Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
7
1. Instanz
SG Stendal (SAN)
Aktenzeichen
S 2/3 VU 13/03
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 7 VU 13/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stendal vom 6. Juni 2006 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Umstritten sind die Feststellung weiterer Schädigungsfolgen und die Gewährung einer Beschädigtenversorgung nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG).
Der am ... 1943 geborene Kläger wurde im Jahre 1965 beim Versuch, über Ungarn die Staatsgrenze zur BRD zu überwinden, verhaftet. Aufgrund des Urteils des Bezirksgerichts Magdeburg vom 25. August 1965 wurde er wegen des Vorwurfs des gemeinschaftlichen und fortgesetzten versuchten unvollendeten illegalen Verlassens der DDR zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Mit Beschluss des Landgerichts Magdeburg vom 9. November 1992 (Aktenzeichen Reh. 794/91) wurde er für den Zeitraum vom 24. März 1965 bis 22. September 1966 wegen der erlittenen Freiheitsstrafe rehabilitiert.
Am 15. Februar 1994 beantragte der Kläger beim Amt für Versorgung und Soziales Magdeburg wegen Schlafstörungen mit starken Schweißausbrüchen, einer verminderten Gebrauchsfähigkeit des linken Armes und des rechten Beines sowie ständigen Rücken- und Hüftschmerzen Leistungen nach dem StrRehaG. Der Beklagte führte medizinische Ermittlungen durch. Nach dem Bericht des J.-Krankenhauses S. vom 20. März 1963 war der Kläger dort vom 18. Dezember 1958 bis 28. Januar 1959 wegen einer schlaffen Lähmung des rechten Beines und des linken Armes als Folge einer Poliomyelitis (Kinderlähmung) behandelt worden. Bei Entlassung hätten noch fehlende Reflexe rechts, eine deutliche Umfangsdifferenz, ein hinkender Gang und ein nach außen gekanteter rechter Fuß vorgelegen. Nach dem Befundschein des Facharztes für Orthopädie H. vom 19. April 1976 war beim Kläger Morbus Bechterew diagnostiziert worden. Außerdem ließ der Beklagte das versorgungsärztliche Gutachten durch MR Dr. T. vom 13. Juni 1995 erstatten. Danach könne der Kläger gut einschlafen, schlafe drei bis vier Stunden, werde aber durch Schmerzen in der rechten Hüfte oder im rechten Bein wach. Nachts käme es vor, dass er schreie. Seine Frau wecke ihn dann auf. Dabei habe er auch Schweißausbrüche. Dr. T. führte aus, die seit zwei bis drei Jahren bestehende Hypertonie sei nicht Folge der Haft. Gleiches gelte für den Diabetes mellitus. An der Kinderlähmung (mit der Folge Coxarthrose rechts mehr als links, geringe Bewegungsstauung rechtes oberes Sprunggelenk, Verschmächtigung des rechten Beines) sei der Kläger schon vor der Haft erkrankt. Die Ätiopathogenese des Morbus Bechterew sei zwar weitgehend ungeklärt. Da seit der Haft und der Diagnosestellung aber zehn Jahre vergangen seien, könnten auch nicht die Voraussetzungen der Kann-Versorgung bejaht werden. Insgesamt lägen damit keine mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) zu bewertenden körperlichen Schädigungsfolgen vor, doch sei ein psychiatrisches Gutachten zu veranlassen. Dieses erstattete Dr. B. am 2. Oktober 1995. Er diagnostizierte eine ausgeprägte Schlafstörung im Rahmen eines posttraumatischen Belastungssyndroms und bewertete dieses mit einer MdE um 10 vom Hundert (v.H.). Das verursachende Ereignis sei die Zeit der Untersuchungshaft in M., da mit dem ständigen nächtlichen Brennenlassen der Lampen ein intensives Bedrohungserlebnis verbunden gewesen sei. Die Schlafstörungen seien auch nach der Inhaftierung nicht rückläufig gewesen. Zu den ausgeprägten Symptomen mit Schreien und Schweißausbrüchen komme es derzeit alle Monate. Über Albträume oder Albzustände habe der Kläger nichts berichtet. Die außerdem geltend gemachten Durchschlafstörungen seien auch durch die aufgetretene Schmerzsymptomatik bedingt. Weitere ausgeprägte Symptome einer posttraumatischen Störung hätten sich nicht feststellen lassen. Der Kläger sei nach seinen Angaben offen auf die Menschen zugegangen und habe keine Kontaktstörung gehabt. Gefühle der Leere und Hoffnungslosigkeit habe er nicht geschildert. Damit hätten insgesamt keine Hinweise auf einen sozialen Rückzug der mitmenschlichen oder beruflichen Beziehungen gefunden werden können. Auch Hinweise auf eine Persönlichkeitsveränderung hätten nicht festgestellt werden können.
Dem folgend stellte der Beklagte mit Bescheid vom 19. Februar 1996 beim Kläger eine chronische Erlebnisstörung ohne rentenberechtigende MdE fest. Im Widerspruchsverfahren legte der Kläger seine Sozialversicherungsausweise vor. Danach war er nach der Entlassung aus der Haft bis zum Jahre 1976 als Schlosser, anschließend als Monteur und bis zum Bezug von Invalidenrente ab 1. April 1990 als selbstständiger Handwerker beschäftigt gewesen. Für den unmittelbaren Zeitraum nach Entlassung aus der Haft findet sich für das Jahr 1967 nur der Eintrag einer zahnärztlichen Behandlung, die nächsten ärztlichen Behandlungen erfolgten erst in den Jahren 1968 und 1969. Erstmalig, nachdem für den Zeitraum 1970 bis 1975 (abgesehen von einer zahnärztlichen Behandlung) keine Einträge dokumentiert sind, ist für den 13. Februar 1976 eine orthopädische Behandlung durch Dr. H. vermerkt. Im Widerspruchsverfahren ließ der Beklagte außerdem durch Dr. W. das versorgungsärztliche Gutachten vom 5. Juni 1996 erstellen. Diesem habe der Kläger berichtet, er habe sich bis ca. September 1965 in Untersuchungshaft befunden und sei dabei Verhören ausgeliefert gewesen. Eine körperliche Belastung habe dabei nicht vorgelegen. Von September bis Oktober 1965 sei er in der Haftanstalt N. im Gleisbau tätig gewesen. Seit dieser Zeit habe er bei bestimmten Bewegungen Kreuzschmerzen. Von Oktober 1965 bis September 1966 habe er im Haftarbeitslager S. in einer Schlosserei gearbeitet. Dabei sei er mit Zuarbeiten für die Herstellung von Tagebaugeräten und der Anfertigung von Werkzeugen beschäftigt gewesen. Kurz vor Haftende sei er für drei Wochen im Arrest gewesen und habe auf einem sehr kalten Holzfußboden schlafen müssen. Dr. W. vertrat die Ansicht, die kurzzeitig schwere Arbeit im Gleisbau habe die Kinderlähmung nicht verschlimmern können, da er nur gering ausgeprägte krankhafte Befunde am linken Arm und rechten Bein als Folge der Kinderlähmung habe finden können. Aufgrund der kurzen Zeit im Gleisbau habe kein dadurch bedingter Schaden an der Wirbelsäule eintreten können. Auch die Zeit im Haftarbeitslager sei zu kurz und die Art der Belastung nicht geeignet gewesen, einen bleibenden Schaden an der Wirbelsäule zu verursachen. Im Übrigen sei der Zeitraum von zehn Jahren nach der Haft bis zur Diagnosestellung des Morbus Bechterew zu lang. Auch die Hüftgelenkbeschwerden seien keine Schädigungsfolgen, sondern wahrscheinlich als Coxarthrose beider Hüftgelenke im Rahmen des Morbus Bechterew zu bewerten. Dem folgend wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 2. Oktober 1997 den Widerspruch des Klägers zurück.
Am 12. Juli 2001 beantragte der Kläger die Neufeststellung der Schädigungsfolgen, weil die von ihm bereits geltend gemachten physischen und psychischen Störungen nicht anerkannt worden seien und er unter zunehmenden Schlafstörungen, Schweißausbrüchen und Herzrasen leide. Er habe Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule und Hüftgelenke. Der linke Arm sei völlig unbrauchbar. Der Beklagte holte den Befundbericht des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. B. vom 3. August 2001 ein, der eine psychosomatische Störung nach Inhaftierung mit depressiver Verstimmung diagnostizierte. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin S. diagnostizierte am 21. August 2001 eine posttraumatische Belastungsstörung nach der Haft. Aus den beigezogenen Gefangenenpersonalakten geht hervor, dass der Kläger im Oktober 1965 wegen des Zustands nach Kinderlähmung für den Gleisbau als untauglich eingeschätzt worden war. Im März 1966 erfolgte ausweislich der Gefangenenpersonalakten eine zahnärztliche Behandlung und im Juni 1966 eine ärztliche Behandlung wegen seit sechs Wochen bestehender Rückenschmerzen beim Bücken. Aufgrund einer Untersuchung am 12. August 1966 war er als arresttauglich eingestuft worden.
Außerdem erstattete auf Veranlassung des Beklagten der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Privatdozent (PD) Dr. G. das Gutachten vom 10. April 2002. Diesem habe der Kläger berichtet, er sei von der Tätigkeit im Gleisbau zu Beginn der Haft nach maximal einer Woche wegen seiner körperlichen Schwäche infolge der Kinderlähmung befreit worden. Seit dem Sommer 1966 leide er unter ständigen Rückenschmerzen. Am Ende der Haftzeit sei er wohl für sieben Wochen wegen Arbeitsverweigerung in strengen Arrest gekommen. Zunächst habe er auf einem Gummifußboden, später auf einem Holzfußboden ohne Decke schlafen müssen. Durch die Holzzelle habe ein Heizungsrohr geführt, er habe sich dann auf die Erde gelegt und an das Rohr geschmiegt. Er sei auf der einen Seite ganz warm und auf der anderen Seite ganz kalt gewesen, da es unter dem Holzfußboden entlang gezogen habe. Seitdem bestünden seine Schmerzen. Er habe auch Durchschlafstörungen, eine Abklärung der Beschwerden sei aber nicht erfolgt. Er sei auch nicht zu einem Nervenarzt oder Psychologen gegangen. Gelegentlich nehme er Schlaftabletten, möglichst aber Bio-Medizin. Außerdem leide er unter Angst vor Amtspersonen und könne sich gut vorstellen, dass auch seine Blutdruckerhöhung darauf zurückzuführen sei. Es habe ihm damals das Herz geklopft und angefangen zu rasen, als er zum Verhör geholt worden sei. Dr. G. diagnostizierte eine schädigungsbedingte "chronische Erlebnisstörung – Schlafstörung", die er mit einer MdE um 10 bewertete. Außerdem stellte er ein hirnorganisches, nicht schädigungsbedingtes Psychosyndrom (deutlich umstellungserschwert, konzentrationsgemindert, im Vordergrund stehende stark emotionale Ergriffenheit mit massiven vegetativen Erscheinungen bei Erinnerung und Erörterung) fest, das die jetzige Erlebnis- und Verarbeitungsfähigkeit hochgradig bestimme. Dieses sei auf den bestehenden Diabetes mellitus und die Hypertonie zurückführen. Neurophysiologisch sei das schwere organisch-bedingte Schädigungsbild objektivierbar in Verbindung mit Zeichen einer bereits ausgeprägten Polyneuropathie mit einer massiven Gefühlsstörung beider Vorfüße. Außerdem sei die schwere Schädigung durch die Kinderlähmung zu berücksichtigen. Dagegen hätten sich keine Hinweise für eine klinisch fassbare posttraumatische Belastungsstörung bzw. eine Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung finden lassen. Diese Wertung umfasse das gegenwärtige Querschnittsbild und die Betrachtung des lebensgeschichtlichen Verlaufs. Zu keinem Zeitpunkt seien fachpsychiatrische oder fachpsychologische Hilfen erforderlich gewesen. Auch habe der Kläger im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Schädigungszeitraum keine Einschränkungen in seinen sozialen Bewegungsräumen und seiner sozialen Kontaktfähigkeit erlitten. Vielmehr lasse sich eine völlig eigenständige berufliche Tätigkeit in einem großen Monteurversorgungsareal und ab Mitte der 70er Jahre eine sehr erfolgreiche selbstständige Tätigkeit nachweisen.
