Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 8 R 1029/07
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 126/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 25. Februar 2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) hat.
Der am ... 1940 geborene Kläger studierte von 1959 bis 1965 an der Technischen Universität D. Er erwarb mit Urkunde vom 15. April 1965 das Recht, die Berufsbezeichnung "Diplom-Ingenieur" zu führen. Vom 01. März 1965 bis 03. Mai 1965 war der Kläger als Ingenieur im VEB L. tätig. Anschließend absolvierte er bis zum 06. November 1966 seinen Grundwehrdienst. Er arbeitete dann vom 07. November 1966 bis 30. April 1982 beim Institut für Energetik L. zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter und später als Problemanalytiker, vom 01. Mai 1982 bis 12. Februar 1988 beim VEB Sch. W. als wissenschaftlicher Mitarbeiter, Abteilungsleiter und Gruppenleiter für mathematische Modellierung sowie vom 15. Februar 1988 bis 05. März 1990 bei der LPG Pflanzenproduktion L. Seit dem 08. März 1990 war er als selbständiger Steuerbevollmächtigter tätig. Am 01. Februar 1978 trat der Kläger der freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) bei. Eine Versorgungszusage wurde ihm bis zum 30. Juni 1990 nicht erteilt.
Der Kläger hatte bereits am 05. Dezember 2000 einen Antrag auf Überführung von Ansprüchen aus den Zusatzversorgungssystemen der DDR gestellt. Dieser Antrag wurde von der Beklagten mit Bescheid vom 23. Mai 2002 und Widerspruchsbescheid vom 27. November 2002 abgelehnt. Die vor dem Sozialgericht Halle erhobene Klage (Az. S 12 (4) RA 551/02) sowie die beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegte Berufung (Az. L 1 RA 245/03) wurden zurückgewiesen. Das Bundessozialgericht (BSG) hat mit Beschluss vom 01. Februar 2006 (Az. B 4 RA 96/05 B) die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers als unzulässig verworfen.
Am 19. Oktober 2006 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Überprüfung gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X). Mit Bescheid vom 08. November 2006 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Sie führte aus, dass die Prüfung des Bescheides ergeben habe, dass weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Den hiergegen am 09. Februar 2007 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. Oktober 2007 zurück.
Dagegen hat der Kläger am 03. Dezember 2007 beim Sozialgericht Halle (SG) Klage erhoben. Mit Urteil vom 25. Februar 2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Anwendungsbereich des AAÜG bleibe für den Kläger verschlossen. Er erfülle nicht die Voraussetzungen des BSG zur nachträglichen Einbeziehung. Denn zum maßgeblichen Stichtag am 30. Juni 1990 habe er weder eine seiner Qualifikation als Ingenieur entsprechende Tätigkeit ausgeübt noch sei er zu diesem Zeitpunkt in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder in einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt gewesen. Das SG verwies im Weiteren auf die Ausführungen des LSG Sachsen-Anhalt im Beschluss vom 15. März 2005.
Gegen das ihm am 26. März 2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 17. April 2009 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Er trägt vor, dass von der Rechtsprechung grundsätzlich anerkannt sei, dass das AAÜG verfassungskonform dergestalt anzuwenden sei, dass für Berechtigte, welche zu Zeiten der DDR keine Versorgungszusage erhalten hätten, über eine Erweiterung des Anwendungsbereiches des AAÜG eine entsprechende Versorgungszusage angenommen werden müsse. Es erscheine äußerst ungerechtfertigt und willkürlich, dass für die Möglichkeit der Einbeziehung ohne jegliche Ausnahme darauf abgestellt werde, ob er zum Stichtag 30. Juni 1990 in einem volkseigenen Betrieb oder einem diesem gleichgestellten Betrieb tätig gewesen sei. Die Aussicht auf nachträgliche Einbeziehung in ein Versorgungssystem sei erst durch die aufgrund der Wiedervereinigung hervorgegangene Rechtsprechung entstanden. Wer im Vertrauen, doch noch in das Versorgungssystem aufgenommen zu werden, seine versorgungsrechtliche Tätigkeit beibehalten habe, müsse hellseherische Fähigkeiten besessen haben, oder das Glück, zum Stichtag noch im Besitz des entsprechenden Arbeitsplatzes gewesen zu sein. Dass er am 30. Juni 1990 eine selbständige Erwerbstätigkeit habe ausüben müssen, sei der Arbeitsmarktlage in der damaligen Zeit geschuldet gewesen. Es sei nicht mit den Regelungen des Grundgesetzes (GG) vereinbar, wenn nunmehr der in der DDR als politisch konform angesehene und daher mit Versorgungszusagen Bedachte in den Genuss von Zusatzversorgungszeiten und daher einer höheren Rente komme als der, dem diese Vorteile aufgrund politischer Aktivitäten nicht zuteil geworden seien. Es verstoße gegen die Regelung des Art. 3 GG, wenn eine Person in das Zusatzversorgungssystem einbezogen werde und daher mehr Rente erhalte, eine andere dagegen viele Beiträge gezahlt habe, aber wegen Nichterfüllung der postulierten Voraussetzungen nicht in das Zusatzversorgungssystem einbezogen werde, daher weniger Rente erhalte. Sachgründe für eine derartige Ungleichbehandlung seien nicht ersichtlich.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 25. Februar 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 08. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 23. Mai 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. November 2002 aufzuheben und die Beschäftigungszeiten vom 01. März 1965 bis 03. Mai 1965 und vom 07. November 1966 bis 12. Februar 1988 als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz nach Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG und die in diesem Zeitraum hieraus erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 25. Februar 2009 zurückzuweisen.
