Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
7
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 14 SB 116/09
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 7 SB 2/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Umstritten ist die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50 ab 4. August 2008.
Der am ... 1958 geborene Kläger beantragte mit am 6. August 2008 beim Beklagten eingegangenen Antrag vom 4. August 2008 die Feststellung von Behinderungen und das Ausstellen eines Schwerbehindertenausweises. Zur Begründung verwies er auf die Epikrise der B. Klinken B. H., Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, vom 6. Juli 2007. Danach war der Kläger am 2. Juni 2007 in seiner Scheune aus einer Höhe von 4 m von einer Leiter gestürzt und senkrecht mit den Füßen aufgeschlagen. Als unfallbedingte Diagnosen benannte die Klinik:
instabile LWK (Lendenwirbelkörper)-1- und LWK-5-Fraktur mit konsekutiver (nachfolgend, mitfolgend) Spinalkanalstenose
Symphysensprengung (Zerreißung der Schambeinfuge beim Beckenringbruch)
Beckenschaufelfraktur re. mit randständiger Beteiligung der Iliosacralfuge
quer verlaufende, extraartikuläre (außerhalb eines Gelenks) Os-sacrum-Fraktur (Kreuzbeinbruch)
mehrfragmentäre intraartikuläre Calcaneusfraktur rechts (Knochenbruch im Bereich des mit dem Sprungbein gelenkig verbundenen Fersenbeins [Bruch des Fersenbeins] vom joint-depression-type (keilförmiges Eindringen des Sprungbeins [Talus] in das Fersenbein
extraartikuläre Scapulablattfraktur (Bruch des Schulterblattes)
traumatische Leberparenchymläsion (Verletzung der Leber, ggf. Leberriss)
Verdacht auf neurogene (mit dem Nervensystem zusammenhängende) Blasenfunktionsstörung
Die Therapie habe am 2. Juni 2007 in einer Dekompression des Spinalkanals, einer Laminektomie (operative Teilentfernung eines oder mehrerer Wirbelbögen [einschließlich der Dornfortsätze] zur Freilegung bzw. Entlastung des Rückenmarks [z.B. bei Bandscheibenvorfall]), einer dorsales Stabilisierung BWK (Brustwirbelkörper)-12 auf LWK-2 sowie LWK-4 auf S-1 mittels Fixateur interne (französisch: "innerer Spanner") sowie am 13. Juni 2007 in einer offenen Reposition und Plattenosteosynthese (Druckosteosynthese = dauerhaftes Gegeneinanderpressen der Bruchenden von Knochenfragmenten mittels Schrauben, Doppeldrahtspannbügeln, Klammern und Druckplatten) des Fersenbeinbruchs rechts bestanden.
Der Patient sei mit dem Rettungshubschrauber zur Klinik transportiert worden. Während des stationären Aufenthaltes habe er wiederholt über Probleme beim Wasserlassen geklagt und sei deswegen mehrfach katheterisiert worden. Dabei sei mehrfach eine Restharnmenge von bis zu 850 ml gefallen. Wegen dieser Symptome sei der Verdacht auf eine neurogene Blasenfunktionsstörung nach LWK-1- und LWK-5-Fraktur mit Spinalkanalstenose gestellt worden; Differenzialdiagnostisch komme aber auch eine Detrusor-Überdehnung (Detrusor = mehrschichtige Blasenwandmuskulatur, deren Kontraktion zur Harnentleerung führt) infrage. Wegen der Blasenfunktionsstörung werde neben einer viermal täglichen Selbstkatheterisierung die Weiterbehandlung durch niedergelassene Urologen empfohlen. Die Entlassung sei am 6. Juli 2007 an Gehstützen unter Entlastung des rechten Beines erfolgt. Eine Anschlussheilbehandlung sei vorgesehen.
Der Beklagte holte von der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. K. einen Befundbericht vom 15. August 2008 ein, dem ein Befundbericht des Facharztes für Orthopädie Dipl.-Med. B. vom 26. November 2007 beigefügt war. Dr. K. benannte die bereits von den B. K. mitgeteilten Befunde, verwies auf eine vom 14. August bis 11. September 2007 im ... Reha-Klinikum B. K. durchgeführte Anschlussheilbehandlung sowie auf die orthopädische Behandlung bei Dipl.-Med. B. Ferner teilte sie mit, der Kläger sei auf das Tragen von orthopädischen Straßenschuhen und Hausschuhen angewiesen. Bis Februar 2008 sei er arbeitsunfähig gewesen, anschließend habe eine Wiedereingliederung begonnen. Im Bericht von Dipl.-Med. B. wird u. a. mitgeteilt, es bestünden reizfreie Narbenverhältnisse am rechten Fersenbein, keine Hammerzehen, keine Krallenzehen, kein Hallux valgus. Der Zehenstand sei beidseits eingeschränkt, das Gangbild beidseits ohne Befund. Im Bereich des Mittelfußes bestünden beidseits Teilkontrakte (zusammengezogen, verkrampft), rechts mehr als links. Nach Auswertung dieser Unterlagen kam der prüfärztliche Dienst des Beklagten am 11. September 2008 zu dem Ergebnis, beim Kläger bestünden Behinderungen in Form einer Funktionsstörung des rechten Sprunggelenkes, beidseitigen Fußdeformitäten und einer Funktionsstörung der Wirbelsäule nach Wirbelfrakturen. Hierfür schlug er zusammenfassend einen GdB von 20 vor. Dem folgend stellte der Beklagte mit Bescheid vom 17. September 2008 einen GdB von 20 ab 6. August 2008 für die Funktionsbeeinträchtigungen "Funktionsstörung des rechten und Sprunggelenkes, Fußdeformitäten beidseits; Funktionsstörung der Wirbelsäule nach Wirbelfrakturen" fest. Das Ausstellen eines Schwerbehindertenausweises lehnte er ab, weil der GdB unter 50 liege.
Dagegen wendete sich der Kläger mit seinem Widerspruch vom 6. Oktober 2008 und machte geltend, es seien im Bescheid nicht alle Erkrankungen und Beeinträchtigungen, die er bei dem Unfall am 2. Juni 2007 erlitten habe, berücksichtigt worden. Nach nunmehr anderthalb Jahren nach dem Sturz habe er massive Beeinträchtigungen hinzunehmen, für die eine GdB von 20 nicht gerechtfertigt sei. Er könne weder schwer heben noch lange stehen oder sitzen. Er sei auch nicht in der Lage, schnell zu gehen, geschweige denn zu rennen. Im Rücken habe er permanent Schmerzen, besonders wenn er ruckartig die Position wechseln müsse. Der beim Unfall komplett zertrümmerte rechte Fuß bestehe aus Platten und Ersatzteilen und sei so gut es ging neu modelliert worden. Dieser Fuß sei nunmehr fast steif und in sämtliche Richtungen so gut wie unbeweglich. Eine typische Abrollbewegung oder Seitwärtsbewegung sei nicht mehr möglich. Das Becken sei bei dem Unfall dreimal gebrochen worden und stehe jetzt schief, weshalb er Schuhe für einen Höhenausgleich von fast 2 bis 3 cm tragen müsse. Durch das defekte und schiefe Becken und durch den starken Aufprall auf einen Steinboden bei dem Unfall sei auch die Blase geschädigt worden, so dass er permanent Probleme beim Wasserlassen habe. Diese Störung sei bis zum heutigen Tag nicht behoben. Der Beklagte holte daraufhin zunächst einen Befundschein von Dipl.-Med. B. vom 17. November 2008 ein, der über einen Behandlungszeitraum vom 26. November 2007 bis 3. November 2008 erneut die Befunde mitteilte, die er im Bericht vom 26. November 2007 an Dr. K. aufgeführt hatte. Abschließend gab er an, die bisherige Therapie habe in der Verordnung von orthopädischen Haus- und Straßenschuhen bestanden. Einen weiteren Bericht forderte der Beklagte von Dr. K. vom 24. November 2008 an, die folgende Beschwerden des Klägers mitteilte: Zu Beginn der Miktion noch bestehendes Druckgefühl im Blasenbereich, abends nach Verrichtung der täglichen Arbeit ständiges Spüren der Fußgelenke, der untere Bereich der Wirbelsäule schmerze ständig. Das Gangbild beschrieb Dr. K. als leicht hinkend. Sensibilitätsstörungen lägen nicht vor, der Finger-Boden-Abstand betrage 20 cm. Der Kläger müsse täglich Müllbehälter (meist leere) hin- und her bewegen, wobei ihm besonders beim Heben der Behälter das rechte Schultergelenk schmerze. Der versorgungsärztliche Dienst des Beklagten (Dr. J.) wertete auch diese Unterlagen aus und kam zu dem Ergebnis, dass die bisherige Bewertung der Funktionsstörung der Füße und der Wirbelsäule korrekt erfolgt sei. Die Miktionsbeschwerden, die Leberschädigung nach Trauma, die Funktionsstörung der Schulter und der Beckenbruch bedingten jeweils keinen GdB. Mit Widerspruchsbescheid vom 25. Februar 2009 wies der Beklagte den Widerspruch zurück, da nach Einholung weiterer ärztlicher Unterlagen die festgestellten Behinderungen entsprechend den aktenkundigen Befundunterlagen mit einem GdB von 20 korrekt bewertet worden seien.
Mit der am 25. März 2009 beim Sozialgericht (SG) Halle erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt und unter Hinweis auf die ständigen Behandlungen bei seinen Ärzten Dr. K. und Dipl.-Med. B. vorgetragen, die Beeinträchtigung seiner Blasentätigkeit sei mit einem Einzel-GdB von bis zu 50, mindestens aber 20 bis 40 zu bewerten, da eine erhebliche Restharnbildung in Verbindung mit schmerzhaftem Wasserlassen gegeben sei. Hinsichtlich der Wirbelsäule lägen nach den Berichten des Dipl.-Med. B. vom 26. November 2007 und 17. November 2008 instabile Verhältnisse in zwei Wirbelsäulenabschnitten vor, so dass auch für diese Behinderung ein Einzel-GdB von 40 gerechtfertigt sei. Die Schädigung des Beckens habe nicht nur zu der Harnwegsstörung, sondern auch zu einer einseitigen Beinverkürzung geführt, wofür ein GdB von 30 bis 40 anzusetzen sei. Neurologische, gynäkologische und urologische Funktionsbeeinträchtigungen sowie Hüftgelenksveränderungen seien ggf. zusätzlich zu berücksichtigen. Allein die Beinverkürzung rechtfertige bereits einen GdB von 10, die Beckenschädigung und die Beeinträchtigung der Blasenfunktion sei vom Beklagten zu Unrecht nicht berücksichtigt worden. Auch an den unteren Gliedmaßen bestünden erhebliche Schäden, denn sein rechter Fuß sei aufgrund der fast vollständig eingetretenen Versteifung dauerhaft geschädigt, wobei sowohl das obere als auch das unteren Sprunggelenk betroffen seien. Auch hierfür sei ein GdB von 30 bis 40 festzustellen. Insgesamt sei ein GdB von mindestens 40 festzustellen, was auch in Einklang mit den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen nach Anlage 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung stehe.