Mit Bescheid vom 7. Oktober 2002 erkannte der Beklage die Schädigungsfolge "chronische Erlebnisstörung – Schlafstörung" als Verschlimmerung mit einer MdE unter 25 v.H. an und lehnte die Erkrankungen an Morbus Bechterew, Hypertonie und den Zustand nach Kinderlähmung als Schädigungsfolgen ab. Mit seinem Widerspruch vom 21. Oktober 2002 machte der Kläger geltend, der Arrest könne als ursächliche Bedingung für seine Beschwerden nicht ausgeschlossen werden. Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juni 2003 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Es sei weder eine Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolgen in rentenberechtigender Höhe eingetreten noch ließen sich weitere Schädigungsfolgen feststellen. Insoweit werde auf den Widerspruchsbescheid vom 2. Oktober 1997 Bezug genommen.
Am 17. Juli 2003 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Stendal Klage erhoben, weil nach seiner Ansicht der Morbus Bechterew und die psychischen Störungen schädigungsbedingt seien. Das SG hat ein psychiatrisches Fachgutachten durch den Arzt für Psychiatrie und Sozialmedizin H. vom 3. Februar 2004 erstatten lassen. Danach leide der Kläger unter Schlafstörungen, Albträumen und wache schweißgebadet auf. Medikamente nehme er keine. Der Sachverständige hat eine andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung bzw. eine chronifizierte posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert. Die Brückensymptome seien in der Schlafstörung zu sehen. Die Auswertung der psychologischen Fragenbögen habe eine deutlich auffällige Persönlichkeitsprofilkonstellation gezeigt. Insgesamt habe der Kläger mehrere Extrembelastungen (Kinderlähmung, Haft als Jugendlicher wegen Waffenbesitz, Haft wegen Republikflucht, Tod eines Sohnes, Atem- und Herzstillstand mit Reanimation) erlitten, die insgesamt eine andauernde Veränderung der Wahrnehmung, des Verhaltens und des Denkens bezüglich der Umwelt und der eigenen Person nach sich zu ziehen scheine. Aufgrund der damit verbundenen wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit hat er eine MdE um 40 v.H. vorgeschlagen. Tiefergehende depressiven Störungen, Antriebsstörungen oder Anzeichen für eine hirnorganische Störung hat der Sachverständige aufgrund einer psychologischen Untersuchung verneint.
Der Beklagte hat unter Bezugnahme auf die prüfärztliche Stellungnahme von Dr. W. vom 11. März 2004 dem entgegengehalten, das Gutachten zeige eine deutliche Persönlichkeitsstörung, die überwiegend anlagebedingt bzw. in der Kindheit erworben und keinesfalls durch die Haftbedingungen verursacht worden sei. Für auffällige Persönlichkeitsmerkmale schon in der Jugend spräche auch die Inhaftierung wegen unerlaubten Waffenbesitzes im Alter von 16 Jahren. Der Kläger habe sich mindestens während seines gesamten Berufslebens massiv überfordert. Die körperlichen Behinderungen infolge der Kinderlähmung und die häufigen Rückenschmerzen verstärkten die Belastung zusätzlich. Die ausgeprägte Tendenz, sich über hohe Leistungen zu stabilisieren, deute ebenfalls auf eine bereits in der Kindheit angelegte Persönlichkeitsstörung hin. Darüber hinaus seien auch die weiteren schwerwiegenden Einschnitte im Leben des Klägers zu berücksichtigen, mit denen sich der Sachverständige in seinem Gutachten nicht ausreichend auseinandergesetzt habe.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 8. Dezember 2004 hat Herr H. darauf hingewiesen, Hinweise für anlagebedingte bzw. in der Kindheit erworbene Persönlichkeitsmerkmale lägen nicht vor. Bei der Begutachtung durch Dr. B. im Oktober 1995 hätten sich nur ausgeprägte Schlafstörungen gezeigt. Die bereits 1996 anerkannte Schädigungsfolge einer posttraumatischen Belastungsstörung sei jahrelang kompensiert gewesen und sei durch den Narkosezwischenfall mit Reanimation reaktualisiert, jedoch nicht ausgelöst worden. Das jetzige Bild sei durch Flashbacks, Schlafstörungen und massive Albträume von Fluchtsituationen gekennzeichnet.
Der Beklagte hat erneut mit der Stellungnahme von Dr. W. vom 30. Dezember 2004 Einwände gegen das Gutachten erhoben. Danach sei es mit dem derzeitigen Wissensstand nicht vereinbar sei, dass sich seit der Begutachtung im Jahre 1995 eine Persönlichkeitsstörung innerhalb von wenigen Jahren im weit fortgeschrittenen Erwachsenenalter entwickelt habe. Die bestehenden erheblichen Störungen der Aufmerksamkeit, der Konzentration und der Merkfähigkeit seien zwanglos den hirnorganischen Veränderungen infolge des langjährigen Diabetes mellitus, der Hypertonie und auch der Reanimation zuordnen.
Außerdem hat das SG das fachorthopädische Sachverständigengutachten des Prof. Dr. H. (Direktor der Universitätsklinik und Poliklinik für Orthopädie und Physikalische Medizin der ... Universität H.-W.) vom 5. Juli 2004 eingeholt. Diesem habe der Kläger berichtet, er habe am Ende der Haft unter strengem Arrest gestanden. In dieser Zeit sei es zu einem Auftreten von Kreuzschmerzen gekommen. Außerdem habe er auch Schmerzen in den Hüftgelenken verspürt. Der Morbus Bechterew sei im Jahre 1976 bei immer stärker werdenden Schmerzen diagnostiziert worden. Prof. Dr. H. hat ausgeführt, die Hypertonie und die Kinderlähmung könnten keinesfalls mit den Haftbedingungen in Zusammenhang gebracht werden. Auch die Spondylitis ankylosans (Morbus Bechterew) könne nicht auf die Haftbedingungen zurückgeführt werden. So habe auch während der Arresthaftzeit über drei Wochen keine extreme Kälte beziehungsweise extreme Nässe vorgelegen. Im Übrigen seien die Kreuzschmerzen nach den vorliegenden Unterlagen beim Kläger schon vor diesem Arrest bekannt gewesen. Schließlich erlaube der zeitliche Zusammenhang von über zehn Jahren bis zur korrekten Diagnose des Morbus Bechterew nicht die Feststellung eines ursächlichen Zusammenhangs. Beim Kläger liege zudem eine genetische Prädisposition durch die Folgen der Poliomyelitis vor. So führe jedes muskuläre Ungleichgewicht zu einer Fehlbelastung der Haltungs- und Bewegungsorgane, wodurch die Kreuzschmerzen durchaus auch in dieser Erkrankung eine gewisse Prädisposition haben könnten. Weitere orthopädische Gesundheitsstörungen hat der Sachverständige nicht festgestellt.
Mit Gerichtsbescheid vom 6. Juni 2006 hat das SG den Beklagten verurteilt, bei dem Kläger ab dem 1. Juli 2001 als Schädigungsfolge der Inhaftierung eine "Persönlichkeitsstörung nach Extrembelastung" anzuerkennen und eine Beschädigtenrente nach einer MdE um 40 v.H. zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Es hat sich dabei auf das Gutachten von Herrn H. gestützt. Danach habe der Kläger alle Symptome geschildert, die bei einer solchen Persönlichkeitsänderung zu fordern seien. Die Schlafstörung sei dabei als Brückensymptom zu werten. Der Sachverständige habe bei seiner Beurteilung die schädigungsfremden Faktoren wie Veranlagung, Umwelteinflüsse, Lebensführung und andere Vorgänge im Lebenslauf sachgerecht gewichtet. Die Bewertung mit einer MdE um 40 orientiere sich ebenfalls an den Ausführungen des Sachverständigen H. Der Kläger habe jedoch keinen Anspruch auf die Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen wie Hypertonie, Zustand nach Kinderlähmung und Morbus Bechterew. Insoweit sei den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. H. zu folgen.
Gegen den am 9. Juni 2006 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Beklagte am 4. Juli 2006 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt, weil die durch den Gutachter H. diagnostizierte posttraumatische Belastungsstörung nicht nachvollziehbar sei. Noch im Jahr 2002, mehr als zwölf Jahre nach dem Nahtod-Erlebnis, seien keine solchen Symptome feststellbar gewesen. Bis zu diesem Zeitpunkt habe auch kein besonderer Leidensdruck hinsichtlich der Schlafstörungen vorgelegen. Der Kläger habe nie eine ärztliche Abklärung der Störungen angestrebt und sich darauf beschränkt, "gelegentlich einmal eine Schlaftablette" einzunehmen. 1995 habe er sich bei der Begutachtung durch Dr. B. als ausgeglichenen Menschen beschrieben und Gefühle der Leere oder Hoffnungslosigkeit verneint. Hinweise auf einen sozialen Rückzug oder auf eine Beeinträchtigung der mitmenschlichen oder beruflichen Beziehungen habe der Sachverständige nicht finden können. Im Übrigen habe der Kläger bei der Begutachtung durch Dr. T. im Jahr 1995 erklärt, er leide nicht an Ein-, sondern Durchschlafstörungen und erwache nach drei bis vier Stunden durch die Schmerzen in der rechten Hüfte und im rechten Bein. Der erfolgreiche berufliche Werdegang des Klägers stehe ebenfalls der Annahme einer jahrzehntelang bestehenden massiven Schlafstörung entgegen. Im Übrigen sei die von Herrn H. mitgeteilte Diagnose "andauernde Persönlichkeitsstörung nach Extrembelastung" fragwürdig. Diese Diagnose sei nach ICD 10 nicht bekannt, wohl aber die der "andauernden Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung". Ob eine solche vorläge, sei durch ein psychiatrisches Sachverständigengutachten aufzuklären.
Der Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stendal vom 6. Juni 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und verweist auf das Sachverständigengutachten des Herrn H. Außerdem seien auch der Morbus Bechterew, die Arthrose und seine weiteren körperlichen Erkrankungen zu berücksichtigen.
Auf Nachfrage des Senats hat der Kläger angegeben, seine psychischen Gesundheitsstörungen würden durch den Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. H. behandelt. Dieser hat in seinem durch den Senat eingeholten Befundbericht vom 13. April 2010 Hypertonie, Diabetes mellitus Typ II, Morbus Bechterew, Polymyalgia rheumatica, Schlafstörungen, Arthrose beider Schultergelenke, Tinnitus sowie einen Zustand nach Poliomyelitis mit einer Restlähmung des linken Beines und linken Armes diagnostiziert. Psychische oder psychovegetative Störungen des Klägers mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfreiheit seien ihm nicht bekannt. Der Kläger habe zwar Schlafstörungen und Angstzustände angegeben, diese Beschwerden behandele er aber nicht. Psychopharmaka habe der Kläger nicht einnehmen müssen.
Am 13. Dezember 2010 hat eine nichtöffentliche Sitzung des Senats stattgefunden, in der der Kläger erklärt hat, er habe einen kurzzeitigen Behandlungsversuch bei einer Psychologin Anfang der 90er Jahre in S. unternommen. Er habe diesen abgebrochen, da er das Gefühl gehabt habe, dass diese ihm nicht habe helfen können.