Sie verweist auf ihr erstinstanzliches Vorbringen sowie auf die Entscheidungsgründe des SG und trägt ergänzend vor, dass der Kläger den Bedeutungsgehalt der sogenannten "Stichtagsregelung" verkenne. Deren Übereinstimmung mit der Verfassung insbesondere unter dem Aspekt des Gleichheitssatzes habe das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mehrfach, zuletzt in seinem Beschluss vom 26. Oktober 2005 (Az. 1 BvR 1921/04, 1 BvR 203/05, 1 BvR 445/05, 1 BvR 1144/05), bestätigt.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 08. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2007 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht im Sinne der §§ 153 Abs. 1, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Die Beklagte hat den gemäß § 44 Abs. 1 SGB X geltend gemachten Anspruch des Klägers zu Recht abgelehnt, den Bescheid vom 23. Mai 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. November 2002 aufzuheben und die Beschäftigungszeiten vom 01. März 1965 bis 03. Mai 1965 sowie vom 07. November 1966 bis 12. Februar 1988 als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz nach Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG und die in diesem Zeitraum hieraus erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.
Rechtsgrundlage dieser Entscheidung ist § 44 Abs.1 Satz 1 SGB X. Soweit sich danach im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, denn die Beklagte hat im Bescheid vom 23. Mai 2002 weder das Recht unrichtig angewandt noch ist sie von einem falschen Sachverhalt ausgegangen. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 und § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG Zugehörigkeitszeiten zu einem Zusatzversorgungssystem festgestellt werden. Er unterfällt nicht dem Geltungsbereich des § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG, weil er weder tatsächlich noch im Wege der Unterstellung der AVItech (Zusatzvorsorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) angehörte.
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gilt dieses Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind. Der Kreis der potentiell vom AAÜG erfassten Personen umfasst diejenigen Personen, die entweder (1.) durch einen nach Art. 19 Einigungsvertrag (EVertr) bindend gebliebenen Verwaltungsakt der DDR oder einer ihrer Untergliederungen oder (2.) später durch eine Rehabilitierungsentscheidung oder (3.) nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EVertr (wieder) in ein Versorgungssystem einbezogen waren (BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 31/01 R –, SozR 3-8570 § 1 AAÜG, Nr. 2, S. 11).
Der Kläger erfüllt keine dieser Voraussetzungen. Weder ist ihm von Organen der DDR eine Versorgung zugesagt worden, noch ist er aufgrund einer Rehabilitierungsentscheidung in ein Versorgungssystem einbezogen worden. Auch ein rechtsstaatswidriger Entzug einer Versorgungsanwartschaft hat in seinem Fall nicht stattgefunden.
Der Senat folgt nicht der Rechtsprechung des früheren 4. Senats und des jetzigen 5. Senats des BSG, wonach die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem auch im Wege der Unterstellung (bzw. Auslegung von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG) vorliegen kann (siehe nachfolgend unter 1.). Aber auch nach dieser Rechtsprechung wären die Voraussetzungen für eine fiktive Einbeziehung nicht erfüllt (nachfolgend 2.).
1.
Der Senat ist nicht der Auffassung, dass das AAÜG den Kreis der "potenziell vom AAÜG ab 01. August 1991 erfassten" Personen erweitert und das Neueinbeziehungsverbot modifiziert hat (so aber BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 31/01 R –, a. a. O., S. 12; nunmehr BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 5 RS 3/09 R – juris, Rdnr. 22, 23). Die vom BSG vorgenommene Rechtsfortbildung überschreitet nach Auffassung des erkennenden Senats die sich aus Art. 20 Abs. 2 und 3 GG ergebenden Grenzen der richterlichen Entscheidungsbefugnis, weil der Wortlaut des § 1 Abs. 1 AAÜG die erweiternde Auslegung des BSG nicht hergibt. Es ist deshalb auch nicht angezeigt, die bei einem unklaren oder nicht eindeutigen Wortlaut heranzuziehenden einschlägigen Auslegungskriterien anzuwenden (BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 10 EG 1/08 R – juris, Rdnr. 19). Im Übrigen waren dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 AAÜG auch nach der Auffassung des früheren 4. Senats des BSG nur zwei Tatbestände zu entnehmen, die zu einer Anwendbarkeit des AAÜG führen. Entweder war der Betreffende tatsächlich Inhaber einer Versorgungsanwartschaft oder er hatte diese durch Ausscheiden vor dem Leistungsfall wieder verloren (BSG, Urteil vom 23. August 2007 – B 4 RS 3/06 R – juris, Rdnr. 17, 16).