Der Beklagte ist der Klage zunächst mit dem Hinweis entgegengetreten, eine höhere Bewertung als 20 sei nicht zu begründen, da die Funktionsstörung der Füße und der Wirbelsäule korrekt erfolgt sei. Bezüglich der Wirbelsäule bestünden keine sensormotorischen Funktionsstörungen; die angegebenen Schmerzen seien in der Bewertung enthalten. Im Übrigen könne der versorgungsmedizinische Dienst nur Befunde auswerten, die von den behandelten Ärzten mitgeteilt werden. Auf subjektive Empfindungen und Einschätzungen des Klägers komme es dabei nicht an, da nur die klinisch nachgewiesenen Gesundheitsstörungen bewertet werden könnten.
Im Erörterungstermin vom 26. August 2009 hat der dabei durch seine Prozessbevollmächtigte vertretene Kläger einen Antrag auf Begutachtung nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gestellt und hierfür PD Dr. W., U. H., nebst entsprechenden Beweisfragen benannt.
Das SG hat zunächst von dem Facharzt für Urologie Dr. S. einen Befundbericht angefordert und diesem u. a. die Beantwortung der Fragen aufgegeben, ob beim Kläger eine chronische Harnwegsentzündung bzw. chronische Blasenentzündung mit entsprechenden Miktionsstörungen vorliege, eine Entleerungsstörung der Blase oder eine Harninkontinenz gegeben sei. Mit Bericht vom 18. Januar 2010 hat Dr. S. mitgeteilt, der Kläger habe angegeben, unter erektiler Dysfunktion zu leiden ("Morgens läuft es nicht so"). Als Diagnose benannte der Arzt eine BPH (benigne [gutmütige, gutartige] Prostatahyperplasie). Eine chronische Harnwegs- bzw. Blasenentzündung oder einer Harnröhrenverengung lägen nicht vor. Die Sonografie der Blase habe am 7. Oktober 2009 eine Restharnmenge von 50 ml ergeben. Es bestehe beim Kläger auch keine Harninkontinenz bzw. die Notwendigkeit einer künstlichen Harnableitung; gegeben sei eine noch nicht therapiebedürftige geringe Einschränkung der Miktion. Sodann hat das SG gemäß § 109 SGG das Sachverständigengutachten von PD Dr. W. vom 24. Februar 2010 nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 10. Februar 2010 eingeholt. Der Sachverständige hat nach den Angaben des Klägers zum Unfall angegeben, dieser sei am 2. Juni 2007 bei Abrissarbeiten am eigenen Haus durch eine Deckenkonstruktion etwa 4 m in die Tiefe gestürzt und dabei aufrecht mit den Füßen aufgeschlagen. Im Anschluss an den stationären Krankenhausaufenthalt sei eine vierwöchige stationäre Reha-(Rehabilitations-)maßnahme in B. K. und im Anschluss daran eine ambulante Reha-Maßnahme im Rehaflex S. H. durchgeführt worden. Seit 18. Januar 2008 sei der Kläger nach eigener Aussage wieder arbeitsfähig. Die vom Kläger benannten aktuellen Beschwerden hat PD Dr. W. nach wörtlichem Zitat wie folgt zusammengefasst: "Ich habe Schmerzen in der Lendenwirbelsäule bereits bei geringfügigen Bewegungen. So habe ich beispielsweise bereits Schmerzen beim Vorbeugen über das Waschbecken, wie z. B. beim Zähneputzen. Das Tragen von Lasten über 10 kg ist mir schmerzbedingt nicht möglich. Des Weiteren verspüre ich Schmerzen bei Drehbewegungen bzw. beim Bücken jeweils im Bereich der LWS und der unteren Brustwirbelsäule (BWS). Ich habe eine Blasenentleerungsstörung mit inkontinuierlichem Harnstrahl sowie rezidivierende Erektionsstörungen. Im Bereich des rechten Fußes habe ich Schmerzen beim Abrollen. Langes Stehen von mehr als einer Stunde Dauer ist mir schmerzbedingt nicht möglich. Zusätzlich habe ich deutliche Funktionseinschränkungen im Bereich des oberen und unteren Sprunggelenkes. Im rechten Schultergelenk verspüre ich Schmerzen bei Abduktion über 90°".
Zur Befunderhebung hat der Sachverständige angegeben, dass eine deutliche und schmerzhafte Funktionseinschränkung des rechten Schultergelenkes bestehe, die sich in einer Einschränkung der Abduktionsfähigkeit bis 110° (linke Seite bis 160°) sowie in einer Einschränkung der Anteversion auf 120° rechtsseitig, ebenfalls endgradig schmerzhaft im Vergleich zur linken Seite mit 170°, äußere. Die übrigen Gelenke der oberen Extremitäten seien seitengleich frei beweglich. In Bezug auf die Umfangsmaße bestünden keine wesentlichen Seitendifferenzen. Im Bereich des rechten Schulterblattes bestehe eine deutliche Konturveränderung. Das rechte Schulterblatt habe im Vergleich zur Gegenseite deutlich an Prominenz verloren. Hinsichtlich der Wirbelsäule bestehe eine deutliche Funktionseinschränkung der Seitneige und der Rotation von Brust- und Lendenwirbelsäule. Diese Einschränkungen seien endgradig schmerzhaft und seitengleich. Zusätzlich bestehe ein deutlich vermehrter Finger-Boden-Abstand von 45 cm. Bei den unteren Extremitäten sei eine schmerzlose geringfügige Einschränkung der Funktionalität des rechten Hüftgelenkes im Vergleich zur Gegenseite gegeben, die sich insbesondere in einer Einschränkung der Flektierbarkeit des rechten Hüftgelenkes äußere. Rechts bestehe eine Flexion von 95°, links von 110°. Im direkten Seitenvergleich zeigten die Umfangsmaße keine wesentlichen Umfangsdifferenzen. Es bestehe jedoch eine deutliche Beinlängendifferenz von 1,5 cm mit einer Verkürzung des rechten Beines.
Der Gutachter hat folgende Diagnosen mitgeteilt:
Zustand nach instabiler LWK-1- und LWK-5-Fraktur mit nachfolgender dorsaler Stabilisierung der Segmente BWK-12 auf LWK-2 sowie LWK-4 auf SWK-1 mit radiologischer Anschlussinstabilität der Segmente L-2 bis L-4;
Verdacht auf neurogene Blasenentleerungsstörung als Folge einer konsekutiven Spinalkanalstenose bei stattgehabter instabiler Lendenwirbelkörperfraktur;
Zustand nach Symphysensprengung mit radiologisch nachweisbaren deutlichen degenerativen Veränderungen im Bereich der Symphyse;
Zustand nach Fraktur der rechten Beckenschaufel mit randständiger Beteiligung der Ilioscralfuge mit daraus resultierender Beinverkürzung rechts um 1,5 cm;
Zustand nach Os-Sacrum-Fraktur rechts;
Zustand nach mehrfragmentärer intraartikulärer Calcaneusfraktur rechts mit nachfolgender Plattenosteosynthese und massiver funktioneller Einschränkung des oberen Sprunggelenkes und Arthrodesierung des unteren Sprunggelenkes rechtsseitig;
Zustand nach extraartikulärer Scapulablattfraktur – in Fehlstellung verheilt – mit deutlicher Funktionseinschränkung des rechten Schultergelenkes in der Abduktion und Anteversion
Zustand nach traumatischer Leberparenchymläsion.
Die Bewegungsmaße für die unteren Gliedmaßen hat der Sachverständige wie folgt benannt: Obere Sprunggelenke rechts (Heben/Senken des Fußes): 0/0/10°; links: 10/0/40°. Untere Sprunggelenke (Gesamtbeweglichkeit): rechts: 0/0/0°; links: 5/0/10°. Beinlänge links: 101,5, rechts: 103 cm. Obere Gliedmaßen: Schultergelenke: rechts: Arme seitwärts/körperwärts: 110/0/20°; links: 160/0/30°. Arm rückwärts/vorwärts: rechts: 40/0/120°; links: 40/0/170°. Arm auswärts/einwärts drehen (Oberarm anliegend): rechts: 30/0/90°; links: 30/0/90°. Messlatte für die Wirbelsäule: Halswirbelsäule: Vorneigen/Rückneigen: 40/0/70°; Seitneigen rechts/links: 40/0/40°; Drehen rechts/links: 70/0/70°. BWS und LWS: Seitneigen rechts/links: 20/0/20°; Drehen im Sitzen rechts/links: 15/0/15°. Finger-Boden-Abstand: 45; Ott: 32; Schober: 11.
Zusammenfassend hat der Sachverständige festgestellt, alle von ihm benannten Diagnosen seien als Folge des Ereignisses vom 2. Juni 2007 anzusehen. Die mittelgradige Funktionseinschränkung der BWS und LWS mit nahezu vollständiger Aufhebung der physiologischen Lordosierung der WS cranial LWK-4 mit einer zusätzlichen Anschlussdekompensation der Segmente L-2 bis L-4 und rezidivierend auftretenden Beschwerden sei mit einem GdB von 20 zu bewerten. Die massive Funktionseinschränkung des oberen Sprunggelenkes und die Einsteifung des unteren Sprunggelenkes des rechten Beines mit deutlicher Funktionseinschränkung der Sprunggelenke rechtsseitig seien mit einem GdB von 10 zu bewerten. Der Gesamtgrad der Behinderung betrage 30.