Schließlich hat der Senat das Sachverständigengutachten des Dr. L., Chefarzt der ... Psychiatriezentrum ... GmbH, vom 26. März 2012 erstatten lassen. Dieser hat beim Kläger chronische Schlafstörungen mit einer Verkürzung der Schlafdauer, Albträumen und abnormes motorisches Verhalten im Schlaf, eine Veränderung der Persönlichkeit mit am ehesten paranoider Färbung sowie einen beginnenden hirnorganischen Abbauprozess mit geringfügigen Gedächtnisstörungen und nachlassender Umstellungsfähigkeit diagnostiziert. Im Hinblick auf die chronischen Schlafstörungen hätten die haftbedingten Schädigungen bis heute fortgewirkt. Bezüglich der Persönlichkeitsveränderung gelinge der Kausalitätsnachweis zur Haft nicht, weil zahlreiche konkurrierende Ursachen vorlägen. Während noch im Jahre 1990 nichts gegen ein Engagement des Klägers in der Kommunalpolitik gesprochen habe, sei seit 1992 eine Verschlechterung und Veränderung im Erleben infolge des Wegfalls der Arbeit in Folge von Invalidisierung und Pensionierung, Unfalltod des ältesten Sohnes und im Zusammenhang mit einer Zunahme von schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörungen (Stütz- und Bewegungssystem, Diabetes mellitus, Nachlassen der Funktion des Gedächtnisses und der Umstellungsfähigkeit) eingetreten. Seit 1994 ließen sich eine zunehmende misstrauische Haltung und ein zunehmender sozialer Rückzug nachweisen. Der Gedanke, durch Unterlassen jeglicher (politischer) Aktivität eine Schädigung des überlebenden Sohns zu verhindern, sei nicht auf die Hafterfahrung zu beziehen, sondern entspreche einer Reaktionsbildung auf den Unfalltod des ältesten Sohnes vor dem Hintergrund der fürsorglichen Haltung des familienorientierten Klägers. Letztlich müsse ein zunehmendes Missverhältnis zwischen Kompensationsfähigkeit und vielfältigen Belastungen konstatiert werden, und zwar schicksalhaft und schädigungsunabhängig. Dabei spielten die schädigungsunabhängigen beginnenden hirnorganischen Veränderungen mit leichten Gedächtnisstörungen und einer eingeschränkten kognitiven Umstellungsfähigkeit ebenfalls eine Rolle. Auch dadurch werde die soziale Interaktion erschwert. Zur Bewertung der chronischen Schlafstörungen mit Albträumen hat Dr. L. einen Grad der Schädigung (GdS) um 20 v.H. vorgeschlagen. Diese führten zu einer Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit am Tage. Die Notwendigkeit einer ein- bis zweistündigen Ruhepause am Tag schränke die Aktivität des Klägers in leichtem Grade ein. Im Vergleich zum Gutachten von Dr. G. werde der GdS infolge der chronischen Schlafstörung wegen der Abnahme der Kompensationsfähigkeit geringfügig höher beurteilt. Im Vergleich zum Gutachten H. werde ein geringerer Gesamt-GdS festgestellt, weil die Diagnose einer anhaltenden Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung nicht bestätigt werden könne. Zwar ließen sich für bedeutende Abschnitte der erlittenen Haft Bedingungen zeigen, die grundsätzlich geeignet seien, zu Persönlichkeitsveränderungen zu führen. Maßgeblich spreche aber dagegen, dass Gefühle von Leere und Hoffnungslosigkeit sich nicht gefunden hätten. Außerdem sei kein Gefühl chronischer Nervosität wie bei ständigem Bedrohtsein und Entfremdung nachzuweisen gewesen. Im Übrigen habe bei der Beurteilung des GdS die hirnorganische Komponente des Störungsbilds nicht ignoriert werden können.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten des Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat durfte den Rechtsstreit in Abwesenheit des Klägers verhandeln und entscheiden, weil dieser ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist, § 110 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Der Senat kann auch in der Sache entscheiden. Im vorliegenden Fall ist das Gesetz über die Rehabilitierung und Entschädigung von Opfern rechtsstaatswidriger Strafverfolgungsmaßnahme im Beitrittsgebiet (StrRehaG) vom 29. Oktober 1992 (BGBl. I S. 1814) anzuwenden, das als Artikel 1 des Ersten SED-Unrechtsbereinigungsgesetzes an 4. November 1992 in Kraft getreten und in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Dezember 1999 (BGBl. I S. 2664) zuletzt durch das Gesetz vom 22. Juni 2011 (BGBl. I S. 1202) geändert worden ist. Für die Durchführung der vom Kläger begehrten Beschädigtenversorgung nach § 21 StrRehaG sind nach § 25 Abs. 4 Satz 1 StrRehaG die Behörden zuständig, denen die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) obliegt. Soweit das StrRehaG von den für die Kriegsopferversorgung zuständigen Verwaltungsbehörden durchzuführen ist, entscheiden nach § 25 Abs. 4 StrRehaG über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit. Insoweit sind die Vorschriften des SGG für Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung maßgebend.
Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG statthafte und auch in der von § 151 Absatz 1 SGG vorgeschriebenen Form und Frist eingelegte Berufung des Beklagten ist begründet. Das beklagte Land hat den Antrag auf Gewährung einer Beschädigtenversorgung auf der Grundlage des StrRehaG zu Recht abgelehnt. Die bereits anerkannte Schädigungsfolge rechtfertigt keine höhere Bewertung. Darüber hinaus besteht kein Anspruch des Klägers auf die Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen. Die Bescheide des Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist sowohl ein Überprüfungsantrag nach § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) als auch ein Neufeststellungsantrag nach § 48 SGB X. Mit seinem Antrag vom 12. Juli 2001 begehrte der Kläger einerseits die Neufeststellung des Bescheids vom 19. Februar 1996 nach § 44 SGB X, weil nicht alle von ihm bereits im Jahre 1995 geltend gemachten physischen und psychischen Störungen anerkannt worden waren. Außerdem begehrte er wegen zunehmender Schlafstörungen, Schweißausbrüche und Herzrasen eine Höherbewertung seiner bereits anerkannten Schädigung nach § 48 SGB X. Der Beklagte hat mit den vom Kläger angegriffenen Bescheiden auch über beide Anträge entschieden. Zwar hat der Beklagte in seinen Bescheiden nur auf § 48 SGB X verwiesen. Doch hat er mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juni 2003 hinsichtlich der bereits im Jahre 1995 beantragten Schädigungsfolgen auf seinen Widerspruchsbescheid vom 2. Oktober 1997 Bezug genommen und damit zugleich eine weitere Änderung seiner Entscheidung vom 19. Februar 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Oktober 1997 nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X abgelehnt.
Zu Recht hat der Beklagte den Antrag des Klägers nach § 48 SGB Abs. 1 Satz 1 SGB X wegen einer Verschlimmerung der bereits anerkannten Schädigungsfolge (chronische Erlebnisstörung) nur dahingehend anerkannt, dass er mit Bescheid vom 7. Oktober 2002 nunmehr eine "chronische Erlebnisstörung – Schlafstörung" festgestellt hat. Nach § 48 SGB Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Wesentlich sind alle Änderungen, die dazu führen, dass die Behörde unter den nunmehr objektiv vorliegenden Verhältnissen den Verwaltungsakt nicht hätte erlassen dürfen. Die Feststellung einer wesentlichen Änderung richtet sich damit nach dem dafür maßgeblichen materiellen Recht (st. Rspr. des BSG, vgl. nur Urteil vom 21. März 1996 – 1 RAr 101/94 – SozR 3-1300 § 48, S. 111 m.w.N.). Für die vorliegende Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage ist der maßgebliche Zeitpunkt der Beurteilung der Sach- und Rechtslage die mündliche Verhandlung des Senats. Nach diesem Maßstab hat der Beklagte auch zu Recht den Versorgungsanspruch des Klägers abgelehnt, weil kein rentenberechtigender Grad der Schädigung (GdS) vorliegt. Auch die Voraussetzungen von § 44 Abs. 1 SGB X sind nicht gegeben. Danach ist der eine Sozialleistung ablehnende Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist. Der Beklagte hat bei Erlass des Bescheids vom 19. Februar 1996 weder das Recht unrichtig angewandt noch ist er von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erweist. Insbesondere hat er es zu Recht abgelehnt, die körperlichen Einschränkungen des Klägers und weitere psychische Störungen als Schädigungsfolge festzustellen.
Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 StrRehaG erhält ein Betroffener, der infolge einer Freiheitsentziehung, für die er rehabilitiert worden ist, eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen dieser Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung des BVG. Die Schädigungsfolge muss also auf einer Gesundheitsstörung beruhen, die durch einen vom StrRehaG erfassten Tatbestand (schädigender Vorgang) verursacht worden ist. Die Erfüllung dieser Tatbestandsvoraussetzungen (schädigender Vorgang, Gesundheitsstörung, Schädigungsfolge) gehört zu den anspruchsbegründenden Tatsachen, die nachgewiesen, d.h. ohne vernünftige Zweifel oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein müssen. Zwischen den drei Gliedern dieser Kette muss jeweils ein Kausalzusammenhang bestehen. Nach § 21 Abs. 5 Satz 1 StrRehaG genügt für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Dieser Beweismaßstab gilt im Sozialen Entschädigungsrecht auch für den Ursachenzusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und der durch dieses Ereignis hervorgerufenen gesundheitlichen Schädigung. Die erforderliche Wahrscheinlichkeit ist dann gegeben, wenn nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang spricht (vgl. BSG, Urteil vom 8. August 2001 – B 9 V 23/01 B – SozR 3-3900 § 15 Nr. 4, S. 14, m.w.N.). Die Tatsachen, auf die sich der Kausalzusammenhang gründet, müssen hingegen im Sinne des Vollbeweises nachgewiesen sein.
Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 StrRehaG richtet sich der Anspruch auf Versorgung nach dem BVG in entsprechender Anwendung. Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Beschädigtenrente ist § 31 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 30 Abs. 1 BVG. Diese Vorschriften sind durch das insoweit am 21. Dezember 2007 in Kraft getretene Gesetz vom 13. Dezember 2007 (a.a.O.) geändert worden. Da das Gesetz keine Übergangsvorschriften enthält, sind diese Vorschriften vom 21. Dezember 2007 an in der neuen Fassung (n.F.) und für den vorangegangenen streitgegenständlichen Zeitraum in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Januar 1982 (BGBl. I S. 21) und der nachfolgenden Änderungen (a.F.) anzuwenden.
Nach § 31 Abs. 1 BVG a.F. erhielten Beschädigte bei einer MdE um mindestens 30 v.H. eine monatliche Grundrente. Nach Abs. 2 der Vorschrift stellten die nach Abs. 1 für die Höhe der Rente maßgeblichen Vomhundertsätze Durchschnittssätze dar, von denen eine um fünf v.H. geringere MdE mit umfasst wurde. Nach § 31 Abs. 1 BVG n.F. setzt die Gewährung einer Grundrente einen GdS von mindestens 30 voraus. In der bis zum 21. Dezember 2007 geltenden Fassung des § 30 Abs. 1 BVG waren und in der seitdem geltenden Neufassung der Vorschrift durch das Gesetz vom 13. Dezember 2007 sind die Grundsätze geregelt, nach denen die MdE zu beurteilen war und nach der Neufassung der GdS zu beurteilen ist. Nach der alten Fassung des § 30 Abs. 1 BVG war die MdE nach der körperlichen und geistigen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben zu beurteilen, wobei seelische Begleiterscheinungen und Schmerzen zu berücksichtigen waren (Satz 1). Für die Beurteilung war maßgebend, um wie viel die Befähigung zur üblichen, auf Erwerb gerichteten Arbeit und deren Ausnutzung im wirtschaftlichen Leben durch die als Folgen einer Schädigung anerkannten Gesundheitsstörungen beeinträchtigt waren (Satz 2). Nach der Neufassung ist der GdS nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen (Satz 1). Der GdS ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst (Satz 2). Demnach reicht – wie zuvor nach § 31 Abs. 2 BVG a.F. – ein GdS von 25 zur Rentenberechtigung aus.
Als Grundlage für die Beurteilung der erheblichen medizinischen Sachverhalte dienten der Praxis die jeweils vom zuständigen Bundesministerium herausgegebenen "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht", die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts als vorweggenommene Sachverständigengutachten eine normähnliche Wirkung hatten (vgl. BSG, Urteil vom 18. September 2003 – B 9 SB 3/02 R – SozR 4-3800 § 1 Nr. 3 Rdnr. 12, m.w.N.). Um verfassungsrechtliche Einwände gegen die Legitimation der "Anhaltspunkte" auszuräumen, ist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in § 30 Abs. 17 BVG, der durch das Änderungsgesetz vom 13. Dezember 2007 (a.a.O.) angefügt worden ist, zum Erlass einer Rechtsverordnung ermächtigt worden. Auf Grund des § 30 Abs. 17 BVG hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) erlassen. Nach ihrem § 1 regelt diese Verordnung unter anderem die Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung ihres Schweregrades im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG. Nach § 2 VersMedV sind die in § 1 genannten Grundsätze und Kriterien in der Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" als deren Bestandteil festgelegt. Die in den Anhaltspunkten (letzte Ausgabe von 2008) enthaltenen Texte und Tabellen, nach denen sich die Bewertung des Grades der Behinderung bzw. der Schädigungsfolge bisher richtete, sind in diese Anlage übernommen worden (vgl. die Begründung BR-Drucks. 767/08, S. 3 f.). Die im vorliegenden Fall heranzuziehenden Abschnitte aus den Anhaltspunkten in den Fassungen von 1996, 2004 und 2008 bzw. aus den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen sind nicht geändert worden.