Selbst wenn man wegen des verwendeten Begriffs "Zugehörigkeit" zu einem Verständnis der Norm gelangen würde, welches nicht allein auf die tatsächliche Einbeziehung abstellt, sondern auch eine fiktive Einbeziehung erfasst (so nunmehr der 5. Senat des BSG, siehe Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 5 RS 3/09 R – juris, Rdnr. 23, 24, 27), verbietet sich dieses Ergebnis bei Berücksichtigung der weiteren Auslegungskriterien (Sinn und Zweck, Entstehungsgeschichte und Systematik, siehe zu den Auslegungskriterien z. B. BVerfG, Beschluss vom 08. Februar 1999 – 1 BvL 25/97 – juris). In den Gesetzesmaterialien findet sich kein Hinweis dafür, dass durch das AAÜG außer den Personen, die durch einen nach Art. 19 EVertr bindend gebliebenen Verwaltungsakt der DDR oder einer ihrer Untergliederungen oder später durch eine Rehabilitierungsentscheidung oder nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EVertr (wieder) in ein Versorgungssystem einbezogen worden waren (BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 31/01 R –, a. a. O., S. 11), weitere Personen einbezogen werden sollten (siehe BTDrs. 12/405, S. 113, 146; BTDrs. 12/786, S. 139; II A, IV A; BTDrs. 12/826, S. 4, 5, 10, 11, 21). Vielmehr wird in den Gesetzesmaterialien immer auf den EVertr Bezug genommen. Zwar wird dann ausgeführt, dass die Einhaltung der Vorgaben des EVertr zu nicht sachgerechten und zu nicht nur sozialpolitisch unvertretbaren Ergebnissen führen müsste und sich deshalb die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung ergebe (BTDrs. 12/405, S. 113). Aus der weiteren Gesetzesbegründung ist jedoch ohne Schwierigkeiten ablesbar, dass sich diese Regelungen auf die Bereiche der Rentenberechnung, Leistungsbegrenzung, Abschmelzung laufender Leistungen, des Besitzschutzes bei der Neufeststellung von Leistungen, der Auszahlungen von Leistungen, eines Vorbehaltes der Einzelüberprüfung und der Kostenerstattung durch den Bund beziehen (a. a. O., S. 113, 114). Nicht angesprochen ist hingegen eine Ausweitung des erfassten Personenkreises. Auch bei der Begründung des § 1 AAÜG wird ausgeführt, dass diese Vorschrift den Geltungsbereich der nach dem EVertr vorgeschriebenen Überführung (und gerade keine darüber hinausgehende) festlegt (BTDrs. 12/405, S. 146).
Es trifft auch nicht zu, dass bereits durch den EVertr das Neueinbeziehungsverbot modifiziert worden ist (so aber BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 5 RS 3/09 R – juris, Rdnr. 22). In Art. 17 EVertr wurde die Absicht bekräftigt, eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, um Personen, die Opfer einer politisch motivierten Strafverfolgungsmaßnahme oder sonst einer rechtsstaats- und verfassungswidrigen gerichtlichen Entscheidung geworden sind, rehabilitieren zu können. Hier ist schon fraglich, ob einer bloßen Absichtserklärung überhaupt ein Regelungsinhalt entnommen werden kann. Darüber hinaus ist dem Wortlaut von Art. 17 EVertr nicht zu entnehmen, wie die Rehabilitierung im Einzelfall erfolgen sollte und insbesondere auch nicht, dass diese unter Durchbrechung des Neueinbeziehungsverbotes durch Einbeziehung in ein Versorgungssystem möglich sein sollte. Dementsprechend ergeben sich aus dem Rehabilitierungsgesetz vom 06. September 1990 (RehabG, GBl. I S. 1459) Hinweise, dass das Neueinbeziehungsverbot auch bei Rehabilitierungsmaßnahmen zu berücksichtigen war (zur Heranziehung des RehabG zum Verständnis des Art. 17 EVertr siehe Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 21. Januar 1999 – 3 C 5/98 – juris, dort Rdnr. 21). Nach § 9 Nr. 2 RehabG waren nämlich Zeiten des Freiheitsentzuges bei einem Rehabilitierten nur dann als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem anzurechnen, wenn er vor Beginn des Freiheitsentzuges dem Zusatzversorgungssystem angehörte. Es geht also nicht um eine Neueinbeziehung, sondern um die Feststellung weiterer Zeiten, vergleichbar der Regelung des § 5 Abs. 2 AAÜG. Auch dem Wortlaut von Art. 19 Satz 2 EVertr ist eine Modifizierung des Neueinbeziehungsverbots nicht zu entnehmen. Darüber hinaus behandelt er, soweit danach untergegangene Versorgungszusagen wieder aufleben können (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 5 RS 3/09 R – a. a. O.), keine Fälle der Neu-, sondern der Wiedereinbeziehung. Art. 17 EVertr und Art. 19 EVertr lassen damit nur Schlussfolgerungen für die Fälle zu, in denen bereits, im Gegensatz zu der fiktiven Einbeziehung nach der Rechtsprechung des BSG, eine durch Zusage oder dergleichen dokumentierte Beziehung zu einem Zusatz- oder Sonderversorgungssystem vorlag.