Mit Stellungnahme vom 25. März 2010 hat der Beklagte unter Beteiligung des Versorgungsärztlichen Dienstes an seiner bisherigen Auffassung festgehalten und vorgetragen, es könne zwar zusätzlich eine Funktionsminderung des rechten Schultergelenkes festgestellt werden, die sich aber nicht erhöhend auswirke. Wesentliche Bewegungseinschränkungen infolge des Wirbelsäulensyndroms bestünden nicht; Nervendehnungsschmerzen seien nicht angegeben worden. Die Funktionsminderung des rechten Sprunggelenkes sei zusammen mit den Fußdeformitäten maximal mit einem GdB von 20 zu bewerten. Die gutartige Vergrößerung der Prostata sei nicht therapiebedürftig und eine neurogene Blasenentleerungsstörung sei nicht bestätigt worden, so dass hierfür kein zusätzlicher GdB begründet sei.
Demgegenüber hat der Kläger unter Berücksichtigung von Einzelgraden der Behinderung von 20 für die Wirbelsäulenbeschwerden, 20 für die Schäden an den unteren Gliedmaßen und Deformierungen sowie 10 für die Funktionsstörung des rechten Schultergelenks einen Gesamtgrad der Behinderung von 40 für gerechtfertigt gehalten. Der Beklagte hat sich daraufhin mit Schriftsatz vom 26. April 2010 bereit erklärt, den GdB wegen "Funktionsstörung des rechten Sprunggelenkes, Deformität beidseits (Einzel-GdB um 20), Funktionsstörung der Wirbelsäule nach Wirbelkörperfraktur (Einzel-GdB um 20), Funktionsminderung der rechten Schulter (Einzel-GdB um 10) auf 30 ab 10. Februar 2010 (Tag der Untersuchung) anzuheben und ein Viertel der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu übernehmen. Dem ist der Kläger zunächst mit Schriftsatz vom 6. Juli 2010 entgegengetreten und hat auf ein fachurologisches Gutachten von Professor D./Dr. F. vom 6. Juni 2010 verwiesen, das dieser im Auftrag der I. Versicherungs-AG erstattet hat. Zu der Fragestellung, welche Beschwerden und Beeinträchtigungen der körperlichen Leistungsfähigkeit beim Kläger unfallbedingt dauerhaft auf urologischem Fachgebiet bestehen hat Professor D./Dr. F. die folgenden urologischen Untersuchungsbefunde festgestellt:
posttraumatische neurogene Blasenfunktionsstörung mit Restharnbildung
hypertensiv normokapazitäre Blase mit Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie
kleines, funktionell nicht relevantes Prostataadenom
erektile Dysfunktion
Der Sachverständige hat ferner ausgeführt, die neurogene Blasenentleerungsstörung sei auf eine typische Läsion des oberen sowie des unteren Miktionszentrums zurückzuführen, diese Zentren korrespondierten anatomisch/funktionell mit den traumatischen Läsionen (instabile Fraktur mit Spinalkanalstenose im Bereich LWK-1 und LWK-5), auch seien potenziell mögliche Folgen der erfolgten dorsalen Spondylodes LWK-4/SWK-1 sowie BWK-12/LWK-2 nicht auszuschließen. Durch die Beckenfraktur sei es zu einer Aggravierung der neurologischen Symptomatik gekommen, da typischerweise periphere Nervenbahnen während der dynamischen Entstehung des Beckentraumas lädiert werden. Die neurogene Blasenentleerungsstörung sei mit einem GdB von 20 zu bewerten. Die erektile Dysfunktion sei zwar vorhanden, aber nicht auf die Beckenfraktur und damit nicht auf den Unfall zurückzuführen. Erektionsstörungen seien nur sehr selten traumatisch bzw. posttraumatisch bedingt, sondern seien zu mehr als 80 % auf vaskuläre Ursachen zurückzuführen.
Unter Berücksichtigung des Gutachtens von Prof. D./Dr. F. hat der Kläger einen GdB von 60 beansprucht. Demgegenüber hat der Beklagte aus diesem Gutachten keine Blasenentstörung stärkeren Grades gefolgert, weshalb der bereits angebotene GdB von 30 nicht weiter zu erhöhen sei.
Schließlich hat der Kläger ein weiteres im Auftrag der I. Versicherungs-AG erstattetes orthopädisches Gutachten von Prof. Dr. R. und Dr. Z., beide U. H., vom 5. März 2010 vorgelegt. Darin haben die Ärzte zur Anamnese angegeben, der Kläger arbeite als Kraftfahrer bei einem M-Unternehmen der Stadt H. und fahre ... aus. Diese Tätigkeit könne er verrichten, es bestünden allerdings ein LWS-Schmerz bei Belastung und auch in Ruhe sowie Anlaufbeschwerden im Sinne einer Morgensteifigkeit. Diese Beschwerden seien auf die LWS lokalisiert. Zudem klage Herr F. über Schmerzen beim Abrollen im rechten Fuß, wobei langes Stehen sowie Rennen nicht möglich wären. Die schmerzfreie Strecke werde mit einer Dauer von 30 min angegeben. Aufgrund der Fußdeformität würden orthopädische Einlagen getragen. Ferner habe er angegeben, an einer Blasenentleerungsstörung mit diskontinuierlichem Harnstrahl sowie unter rezidivierenden Erektionsstörungen zu leiden. Zur Untersuchung der Wirbelsäule haben die Sachverständigen ausgeführt, es bestehe im Bereich der gesamten Rumpfwirbelsäule kein Klopfschmerz. Die Lendenlordose sei flach, aber harmonisch, ebenso die Brustkyphose. Die Wirbelsäule sei im Lot. Das Maß der Seitneige (Prüfung im Sitz, Becken manuell fixiert) betrage 20/0/20°; die Rotation rechts/links 10/0/10°; das Zeichen nach Lasègue sei beidseits negativ. Am rechten oberen Sprunggelenk haben die Sachverständigen eine Reiznarbe im Bereich des Rückfußes beschrieben und die Aufhebung des Längsgewölbes. Die Beweglichkeitsmaße des oberen Sprunggelenks rechts hätten bei der Extension/Flexion 10/0/50° gegenüber links 10/0/70° betragen. Die Pronation/Supination habe rechts nur Wackelbewegungen ergeben, links habe das Maß 10/0/10° betragen. Zur Beweglichkeit der Schultergelenke wurden übereinstimmende Maße für beide Seiten mitgeteilt (Anteversion/Retroversion 80/0/15°; Abduktion/Adduktion 90/0/10° und Innenrotation/Außenrotation 45/0/90°). Ferner haben die Sachverständigen ausgeführt, dass das rechte obere Sprunggelenk einen physiologischen Befund ohne fortgeschrittene degenerative Veränderungen zeige, wobei der Gelenkspalt im ventralen Bereich in der seitlichen Aufnahme verschmälert sei. Das untere Sprunggelenk könne hinsichtlich etwaiger degenerativer Veränderungen aufgrund der Materiallage nur eingeschränkt beurteilt werden. Die gestellten Diagnosen dieser Ärzte lauten:
Funktionsstörungen des rechten Fußes nach mehrfragmentärer intraartikulärer Calcaneusfraktur rechts mit Abflachung des Fußlängsgewölbes,
Verlagerung des Hüftdrehzentrums nach kranial um ca. 2 cm infolge einer Beckenfraktur mit konsekutiver Beinlängenverkürzung sowie Symphysensprengung,
folgenlos ausgefeilte traumatische Leberparenchymläsion,
folgenlos ausgeheilt extraartikuläre Scapulablattfraktur,
folgenlos ausgeheilt, quer verlaufende, extraartikuläre Os-Sacrum-Fraktur,
Bewegungseinschränkungen im Bereich der Rumpfwirbelsäule infolge instabiler LWK-1- und LWK-5-Fraktur mit Spinalskanalstenose und erfolgter dorsaler Spondylodese LWK-4/SWK-1 sowie BWK-12/LWK-2,
in Bezug auf die gutachterliche Fragestellung durch Facharzt für Urologie abklärungsbedürftige Harnblasenentleerung- und Erektionsstörung.
Im Ergebnis haben die Sachverständigen die Funktionsstörung der Lendenwirbelsäule mit 40% bewertet und die Funktionsstörung des rechten Fußes, die sich in einer gestörten OSG- und USG-Funktion äußere, mit "3/10 Fußwert", da eine Dorsal-/Plantarfunktion von 10/0/50° zusammen mit einer Wackelsteife vorliege.
In der mündlichen Verhandlung vom 18. November 2010 hat der Kläger das erweiterte Teilanerkenntnis des Beklagten hinsichtlich eines GdB von 30 bereits ab 6. August 2008 angenommen und darüber hinaus die Feststellung eines GdB von 50 ab 4. August 2008 beantragt. Mit Urteil vom selben Tag hat das SG der Klage zum Teil stattgegeben und den Beklagten verurteilt, über das Anerkenntnis hinaus einen GdB von 40 ab 4. August 2008 festzustellen. In den Entscheidungsgründen hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei von einem Wirbelsäulenschaden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt betroffen, der in Übereinstimmung mit dem Gutachten von PD Dr. W. vom 24. Februar 2010 mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten sei. Auch für die Funktionseinschränkungen des rechten oberen und unteren Sprunggelenkes sei von einem GdB von 20 auszugehen, weil die von PD Dr. W. festgestellte deutliche Funktionseinschränkung in Verbindung mit der Versteifung des unteren rechten Sprunggelenkes insgesamt als Bewegungseinschränkung stärkeren Grades einzustufen sei, für die ein Einzel-GdB von 20 angesetzt werden müsse. Die Funktionseinschränkung des rechten Schultergelenks sei mit 10 zutreffend bewertet, während für die Beckenschädigung mit Beinverkürzung kein GdB zu vergeben sei. Für die Entleerungsstörung der Blase wiederum sei ein GdB von 20 anzunehmen, da es sich, anknüpfend an das Sachverständigengutachten des Prof. D./ Dr. F. vom 9. Juni 2010 und dessen ergänzender Stellungnahme vom 15. November 2010, wegen der erheblichen Restharnbildung um eine Entleerungsstörung stärkeren Grades handele. Für die Behinderungen sei ein Gesamtgrad von 40 zu bilden, da es sich um Funktionsstörungen innerhalb verschiedener Funktionssysteme handele, die sich hinsichtlich der Auswirkungen an der Teilnahme des Klägers am Leben in der Gesellschaft in verschiedenen Bereichen äußerten, zum Teil aber auch überschnitten. So beträfen die Bereiche "Beeinträchtigung der Wirbelsäule" und "Beeinträchtigung des rechten Fußes" jeweils sämtliche Tätigkeiten des Klägers, die mit seinem Bewegungsapparat und seiner Mobilität im Zusammenhang stünden. Die Funktionsbeeinträchtigung durch die Harnblasenentleerungsstörung erhöhe den GdB; ein GdB von 50 sei jedoch nicht gerechtfertigt.