Nach diesem rechtlichen Maßstab sind die angegriffenen Bescheide nicht zu beanstanden.
Der Anwendungsbereich des StrRehaG ist eröffnet, denn das Bezirksgericht Magdeburg hat mit Beschluss vom 9. November 1992 (Reh. 794/91) den Kläger für den Zeitraum vom 24. März 1965 bis 22. September 1966 rehabilitiert. Den erforderlichen Antrag auf Versorgung hat der Kläger gestellt. Doch besteht kein Anspruch auf eine Beschädigtenrente. Die anerkannte Schädigungsfolge "chronische Erlebnisstörung – Schlafstörung" rechtfertigt keine rentenberechtigende MdE bzw. keinen rentenberechtigenden GdS.
Die anerkannten Schädigungsfolge "chronische Erlebnisstörung – Schlafstörung" betrifft eine Behinderung im Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche" und ist ab März 2012 mit einem GdS um 20 v.H. zu bewerten. Übereinstimmend haben sowohl die Sachverständigen Dr. L. und PD Dr. G. als auch die beteiligten Versorgungsärzte des Beklagten diese Diagnose gestellt. Nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (Teil B 3.7., S. 42) werden als Folgen einer Neurose, einer Persönlichkeitsstörung oder eines psychischen Traumas leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem GdS von 0 bis 20 bewertet. Für stärker behindernde Störungen mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) ist ein Bewertungsrahmen von 30 bis 40 vorgesehen. Danach ist die chronische Erlebnisstörung des Klägers, die mit einer Schlafstörung verbunden ist, aufgrund der Feststellungen des Sachverständigen Dr. L. mit einem GdS um 20 v.H. zu bewerten, da diese zu einer Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit am Tage führt. Die Notwendigkeit einer ein- bis zweistündigen Ruhepause am Tag schränkt die Aktivität des Klägers in leichtem Grade ein. Dr. L. hat für den Senat nachvollziehbar den GdS infolge der chronischen Schlafstörung wegen der Abnahme der Kompensationsfähigkeit geringfügig höher beurteilt als im Vergleich zum Gutachten des PD Dr. G. vom 10. April 2002. Eine höhere Bewertung der anerkannten Schädigungsfolge mit einem rentenberechtigenden GdS kann indes nicht erfolgen, weil diese nicht mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit verbunden ist. Eine Abklärung bzw. Behandlung der Schlafstörungen bzw. der chronischen Erlebnisstörung durch eine psychiatrische bzw. psychologische Behandlung ist nicht erfolgt, sodass kein Leidensdruck erkennbar ist, der bei einer höhergradigen Behinderung zu erwarten wäre. Allein der kurzzeitige Behandlungsversuch bei einer Psychologin Anfang der 90er Jahre in S. sowie die gelegentliche Einnahme einer Schlaftablette lassen keinen solchen erkennen. Auch dem behandelnden Allgemeinarzt Dr. H. sind ausweislich seines Befundberichts vom 13. April 2010 keine wesentlichen Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit bekannt. Die vom Kläger angegebenen Schlafstörungen und Angstzustände werden von ihm nicht behandelt. Schließlich ist zu beachten, dass die Schlafstörungen nicht allein durch die Haftbedingungen verursacht worden, sondern nach den Angaben des Klägers auch durch die Rücken- und Hüftschmerzen bedingt sind.
Weitere seelische Schädigungsfolgen liegen nicht vor. Zwar haben Dr. L. und PD Dr. G. beim Kläger einen beginnenden hirnorganischen Abbauprozess festgestellt, überzeugend aber einen Zusammenhang zur erlittenen Haft verneint. Neurophysiologisch konnte PD Dr. G. das schwere organisch-bedingte Schädigungsbild in Verbindung mit Zeichen einer bereits ausgeprägten Polyneuropathie mit einer massiven Gefühlsstörung beider Vorfüße objektivieren. Doch ist dieser Abbauprozess nicht durch die Haftbedingungen, sondern durch die beim Kläger schädigungsunabhängig vorliegende Hypertonie und den Diabetes mellitus entstanden. Auch die von Dr. L. diagnostizierte Persönlichkeitsstörung ist nicht Folge der Haft, sondern auf zahlreiche konkurrierende Ursachen zurückzuführen. Für den Senat überzeugend hat Dr. L. ausgeführt, seit 1992 sei eine Verschlechterung und Veränderung im Erleben durch die krankheitsbedingte Aufgabe der beruflichen Tätigkeit, den Unfalltod des ältesten Sohnes und im Zusammenhang mit einer Zunahme von schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörungen (Stütz- und Bewegungssystem, Diabetes mellitus, Nachlassen der Funktion des Gedächtnisses und der Umstellungsfähigkeit) eingetreten. Seit 1994 hat Dr. L. eine zunehmende misstrauische Haltung und einen zunehmenden sozialen Rückzug nachweisen können. Überzeugend hat Dr. L. darauf hingewiesen, dass damit ein schicksalhaftes und schädigungsunabhängiges Missverhältnis zwischen Kompensationsfähigkeit und vielfältigen Belastungen eingetreten sei. In diesem Zusammenhang spielten auch die schädigungsunabhängigen beginnenden hirnorganischen Veränderungen mit leichten Gedächtnisstörungen und einer eingeschränkten kognitiven Umstellungsfähigkeit eine Rolle, weil durch diese die soziale Interaktion erschwert werde.
Dagegen liegt nach Auffassung des Senats beim Kläger keine anhaltende Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung vor. Die gegenteilige Auffassung von Herrn H. sowie der behandelnden Ärzte des Klägers hat Dr. L. - genau wie zuvor bereits PD Dr. G. - überzeugend widerlegt. Dr. L. hat in seinem Gutachten zwar eingeräumt, dass sich für bedeutende Abschnitte der erlittenen Haft Bedingungen zeigen ließen, die grundsätzlich geeignet seien, zu Persönlichkeitsveränderungen zu führen. Doch konnte er die für eine solche Diagnose erforderlichen Gefühle von Leere und Hoffnungslosigkeit beim Kläger nicht feststellen. Ebenso wenig vermochte er beim Kläger Gefühle chronischer Nervosität wie bei ständigem Bedrohtsein und Entfremdung nachweisen. PD Dr. G. hat bei der Prüfung, ob eine posttraumatische Belastungsstörung bzw. eine Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung beim Kläger vorliegt, nicht nur den aktuellen Zeitraum, sondern den lebensgeschichtlichen Verlauf einbezogen. Überzeugend hat er darauf hingewiesen, dass der Kläger im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Schädigungszeitraum keine Einschränkungen in seinen sozialen Bewegungsräumen und seiner sozialen Kontaktfähigkeit erlitten hat. Zu keinem Zeitpunkt waren fachpsychiatrische oder fachpsychologische Hilfen erforderlich gewesen. Auch konnte der Kläger eine sehr erfolgreiche berufliche Tätigkeit zunächst in einem großen Monteurversorgungsareal und ab Mitte der 70er Jahre in selbständiger Tätigkeit als Fahrradmechaniker mit eigener Werkstatt durchführen. Die Auffassung, dass beim Kläger keine anhaltende Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung vorliegt, wird auch durch das Gutachten des Dr. B. vom 2. Oktober 1995 gestützt. Dieser hat ausgeprägte Symptome einer posttraumatischen Störung verneint, weil er Einschränkungen in der mitmenschlichen Beziehungsgestaltung nicht feststellen konnte. Der Kläger hatte sich ihm gegenüber als offen und ohne Kontaktstörungen eingeschätzt und Gefühle der Leere und Hoffnungslosigkeit verneint. Hinweise auf einen sozialen Rückzug der mitmenschlichen oder beruflichen Beziehungen hat auch Dr. B. nicht finden können.
Schließlich sind auch die weiteren vom Kläger geltend gemachten Behinderungen nicht als Schädigungsfolgen anzuerkennen.
Die im Jahre 1976 durch Dr. H. diagnostizierte Erkrankung an Morbus Bechterew ist nach Ansicht des Senats unter Würdigung der Gesamtumstände nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf die Haft zurückzuführen. Insoweit folgt der Senat dem Gutachten des Prof. Dr. H., das im Ergebnis mit den Gutachten von Dr. T. und Dr. W. übereinstimmt. Danach ist ein Zusammenhang nach dem Maßstab der wesentlichen Bedingung schon deshalb zu verneinen, weil die Ursache des Morbus Bechterew bislang wissenschaftlich nicht geklärt ist. Sofern die Ursache unbekannt ist, kann aber nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass die Haftbedingungen für die Entstehung der Krankheit ursächlich gewesen sind.
Auch die Voraussetzungen der Kann-Versorgung liegen bezüglich des Morbus Bechterew nach den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit nicht vor. Zwar ist seit dem 1. Januar 2009 an die Stelle dieser Anhaltspunkte die VersMedV getreten. Anders als die Anhaltspunkte 1996 bis 2008 enthält diese aber keine Bestimmungen über die Kausalitätsbeurteilung bei einzelnen Krankheitsbildern, sodass insoweit auf die letzte Fassung der Anhaltspunkte (2008) zurückgegriffen werden muss. Nach der letzten Fassung der Anhaltspunkte (2008, Nr. 140, S. 256) ist u.a. für die Anerkennung des Morbus Bechterew als Kann-Versorgung Voraussetzung, dass eine zeitliche Verbindung von bis zu sechs Monaten zwischen der Schädigung und dem Beginn des Leidens vorliegt. Diese Voraussetzung liegt nicht vor, weil erst im Jahre 1976, also zehn Jahre nach der Haft, Dr. H. diese Erkrankung diagnostiziert hat. In den unmittelbar vor der Diagnose liegenden Jahren (1970 bis 1975) ist gar keine ärztliche Behandlung und erst recht keine ärztliche Behandlung wegen Rückenbeschwerden durch den SV-Ausweis belegt, sodass es auch an Brückensymptomen seit der Haft fehlt. Allein die Ausführungen des Klägers über die Entstehung seiner Beschwerden können nicht herangezogen werden, da diese in sich widersprüchlich sind und sich nicht mit den Unterlagen aus der Gefangenenakte in Einklang bringen lassen. So gehen die verschiedenen Schilderungen des Klägers gegenüber den Gutachtern auseinander, ob die Rückenbeschwerden schon vor oder aber erst während des Arrestes durch das Schlafen auf dem Holzboden entstanden sind. In der Gefangenenakte befindet sich für Juni 1966 der Eintrag von seit sechs Wochen bestehenden Rückenschmerzen, sodass diese danach schon lange Zeit vor der Einzelhaft vorgelegen haben. Für diese Zeit lassen sich selbst nach den Ausführungen des Klägers aber keine körperliche Belastungen im Sinne von Nr. 140 c, S. 255 der Anhaltspunkte feststellen, die nach Art, Dauer und Schwere geeignet sind, die Resistenz erheblich herabzusetzen. Dr. W. hat insoweit überzeugend festgestellt, dass aufgrund der nur kurzen Zeit im Gleisbau kein dadurch bedingter Schaden an der Wirbelsäule habe eintreten können. Auch die anschließende Tätigkeit im Haftarbeitslager war zu kurz und die Art der Belastung nicht geeignet, einen bleibenden Schaden an der Wirbelsäule zu verursachen.
Auch die weiteren vom Kläger angegebenen Bewegungseinschränkungen aufgrund von Arthrosen lassen sich nicht auf die Haft zurückführen. Keiner der Sachverständigen hat einen solchen Zusammenhang finden können. Insbesondere lassen sich die vom Kläger geltend gemachten Funktionseinschränkungen des linken Arms und des rechten Beins auf die vor der Haft erlittene Kinderlähmung zurückführen, die nach dem Bericht des Krankenhauses S. vom März 1963 nicht folgenlos ausgeheilt war. Die Funktionsstörungen aufgrund der Kinderlähmung waren auch noch während der Haftzeit vorhanden, wie die krankheitsbedingte Versetzung des Klägers aus dem Arbeitsbereich Gleisbau gezeigt hat. Schließlich sind die Hypertonie und der Diabetes mellitus keine Folgen der zu Unrecht erlittenen Haft. Für diese Jahrzehnte nach der Haft aufgetretenen Erkrankungen hat keiner der Sachverständigen einen medizinischen Anknüpfungspunkt zur Haft aufzeigen können. Vielmehr haben alle einen ursächlichen Zusammenhang verneint.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 SGG).