Den Senat überzeugt auch nicht, dass aus § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG auf eine Modifizierung des Verbots der Neueinbeziehung zu schließen sei. In den Gesetzesmaterialien findet sich nämlich kein Anhaltspunkt für die vom BSG vorgenommene Unterscheidung zwischen "Einbeziehung in ein Versorgungssystem" und der "Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem". Der Gesetzgeber benutzt im Gegenteil auch zur Beschreibung des Personenkreises des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, der auch nach Ansicht des BSG konkret einbezogen war (BSG, a. a. O., S. 12), den Terminus "Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem" (BTDrs. 12/826, S. 21) und nicht etwa "Einbeziehung in ein Versorgungssystem".
Der Gesetzgeber ging auch nicht davon aus, dass die in § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG angesprochene Personengruppe eine Erweiterung der "potenziell vom AAÜG ab 1. August 1991 erfassten" Personen darstellt. Ursprünglich war Satz 2 in der Gesetzesvorlage nicht enthalten (BTDrs. 12/405, S. 77). Erst in den Ausschussberatungen wurde dann die Anfügung des Satzes 2 empfohlen (BTDrs. 12/786, S. 139). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass diese Anfügung nur eine Klarstellung bedeute (BTDrs. 12/826, S. 21). Der Gesetzgeber nahm also an, dass diese Personengruppe ohnehin von Satz 1 und vom Überführungsauftrag des EVertr umfasst ist.
Im Übrigen hat auch die Bundesregierung mehrfach betont, dass das AAÜG nach dem ursprünglichen Willen des Gesetzgebers nur anwendbar sein sollte, wenn eine ausdrückliche Versorgungszusage vorliegt (Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage, BTDrs. 16/11127 vom 28. November 2008; Antwort des Staatssekretärs im Bundesministerium für Arbeit und Soziales Franz-Josef Lersch-Mense auf eine Frage der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, BTDrs. 16/13916 vom 21. August 2009).
2.
Aber auch wenn man der Rechtsprechung des BSG folgen würde, hätte das Begehren des Klägers keinen Erfolg. Danach hängt der Anspruch auf eine fiktive Einbeziehung davon ab, ob der Kläger aus Sicht des am 01. August 1991 gültigen Bundesrechts nach den am 30. Juni 1990 gegebenen Umständen einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätte. Im hier allein in Frage kommenden Fall gemäß § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (GBl. der DDR I, Nr. 93 S. 844 – im Folgenden: VO-AVItech) i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur VO-AVItech (GBl. der DDR I, Nr. 62 S. 487 – im Folgenden: 2. DB) müssten drei Voraussetzungen, die alle zugleich vorliegen, erfüllt sein. Generell war dieses Versorgungssystem eingerichtet für
Personen, die berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung) und
die entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben (sachliche Voraussetzung), und zwar
in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).
Bei Beachtung dieser Voraussetzungen hatte der Kläger keinen Anspruch auf Einbeziehung in das Versorgungssystem der AVItech. Der Kläger erfüllte nicht die abstrakt-generellen und zwingenden Voraussetzungen (vgl. dazu BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 41/01 R –, SozR 3-8570 § 1 Nr. 6). Er war am 30. Juni 1990 als selbständiger Steuerbevollmächtigter tätig. Der erkennende Senat verweist insoweit auf die zutreffenden Ausführungen im Beschluss des Landessozialgerichts vom 15. März 2005 (Az. L 1 RA 245/03). Nach der Rechtsprechung des 5. Senats des BSG bleibt es wegen der den gesamten Anwendungsbereich der Norm umfassenden Stichtagsregelung auch im Rahmen des weiten ("erweiternden" / "ausdehnenden") Verständnisses dabei, dass die genannten Voraussetzungen eines "Anspruchs" auf Einbeziehung gerade am 30. Juni 1990 erfüllt sein müssen (Urteil des BSG vom 15. Juni 2010 – B 5 RS 6/09 R – juris, Rdnr. 28; ebenso Urteil des BSG vom 28. September 2011 – B 5 RS 8/10 R – juris).
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Senat hat auch erwogen dem Kläger Missbrauchskosten nach § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG aufzuerlegen. Er hat jedoch im vorliegenden Fall davon noch einmal abgesehen.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) hat.