Mit Ausführungsbescheid vom 28. Dezember 2010 hat der Beklagte den GdB mit 40 ab 4. August 2008 festgesetzt und diese Entscheidung auf folgende Funktionsbeeinträchtigungen gestützt:
Funktionsstörung des rechten oberen und unteren Sprunggelenkes
Funktionsstörung der Wirbelsäule nach Wirbelkörperfraktur
Harnblasenentleerungsstörung
Funktionseinschränkung des rechten Schultergelenkes
Das ihm am 27. Dezember 2010 zugestellte Urteil greift der Kläger mit seiner rechtzeitig am 24. Januar 2011 eingelegten Berufung an. Er begehrt weiterhin einen GdB von 50 und ist der Ansicht, für die Funktionssysteme "Rumpf" und "Beine" müsse jeweils ein GdB von 30, für das Funktionssystem "Harnorgane" ein solcher von 20 und zusammenfassend ein GdB von 50 angenommen werden. Dies sei angemessen, weil bei der vorhandenen massiven Funktionseinschränkung des oberen Sprunggelenkes, die einer Versteifung annähernd gleichstehe, in Übereinstimmung mit Nummer 18.14 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze ein Einzel-GdB von 30 gerechtfertigt sei. Bei den Wirbelsäulenschäden sei der GdB für das Funktionssystem "Rumpf" unter Berücksichtigung der Beeinträchtigung der rechten Schulter ebenfalls auf 30 anzuheben, da nach dem Gutachten von PD Dr. W. am rechten Schultergelenk eine deutliche und schmerzhafte Funktionseinschränkung bestehe, die sich in einer Einschränkung der Abduktionsfähigkeit bis 110° gegenüber links von 160° sowie in einer Einschränkung der Anteversion auf 120° endgradig schmerzhaft zeige. Insgesamt seien die Funktionseinschränkungen entgegen den Ausführungen des SG mit dem Verlust eines Beines im Unterschenkel bei genügender Funktionstüchtigkeit des Stumpfes und der Gelenke vergleichbar. Der Verlust eines Beines im Unterschenkel werde in der Regel durch eine Prothese kompensiert, die es dem Träger ermögliche, sich ohne fremde Hilfe fortzubewegen. In der Beweglichkeit selbst unterscheide sich der rechte Fuß des Klägers aufgrund der festgestellten Versteifung des unteren Sprunggelenkes nicht wesentlich von der einer Prothese. Hinzu kämen ein Wirbelsäulenschaden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt sowie eine isolierte neurogene Harnblasenentleerungsstörung.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 18. November 2010 sowie den Ausführungsbescheid des Beklagten vom 28. Dezember 2010 abzuändern und diesen zu verpflichten, bei ihm einen GdB von 50 ab 4. August 2008 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er erhält, dabei gestützt auf seinen versorgungsärztlichen Dienst, einen höheren GdB als 40 für nicht gerechtfertigt.
Der Senat hat medizinische Ermittlungen durchgeführt und zunächst vom Facharzt für Orthopädie Dr. S. einen Befundbericht vom 10. August 2011 eingeholt, der zum Behandlungszeitraum vom 8. Juni bis 3. September 2010 angegeben hat, dass der Kläger anfangs über seit Wochen bestehende Ellenbogenbeschwerden geklagt, später aber über einen privaten Unfall im Jahre 2007 mit Folgebeschwerden berichtet habe. Zu den Befunden hat der Arzt angegeben, es bestehe eine geringe Bewegungseinschränkung der Brust- und Lendenwirbelsäule ohne Klopf- oder Stauungsschmerz. Die Hüftgelenke seien fast, die Kniegelenke völlig frei beweglich, rechts bestehe ein etwas hochgesprengter Fuß, sonst keine Deformität oder Fehlstellung. Die Beweglichkeit der Sprunggelenke hat Dr. S. hinsichtlich der Extension/Flexion rechts mit 20/0/20° und links mit 20/0/45° angegeben. Das untere rechte Sprunggelenk sei fast eingesteift, links habe die Pronation/Supination 10/0/20° betragen. Die Bewegungseinschränkung des rechten oberen Sprunggelenkes sei geringen Grades; hinsichtlich des unteren Sprunggelenkes liege eine Einsteifung vor. Die ursprünglich geklagten Beschwerden am rechten Ellenbogen hätten im Verlauf der Behandlung keine wesentliche Behinderung dargestellt. Die weitere Konsultation sei zielgerichtet zur Versorgung mit orthopädischen Schuhen bzw. Einlagen erfolgt, so dass aus seiner Sicht vordergründig die Behinderung am rechten Sprunggelenk zu nennen sei. Einen weiteren Befundbericht hat das Gericht von Dr. K. vom 6. September 2011 eingeholt, die über Behandlungen des Klägers im Zeitraum vom 15. November 2010 bis 27. Januar 2011 berichtet hat. Am 15. November 2010 habe im LWS-Bereich ein Druck- und Bewegungsschmerz bestanden; diese Beschwerden hätten auch am 19. November noch vorgelegen, während zu diesem Zeitpunkt Blasenbeschwerden nicht mehr vorhanden gewesen seien. Zum Teil sei die Behandlung wegen einer Epikondylitis humeris radialis rechts erfolgt sowie wegen einer Gastroenteritis. Hinsichtlich der Frage nach Funktionsstörungen im Bereich der oberen und unteren Sprunggelenke hat die Ärztin auf die Behandlung durch einen Facharzt für Orthopädie verwiesen. Schließlich hat das Gericht noch einen Befundbericht von Dipl.-Med. B. vom 11. Juni 2012 eingeholt. Dieser hat u.a. angegeben, das Gangbild sei beidseits ohne Befund und eine Verschlechterung der Befunde sei nicht eingetreten.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte und gemäß § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auch statthafte Berufung des Klägers ist unbegründet. Das angegriffene Urteil vom 18. November 2010 und der Ausführungsbescheid des Beklagten vom 28. Dezember 2010 erweisen sich als rechtens und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Voraussetzungen für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft liegen bei dem Kläger nicht vor. Der GdB ist mit 40 ab Antragstellung zutreffend festgestellt.
Die Klage und Berufung richtet sich nur noch gegen den Ausführungsbescheid vom 28. Dezember 2010, mit dem der Beklagte das der Klage teilweise stattgebende Urteil des SG umgesetzt und die ursprünglich angefochtenen Bescheide insoweit ersetzt hat. Es handelt sich um eine Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, bei der für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich ist (vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2000 - B 9 SB 3/99 R - SozR 3-3870 § 3 Nr. 9 S. 22).
Die Funktionsstörungen, unter denen der Kläger seit dem Unfall vom 2. Juni 2007 leidet, rechtfertigen ab dem 5. Dezember 2008 einen GdB von 40.
Für den streitgegenständlichen Zeitraum gilt das am 1. Juli 2001 in Kraft getretene Neunte Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB IX) über die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1046). Der hier anzuwendende § 69 SGB IX ist durch die Gesetze vom 23. April 2004 (BGBl. I S. 606) und vom 13. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2904) geändert worden. Rechtsgrundlage für den vom Kläger erhobenen Anspruch auf Feststellung eines GdB ist § 69 Abs. 1 und 3 SGB IX. Infolge der verfahrensrechtlichen Änderungen des § 69 SGB IX durch das Gesetz vom 23. April 2004 (a.a.O.) hat sich im Übrigen nur die Satzzählung geändert. Im Folgenden werden die Vorschriften des § 69 SGB IX nach der neuen Satzzählung zitiert.
Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Diese Vorschrift knüpft materiellrechtlich an den in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX bestimmten Begriff der Behinderung an. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX sind die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben der Gesellschaft als GdB nach Zehnergraden abgestuft festzustellen. Wenn mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft vorliegen, wird nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt.
§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX ist durch das insoweit am 21. Dezember 2007 in Kraft getretene Gesetz vom 13. Dezember 2007 (a.a.O.) geändert worden. Nach der früheren Fassung der Vorschrift galten für den GdB die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG festgelegten Maßstäben entsprechend. Nach dem Wortlaut der früheren Fassung des ebenfalls durch das Gesetz vom 13. Dezember 2007 geänderten § 30 Abs. 1 BVG war für die Beurteilung die körperliche und geistige Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben maßgeblich, wobei seelische Begleiterscheinungen und Schmerzen zu berücksichtigen waren. Nach der Neufassung des § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten für den GdB die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30 Abs. 17 BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. Nach der damit in Bezug genommenen neuen Fassung des § 30 Abs. 1 BVG richtet sich die Beurteilung des Schweregrades – dort des "Grades der Schädigungsfolgen" (GdS) – nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen. Die hierfür maßgebenden Grundsätze sind in der am 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412) aufgestellt worden, zu deren Erlass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales durch den dem § 30 BVG durch das Gesetz vom 13. Dezember 2007 angefügten Absatz 17 ermächtigt worden ist.
Nach § 2 VersMedV sind die auch für die Beurteilung des Schweregrades nach § 30 Abs. 1 BVG maßgebenden Grundsätze in der Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (Anlageband zu BGBl. I Nr. 57 vom 15. Dezember 2008, G 5702) als deren Bestandteil festgelegt und sind damit nunmehr der Beurteilung der erheblichen medizinischen Sachverhalte mit der rechtlichen Verbindlichkeit einer Rechtsverordnung zugrunde zu legen. Zuvor dienten der Praxis als Beurteilungsgrundlage die jeweils vom zuständigen Bundesministerium herausgegebenen "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht", die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts als vorweggenommene Sachverständigengutachten eine normähnliche Wirkung hatten (vgl. BSG, Urteil vom 18. September 2003 – B 9 SB 3/02 R – SozR 4-3800 § 1 Nr. 3 Rdnr. 12, m.w.N.). Die in den Anhaltspunkten (letzte Ausgabe von 2008) enthaltenen Texte und Tabellen, nach denen sich die Bewertung des GdB bzw. der Schädigungsfolge bisher richtete, sind – inhaltlich nahezu unverändert – in diese Anlage übernommen worden (vgl. die Begründung BR-Drucks. 767/08, S. 3 f.). GdS und GdB werden dabei nach gleichen Grundsätzen bemessen. Die Begriffe unterscheiden sich lediglich dadurch, dass sich der GdS kausal auf Schädigungsfolgen und der GdB final auf alle Gesundheitsstörungen unabhängig von deren Ursachen auswirkt (vgl. Versorgungsmedizinische Grundsätze, Teil A: Allgemeine Grundsätze 2 a (S. 19)).
