 aufzuheben und den Ag. im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, vorläufig die Kosten für seine Betreuung durch den Beigeladenen im Wege der Eingliederungshilfe nach den §§ 53, 54 SGB XII in Höhe von monatlich 1.151,18 EUR bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung über den Antrag vom 27. Mai 2009 zu übernehmen.

Der Ag. beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er hält den Beschluss des Sozialgerichts für zutreffend. Der Ast. verkenne, dass sein von ihm - dem Ag. - festgestellter Bedarf gegenwärtig gedeckt werde. Die in der Einrichtung erbrachte logopädische und physiotherapeutische Förderung sei im Übrigen den Leistungen der Krankenkasse zuzurechnen.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Der Ag. hat die Widersprüche gegen den Bescheid vom 20. April 2012 mit den Widerspruchsbescheiden vom 30. und 31. Mai 2012 als unbegründet zurückgewiesen. Der Ast. hat hiergegen Klage beim Sozialgericht Magdeburg erhoben (S 22 SO 115/12).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten Bezug genommen, welche sämtlich Gegenstand der Beratung des Senats gewesen sind.

II.

Die Beschwerde des Ast. gegen den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 31. Januar 2012 ist zulässig, aber unbegründet.

Die Beschwerde ist nach § 172 Abs. 1 SGG statthaft, da sie nicht nach § 172 Abs. 3 SGG ausgeschlossen ist. Die Beschwerde ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 173 SGG).

Das Sozialgericht hat den Antrag des Ast. auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 und 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht die isolierte Anfechtungsklage die zutreffende Klageart ist, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte; einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Nach Satz 4 dieser Vorschrift gelten die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939 und 945 Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend. Nach § 920 Abs. 2 ZPO sind der Anordnungsanspruch und der Anordnungsgrund glaubhaft zu machen.

Der Senat kann im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich solche Anordnungen treffen, die zum Erreichen des Sicherungszwecks und zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes im Sinne des Art. 19 Abs. 4 und 20 Abs. 3 Grundgesetz erforderlich sind. Gleichzeitig begrenzt der mögliche Streitgegenstand der Hauptsache den Umfang einer Verpflichtung der Behörde (vgl. hierzu z.B. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Kommentar, 10. Aufl. 2012, § 86b RdNr. 30).

Der Ast. hat ausdrücklich keine Leistungen für die Vergangenheit, sondern die Übernahme der weiteren, d.h. ab Antragstellung beim Sozialgericht am 9. September 2011, entstehenden Kosten für seine Betreuung aufgrund eines behinderungsbedingten Mehrbedarfs in Höhe von monatlich 1.151,18 EUR verfolgt.

Für den Zeitraum seit Antragseingang bei dem Sozialgericht am 8. September 2011 fehlt es jedoch bereits an einem Anordnungsanspruch. Eine vertragliche Grundlage für die Sicherstellung der tatsächlichen Betreuung des Ast. in einer Kindertagesstätte, die Grundlage der Bewilligung von höheren Leistungen sein könnte, fehlt bereits seit dem 1. August 2011. Die zivilrechtliche Basis der Betreuung kann der Senat auch nicht durch eine eigene Entscheidung ersetzen. Der Senat hat nicht zu beurteilen, ob die bereits erfolgten Bewilligungen des Ag. für den vertragslosen Zeitraum Bestand haben könnten; insoweit könnte es sich ggf. um ein Grundanerkenntnis handeln. Für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes auf "Vorrat" für eine ggf. dann erfolgende tatsächliche Umsetzung im Rahmen eines noch zu schließenden Betreuungsvertrages ist, wie das Sozialgericht zutreffend festgestellt hat, von vornherein kein Raum. Soweit der Einrichtungsträger mit Schreiben vom 11. April 2012 ausgeführt hat, die Kündigung "nicht vollzogen" zu haben, entspricht dies nicht der Gestaltungswirkung, die eine Kündigung grundsätzlich hat. Darüber hinaus ist diese Kündigung für den Senat insoweit nicht nachvollziehbar, als der Ag. fortlaufend Leistungen auch für eine 1:1-Betreuung bewilligt hat, sodass die Betreuung durch die Einrichtung in diesem Umfang sichergestellt werden konnte, ohne für diese zu einem Kostenrisiko zu führen (vgl. Beschluss des Senats vom 10. Juli 2012 - L 8 SO 7/12 B ER – juris).

Nur ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die aktuelle Personal- und Betreuungssituation von dem Beigeladenen für die Zeit ab dem 1. August 2011 nicht mehr dargelegt worden ist. Vielmehr hat die Beigeladene den Betreuungsvertrag gekündigt. Es ist nicht erkennbar, wieso der Beigeladene nach einer Kündigung des Vertrages Personal gesondert für die Betreuung des Ast. vorhalten sollte; damit entstehen keine über die bewilligten Leistungen hinausgehenden Kosten. Schließlich hat der Beigeladene mit Schriftsatz vom 15. November 2011 gegenüber dem Sozialgericht angegeben, die Betreuung des Ast. auf den finanzierten Umfang zu beschränken. Zu keiner Zeit sind bislang entstandene Mehraufwendungen für die 1:1-Betreuung durch Vorlage bestehender Arbeitsverträge/Lohnabrechnungen o.Ä. von Mitarbeitern dokumentiert. Ob und ggfs. für welche Zeiträume weitere Kosten für die Betreuung des Ast. entstanden und zu übernehmen sind, bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht in Bezug auf die Hauptbeteiligten und den Beigeladenen nach pflichtgemäßem Ermessen auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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