Der am ... 1940 geborene Kläger studierte von 1959 bis 1965 an der Technischen Universität D. Er erwarb mit Urkunde vom 15. April 1965 das Recht, die Berufsbezeichnung "Diplom-Ingenieur" zu führen. Vom 01. März 1965 bis 03. Mai 1965 war der Kläger als Ingenieur im VEB L. tätig. Anschließend absolvierte er bis zum 06. November 1966 seinen Grundwehrdienst. Er arbeitete dann vom 07. November 1966 bis 30. April 1982 beim Institut für Energetik L. zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter und später als Problemanalytiker, vom 01. Mai 1982 bis 12. Februar 1988 beim VEB Sch. W. als wissenschaftlicher Mitarbeiter, Abteilungsleiter und Gruppenleiter für mathematische Modellierung sowie vom 15. Februar 1988 bis 05. März 1990 bei der LPG Pflanzenproduktion L. Seit dem 08. März 1990 war er als selbständiger Steuerbevollmächtigter tätig. Am 01. Februar 1978 trat der Kläger der freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) bei. Eine Versorgungszusage wurde ihm bis zum 30. Juni 1990 nicht erteilt.
Der Kläger hatte bereits am 05. Dezember 2000 einen Antrag auf Überführung von Ansprüchen aus den Zusatzversorgungssystemen der DDR gestellt. Dieser Antrag wurde von der Beklagten mit Bescheid vom 23. Mai 2002 und Widerspruchsbescheid vom 27. November 2002 abgelehnt. Die vor dem Sozialgericht Halle erhobene Klage (Az. S 12 (4) RA 551/02) sowie die beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegte Berufung (Az. L 1 RA 245/03) wurden zurückgewiesen. Das Bundessozialgericht (BSG) hat mit Beschluss vom 01. Februar 2006 (Az. B 4 RA 96/05 B) die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers als unzulässig verworfen.
Am 19. Oktober 2006 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Überprüfung gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X). Mit Bescheid vom 08. November 2006 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Sie führte aus, dass die Prüfung des Bescheides ergeben habe, dass weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Den hiergegen am 09. Februar 2007 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. Oktober 2007 zurück.
Dagegen hat der Kläger am 03. Dezember 2007 beim Sozialgericht Halle (SG) Klage erhoben. Mit Urteil vom 25. Februar 2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Anwendungsbereich des AAÜG bleibe für den Kläger verschlossen. Er erfülle nicht die Voraussetzungen des BSG zur nachträglichen Einbeziehung. Denn zum maßgeblichen Stichtag am 30. Juni 1990 habe er weder eine seiner Qualifikation als Ingenieur entsprechende Tätigkeit ausgeübt noch sei er zu diesem Zeitpunkt in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder in einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt gewesen. Das SG verwies im Weiteren auf die Ausführungen des LSG Sachsen-Anhalt im Beschluss vom 15. März 2005.
Gegen das ihm am 26. März 2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 17. April 2009 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Er trägt vor, dass von der Rechtsprechung grundsätzlich anerkannt sei, dass das AAÜG verfassungskonform dergestalt anzuwenden sei, dass für Berechtigte, welche zu Zeiten der DDR keine Versorgungszusage erhalten hätten, über eine Erweiterung des Anwendungsbereiches des AAÜG eine entsprechende Versorgungszusage angenommen werden müsse. Es erscheine äußerst ungerechtfertigt und willkürlich, dass für die Möglichkeit der Einbeziehung ohne jegliche Ausnahme darauf abgestellt werde, ob er zum Stichtag 30. Juni 1990 in einem volkseigenen Betrieb oder einem diesem gleichgestellten Betrieb tätig gewesen sei. Die Aussicht auf nachträgliche Einbeziehung in ein Versorgungssystem sei erst durch die aufgrund der Wiedervereinigung hervorgegangene Rechtsprechung entstanden. Wer im Vertrauen, doch noch in das Versorgungssystem aufgenommen zu werden, seine versorgungsrechtliche Tätigkeit beibehalten habe, müsse hellseherische Fähigkeiten besessen haben, oder das Glück, zum Stichtag noch im Besitz des entsprechenden Arbeitsplatzes gewesen zu sein. Dass er am 30. Juni 1990 eine selbständige Erwerbstätigkeit habe ausüben müssen, sei der Arbeitsmarktlage in der damaligen Zeit geschuldet gewesen. Es sei nicht mit den Regelungen des Grundgesetzes (GG) vereinbar, wenn nunmehr der in der DDR als politisch konform angesehene und daher mit Versorgungszusagen Bedachte in den Genuss von Zusatzversorgungszeiten und daher einer höheren Rente komme als der, dem diese Vorteile aufgrund politischer Aktivitäten nicht zuteil geworden seien. Es verstoße gegen die Regelung des Art. 3 GG, wenn eine Person in das Zusatzversorgungssystem einbezogen werde und daher mehr Rente erhalte, eine andere dagegen viele Beiträge gezahlt habe, aber wegen Nichterfüllung der postulierten Voraussetzungen nicht in das Zusatzversorgungssystem einbezogen werde, daher weniger Rente erhalte. Sachgründe für eine derartige Ungleichbehandlung seien nicht ersichtlich.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 25. Februar 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 08. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 23. Mai 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. November 2002 aufzuheben und die Beschäftigungszeiten vom 01. März 1965 bis 03. Mai 1965 und vom 07. November 1966 bis 12. Februar 1988 als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz nach Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG und die in diesem Zeitraum hieraus erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 25. Februar 2009 zurückzuweisen.