Der hier streitigen Bemessung des GdB ist die GdS-Tabelle der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (Teil A, S. 17 ff.) zugrunde zu legen. Nach den allgemeinen Hinweisen zu der Tabelle (Teil A, S. 33) sind die dort genannten GdS-Sätze Anhaltswerte. In jedem Einzelfall sind alle leistungsmindernden Störungen auf körperlichem, geistigem und seelischem Gebiet zu berücksichtigen und in der Regel innerhalb der in Nr. 2 e (Teil A, S. 20) genannten Funktionssysteme (Gehirn einschließlich Psyche; Augen; Ohren; Atmung; Herz-Kreislauf; Verdauung; Harnorgane; Geschlechtsapparat; Haut; Blut und Immunsystem; innere Sektion und Stoffwechsel; Arme; Beine; Rumpf) zusammenfassend zu beurteilen. Die Beurteilungsspannen tragen den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung (Teil B, Nr. 1 a, S. 33).
Nach diesem Maßstab kann für die Funktionseinschränkungen des Klägers kein höherer Grad der Behinderung als 40 festgestellt werden. Dabei stützt sich der Senat auf die in beiden Rechtszügen eingeholten medizinischen Unterlagen, die versorgungsmedizinischen Stellungnahmen des Beklagten sowie insbesondere auf das fachorthopädische Gutachten von PD Dr. W. vom 24. Februar 2010. Ferner waren zu berücksichtigen die vom Kläger in das Verfahren eingebrachten medizinischen Unterlagen, nämlich das fachurologische Gutachten von Prof. D./Dr. F. vom 6. Juni 2010 und das fachorthopädische Gutachten der Ärzte des U.-klinikums H. Prof. Dr. R. und Dr. Z. vom 5. März 2010. Beide Gutachten sind von der I. Versicherungs-AG eingeholt worden und unterliegen als Privaturkunden gemäß § 118 Abs. 1 SGG i. V. mit § 416 Zivilprozessordnung (ZPO) der freien Beweiswürdigung gemäß § 128 SGG.
Den genannten Unterlagen sind folgende Funktionseinschränkungen des Klägers zu entnehmen:
a)
Zunächst leidet er infolge des Unfalls vom 2. Juni 2007 dauerhaft unter Wirbelsäulenschäden, die dem Funktionsbereich "Rumpf" zuzuordnen sind. Dafür ist ein Einzelgrad der Behinderung von 20 festzustellen.
Nach ärztlicher Einschätzung erreichen diese Einschränkungen den Schweregrad von mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (GdS-Tabelle, B 18.9, S. 107 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze). Dies folgt aus dem Gutachten von PD Dr. W. vom 24. Februar 2010, der eine mittelgradige funktionelle Einschränkung der Brust- und Lendenwirbelsäule mit nahezu vollständiger Aufhebung der physiologischen Lordosierung der Wirbelsäule mit rezidivierend auftretenden Beschwerden festgestellt hat (S. 9 des Gutachtens, Bl. 91 der Gerichtsakte). Diese zwischen den Beteiligten nicht umstrittene Bewertung wird auch durch das im Auftrag der I. Versicherungs-AG erstattete orthopädischen Gutachten der Ärzte Prof. Dr. R. und Dr. Z. vom 5. März 2010 gestützt, die ebenfalls Funktionsstörungen im Bereich der Lendenwirbelsäule im Sinne einer verminderten Entfaltbarkeit und Einschränkung der Rotation bzw. Seitneige festgestellt haben. In Anbetracht dieser mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt ist für diese Funktionseinschränkung ein GdB von 20 festzustellen. Ein GdB von 30 wäre erst bei schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt anzunehmen, die hier aber nicht vorliegen.
Zusätzlich ist im Funktionssystem "Rumpf" eine Funktionseinschränkung des rechten Schultergelenkes gegeben, die in die Gesamtbewertung des SG im Urteil vom 18. November 2010 und dem entsprechend in den Ausführungsbescheid des Beklagten vom 28. Dezember 2010 zutreffend mit einem Einzel-GdB von 10 eingeflossen ist. Denn nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (a.a.O., S. 110) bedingt eine Bewegungseinschränkung des Schultergelenks (einschließlich Schultergürtel) bei der Armhebung bis zu 120° mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit einen Einzel-GdB von 10. Eine solche Bewegungseinschränkung liegt hier vor, da nach der Untersuchung von PD Dr. W. die Abduktionsfähigkeit des rechten Schultergelenkes bis 110° und die Anteversion bis 120°, jeweils endgradig schmerzhaft, Dagegen ist der vom Kläger hierfür beanspruchte Einzel-GdB von 20 nicht festzustellen, weil dies eine auf einen Grad bis 90 eingeschränkte Beweglichkeit voraussetzen würde, die hier nicht festgestellt ist. Dem Vorbringen des Klägers ist auch entgegenzuhalten, dass nach dem Gutachten von Prof. Dr. R. und Dr. Z. vom 5. März 2010 anzuzweifeln ist, ob das bei dem Unfall geschädigte rechte Schultergelenk tatsächlich dauerhafte Schäden davongetragen hat. Denn diese Ärzte geben Befunde an (radiologisch "kein pathologischer Befund erkennbar, altersentsprechender Befund [ ] vollständig konsolidierte Schulterblattfraktur [ ] kein Anhalt für eine Pseudoarthrose"), die zumindest der Feststellung eines Einzel-GdB von mehr als 10 für diese Funktionseinschränkung entgegenstehen. Diese Bewertung wird auch gestützt durch die in diesem Gutachten mitgeteilten seitengleichen Bewegungsmaße für die Schultergelenke, die zu dem von PD Dr. W. erhobenen Befund (Bewegungseinschränkungen im rechten Schultergelenk) im Widerspruch stehen. Jedenfalls spricht auch die vom Kläger Anfang 2008 wieder aufgenommene berufliche Tätigkeit mit teilweise mittelschwerer körperlicher Arbeit (Auslieferung von l. M.) dagegen, dass zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch nennenswerte Einschränkungen in der rechten Schulter vorliegen. Der Einzel-GdB von 10 ist daher zu bestätigen und der GdB für das Funktionssystem "Rumpf" auf 20 festzusetzen, da der Einzel-GdB von 10 für das Schulterleiden als nur leichte Einschränkung den GdB für das Funktionssystem nicht weiter erhöhen kann (Teil A 3 ee, S. 23 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze).
b)
Ein weiteres Leiden des Klägers ist dem Funktionsbereich "Beine" zuzuordnen. Dafür ist ebenfalls ein Einzelgrad der Behinderung von 20 festzustellen.
Durch den Unfall vom 2. Juni 2007 sind das rechte obere und untere Sprunggelenk dauerhaft geschädigt und in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt worden. Nach Feststellung der Ärzte PD Dr. W., Prof. Dr. R. und Dr. Z. liegt einer Einschränkung der Beweglichkeit des oberen Sprunggelenkes und eine Versteifung des unteren Sprunggelenks vor. Nach den von PD Dr. W. im Gutachten vom 24. Februar 2010 erhobenen Bewegungsmaßen (oberes Sprunggelenk: Heben/Senken des Fußes: 0/0/10°; unteres Sprunggelenk: 0/0/0°) liegt eine Bewegungseinschränkung stärkeren Grades vor, die nach den versorgungsmedizinischen Grundsätzen mit 20 zu bewerten ist (GdS-Tabelle, Teil B, B 18.14, S. 117) , wobei die Versteifung bzw. nahezu aufgehobene Beweglichkeit (Prof. Dr. R./Dr. Z.: nur "Wackelbewegungen" möglich) des unteren Sprunggelenks für sich genommen nur einen Einzel-GdB von 10 bedingt. Die Bewegungseinschränkung des oberen Sprunggelenkes ist stärkeren Grades und bedingt deshalb nach der GdS-Tabelle (a.a.O.) einen GdB von 20. Dieser ist aber auch angesichts der Versteifung des unteren Sprunggelenkes nicht zu erhöhen, weil ein GdB von 30 nach der Tabelle erst bei einer Versteifung des oberen und unteren Sprunggelenkes in günstiger und von 40 in ungünstiger Stellung festzustellen ist. Diesen Schweregrad erreicht der Kläger angesichts der mitgeteilten Bewegungsmaße nicht. Es liegen in Bezug auf dieses Funktionssystem auch sonst keine Umstände vor, die für eine Erhöhung des GdB sprechen könnten, denn Dipl.-Med. B. hat im Befundbericht vom 11. Juni 2012 die bereits aus dem Gutachten von Prof. Dr. R./Dr. Z. und PD Dr. W. bekannten sowie seiner eigenen früheren Befunde bestätigt und erneut angegeben, das Gangbild sei beidseits ohne Befund.
c)
Die beim Kläger schließlich bestehende Harnentleerungsstörung ist dem Funktionssystem "Harnorgane" zuzuordnen. Der für diese Erkrankung bereits festgestellte Behinderungsgrad von 20, der nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen bei Entleerungsstörungen der Blase stärkeren Grades mindestens anzunehmen ist (GdS-Tabelle B 12.2, S. 82: Rahmen von 20 bis 40), ist hier nicht durch Ausschöpfung des Bewertungsrahmens zu erhöhen. Denn die im Berufungsverfahren durchgeführten Ermittlungen deuten an, dass sich diese Funktionseinschränkung im Sinne einer Entleerungsstörung der Blase leichten Grades gebessert hat, keinesfalls aber schlechter geworden ist. Während Prof. D./Dr. F. noch am 6. Juli 2010 die Diagnose einer posttraumatischen neurogenen Blasenfunktionsstörung mit Restharnbildung angegeben hat, waren nach Dr. K. ausweislich seines Befundberichtes vom 6. September 2011 im November 2010 beim Kläger keine Blasenbeschwerden mehr vorhanden gewesen. Auch wenn angesichts des nur wenige Monate älteren Gutachtens von Prof. D./Dr. F. die Bewertung einer Entleerungsstörung der Blase stärkeren Grades aufrecht zu erhalten ist, fehlen medizinische Indizien für einen höheren GdB innerhalb des Bewertungsrahmens.