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Umstritten sind die Feststellung weiterer Schädigungsfolgen und die Gewährung einer Beschädigtenversorgung nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG).
Der am ... 1943 geborene Kläger wurde im Jahre 1965 beim Versuch, über Ungarn die Staatsgrenze zur BRD zu überwinden, verhaftet. Aufgrund des Urteils des Bezirksgerichts Magdeburg vom 25. August 1965 wurde er wegen des Vorwurfs des gemeinschaftlichen und fortgesetzten versuchten unvollendeten illegalen Verlassens der DDR zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Mit Beschluss des Landgerichts Magdeburg vom 9. November 1992 (Aktenzeichen Reh. 794/91) wurde er für den Zeitraum vom 24. März 1965 bis 22. September 1966 wegen der erlittenen Freiheitsstrafe rehabilitiert.
Am 15. Februar 1994 beantragte der Kläger beim Amt für Versorgung und Soziales Magdeburg wegen Schlafstörungen mit starken Schweißausbrüchen, einer verminderten Gebrauchsfähigkeit des linken Armes und des rechten Beines sowie ständigen Rücken- und Hüftschmerzen Leistungen nach dem StrRehaG. Der Beklagte führte medizinische Ermittlungen durch. Nach dem Bericht des J.-Krankenhauses S. vom 20. März 1963 war der Kläger dort vom 18. Dezember 1958 bis 28. Januar 1959 wegen einer schlaffen Lähmung des rechten Beines und des linken Armes als Folge einer Poliomyelitis (Kinderlähmung) behandelt worden. Bei Entlassung hätten noch fehlende Reflexe rechts, eine deutliche Umfangsdifferenz, ein hinkender Gang und ein nach außen gekanteter rechter Fuß vorgelegen. Nach dem Befundschein des Facharztes für Orthopädie H. vom 19. April 1976 war beim Kläger Morbus Bechterew diagnostiziert worden. Außerdem ließ der Beklagte das versorgungsärztliche Gutachten durch MR Dr. T. vom 13. Juni 1995 erstatten. Danach könne der Kläger gut einschlafen, schlafe drei bis vier Stunden, werde aber durch Schmerzen in der rechten Hüfte oder im rechten Bein wach. Nachts käme es vor, dass er schreie. Seine Frau wecke ihn dann auf. Dabei habe er auch Schweißausbrüche. Dr. T. führte aus, die seit zwei bis drei Jahren bestehende Hypertonie sei nicht Folge der Haft. Gleiches gelte für den Diabetes mellitus. An der Kinderlähmung (mit der Folge Coxarthrose rechts mehr als links, geringe Bewegungsstauung rechtes oberes Sprunggelenk, Verschmächtigung des rechten Beines) sei der Kläger schon vor der Haft erkrankt. Die Ätiopathogenese des Morbus Bechterew sei zwar weitgehend ungeklärt. Da seit der Haft und der Diagnosestellung aber zehn Jahre vergangen seien, könnten auch nicht die Voraussetzungen der Kann-Versorgung bejaht werden. Insgesamt lägen damit keine mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) zu bewertenden körperlichen Schädigungsfolgen vor, doch sei ein psychiatrisches Gutachten zu veranlassen. Dieses erstattete Dr. B. am 2. Oktober 1995. Er diagnostizierte eine ausgeprägte Schlafstörung im Rahmen eines posttraumatischen Belastungssyndroms und bewertete dieses mit einer MdE um 10 vom Hundert (v.H.). Das verursachende Ereignis sei die Zeit der Untersuchungshaft in M., da mit dem ständigen nächtlichen Brennenlassen der Lampen ein intensives Bedrohungserlebnis verbunden gewesen sei. Die Schlafstörungen seien auch nach der Inhaftierung nicht rückläufig gewesen. Zu den ausgeprägten Symptomen mit Schreien und Schweißausbrüchen komme es derzeit alle Monate. Über Albträume oder Albzustände habe der Kläger nichts berichtet. Die außerdem geltend gemachten Durchschlafstörungen seien auch durch die aufgetretene Schmerzsymptomatik bedingt. Weitere ausgeprägte Symptome einer posttraumatischen Störung hätten sich nicht feststellen lassen. Der Kläger sei nach seinen Angaben offen auf die Menschen zugegangen und habe keine Kontaktstörung gehabt. Gefühle der Leere und Hoffnungslosigkeit habe er nicht geschildert. Damit hätten insgesamt keine Hinweise auf einen sozialen Rückzug der mitmenschlichen oder beruflichen Beziehungen gefunden werden können. Auch Hinweise auf eine Persönlichkeitsveränderung hätten nicht festgestellt werden können.
Dem folgend stellte der Beklagte mit Bescheid vom 19. Februar 1996 beim Kläger eine chronische Erlebnisstörung ohne rentenberechtigende MdE fest. Im Widerspruchsverfahren legte der Kläger seine Sozialversicherungsausweise vor. Danach war er nach der Entlassung aus der Haft bis zum Jahre 1976 als Schlosser, anschließend als Monteur und bis zum Bezug von Invalidenrente ab 1. April 1990 als selbstständiger Handwerker beschäftigt gewesen. Für den unmittelbaren Zeitraum nach Entlassung aus der Haft findet sich für das Jahr 1967 nur der Eintrag einer zahnärztlichen Behandlung, die nächsten ärztlichen Behandlungen erfolgten erst in den Jahren 1968 und 1969. Erstmalig, nachdem für den Zeitraum 1970 bis 1975 (abgesehen von einer zahnärztlichen Behandlung) keine Einträge dokumentiert sind, ist für den 13. Februar 1976 eine orthopädische Behandlung durch Dr. H. vermerkt. Im Widerspruchsverfahren ließ der Beklagte außerdem durch Dr. W. das versorgungsärztliche Gutachten vom 5. Juni 1996 erstellen. Diesem habe der Kläger berichtet, er habe sich bis ca. September 1965 in Untersuchungshaft befunden und sei dabei Verhören ausgeliefert gewesen. Eine körperliche Belastung habe dabei nicht vorgelegen. Von September bis Oktober 1965 sei er in der Haftanstalt N. im Gleisbau tätig gewesen. Seit dieser Zeit habe er bei bestimmten Bewegungen Kreuzschmerzen. Von Oktober 1965 bis September 1966 habe er im Haftarbeitslager S. in einer Schlosserei gearbeitet. Dabei sei er mit Zuarbeiten für die Herstellung von Tagebaugeräten und der Anfertigung von Werkzeugen beschäftigt gewesen. Kurz vor Haftende sei er für drei Wochen im Arrest gewesen und habe auf einem sehr kalten Holzfußboden schlafen müssen. Dr. W. vertrat die Ansicht, die kurzzeitig schwere Arbeit im Gleisbau habe die Kinderlähmung nicht verschlimmern können, da er nur gering ausgeprägte krankhafte Befunde am linken Arm und rechten Bein als Folge der Kinderlähmung habe finden können. Aufgrund der kurzen Zeit im Gleisbau habe kein dadurch bedingter Schaden an der Wirbelsäule eintreten können. Auch die Zeit im Haftarbeitslager sei zu kurz und die Art der Belastung nicht geeignet gewesen, einen bleibenden Schaden an der Wirbelsäule zu verursachen. Im Übrigen sei der Zeitraum von zehn Jahren nach der Haft bis zur Diagnosestellung des Morbus Bechterew zu lang. Auch die Hüftgelenkbeschwerden seien keine Schädigungsfolgen, sondern wahrscheinlich als Coxarthrose beider Hüftgelenke im Rahmen des Morbus Bechterew zu bewerten. Dem folgend wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 2. Oktober 1997 den Widerspruch des Klägers zurück.
Am 12. Juli 2001 beantragte der Kläger die Neufeststellung der Schädigungsfolgen, weil die von ihm bereits geltend gemachten physischen und psychischen Störungen nicht anerkannt worden seien und er unter zunehmenden Schlafstörungen, Schweißausbrüchen und Herzrasen leide. Er habe Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule und Hüftgelenke. Der linke Arm sei völlig unbrauchbar. Der Beklagte holte den Befundbericht des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. B. vom 3. August 2001 ein, der eine psychosomatische Störung nach Inhaftierung mit depressiver Verstimmung diagnostizierte. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin S. diagnostizierte am 21. August 2001 eine posttraumatische Belastungsstörung nach der Haft. Aus den beigezogenen Gefangenenpersonalakten geht hervor, dass der Kläger im Oktober 1965 wegen des Zustands nach Kinderlähmung für den Gleisbau als untauglich eingeschätzt worden war. Im März 1966 erfolgte ausweislich der Gefangenenpersonalakten eine zahnärztliche Behandlung und im Juni 1966 eine ärztliche Behandlung wegen seit sechs Wochen bestehender Rückenschmerzen beim Bücken. Aufgrund einer Untersuchung am 12. August 1966 war er als arresttauglich eingestuft worden.
Außerdem erstattete auf Veranlassung des Beklagten der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Privatdozent (PD) Dr. G. das Gutachten vom 10. April 2002. Diesem habe der Kläger berichtet, er sei von der Tätigkeit im Gleisbau zu Beginn der Haft nach maximal einer Woche wegen seiner körperlichen Schwäche infolge der Kinderlähmung befreit worden. Seit dem Sommer 1966 leide er unter ständigen Rückenschmerzen. Am Ende der Haftzeit sei er wohl für sieben Wochen wegen Arbeitsverweigerung in strengen Arrest gekommen. Zunächst habe er auf einem Gummifußboden, später auf einem Holzfußboden ohne Decke schlafen müssen. Durch die Holzzelle habe ein Heizungsrohr geführt, er habe sich dann auf die Erde gelegt und an das Rohr geschmiegt. Er sei auf der einen Seite ganz warm und auf der anderen Seite ganz kalt gewesen, da es unter dem Holzfußboden entlang gezogen habe. Seitdem bestünden seine Schmerzen. Er habe auch Durchschlafstörungen, eine Abklärung der Beschwerden sei aber nicht erfolgt. Er sei auch nicht zu einem Nervenarzt oder Psychologen gegangen. Gelegentlich nehme er Schlaftabletten, möglichst aber Bio-Medizin. Außerdem leide er unter Angst vor Amtspersonen und könne sich gut vorstellen, dass auch seine Blutdruckerhöhung darauf zurückzuführen sei. Es habe ihm damals das Herz geklopft und angefangen zu rasen, als er zum Verhör geholt worden sei. Dr. G. diagnostizierte eine schädigungsbedingte "chronische Erlebnisstörung – Schlafstörung", die er mit einer MdE um 10 bewertete. Außerdem stellte er ein hirnorganisches, nicht schädigungsbedingtes Psychosyndrom (deutlich umstellungserschwert, konzentrationsgemindert, im Vordergrund stehende stark emotionale Ergriffenheit mit massiven vegetativen Erscheinungen bei Erinnerung und Erörterung) fest, das die jetzige Erlebnis- und Verarbeitungsfähigkeit hochgradig bestimme. Dieses sei auf den bestehenden Diabetes mellitus und die Hypertonie zurückführen. Neurophysiologisch sei das schwere organisch-bedingte Schädigungsbild objektivierbar in Verbindung mit Zeichen einer bereits ausgeprägten Polyneuropathie mit einer massiven Gefühlsstörung beider Vorfüße. Außerdem sei die schwere Schädigung durch die Kinderlähmung zu berücksichtigen. Dagegen hätten sich keine Hinweise für eine klinisch fassbare posttraumatische Belastungsstörung bzw. eine Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung finden lassen. Diese Wertung umfasse das gegenwärtige Querschnittsbild und die Betrachtung des lebensgeschichtlichen Verlaufs. Zu keinem Zeitpunkt seien fachpsychiatrische oder fachpsychologische Hilfen erforderlich gewesen. Auch habe der Kläger im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Schädigungszeitraum keine Einschränkungen in seinen sozialen Bewegungsräumen und seiner sozialen Kontaktfähigkeit erlitten. Vielmehr lasse sich eine völlig eigenständige berufliche Tätigkeit in einem großen Monteurversorgungsareal und ab Mitte der 70er Jahre eine sehr erfolgreiche selbstständige Tätigkeit nachweisen.