Sie verweist auf ihr erstinstanzliches Vorbringen sowie auf die Entscheidungsgründe des SG und trägt ergänzend vor, dass der Kläger den Bedeutungsgehalt der sogenannten "Stichtagsregelung" verkenne. Deren Übereinstimmung mit der Verfassung insbesondere unter dem Aspekt des Gleichheitssatzes habe das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mehrfach, zuletzt in seinem Beschluss vom 26. Oktober 2005 (Az. 1 BvR 1921/04, 1 BvR 203/05, 1 BvR 445/05, 1 BvR 1144/05), bestätigt.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 08. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2007 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht im Sinne der §§ 153 Abs. 1, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Die Beklagte hat den gemäß § 44 Abs. 1 SGB X geltend gemachten Anspruch des Klägers zu Recht abgelehnt, den Bescheid vom 23. Mai 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. November 2002 aufzuheben und die Beschäftigungszeiten vom 01. März 1965 bis 03. Mai 1965 sowie vom 07. November 1966 bis 12. Februar 1988 als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz nach Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG und die in diesem Zeitraum hieraus erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.
Rechtsgrundlage dieser Entscheidung ist § 44 Abs.1 Satz 1 SGB X. Soweit sich danach im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, denn die Beklagte hat im Bescheid vom 23. Mai 2002 weder das Recht unrichtig angewandt noch ist sie von einem falschen Sachverhalt ausgegangen. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 und § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG Zugehörigkeitszeiten zu einem Zusatzversorgungssystem festgestellt werden. Er unterfällt nicht dem Geltungsbereich des § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG, weil er weder tatsächlich noch im Wege der Unterstellung der AVItech (Zusatzvorsorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) angehörte.
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gilt dieses Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind. Der Kreis der potentiell vom AAÜG erfassten Personen umfasst diejenigen Personen, die entweder (1.) durch einen nach Art. 19 Einigungsvertrag (EVertr) bindend gebliebenen Verwaltungsakt der DDR oder einer ihrer Untergliederungen oder (2.) später durch eine Rehabilitierungsentscheidung oder (3.) nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EVertr (wieder) in ein Versorgungssystem einbezogen waren (BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 31/01 R –, SozR 3-8570 § 1 AAÜG, Nr. 2, S. 11).
Der Kläger erfüllt keine dieser Voraussetzungen. Weder ist ihm von Organen der DDR eine Versorgung zugesagt worden, noch ist er aufgrund einer Rehabilitierungsentscheidung in ein Versorgungssystem einbezogen worden. Auch ein rechtsstaatswidriger Entzug einer Versorgungsanwartschaft hat in seinem Fall nicht stattgefunden.
Der Senat folgt nicht der Rechtsprechung des früheren 4. Senats und des jetzigen 5. Senats des BSG, wonach die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem auch im Wege der Unterstellung (bzw. Auslegung von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG) vorliegen kann (siehe nachfolgend unter 1.). Aber auch nach dieser Rechtsprechung wären die Voraussetzungen für eine fiktive Einbeziehung nicht erfüllt (nachfolgend 2.).
1.
Der Senat ist nicht der Auffassung, dass das AAÜG den Kreis der "potenziell vom AAÜG ab 01. August 1991 erfassten" Personen erweitert und das Neueinbeziehungsverbot modifiziert hat (so aber BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 31/01 R –, a. a. O., S. 12; nunmehr BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 5 RS 3/09 R – juris, Rdnr. 22, 23). Die vom BSG vorgenommene Rechtsfortbildung überschreitet nach Auffassung des erkennenden Senats die sich aus Art. 20 Abs. 2 und 3 GG ergebenden Grenzen der richterlichen Entscheidungsbefugnis, weil der Wortlaut des § 1 Abs. 1 AAÜG die erweiternde Auslegung des BSG nicht hergibt. Es ist deshalb auch nicht angezeigt, die bei einem unklaren oder nicht eindeutigen Wortlaut heranzuziehenden einschlägigen Auslegungskriterien anzuwenden (BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 10 EG 1/08 R – juris, Rdnr. 19). Im Übrigen waren dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 AAÜG auch nach der Auffassung des früheren 4. Senats des BSG nur zwei Tatbestände zu entnehmen, die zu einer Anwendbarkeit des AAÜG führen. Entweder war der Betreffende tatsächlich Inhaber einer Versorgungsanwartschaft oder er hatte diese durch Ausscheiden vor dem Leistungsfall wieder verloren (BSG, Urteil vom 23. August 2007 – B 4 RS 3/06 R – juris, Rdnr. 17, 16).