d)
Weitere mindestens mit einem GdB von 10 berücksichtigungsfähige Behinderungen liegen nicht vor. Der beim Unfall eingetretene Beckenbruch ist nach den Feststellungen von Prof. Dr. R. und Dr. Z. weitgehend folgenlos ausgeheilt und bedingt daher keinen GdB. Die geringfügige einseitige Beinverkürzung von ca. 1,5 cm ist nicht als Funktionsstörung zu berücksichtigen (GdS-Tabelle B 18.14, S. 116: Beinverkürzung bis 2,5 cm entspricht einem GdB von 0)
Da in den Funktionssystemen "Rumpf", "Beine" und "Harnorgane" jeweils ein Behinderungsgrad von 20 festgestellt werden kann, ist ein Gesamtbehinderungsgrad zu bilden. Dabei ist zu beachten, dass nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (Teil A, Nr. 3 ee, S. 23) von Ausnahmefällen abgesehen, zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzelgrad von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdS von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes derr Behinderung zu schließen. In Anwendung dieser Grundsätze kann hier kein höherer Gesamt-GdB als 40 angenommen werden, da der Kläger in mehreren Funktionssystemen unter leichten Funktionsbeeinträchtigungen leidet, die im Wesentlichen unabhängig voneinander bestehen, sich also weder wechselseitig verstärken noch teilweise überschneiden. Eine Erhöhung dieses GdB im Sinne der vom Kläger begehrten Schwerbehinderteneigenschaft widerspräche hier dem nach A 3 (S. 22) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze zu berücksichtigenden Gesamtmaßstab. In Nr. 19 Abs. 2 der Anhaltspunkte, Ausgabe 2008 (S. 25) wird insoweit erläuternd ausgeführt, dass die Schwerbehinderteneigenschaft nur angenommen werden kann, wenn die zu berücksichtigende Gesamtauswirkung der verschiedenen Funktionsstörungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft so schwer wie etwa die vollständige Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule, der Verlust eines Beins im Unterschenkel oder Aphasie (Sprachstörung) mit deutliche Kommunikationsstörung beeinträchtigen. Derartig schwere Funktionsstörungen liegen bei dem Kläger nicht vor. Der Gesamt-GdB ist nach allem keinesfalls höher als 40 zu bilden. Auf die Frage, ob dieser GdB unter Berücksichtigung der Ausführungen des prüfärztlichen Dienstes des Beklagten vom 4. Oktober 2011 sogar zu hoch ist, kommt es angesichts des Ausführungsbescheides vom 28. Dezember 2010 und der Tatsache, dass der Beklagte nicht ebenfalls Berufung eingelegt hat, nicht an.
Die Kostenentscheidung beruht auf Paragraph 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Umstritten ist die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50 ab 4. August 2008.
Der am ... 1958 geborene Kläger beantragte mit am 6. August 2008 beim Beklagten eingegangenen Antrag vom 4. August 2008 die Feststellung von Behinderungen und das Ausstellen eines Schwerbehindertenausweises. Zur Begründung verwies er auf die Epikrise der B. Klinken B. H., Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, vom 6. Juli 2007. Danach war der Kläger am 2. Juni 2007 in seiner Scheune aus einer Höhe von 4 m von einer Leiter gestürzt und senkrecht mit den Füßen aufgeschlagen. Als unfallbedingte Diagnosen benannte die Klinik:
instabile LWK (Lendenwirbelkörper)-1- und LWK-5-Fraktur mit konsekutiver (nachfolgend, mitfolgend) Spinalkanalstenose
Symphysensprengung (Zerreißung der Schambeinfuge beim Beckenringbruch)
Beckenschaufelfraktur re. mit randständiger Beteiligung der Iliosacralfuge
quer verlaufende, extraartikuläre (außerhalb eines Gelenks) Os-sacrum-Fraktur (Kreuzbeinbruch)
mehrfragmentäre intraartikuläre Calcaneusfraktur rechts (Knochenbruch im Bereich des mit dem Sprungbein gelenkig verbundenen Fersenbeins [Bruch des Fersenbeins] vom joint-depression-type (keilförmiges Eindringen des Sprungbeins [Talus] in das Fersenbein
extraartikuläre Scapulablattfraktur (Bruch des Schulterblattes)
traumatische Leberparenchymläsion (Verletzung der Leber, ggf. Leberriss)
Verdacht auf neurogene (mit dem Nervensystem zusammenhängende) Blasenfunktionsstörung
Die Therapie habe am 2. Juni 2007 in einer Dekompression des Spinalkanals, einer Laminektomie (operative Teilentfernung eines oder mehrerer Wirbelbögen [einschließlich der Dornfortsätze] zur Freilegung bzw. Entlastung des Rückenmarks [z.B. bei Bandscheibenvorfall]), einer dorsales Stabilisierung BWK (Brustwirbelkörper)-12 auf LWK-2 sowie LWK-4 auf S-1 mittels Fixateur interne (französisch: "innerer Spanner") sowie am 13. Juni 2007 in einer offenen Reposition und Plattenosteosynthese (Druckosteosynthese = dauerhaftes Gegeneinanderpressen der Bruchenden von Knochenfragmenten mittels Schrauben, Doppeldrahtspannbügeln, Klammern und Druckplatten) des Fersenbeinbruchs rechts bestanden.
Der Patient sei mit dem Rettungshubschrauber zur Klinik transportiert worden. Während des stationären Aufenthaltes habe er wiederholt über Probleme beim Wasserlassen geklagt und sei deswegen mehrfach katheterisiert worden. Dabei sei mehrfach eine Restharnmenge von bis zu 850 ml gefallen. Wegen dieser Symptome sei der Verdacht auf eine neurogene Blasenfunktionsstörung nach LWK-1- und LWK-5-Fraktur mit Spinalkanalstenose gestellt worden; Differenzialdiagnostisch komme aber auch eine Detrusor-Überdehnung (Detrusor = mehrschichtige Blasenwandmuskulatur, deren Kontraktion zur Harnentleerung führt) infrage. Wegen der Blasenfunktionsstörung werde neben einer viermal täglichen Selbstkatheterisierung die Weiterbehandlung durch niedergelassene Urologen empfohlen. Die Entlassung sei am 6. Juli 2007 an Gehstützen unter Entlastung des rechten Beines erfolgt. Eine Anschlussheilbehandlung sei vorgesehen.
Der Beklagte holte von der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. K. einen Befundbericht vom 15. August 2008 ein, dem ein Befundbericht des Facharztes für Orthopädie Dipl.-Med. B. vom 26. November 2007 beigefügt war. Dr. K. benannte die bereits von den B. K. mitgeteilten Befunde, verwies auf eine vom 14. August bis 11. September 2007 im ... Reha-Klinikum B. K. durchgeführte Anschlussheilbehandlung sowie auf die orthopädische Behandlung bei Dipl.-Med. B. Ferner teilte sie mit, der Kläger sei auf das Tragen von orthopädischen Straßenschuhen und Hausschuhen angewiesen. Bis Februar 2008 sei er arbeitsunfähig gewesen, anschließend habe eine Wiedereingliederung begonnen. Im Bericht von Dipl.-Med. B. wird u. a. mitgeteilt, es bestünden reizfreie Narbenverhältnisse am rechten Fersenbein, keine Hammerzehen, keine Krallenzehen, kein Hallux valgus. Der Zehenstand sei beidseits eingeschränkt, das Gangbild beidseits ohne Befund. Im Bereich des Mittelfußes bestünden beidseits Teilkontrakte (zusammengezogen, verkrampft), rechts mehr als links. Nach Auswertung dieser Unterlagen kam der prüfärztliche Dienst des Beklagten am 11. September 2008 zu dem Ergebnis, beim Kläger bestünden Behinderungen in Form einer Funktionsstörung des rechten Sprunggelenkes, beidseitigen Fußdeformitäten und einer Funktionsstörung der Wirbelsäule nach Wirbelfrakturen. Hierfür schlug er zusammenfassend einen GdB von 20 vor. Dem folgend stellte der Beklagte mit Bescheid vom 17. September 2008 einen GdB von 20 ab 6. August 2008 für die Funktionsbeeinträchtigungen "Funktionsstörung des rechten und Sprunggelenkes, Fußdeformitäten beidseits; Funktionsstörung der Wirbelsäule nach Wirbelfrakturen" fest. Das Ausstellen eines Schwerbehindertenausweises lehnte er ab, weil der GdB unter 50 liege.
Dagegen wendete sich der Kläger mit seinem Widerspruch vom 6. Oktober 2008 und machte geltend, es seien im Bescheid nicht alle Erkrankungen und Beeinträchtigungen, die er bei dem Unfall am 2. Juni 2007 erlitten habe, berücksichtigt worden. Nach nunmehr anderthalb Jahren nach dem Sturz habe er massive Beeinträchtigungen hinzunehmen, für die eine GdB von 20 nicht gerechtfertigt sei. Er könne weder schwer heben noch lange stehen oder sitzen. Er sei auch nicht in der Lage, schnell zu gehen, geschweige denn zu rennen. Im Rücken habe er permanent Schmerzen, besonders wenn er ruckartig die Position wechseln müsse. Der beim Unfall komplett zertrümmerte rechte Fuß bestehe aus Platten und Ersatzteilen und sei so gut es ging neu modelliert worden. Dieser Fuß sei nunmehr fast steif und in sämtliche Richtungen so gut wie unbeweglich. Eine typische Abrollbewegung oder Seitwärtsbewegung sei nicht mehr möglich. Das Becken sei bei dem Unfall dreimal gebrochen worden und stehe jetzt schief, weshalb er Schuhe für einen Höhenausgleich von fast 2 bis 3 cm tragen müsse. Durch das defekte und schiefe Becken und durch den starken Aufprall auf einen Steinboden bei dem Unfall sei auch die Blase geschädigt worden, so dass er permanent Probleme beim Wasserlassen habe. Diese Störung sei bis zum heutigen Tag nicht behoben. Der Beklagte holte daraufhin zunächst einen Befundschein von Dipl.-Med. B. vom 17. November 2008 ein, der über einen Behandlungszeitraum vom 26. November 2007 bis 3. November 2008 erneut die Befunde mitteilte, die er im Bericht vom 26. November 2007 an Dr. K. aufgeführt hatte. Abschließend gab er an, die bisherige Therapie habe in der Verordnung von orthopädischen Haus- und Straßenschuhen bestanden. Einen weiteren Bericht forderte der Beklagte von Dr. K. vom 24. November 2008 an, die folgende Beschwerden des Klägers mitteilte: Zu Beginn der Miktion noch bestehendes Druckgefühl im Blasenbereich, abends nach Verrichtung der täglichen Arbeit ständiges Spüren der Fußgelenke, der untere Bereich der Wirbelsäule schmerze ständig. Das Gangbild beschrieb Dr. K. als leicht hinkend. Sensibilitätsstörungen lägen nicht vor, der Finger-Boden-Abstand betrage 20 cm. Der Kläger müsse täglich Müllbehälter (meist leere) hin- und her bewegen, wobei ihm besonders beim Heben der Behälter das rechte Schultergelenk schmerze. Der versorgungsärztliche Dienst des Beklagten (Dr. J.) wertete auch diese Unterlagen aus und kam zu dem Ergebnis, dass die bisherige Bewertung der Funktionsstörung der Füße und der Wirbelsäule korrekt erfolgt sei. Die Miktionsbeschwerden, die Leberschädigung nach Trauma, die Funktionsstörung der Schulter und der Beckenbruch bedingten jeweils keinen GdB. Mit Widerspruchsbescheid vom 25. Februar 2009 wies der Beklagte den Widerspruch zurück, da nach Einholung weiterer ärztlicher Unterlagen die festgestellten Behinderungen entsprechend den aktenkundigen Befundunterlagen mit einem GdB von 20 korrekt bewertet worden seien.