Mit Bescheid vom 7. Oktober 2002 erkannte der Beklage die Schädigungsfolge "chronische Erlebnisstörung – Schlafstörung" als Verschlimmerung mit einer MdE unter 25 v.H. an und lehnte die Erkrankungen an Morbus Bechterew, Hypertonie und den Zustand nach Kinderlähmung als Schädigungsfolgen ab. Mit seinem Widerspruch vom 21. Oktober 2002 machte der Kläger geltend, der Arrest könne als ursächliche Bedingung für seine Beschwerden nicht ausgeschlossen werden. Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juni 2003 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Es sei weder eine Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolgen in rentenberechtigender Höhe eingetreten noch ließen sich weitere Schädigungsfolgen feststellen. Insoweit werde auf den Widerspruchsbescheid vom 2. Oktober 1997 Bezug genommen.
Am 17. Juli 2003 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Stendal Klage erhoben, weil nach seiner Ansicht der Morbus Bechterew und die psychischen Störungen schädigungsbedingt seien. Das SG hat ein psychiatrisches Fachgutachten durch den Arzt für Psychiatrie und Sozialmedizin H. vom 3. Februar 2004 erstatten lassen. Danach leide der Kläger unter Schlafstörungen, Albträumen und wache schweißgebadet auf. Medikamente nehme er keine. Der Sachverständige hat eine andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung bzw. eine chronifizierte posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert. Die Brückensymptome seien in der Schlafstörung zu sehen. Die Auswertung der psychologischen Fragenbögen habe eine deutlich auffällige Persönlichkeitsprofilkonstellation gezeigt. Insgesamt habe der Kläger mehrere Extrembelastungen (Kinderlähmung, Haft als Jugendlicher wegen Waffenbesitz, Haft wegen Republikflucht, Tod eines Sohnes, Atem- und Herzstillstand mit Reanimation) erlitten, die insgesamt eine andauernde Veränderung der Wahrnehmung, des Verhaltens und des Denkens bezüglich der Umwelt und der eigenen Person nach sich zu ziehen scheine. Aufgrund der damit verbundenen wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit hat er eine MdE um 40 v.H. vorgeschlagen. Tiefergehende depressiven Störungen, Antriebsstörungen oder Anzeichen für eine hirnorganische Störung hat der Sachverständige aufgrund einer psychologischen Untersuchung verneint.
Der Beklagte hat unter Bezugnahme auf die prüfärztliche Stellungnahme von Dr. W. vom 11. März 2004 dem entgegengehalten, das Gutachten zeige eine deutliche Persönlichkeitsstörung, die überwiegend anlagebedingt bzw. in der Kindheit erworben und keinesfalls durch die Haftbedingungen verursacht worden sei. Für auffällige Persönlichkeitsmerkmale schon in der Jugend spräche auch die Inhaftierung wegen unerlaubten Waffenbesitzes im Alter von 16 Jahren. Der Kläger habe sich mindestens während seines gesamten Berufslebens massiv überfordert. Die körperlichen Behinderungen infolge der Kinderlähmung und die häufigen Rückenschmerzen verstärkten die Belastung zusätzlich. Die ausgeprägte Tendenz, sich über hohe Leistungen zu stabilisieren, deute ebenfalls auf eine bereits in der Kindheit angelegte Persönlichkeitsstörung hin. Darüber hinaus seien auch die weiteren schwerwiegenden Einschnitte im Leben des Klägers zu berücksichtigen, mit denen sich der Sachverständige in seinem Gutachten nicht ausreichend auseinandergesetzt habe.
In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 8. Dezember 2004 hat Herr H. darauf hingewiesen, Hinweise für anlagebedingte bzw. in der Kindheit erworbene Persönlichkeitsmerkmale lägen nicht vor. Bei der Begutachtung durch Dr. B. im Oktober 1995 hätten sich nur ausgeprägte Schlafstörungen gezeigt. Die bereits 1996 anerkannte Schädigungsfolge einer posttraumatischen Belastungsstörung sei jahrelang kompensiert gewesen und sei durch den Narkosezwischenfall mit Reanimation reaktualisiert, jedoch nicht ausgelöst worden. Das jetzige Bild sei durch Flashbacks, Schlafstörungen und massive Albträume von Fluchtsituationen gekennzeichnet.
Der Beklagte hat erneut mit der Stellungnahme von Dr. W. vom 30. Dezember 2004 Einwände gegen das Gutachten erhoben. Danach sei es mit dem derzeitigen Wissensstand nicht vereinbar sei, dass sich seit der Begutachtung im Jahre 1995 eine Persönlichkeitsstörung innerhalb von wenigen Jahren im weit fortgeschrittenen Erwachsenenalter entwickelt habe. Die bestehenden erheblichen Störungen der Aufmerksamkeit, der Konzentration und der Merkfähigkeit seien zwanglos den hirnorganischen Veränderungen infolge des langjährigen Diabetes mellitus, der Hypertonie und auch der Reanimation zuordnen.
Außerdem hat das SG das fachorthopädische Sachverständigengutachten des Prof. Dr. H. (Direktor der Universitätsklinik und Poliklinik für Orthopädie und Physikalische Medizin der ... Universität H.-W.) vom 5. Juli 2004 eingeholt. Diesem habe der Kläger berichtet, er habe am Ende der Haft unter strengem Arrest gestanden. In dieser Zeit sei es zu einem Auftreten von Kreuzschmerzen gekommen. Außerdem habe er auch Schmerzen in den Hüftgelenken verspürt. Der Morbus Bechterew sei im Jahre 1976 bei immer stärker werdenden Schmerzen diagnostiziert worden. Prof. Dr. H. hat ausgeführt, die Hypertonie und die Kinderlähmung könnten keinesfalls mit den Haftbedingungen in Zusammenhang gebracht werden. Auch die Spondylitis ankylosans (Morbus Bechterew) könne nicht auf die Haftbedingungen zurückgeführt werden. So habe auch während der Arresthaftzeit über drei Wochen keine extreme Kälte beziehungsweise extreme Nässe vorgelegen. Im Übrigen seien die Kreuzschmerzen nach den vorliegenden Unterlagen beim Kläger schon vor diesem Arrest bekannt gewesen. Schließlich erlaube der zeitliche Zusammenhang von über zehn Jahren bis zur korrekten Diagnose des Morbus Bechterew nicht die Feststellung eines ursächlichen Zusammenhangs. Beim Kläger liege zudem eine genetische Prädisposition durch die Folgen der Poliomyelitis vor. So führe jedes muskuläre Ungleichgewicht zu einer Fehlbelastung der Haltungs- und Bewegungsorgane, wodurch die Kreuzschmerzen durchaus auch in dieser Erkrankung eine gewisse Prädisposition haben könnten. Weitere orthopädische Gesundheitsstörungen hat der Sachverständige nicht festgestellt.
Mit Gerichtsbescheid vom 6. Juni 2006 hat das SG den Beklagten verurteilt, bei dem Kläger ab dem 1. Juli 2001 als Schädigungsfolge der Inhaftierung eine "Persönlichkeitsstörung nach Extrembelastung" anzuerkennen und eine Beschädigtenrente nach einer MdE um 40 v.H. zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Es hat sich dabei auf das Gutachten von Herrn H. gestützt. Danach habe der Kläger alle Symptome geschildert, die bei einer solchen Persönlichkeitsänderung zu fordern seien. Die Schlafstörung sei dabei als Brückensymptom zu werten. Der Sachverständige habe bei seiner Beurteilung die schädigungsfremden Faktoren wie Veranlagung, Umwelteinflüsse, Lebensführung und andere Vorgänge im Lebenslauf sachgerecht gewichtet. Die Bewertung mit einer MdE um 40 orientiere sich ebenfalls an den Ausführungen des Sachverständigen H. Der Kläger habe jedoch keinen Anspruch auf die Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen wie Hypertonie, Zustand nach Kinderlähmung und Morbus Bechterew. Insoweit sei den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. H. zu folgen.
Gegen den am 9. Juni 2006 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Beklagte am 4. Juli 2006 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt, weil die durch den Gutachter H. diagnostizierte posttraumatische Belastungsstörung nicht nachvollziehbar sei. Noch im Jahr 2002, mehr als zwölf Jahre nach dem Nahtod-Erlebnis, seien keine solchen Symptome feststellbar gewesen. Bis zu diesem Zeitpunkt habe auch kein besonderer Leidensdruck hinsichtlich der Schlafstörungen vorgelegen. Der Kläger habe nie eine ärztliche Abklärung der Störungen angestrebt und sich darauf beschränkt, "gelegentlich einmal eine Schlaftablette" einzunehmen. 1995 habe er sich bei der Begutachtung durch Dr. B. als ausgeglichenen Menschen beschrieben und Gefühle der Leere oder Hoffnungslosigkeit verneint. Hinweise auf einen sozialen Rückzug oder auf eine Beeinträchtigung der mitmenschlichen oder beruflichen Beziehungen habe der Sachverständige nicht finden können. Im Übrigen habe der Kläger bei der Begutachtung durch Dr. T. im Jahr 1995 erklärt, er leide nicht an Ein-, sondern Durchschlafstörungen und erwache nach drei bis vier Stunden durch die Schmerzen in der rechten Hüfte und im rechten Bein. Der erfolgreiche berufliche Werdegang des Klägers stehe ebenfalls der Annahme einer jahrzehntelang bestehenden massiven Schlafstörung entgegen. Im Übrigen sei die von Herrn H. mitgeteilte Diagnose "andauernde Persönlichkeitsstörung nach Extrembelastung" fragwürdig. Diese Diagnose sei nach ICD 10 nicht bekannt, wohl aber die der "andauernden Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung". Ob eine solche vorläge, sei durch ein psychiatrisches Sachverständigengutachten aufzuklären.
Der Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stendal vom 6. Juni 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und verweist auf das Sachverständigengutachten des Herrn H. Außerdem seien auch der Morbus Bechterew, die Arthrose und seine weiteren körperlichen Erkrankungen zu berücksichtigen.
Auf Nachfrage des Senats hat der Kläger angegeben, seine psychischen Gesundheitsstörungen würden durch den Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. H. behandelt. Dieser hat in seinem durch den Senat eingeholten Befundbericht vom 13. April 2010 Hypertonie, Diabetes mellitus Typ II, Morbus Bechterew, Polymyalgia rheumatica, Schlafstörungen, Arthrose beider Schultergelenke, Tinnitus sowie einen Zustand nach Poliomyelitis mit einer Restlähmung des linken Beines und linken Armes diagnostiziert. Psychische oder psychovegetative Störungen des Klägers mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfreiheit seien ihm nicht bekannt. Der Kläger habe zwar Schlafstörungen und Angstzustände angegeben, diese Beschwerden behandele er aber nicht. Psychopharmaka habe der Kläger nicht einnehmen müssen.
Am 13. Dezember 2010 hat eine nichtöffentliche Sitzung des Senats stattgefunden, in der der Kläger erklärt hat, er habe einen kurzzeitigen Behandlungsversuch bei einer Psychologin Anfang der 90er Jahre in S. unternommen. Er habe diesen abgebrochen, da er das Gefühl gehabt habe, dass diese ihm nicht habe helfen können.