Selbst wenn man wegen des verwendeten Begriffs "Zugehörigkeit" zu einem Verständnis der Norm gelangen würde, welches nicht allein auf die tatsächliche Einbeziehung abstellt, sondern auch eine fiktive Einbeziehung erfasst (so nunmehr der 5. Senat des BSG, siehe Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 5 RS 3/09 R – juris, Rdnr. 23, 24, 27), verbietet sich dieses Ergebnis bei Berücksichtigung der weiteren Auslegungskriterien (Sinn und Zweck, Entstehungsgeschichte und Systematik, siehe zu den Auslegungskriterien z. B. BVerfG, Beschluss vom 08. Februar 1999 – 1 BvL 25/97 – juris). In den Gesetzesmaterialien findet sich kein Hinweis dafür, dass durch das AAÜG außer den Personen, die durch einen nach Art. 19 EVertr bindend gebliebenen Verwaltungsakt der DDR oder einer ihrer Untergliederungen oder später durch eine Rehabilitierungsentscheidung oder nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EVertr (wieder) in ein Versorgungssystem einbezogen worden waren (BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 31/01 R –, a. a. O., S. 11), weitere Personen einbezogen werden sollten (siehe BTDrs. 12/405, S. 113, 146; BTDrs. 12/786, S. 139; II A, IV A; BTDrs. 12/826, S. 4, 5, 10, 11, 21). Vielmehr wird in den Gesetzesmaterialien immer auf den EVertr Bezug genommen. Zwar wird dann ausgeführt, dass die Einhaltung der Vorgaben des EVertr zu nicht sachgerechten und zu nicht nur sozialpolitisch unvertretbaren Ergebnissen führen müsste und sich deshalb die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung ergebe (BTDrs. 12/405, S. 113). Aus der weiteren Gesetzesbegründung ist jedoch ohne Schwierigkeiten ablesbar, dass sich diese Regelungen auf die Bereiche der Rentenberechnung, Leistungsbegrenzung, Abschmelzung laufender Leistungen, des Besitzschutzes bei der Neufeststellung von Leistungen, der Auszahlungen von Leistungen, eines Vorbehaltes der Einzelüberprüfung und der Kostenerstattung durch den Bund beziehen (a. a. O., S. 113, 114). Nicht angesprochen ist hingegen eine Ausweitung des erfassten Personenkreises. Auch bei der Begründung des § 1 AAÜG wird ausgeführt, dass diese Vorschrift den Geltungsbereich der nach dem EVertr vorgeschriebenen Überführung (und gerade keine darüber hinausgehende) festlegt (BTDrs. 12/405, S. 146).
Es trifft auch nicht zu, dass bereits durch den EVertr das Neueinbeziehungsverbot modifiziert worden ist (so aber BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 5 RS 3/09 R – juris, Rdnr. 22). In Art. 17 EVertr wurde die Absicht bekräftigt, eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, um Personen, die Opfer einer politisch motivierten Strafverfolgungsmaßnahme oder sonst einer rechtsstaats- und verfassungswidrigen gerichtlichen Entscheidung geworden sind, rehabilitieren zu können. Hier ist schon fraglich, ob einer bloßen Absichtserklärung überhaupt ein Regelungsinhalt entnommen werden kann. Darüber hinaus ist dem Wortlaut von Art. 17 EVertr nicht zu entnehmen, wie die Rehabilitierung im Einzelfall erfolgen sollte und insbesondere auch nicht, dass diese unter Durchbrechung des Neueinbeziehungsverbotes durch Einbeziehung in ein Versorgungssystem möglich sein sollte. Dementsprechend ergeben sich aus dem Rehabilitierungsgesetz vom 06. September 1990 (RehabG, GBl. I S. 1459) Hinweise, dass das Neueinbeziehungsverbot auch bei Rehabilitierungsmaßnahmen zu berücksichtigen war (zur Heranziehung des RehabG zum Verständnis des Art. 17 EVertr siehe Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 21. Januar 1999 – 3 C 5/98 – juris, dort Rdnr. 21). Nach § 9 Nr. 2 RehabG waren nämlich Zeiten des Freiheitsentzuges bei einem Rehabilitierten nur dann als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem anzurechnen, wenn er vor Beginn des Freiheitsentzuges dem Zusatzversorgungssystem angehörte. Es geht also nicht um eine Neueinbeziehung, sondern um die Feststellung weiterer Zeiten, vergleichbar der Regelung des § 5 Abs. 2 AAÜG. Auch dem Wortlaut von Art. 19 Satz 2 EVertr ist eine Modifizierung des Neueinbeziehungsverbots nicht zu entnehmen. Darüber hinaus behandelt er, soweit danach untergegangene Versorgungszusagen wieder aufleben können (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 5 RS 3/09 R – a. a. O.), keine Fälle der Neu-, sondern der Wiedereinbeziehung. Art. 17 EVertr und Art. 19 EVertr lassen damit nur Schlussfolgerungen für die Fälle zu, in denen bereits, im Gegensatz zu der fiktiven Einbeziehung nach der Rechtsprechung des BSG, eine durch Zusage oder dergleichen dokumentierte Beziehung zu einem Zusatz- oder Sonderversorgungssystem vorlag.