Mit der am 25. März 2009 beim Sozialgericht (SG) Halle erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt und unter Hinweis auf die ständigen Behandlungen bei seinen Ärzten Dr. K. und Dipl.-Med. B. vorgetragen, die Beeinträchtigung seiner Blasentätigkeit sei mit einem Einzel-GdB von bis zu 50, mindestens aber 20 bis 40 zu bewerten, da eine erhebliche Restharnbildung in Verbindung mit schmerzhaftem Wasserlassen gegeben sei. Hinsichtlich der Wirbelsäule lägen nach den Berichten des Dipl.-Med. B. vom 26. November 2007 und 17. November 2008 instabile Verhältnisse in zwei Wirbelsäulenabschnitten vor, so dass auch für diese Behinderung ein Einzel-GdB von 40 gerechtfertigt sei. Die Schädigung des Beckens habe nicht nur zu der Harnwegsstörung, sondern auch zu einer einseitigen Beinverkürzung geführt, wofür ein GdB von 30 bis 40 anzusetzen sei. Neurologische, gynäkologische und urologische Funktionsbeeinträchtigungen sowie Hüftgelenksveränderungen seien ggf. zusätzlich zu berücksichtigen. Allein die Beinverkürzung rechtfertige bereits einen GdB von 10, die Beckenschädigung und die Beeinträchtigung der Blasenfunktion sei vom Beklagten zu Unrecht nicht berücksichtigt worden. Auch an den unteren Gliedmaßen bestünden erhebliche Schäden, denn sein rechter Fuß sei aufgrund der fast vollständig eingetretenen Versteifung dauerhaft geschädigt, wobei sowohl das obere als auch das unteren Sprunggelenk betroffen seien. Auch hierfür sei ein GdB von 30 bis 40 festzustellen. Insgesamt sei ein GdB von mindestens 40 festzustellen, was auch in Einklang mit den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen nach Anlage 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung stehe.
Der Beklagte ist der Klage zunächst mit dem Hinweis entgegengetreten, eine höhere Bewertung als 20 sei nicht zu begründen, da die Funktionsstörung der Füße und der Wirbelsäule korrekt erfolgt sei. Bezüglich der Wirbelsäule bestünden keine sensormotorischen Funktionsstörungen; die angegebenen Schmerzen seien in der Bewertung enthalten. Im Übrigen könne der versorgungsmedizinische Dienst nur Befunde auswerten, die von den behandelten Ärzten mitgeteilt werden. Auf subjektive Empfindungen und Einschätzungen des Klägers komme es dabei nicht an, da nur die klinisch nachgewiesenen Gesundheitsstörungen bewertet werden könnten.
Im Erörterungstermin vom 26. August 2009 hat der dabei durch seine Prozessbevollmächtigte vertretene Kläger einen Antrag auf Begutachtung nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gestellt und hierfür PD Dr. W., U. H., nebst entsprechenden Beweisfragen benannt.
Das SG hat zunächst von dem Facharzt für Urologie Dr. S. einen Befundbericht angefordert und diesem u. a. die Beantwortung der Fragen aufgegeben, ob beim Kläger eine chronische Harnwegsentzündung bzw. chronische Blasenentzündung mit entsprechenden Miktionsstörungen vorliege, eine Entleerungsstörung der Blase oder eine Harninkontinenz gegeben sei. Mit Bericht vom 18. Januar 2010 hat Dr. S. mitgeteilt, der Kläger habe angegeben, unter erektiler Dysfunktion zu leiden ("Morgens läuft es nicht so"). Als Diagnose benannte der Arzt eine BPH (benigne [gutmütige, gutartige] Prostatahyperplasie). Eine chronische Harnwegs- bzw. Blasenentzündung oder einer Harnröhrenverengung lägen nicht vor. Die Sonografie der Blase habe am 7. Oktober 2009 eine Restharnmenge von 50 ml ergeben. Es bestehe beim Kläger auch keine Harninkontinenz bzw. die Notwendigkeit einer künstlichen Harnableitung; gegeben sei eine noch nicht therapiebedürftige geringe Einschränkung der Miktion. Sodann hat das SG gemäß § 109 SGG das Sachverständigengutachten von PD Dr. W. vom 24. Februar 2010 nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 10. Februar 2010 eingeholt. Der Sachverständige hat nach den Angaben des Klägers zum Unfall angegeben, dieser sei am 2. Juni 2007 bei Abrissarbeiten am eigenen Haus durch eine Deckenkonstruktion etwa 4 m in die Tiefe gestürzt und dabei aufrecht mit den Füßen aufgeschlagen. Im Anschluss an den stationären Krankenhausaufenthalt sei eine vierwöchige stationäre Reha-(Rehabilitations-)maßnahme in B. K. und im Anschluss daran eine ambulante Reha-Maßnahme im Rehaflex S. H. durchgeführt worden. Seit 18. Januar 2008 sei der Kläger nach eigener Aussage wieder arbeitsfähig. Die vom Kläger benannten aktuellen Beschwerden hat PD Dr. W. nach wörtlichem Zitat wie folgt zusammengefasst: "Ich habe Schmerzen in der Lendenwirbelsäule bereits bei geringfügigen Bewegungen. So habe ich beispielsweise bereits Schmerzen beim Vorbeugen über das Waschbecken, wie z. B. beim Zähneputzen. Das Tragen von Lasten über 10 kg ist mir schmerzbedingt nicht möglich. Des Weiteren verspüre ich Schmerzen bei Drehbewegungen bzw. beim Bücken jeweils im Bereich der LWS und der unteren Brustwirbelsäule (BWS). Ich habe eine Blasenentleerungsstörung mit inkontinuierlichem Harnstrahl sowie rezidivierende Erektionsstörungen. Im Bereich des rechten Fußes habe ich Schmerzen beim Abrollen. Langes Stehen von mehr als einer Stunde Dauer ist mir schmerzbedingt nicht möglich. Zusätzlich habe ich deutliche Funktionseinschränkungen im Bereich des oberen und unteren Sprunggelenkes. Im rechten Schultergelenk verspüre ich Schmerzen bei Abduktion über 90°".
Zur Befunderhebung hat der Sachverständige angegeben, dass eine deutliche und schmerzhafte Funktionseinschränkung des rechten Schultergelenkes bestehe, die sich in einer Einschränkung der Abduktionsfähigkeit bis 110° (linke Seite bis 160°) sowie in einer Einschränkung der Anteversion auf 120° rechtsseitig, ebenfalls endgradig schmerzhaft im Vergleich zur linken Seite mit 170°, äußere. Die übrigen Gelenke der oberen Extremitäten seien seitengleich frei beweglich. In Bezug auf die Umfangsmaße bestünden keine wesentlichen Seitendifferenzen. Im Bereich des rechten Schulterblattes bestehe eine deutliche Konturveränderung. Das rechte Schulterblatt habe im Vergleich zur Gegenseite deutlich an Prominenz verloren. Hinsichtlich der Wirbelsäule bestehe eine deutliche Funktionseinschränkung der Seitneige und der Rotation von Brust- und Lendenwirbelsäule. Diese Einschränkungen seien endgradig schmerzhaft und seitengleich. Zusätzlich bestehe ein deutlich vermehrter Finger-Boden-Abstand von 45 cm. Bei den unteren Extremitäten sei eine schmerzlose geringfügige Einschränkung der Funktionalität des rechten Hüftgelenkes im Vergleich zur Gegenseite gegeben, die sich insbesondere in einer Einschränkung der Flektierbarkeit des rechten Hüftgelenkes äußere. Rechts bestehe eine Flexion von 95°, links von 110°. Im direkten Seitenvergleich zeigten die Umfangsmaße keine wesentlichen Umfangsdifferenzen. Es bestehe jedoch eine deutliche Beinlängendifferenz von 1,5 cm mit einer Verkürzung des rechten Beines.
Der Gutachter hat folgende Diagnosen mitgeteilt:
Zustand nach instabiler LWK-1- und LWK-5-Fraktur mit nachfolgender dorsaler Stabilisierung der Segmente BWK-12 auf LWK-2 sowie LWK-4 auf SWK-1 mit radiologischer Anschlussinstabilität der Segmente L-2 bis L-4;
Verdacht auf neurogene Blasenentleerungsstörung als Folge einer konsekutiven Spinalkanalstenose bei stattgehabter instabiler Lendenwirbelkörperfraktur;
Zustand nach Symphysensprengung mit radiologisch nachweisbaren deutlichen degenerativen Veränderungen im Bereich der Symphyse;
Zustand nach Fraktur der rechten Beckenschaufel mit randständiger Beteiligung der Ilioscralfuge mit daraus resultierender Beinverkürzung rechts um 1,5 cm;
Zustand nach Os-Sacrum-Fraktur rechts;
Zustand nach mehrfragmentärer intraartikulärer Calcaneusfraktur rechts mit nachfolgender Plattenosteosynthese und massiver funktioneller Einschränkung des oberen Sprunggelenkes und Arthrodesierung des unteren Sprunggelenkes rechtsseitig;
Zustand nach extraartikulärer Scapulablattfraktur – in Fehlstellung verheilt – mit deutlicher Funktionseinschränkung des rechten Schultergelenkes in der Abduktion und Anteversion
Zustand nach traumatischer Leberparenchymläsion.