Schließlich hat der Senat das Sachverständigengutachten des Dr. L., Chefarzt der ... Psychiatriezentrum ... GmbH, vom 26. März 2012 erstatten lassen. Dieser hat beim Kläger chronische Schlafstörungen mit einer Verkürzung der Schlafdauer, Albträumen und abnormes motorisches Verhalten im Schlaf, eine Veränderung der Persönlichkeit mit am ehesten paranoider Färbung sowie einen beginnenden hirnorganischen Abbauprozess mit geringfügigen Gedächtnisstörungen und nachlassender Umstellungsfähigkeit diagnostiziert. Im Hinblick auf die chronischen Schlafstörungen hätten die haftbedingten Schädigungen bis heute fortgewirkt. Bezüglich der Persönlichkeitsveränderung gelinge der Kausalitätsnachweis zur Haft nicht, weil zahlreiche konkurrierende Ursachen vorlägen. Während noch im Jahre 1990 nichts gegen ein Engagement des Klägers in der Kommunalpolitik gesprochen habe, sei seit 1992 eine Verschlechterung und Veränderung im Erleben infolge des Wegfalls der Arbeit in Folge von Invalidisierung und Pensionierung, Unfalltod des ältesten Sohnes und im Zusammenhang mit einer Zunahme von schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörungen (Stütz- und Bewegungssystem, Diabetes mellitus, Nachlassen der Funktion des Gedächtnisses und der Umstellungsfähigkeit) eingetreten. Seit 1994 ließen sich eine zunehmende misstrauische Haltung und ein zunehmender sozialer Rückzug nachweisen. Der Gedanke, durch Unterlassen jeglicher (politischer) Aktivität eine Schädigung des überlebenden Sohns zu verhindern, sei nicht auf die Hafterfahrung zu beziehen, sondern entspreche einer Reaktionsbildung auf den Unfalltod des ältesten Sohnes vor dem Hintergrund der fürsorglichen Haltung des familienorientierten Klägers. Letztlich müsse ein zunehmendes Missverhältnis zwischen Kompensationsfähigkeit und vielfältigen Belastungen konstatiert werden, und zwar schicksalhaft und schädigungsunabhängig. Dabei spielten die schädigungsunabhängigen beginnenden hirnorganischen Veränderungen mit leichten Gedächtnisstörungen und einer eingeschränkten kognitiven Umstellungsfähigkeit ebenfalls eine Rolle. Auch dadurch werde die soziale Interaktion erschwert. Zur Bewertung der chronischen Schlafstörungen mit Albträumen hat Dr. L. einen Grad der Schädigung (GdS) um 20 v.H. vorgeschlagen. Diese führten zu einer Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit am Tage. Die Notwendigkeit einer ein- bis zweistündigen Ruhepause am Tag schränke die Aktivität des Klägers in leichtem Grade ein. Im Vergleich zum Gutachten von Dr. G. werde der GdS infolge der chronischen Schlafstörung wegen der Abnahme der Kompensationsfähigkeit geringfügig höher beurteilt. Im Vergleich zum Gutachten H. werde ein geringerer Gesamt-GdS festgestellt, weil die Diagnose einer anhaltenden Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung nicht bestätigt werden könne. Zwar ließen sich für bedeutende Abschnitte der erlittenen Haft Bedingungen zeigen, die grundsätzlich geeignet seien, zu Persönlichkeitsveränderungen zu führen. Maßgeblich spreche aber dagegen, dass Gefühle von Leere und Hoffnungslosigkeit sich nicht gefunden hätten. Außerdem sei kein Gefühl chronischer Nervosität wie bei ständigem Bedrohtsein und Entfremdung nachzuweisen gewesen. Im Übrigen habe bei der Beurteilung des GdS die hirnorganische Komponente des Störungsbilds nicht ignoriert werden können.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten des Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat durfte den Rechtsstreit in Abwesenheit des Klägers verhandeln und entscheiden, weil dieser ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist, § 110 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Der Senat kann auch in der Sache entscheiden. Im vorliegenden Fall ist das Gesetz über die Rehabilitierung und Entschädigung von Opfern rechtsstaatswidriger Strafverfolgungsmaßnahme im Beitrittsgebiet (StrRehaG) vom 29. Oktober 1992 (BGBl. I S. 1814) anzuwenden, das als Artikel 1 des Ersten SED-Unrechtsbereinigungsgesetzes an 4. November 1992 in Kraft getreten und in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Dezember 1999 (BGBl. I S. 2664) zuletzt durch das Gesetz vom 22. Juni 2011 (BGBl. I S. 1202) geändert worden ist. Für die Durchführung der vom Kläger begehrten Beschädigtenversorgung nach § 21 StrRehaG sind nach § 25 Abs. 4 Satz 1 StrRehaG die Behörden zuständig, denen die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) obliegt. Soweit das StrRehaG von den für die Kriegsopferversorgung zuständigen Verwaltungsbehörden durchzuführen ist, entscheiden nach § 25 Abs. 4 StrRehaG über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit. Insoweit sind die Vorschriften des SGG für Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung maßgebend.
Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG statthafte und auch in der von § 151 Absatz 1 SGG vorgeschriebenen Form und Frist eingelegte Berufung des Beklagten ist begründet. Das beklagte Land hat den Antrag auf Gewährung einer Beschädigtenversorgung auf der Grundlage des StrRehaG zu Recht abgelehnt. Die bereits anerkannte Schädigungsfolge rechtfertigt keine höhere Bewertung. Darüber hinaus besteht kein Anspruch des Klägers auf die Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen. Die Bescheide des Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist sowohl ein Überprüfungsantrag nach § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) als auch ein Neufeststellungsantrag nach § 48 SGB X. Mit seinem Antrag vom 12. Juli 2001 begehrte der Kläger einerseits die Neufeststellung des Bescheids vom 19. Februar 1996 nach § 44 SGB X, weil nicht alle von ihm bereits im Jahre 1995 geltend gemachten physischen und psychischen Störungen anerkannt worden waren. Außerdem begehrte er wegen zunehmender Schlafstörungen, Schweißausbrüche und Herzrasen eine Höherbewertung seiner bereits anerkannten Schädigung nach § 48 SGB X. Der Beklagte hat mit den vom Kläger angegriffenen Bescheiden auch über beide Anträge entschieden. Zwar hat der Beklagte in seinen Bescheiden nur auf § 48 SGB X verwiesen. Doch hat er mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juni 2003 hinsichtlich der bereits im Jahre 1995 beantragten Schädigungsfolgen auf seinen Widerspruchsbescheid vom 2. Oktober 1997 Bezug genommen und damit zugleich eine weitere Änderung seiner Entscheidung vom 19. Februar 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Oktober 1997 nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X abgelehnt.
Zu Recht hat der Beklagte den Antrag des Klägers nach § 48 SGB Abs. 1 Satz 1 SGB X wegen einer Verschlimmerung der bereits anerkannten Schädigungsfolge (chronische Erlebnisstörung) nur dahingehend anerkannt, dass er mit Bescheid vom 7. Oktober 2002 nunmehr eine "chronische Erlebnisstörung – Schlafstörung" festgestellt hat. Nach § 48 SGB Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Wesentlich sind alle Änderungen, die dazu führen, dass die Behörde unter den nunmehr objektiv vorliegenden Verhältnissen den Verwaltungsakt nicht hätte erlassen dürfen. Die Feststellung einer wesentlichen Änderung richtet sich damit nach dem dafür maßgeblichen materiellen Recht (st. Rspr. des BSG, vgl. nur Urteil vom 21. März 1996 – 1 RAr 101/94 – SozR 3-1300 § 48, S. 111 m.w.N.). Für die vorliegende Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage ist der maßgebliche Zeitpunkt der Beurteilung der Sach- und Rechtslage die mündliche Verhandlung des Senats. Nach diesem Maßstab hat der Beklagte auch zu Recht den Versorgungsanspruch des Klägers abgelehnt, weil kein rentenberechtigender Grad der Schädigung (GdS) vorliegt. Auch die Voraussetzungen von § 44 Abs. 1 SGB X sind nicht gegeben. Danach ist der eine Sozialleistung ablehnende Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist. Der Beklagte hat bei Erlass des Bescheids vom 19. Februar 1996 weder das Recht unrichtig angewandt noch ist er von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erweist. Insbesondere hat er es zu Recht abgelehnt, die körperlichen Einschränkungen des Klägers und weitere psychische Störungen als Schädigungsfolge festzustellen.
Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 StrRehaG erhält ein Betroffener, der infolge einer Freiheitsentziehung, für die er rehabilitiert worden ist, eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen dieser Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung des BVG. Die Schädigungsfolge muss also auf einer Gesundheitsstörung beruhen, die durch einen vom StrRehaG erfassten Tatbestand (schädigender Vorgang) verursacht worden ist. Die Erfüllung dieser Tatbestandsvoraussetzungen (schädigender Vorgang, Gesundheitsstörung, Schädigungsfolge) gehört zu den anspruchsbegründenden Tatsachen, die nachgewiesen, d.h. ohne vernünftige Zweifel oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein müssen. Zwischen den drei Gliedern dieser Kette muss jeweils ein Kausalzusammenhang bestehen. Nach § 21 Abs. 5 Satz 1 StrRehaG genügt für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Dieser Beweismaßstab gilt im Sozialen Entschädigungsrecht auch für den Ursachenzusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und der durch dieses Ereignis hervorgerufenen gesundheitlichen Schädigung. Die erforderliche Wahrscheinlichkeit ist dann gegeben, wenn nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang spricht (vgl. BSG, Urteil vom 8. August 2001 – B 9 V 23/01 B – SozR 3-3900 § 15 Nr. 4, S. 14, m.w.N.). Die Tatsachen, auf die sich der Kausalzusammenhang gründet, müssen hingegen im Sinne des Vollbeweises nachgewiesen sein.
Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 StrRehaG richtet sich der Anspruch auf Versorgung nach dem BVG in entsprechender Anwendung. Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Beschädigtenrente ist § 31 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 30 Abs. 1 BVG. Diese Vorschriften sind durch das insoweit am 21. Dezember 2007 in Kraft getretene Gesetz vom 13. Dezember 2007 (a.a.O.) geändert worden. Da das Gesetz keine Übergangsvorschriften enthält, sind diese Vorschriften vom 21. Dezember 2007 an in der neuen Fassung (n.F.) und für den vorangegangenen streitgegenständlichen Zeitraum in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Januar 1982 (BGBl. I S. 21) und der nachfolgenden Änderungen (a.F.) anzuwenden.
Nach § 31 Abs. 1 BVG a.F. erhielten Beschädigte bei einer MdE um mindestens 30 v.H. eine monatliche Grundrente. Nach Abs. 2 der Vorschrift stellten die nach Abs. 1 für die Höhe der Rente maßgeblichen Vomhundertsätze Durchschnittssätze dar, von denen eine um fünf v.H. geringere MdE mit umfasst wurde. Nach § 31 Abs. 1 BVG n.F. setzt die Gewährung einer Grundrente einen GdS von mindestens 30 voraus. In der bis zum 21. Dezember 2007 geltenden Fassung des § 30 Abs. 1 BVG waren und in der seitdem geltenden Neufassung der Vorschrift durch das Gesetz vom 13. Dezember 2007 sind die Grundsätze geregelt, nach denen die MdE zu beurteilen war und nach der Neufassung der GdS zu beurteilen ist. Nach der alten Fassung des § 30 Abs. 1 BVG war die MdE nach der körperlichen und geistigen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben zu beurteilen, wobei seelische Begleiterscheinungen und Schmerzen zu berücksichtigen waren (Satz 1). Für die Beurteilung war maßgebend, um wie viel die Befähigung zur üblichen, auf Erwerb gerichteten Arbeit und deren Ausnutzung im wirtschaftlichen Leben durch die als Folgen einer Schädigung anerkannten Gesundheitsstörungen beeinträchtigt waren (Satz 2). Nach der Neufassung ist der GdS nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen (Satz 1). Der GdS ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst (Satz 2). Demnach reicht – wie zuvor nach § 31 Abs. 2 BVG a.F. – ein GdS von 25 zur Rentenberechtigung aus.
Als Grundlage für die Beurteilung der erheblichen medizinischen Sachverhalte dienten der Praxis die jeweils vom zuständigen Bundesministerium herausgegebenen "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht", die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts als vorweggenommene Sachverständigengutachten eine normähnliche Wirkung hatten (vgl. BSG, Urteil vom 18. September 2003 – B 9 SB 3/02 R – SozR 4-3800 § 1 Nr. 3 Rdnr. 12, m.w.N.). Um verfassungsrechtliche Einwände gegen die Legitimation der "Anhaltspunkte" auszuräumen, ist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in § 30 Abs. 17 BVG, der durch das Änderungsgesetz vom 13. Dezember 2007 (a.a.O.) angefügt worden ist, zum Erlass einer Rechtsverordnung ermächtigt worden. Auf Grund des § 30 Abs. 17 BVG hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) erlassen. Nach ihrem § 1 regelt diese Verordnung unter anderem die Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung ihres Schweregrades im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG. Nach § 2 VersMedV sind die in § 1 genannten Grundsätze und Kriterien in der Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" als deren Bestandteil festgelegt. Die in den Anhaltspunkten (letzte Ausgabe von 2008) enthaltenen Texte und Tabellen, nach denen sich die Bewertung des Grades der Behinderung bzw. der Schädigungsfolge bisher richtete, sind in diese Anlage übernommen worden (vgl. die Begründung BR-Drucks. 767/08, S. 3 f.). Die im vorliegenden Fall heranzuziehenden Abschnitte aus den Anhaltspunkten in den Fassungen von 1996, 2004 und 2008 bzw. aus den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen sind nicht geändert worden.