Den Senat überzeugt auch nicht, dass aus § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG auf eine Modifizierung des Verbots der Neueinbeziehung zu schließen sei. In den Gesetzesmaterialien findet sich nämlich kein Anhaltspunkt für die vom BSG vorgenommene Unterscheidung zwischen "Einbeziehung in ein Versorgungssystem" und der "Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem". Der Gesetzgeber benutzt im Gegenteil auch zur Beschreibung des Personenkreises des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, der auch nach Ansicht des BSG konkret einbezogen war (BSG, a. a. O., S. 12), den Terminus "Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem" (BTDrs. 12/826, S. 21) und nicht etwa "Einbeziehung in ein Versorgungssystem".
Der Gesetzgeber ging auch nicht davon aus, dass die in § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG angesprochene Personengruppe eine Erweiterung der "potenziell vom AAÜG ab 1. August 1991 erfassten" Personen darstellt. Ursprünglich war Satz 2 in der Gesetzesvorlage nicht enthalten (BTDrs. 12/405, S. 77). Erst in den Ausschussberatungen wurde dann die Anfügung des Satzes 2 empfohlen (BTDrs. 12/786, S. 139). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass diese Anfügung nur eine Klarstellung bedeute (BTDrs. 12/826, S. 21). Der Gesetzgeber nahm also an, dass diese Personengruppe ohnehin von Satz 1 und vom Überführungsauftrag des EVertr umfasst ist.
Im Übrigen hat auch die Bundesregierung mehrfach betont, dass das AAÜG nach dem ursprünglichen Willen des Gesetzgebers nur anwendbar sein sollte, wenn eine ausdrückliche Versorgungszusage vorliegt (Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage, BTDrs. 16/11127 vom 28. November 2008; Antwort des Staatssekretärs im Bundesministerium für Arbeit und Soziales Franz-Josef Lersch-Mense auf eine Frage der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, BTDrs. 16/13916 vom 21. August 2009).
2.
Aber auch wenn man der Rechtsprechung des BSG folgen würde, hätte das Begehren des Klägers keinen Erfolg. Danach hängt der Anspruch auf eine fiktive Einbeziehung davon ab, ob der Kläger aus Sicht des am 01. August 1991 gültigen Bundesrechts nach den am 30. Juni 1990 gegebenen Umständen einen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage gehabt hätte. Im hier allein in Frage kommenden Fall gemäß § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (GBl. der DDR I, Nr. 93 S. 844 – im Folgenden: VO-AVItech) i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur VO-AVItech (GBl. der DDR I, Nr. 62 S. 487 – im Folgenden: 2. DB) müssten drei Voraussetzungen, die alle zugleich vorliegen, erfüllt sein. Generell war dieses Versorgungssystem eingerichtet für
Personen, die berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung) und
die entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben (sachliche Voraussetzung), und zwar
in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).
Bei Beachtung dieser Voraussetzungen hatte der Kläger keinen Anspruch auf Einbeziehung in das Versorgungssystem der AVItech. Der Kläger erfüllte nicht die abstrakt-generellen und zwingenden Voraussetzungen (vgl. dazu BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 41/01 R –, SozR 3-8570 § 1 Nr. 6). Er war am 30. Juni 1990 als selbständiger Steuerbevollmächtigter tätig. Der erkennende Senat verweist insoweit auf die zutreffenden Ausführungen im Beschluss des Landessozialgerichts vom 15. März 2005 (Az. L 1 RA 245/03). Nach der Rechtsprechung des 5. Senats des BSG bleibt es wegen der den gesamten Anwendungsbereich der Norm umfassenden Stichtagsregelung auch im Rahmen des weiten ("erweiternden" / "ausdehnenden") Verständnisses dabei, dass die genannten Voraussetzungen eines "Anspruchs" auf Einbeziehung gerade am 30. Juni 1990 erfüllt sein müssen (Urteil des BSG vom 15. Juni 2010 – B 5 RS 6/09 R – juris, Rdnr. 28; ebenso Urteil des BSG vom 28. September 2011 – B 5 RS 8/10 R – juris).
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Senat hat auch erwogen dem Kläger Missbrauchskosten nach § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG aufzuerlegen. Er hat jedoch im vorliegenden Fall davon noch einmal abgesehen.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
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