Nach diesem rechtlichen Maßstab sind die angegriffenen Bescheide nicht zu beanstanden.
Der Anwendungsbereich des StrRehaG ist eröffnet, denn das Bezirksgericht Magdeburg hat mit Beschluss vom 9. November 1992 (Reh. 794/91) den Kläger für den Zeitraum vom 24. März 1965 bis 22. September 1966 rehabilitiert. Den erforderlichen Antrag auf Versorgung hat der Kläger gestellt. Doch besteht kein Anspruch auf eine Beschädigtenrente. Die anerkannte Schädigungsfolge "chronische Erlebnisstörung – Schlafstörung" rechtfertigt keine rentenberechtigende MdE bzw. keinen rentenberechtigenden GdS.
Die anerkannten Schädigungsfolge "chronische Erlebnisstörung – Schlafstörung" betrifft eine Behinderung im Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche" und ist ab März 2012 mit einem GdS um 20 v.H. zu bewerten. Übereinstimmend haben sowohl die Sachverständigen Dr. L. und PD Dr. G. als auch die beteiligten Versorgungsärzte des Beklagten diese Diagnose gestellt. Nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (Teil B 3.7., S. 42) werden als Folgen einer Neurose, einer Persönlichkeitsstörung oder eines psychischen Traumas leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem GdS von 0 bis 20 bewertet. Für stärker behindernde Störungen mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) ist ein Bewertungsrahmen von 30 bis 40 vorgesehen. Danach ist die chronische Erlebnisstörung des Klägers, die mit einer Schlafstörung verbunden ist, aufgrund der Feststellungen des Sachverständigen Dr. L. mit einem GdS um 20 v.H. zu bewerten, da diese zu einer Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit am Tage führt. Die Notwendigkeit einer ein- bis zweistündigen Ruhepause am Tag schränkt die Aktivität des Klägers in leichtem Grade ein. Dr. L. hat für den Senat nachvollziehbar den GdS infolge der chronischen Schlafstörung wegen der Abnahme der Kompensationsfähigkeit geringfügig höher beurteilt als im Vergleich zum Gutachten des PD Dr. G. vom 10. April 2002. Eine höhere Bewertung der anerkannten Schädigungsfolge mit einem rentenberechtigenden GdS kann indes nicht erfolgen, weil diese nicht mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit verbunden ist. Eine Abklärung bzw. Behandlung der Schlafstörungen bzw. der chronischen Erlebnisstörung durch eine psychiatrische bzw. psychologische Behandlung ist nicht erfolgt, sodass kein Leidensdruck erkennbar ist, der bei einer höhergradigen Behinderung zu erwarten wäre. Allein der kurzzeitige Behandlungsversuch bei einer Psychologin Anfang der 90er Jahre in S. sowie die gelegentliche Einnahme einer Schlaftablette lassen keinen solchen erkennen. Auch dem behandelnden Allgemeinarzt Dr. H. sind ausweislich seines Befundberichts vom 13. April 2010 keine wesentlichen Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit bekannt. Die vom Kläger angegebenen Schlafstörungen und Angstzustände werden von ihm nicht behandelt. Schließlich ist zu beachten, dass die Schlafstörungen nicht allein durch die Haftbedingungen verursacht worden, sondern nach den Angaben des Klägers auch durch die Rücken- und Hüftschmerzen bedingt sind.
Weitere seelische Schädigungsfolgen liegen nicht vor. Zwar haben Dr. L. und PD Dr. G. beim Kläger einen beginnenden hirnorganischen Abbauprozess festgestellt, überzeugend aber einen Zusammenhang zur erlittenen Haft verneint. Neurophysiologisch konnte PD Dr. G. das schwere organisch-bedingte Schädigungsbild in Verbindung mit Zeichen einer bereits ausgeprägten Polyneuropathie mit einer massiven Gefühlsstörung beider Vorfüße objektivieren. Doch ist dieser Abbauprozess nicht durch die Haftbedingungen, sondern durch die beim Kläger schädigungsunabhängig vorliegende Hypertonie und den Diabetes mellitus entstanden. Auch die von Dr. L. diagnostizierte Persönlichkeitsstörung ist nicht Folge der Haft, sondern auf zahlreiche konkurrierende Ursachen zurückzuführen. Für den Senat überzeugend hat Dr. L. ausgeführt, seit 1992 sei eine Verschlechterung und Veränderung im Erleben durch die krankheitsbedingte Aufgabe der beruflichen Tätigkeit, den Unfalltod des ältesten Sohnes und im Zusammenhang mit einer Zunahme von schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörungen (Stütz- und Bewegungssystem, Diabetes mellitus, Nachlassen der Funktion des Gedächtnisses und der Umstellungsfähigkeit) eingetreten. Seit 1994 hat Dr. L. eine zunehmende misstrauische Haltung und einen zunehmenden sozialen Rückzug nachweisen können. Überzeugend hat Dr. L. darauf hingewiesen, dass damit ein schicksalhaftes und schädigungsunabhängiges Missverhältnis zwischen Kompensationsfähigkeit und vielfältigen Belastungen eingetreten sei. In diesem Zusammenhang spielten auch die schädigungsunabhängigen beginnenden hirnorganischen Veränderungen mit leichten Gedächtnisstörungen und einer eingeschränkten kognitiven Umstellungsfähigkeit eine Rolle, weil durch diese die soziale Interaktion erschwert werde.
Dagegen liegt nach Auffassung des Senats beim Kläger keine anhaltende Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung vor. Die gegenteilige Auffassung von Herrn H. sowie der behandelnden Ärzte des Klägers hat Dr. L. - genau wie zuvor bereits PD Dr. G. - überzeugend widerlegt. Dr. L. hat in seinem Gutachten zwar eingeräumt, dass sich für bedeutende Abschnitte der erlittenen Haft Bedingungen zeigen ließen, die grundsätzlich geeignet seien, zu Persönlichkeitsveränderungen zu führen. Doch konnte er die für eine solche Diagnose erforderlichen Gefühle von Leere und Hoffnungslosigkeit beim Kläger nicht feststellen. Ebenso wenig vermochte er beim Kläger Gefühle chronischer Nervosität wie bei ständigem Bedrohtsein und Entfremdung nachweisen. PD Dr. G. hat bei der Prüfung, ob eine posttraumatische Belastungsstörung bzw. eine Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung beim Kläger vorliegt, nicht nur den aktuellen Zeitraum, sondern den lebensgeschichtlichen Verlauf einbezogen. Überzeugend hat er darauf hingewiesen, dass der Kläger im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Schädigungszeitraum keine Einschränkungen in seinen sozialen Bewegungsräumen und seiner sozialen Kontaktfähigkeit erlitten hat. Zu keinem Zeitpunkt waren fachpsychiatrische oder fachpsychologische Hilfen erforderlich gewesen. Auch konnte der Kläger eine sehr erfolgreiche berufliche Tätigkeit zunächst in einem großen Monteurversorgungsareal und ab Mitte der 70er Jahre in selbständiger Tätigkeit als Fahrradmechaniker mit eigener Werkstatt durchführen. Die Auffassung, dass beim Kläger keine anhaltende Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung vorliegt, wird auch durch das Gutachten des Dr. B. vom 2. Oktober 1995 gestützt. Dieser hat ausgeprägte Symptome einer posttraumatischen Störung verneint, weil er Einschränkungen in der mitmenschlichen Beziehungsgestaltung nicht feststellen konnte. Der Kläger hatte sich ihm gegenüber als offen und ohne Kontaktstörungen eingeschätzt und Gefühle der Leere und Hoffnungslosigkeit verneint. Hinweise auf einen sozialen Rückzug der mitmenschlichen oder beruflichen Beziehungen hat auch Dr. B. nicht finden können.
Schließlich sind auch die weiteren vom Kläger geltend gemachten Behinderungen nicht als Schädigungsfolgen anzuerkennen.
Die im Jahre 1976 durch Dr. H. diagnostizierte Erkrankung an Morbus Bechterew ist nach Ansicht des Senats unter Würdigung der Gesamtumstände nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf die Haft zurückzuführen. Insoweit folgt der Senat dem Gutachten des Prof. Dr. H., das im Ergebnis mit den Gutachten von Dr. T. und Dr. W. übereinstimmt. Danach ist ein Zusammenhang nach dem Maßstab der wesentlichen Bedingung schon deshalb zu verneinen, weil die Ursache des Morbus Bechterew bislang wissenschaftlich nicht geklärt ist. Sofern die Ursache unbekannt ist, kann aber nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass die Haftbedingungen für die Entstehung der Krankheit ursächlich gewesen sind.
Auch die Voraussetzungen der Kann-Versorgung liegen bezüglich des Morbus Bechterew nach den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit nicht vor. Zwar ist seit dem 1. Januar 2009 an die Stelle dieser Anhaltspunkte die VersMedV getreten. Anders als die Anhaltspunkte 1996 bis 2008 enthält diese aber keine Bestimmungen über die Kausalitätsbeurteilung bei einzelnen Krankheitsbildern, sodass insoweit auf die letzte Fassung der Anhaltspunkte (2008) zurückgegriffen werden muss. Nach der letzten Fassung der Anhaltspunkte (2008, Nr. 140, S. 256) ist u.a. für die Anerkennung des Morbus Bechterew als Kann-Versorgung Voraussetzung, dass eine zeitliche Verbindung von bis zu sechs Monaten zwischen der Schädigung und dem Beginn des Leidens vorliegt. Diese Voraussetzung liegt nicht vor, weil erst im Jahre 1976, also zehn Jahre nach der Haft, Dr. H. diese Erkrankung diagnostiziert hat. In den unmittelbar vor der Diagnose liegenden Jahren (1970 bis 1975) ist gar keine ärztliche Behandlung und erst recht keine ärztliche Behandlung wegen Rückenbeschwerden durch den SV-Ausweis belegt, sodass es auch an Brückensymptomen seit der Haft fehlt. Allein die Ausführungen des Klägers über die Entstehung seiner Beschwerden können nicht herangezogen werden, da diese in sich widersprüchlich sind und sich nicht mit den Unterlagen aus der Gefangenenakte in Einklang bringen lassen. So gehen die verschiedenen Schilderungen des Klägers gegenüber den Gutachtern auseinander, ob die Rückenbeschwerden schon vor oder aber erst während des Arrestes durch das Schlafen auf dem Holzboden entstanden sind. In der Gefangenenakte befindet sich für Juni 1966 der Eintrag von seit sechs Wochen bestehenden Rückenschmerzen, sodass diese danach schon lange Zeit vor der Einzelhaft vorgelegen haben. Für diese Zeit lassen sich selbst nach den Ausführungen des Klägers aber keine körperliche Belastungen im Sinne von Nr. 140 c, S. 255 der Anhaltspunkte feststellen, die nach Art, Dauer und Schwere geeignet sind, die Resistenz erheblich herabzusetzen. Dr. W. hat insoweit überzeugend festgestellt, dass aufgrund der nur kurzen Zeit im Gleisbau kein dadurch bedingter Schaden an der Wirbelsäule habe eintreten können. Auch die anschließende Tätigkeit im Haftarbeitslager war zu kurz und die Art der Belastung nicht geeignet, einen bleibenden Schaden an der Wirbelsäule zu verursachen.
Auch die weiteren vom Kläger angegebenen Bewegungseinschränkungen aufgrund von Arthrosen lassen sich nicht auf die Haft zurückführen. Keiner der Sachverständigen hat einen solchen Zusammenhang finden können. Insbesondere lassen sich die vom Kläger geltend gemachten Funktionseinschränkungen des linken Arms und des rechten Beins auf die vor der Haft erlittene Kinderlähmung zurückführen, die nach dem Bericht des Krankenhauses S. vom März 1963 nicht folgenlos ausgeheilt war. Die Funktionsstörungen aufgrund der Kinderlähmung waren auch noch während der Haftzeit vorhanden, wie die krankheitsbedingte Versetzung des Klägers aus dem Arbeitsbereich Gleisbau gezeigt hat. Schließlich sind die Hypertonie und der Diabetes mellitus keine Folgen der zu Unrecht erlittenen Haft. Für diese Jahrzehnte nach der Haft aufgetretenen Erkrankungen hat keiner der Sachverständigen einen medizinischen Anknüpfungspunkt zur Haft aufzeigen können. Vielmehr haben alle einen ursächlichen Zusammenhang verneint.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 SGG).
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