Die Bewegungsmaße für die unteren Gliedmaßen hat der Sachverständige wie folgt benannt: Obere Sprunggelenke rechts (Heben/Senken des Fußes): 0/0/10°; links: 10/0/40°. Untere Sprunggelenke (Gesamtbeweglichkeit): rechts: 0/0/0°; links: 5/0/10°. Beinlänge links: 101,5, rechts: 103 cm. Obere Gliedmaßen: Schultergelenke: rechts: Arme seitwärts/körperwärts: 110/0/20°; links: 160/0/30°. Arm rückwärts/vorwärts: rechts: 40/0/120°; links: 40/0/170°. Arm auswärts/einwärts drehen (Oberarm anliegend): rechts: 30/0/90°; links: 30/0/90°. Messlatte für die Wirbelsäule: Halswirbelsäule: Vorneigen/Rückneigen: 40/0/70°; Seitneigen rechts/links: 40/0/40°; Drehen rechts/links: 70/0/70°. BWS und LWS: Seitneigen rechts/links: 20/0/20°; Drehen im Sitzen rechts/links: 15/0/15°. Finger-Boden-Abstand: 45; Ott: 32; Schober: 11.
Zusammenfassend hat der Sachverständige festgestellt, alle von ihm benannten Diagnosen seien als Folge des Ereignisses vom 2. Juni 2007 anzusehen. Die mittelgradige Funktionseinschränkung der BWS und LWS mit nahezu vollständiger Aufhebung der physiologischen Lordosierung der WS cranial LWK-4 mit einer zusätzlichen Anschlussdekompensation der Segmente L-2 bis L-4 und rezidivierend auftretenden Beschwerden sei mit einem GdB von 20 zu bewerten. Die massive Funktionseinschränkung des oberen Sprunggelenkes und die Einsteifung des unteren Sprunggelenkes des rechten Beines mit deutlicher Funktionseinschränkung der Sprunggelenke rechtsseitig seien mit einem GdB von 10 zu bewerten. Der Gesamtgrad der Behinderung betrage 30.
Mit Stellungnahme vom 25. März 2010 hat der Beklagte unter Beteiligung des Versorgungsärztlichen Dienstes an seiner bisherigen Auffassung festgehalten und vorgetragen, es könne zwar zusätzlich eine Funktionsminderung des rechten Schultergelenkes festgestellt werden, die sich aber nicht erhöhend auswirke. Wesentliche Bewegungseinschränkungen infolge des Wirbelsäulensyndroms bestünden nicht; Nervendehnungsschmerzen seien nicht angegeben worden. Die Funktionsminderung des rechten Sprunggelenkes sei zusammen mit den Fußdeformitäten maximal mit einem GdB von 20 zu bewerten. Die gutartige Vergrößerung der Prostata sei nicht therapiebedürftig und eine neurogene Blasenentleerungsstörung sei nicht bestätigt worden, so dass hierfür kein zusätzlicher GdB begründet sei.
Demgegenüber hat der Kläger unter Berücksichtigung von Einzelgraden der Behinderung von 20 für die Wirbelsäulenbeschwerden, 20 für die Schäden an den unteren Gliedmaßen und Deformierungen sowie 10 für die Funktionsstörung des rechten Schultergelenks einen Gesamtgrad der Behinderung von 40 für gerechtfertigt gehalten. Der Beklagte hat sich daraufhin mit Schriftsatz vom 26. April 2010 bereit erklärt, den GdB wegen "Funktionsstörung des rechten Sprunggelenkes, Deformität beidseits (Einzel-GdB um 20), Funktionsstörung der Wirbelsäule nach Wirbelkörperfraktur (Einzel-GdB um 20), Funktionsminderung der rechten Schulter (Einzel-GdB um 10) auf 30 ab 10. Februar 2010 (Tag der Untersuchung) anzuheben und ein Viertel der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu übernehmen. Dem ist der Kläger zunächst mit Schriftsatz vom 6. Juli 2010 entgegengetreten und hat auf ein fachurologisches Gutachten von Professor D./Dr. F. vom 6. Juni 2010 verwiesen, das dieser im Auftrag der I. Versicherungs-AG erstattet hat. Zu der Fragestellung, welche Beschwerden und Beeinträchtigungen der körperlichen Leistungsfähigkeit beim Kläger unfallbedingt dauerhaft auf urologischem Fachgebiet bestehen hat Professor D./Dr. F. die folgenden urologischen Untersuchungsbefunde festgestellt:
posttraumatische neurogene Blasenfunktionsstörung mit Restharnbildung
hypertensiv normokapazitäre Blase mit Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie
kleines, funktionell nicht relevantes Prostataadenom
erektile Dysfunktion
Der Sachverständige hat ferner ausgeführt, die neurogene Blasenentleerungsstörung sei auf eine typische Läsion des oberen sowie des unteren Miktionszentrums zurückzuführen, diese Zentren korrespondierten anatomisch/funktionell mit den traumatischen Läsionen (instabile Fraktur mit Spinalkanalstenose im Bereich LWK-1 und LWK-5), auch seien potenziell mögliche Folgen der erfolgten dorsalen Spondylodes LWK-4/SWK-1 sowie BWK-12/LWK-2 nicht auszuschließen. Durch die Beckenfraktur sei es zu einer Aggravierung der neurologischen Symptomatik gekommen, da typischerweise periphere Nervenbahnen während der dynamischen Entstehung des Beckentraumas lädiert werden. Die neurogene Blasenentleerungsstörung sei mit einem GdB von 20 zu bewerten. Die erektile Dysfunktion sei zwar vorhanden, aber nicht auf die Beckenfraktur und damit nicht auf den Unfall zurückzuführen. Erektionsstörungen seien nur sehr selten traumatisch bzw. posttraumatisch bedingt, sondern seien zu mehr als 80 % auf vaskuläre Ursachen zurückzuführen.
Unter Berücksichtigung des Gutachtens von Prof. D./Dr. F. hat der Kläger einen GdB von 60 beansprucht. Demgegenüber hat der Beklagte aus diesem Gutachten keine Blasenentstörung stärkeren Grades gefolgert, weshalb der bereits angebotene GdB von 30 nicht weiter zu erhöhen sei.
Schließlich hat der Kläger ein weiteres im Auftrag der I. Versicherungs-AG erstattetes orthopädisches Gutachten von Prof. Dr. R. und Dr. Z., beide U. H., vom 5. März 2010 vorgelegt. Darin haben die Ärzte zur Anamnese angegeben, der Kläger arbeite als Kraftfahrer bei einem M-Unternehmen der Stadt H. und fahre ... aus. Diese Tätigkeit könne er verrichten, es bestünden allerdings ein LWS-Schmerz bei Belastung und auch in Ruhe sowie Anlaufbeschwerden im Sinne einer Morgensteifigkeit. Diese Beschwerden seien auf die LWS lokalisiert. Zudem klage Herr F. über Schmerzen beim Abrollen im rechten Fuß, wobei langes Stehen sowie Rennen nicht möglich wären. Die schmerzfreie Strecke werde mit einer Dauer von 30 min angegeben. Aufgrund der Fußdeformität würden orthopädische Einlagen getragen. Ferner habe er angegeben, an einer Blasenentleerungsstörung mit diskontinuierlichem Harnstrahl sowie unter rezidivierenden Erektionsstörungen zu leiden. Zur Untersuchung der Wirbelsäule haben die Sachverständigen ausgeführt, es bestehe im Bereich der gesamten Rumpfwirbelsäule kein Klopfschmerz. Die Lendenlordose sei flach, aber harmonisch, ebenso die Brustkyphose. Die Wirbelsäule sei im Lot. Das Maß der Seitneige (Prüfung im Sitz, Becken manuell fixiert) betrage 20/0/20°; die Rotation rechts/links 10/0/10°; das Zeichen nach Lasègue sei beidseits negativ. Am rechten oberen Sprunggelenk haben die Sachverständigen eine Reiznarbe im Bereich des Rückfußes beschrieben und die Aufhebung des Längsgewölbes. Die Beweglichkeitsmaße des oberen Sprunggelenks rechts hätten bei der Extension/Flexion 10/0/50° gegenüber links 10/0/70° betragen. Die Pronation/Supination habe rechts nur Wackelbewegungen ergeben, links habe das Maß 10/0/10° betragen. Zur Beweglichkeit der Schultergelenke wurden übereinstimmende Maße für beide Seiten mitgeteilt (Anteversion/Retroversion 80/0/15°; Abduktion/Adduktion 90/0/10° und Innenrotation/Außenrotation 45/0/90°). Ferner haben die Sachverständigen ausgeführt, dass das rechte obere Sprunggelenk einen physiologischen Befund ohne fortgeschrittene degenerative Veränderungen zeige, wobei der Gelenkspalt im ventralen Bereich in der seitlichen Aufnahme verschmälert sei. Das untere Sprunggelenk könne hinsichtlich etwaiger degenerativer Veränderungen aufgrund der Materiallage nur eingeschränkt beurteilt werden. Die gestellten Diagnosen dieser Ärzte lauten:
Funktionsstörungen des rechten Fußes nach mehrfragmentärer intraartikulärer Calcaneusfraktur rechts mit Abflachung des Fußlängsgewölbes,
Verlagerung des Hüftdrehzentrums nach kranial um ca. 2 cm infolge einer Beckenfraktur mit konsekutiver Beinlängenverkürzung sowie Symphysensprengung,
folgenlos ausgefeilte traumatische Leberparenchymläsion,
folgenlos ausgeheilt extraartikuläre Scapulablattfraktur,
folgenlos ausgeheilt, quer verlaufende, extraartikuläre Os-Sacrum-Fraktur,
Bewegungseinschränkungen im Bereich der Rumpfwirbelsäule infolge instabiler LWK-1- und LWK-5-Fraktur mit Spinalskanalstenose und erfolgter dorsaler Spondylodese LWK-4/SWK-1 sowie BWK-12/LWK-2,
in Bezug auf die gutachterliche Fragestellung durch Facharzt für Urologie abklärungsbedürftige Harnblasenentleerung- und Erektionsstörung.
Im Ergebnis haben die Sachverständigen die Funktionsstörung der Lendenwirbelsäule mit 40% bewertet und die Funktionsstörung des rechten Fußes, die sich in einer gestörten OSG- und USG-Funktion äußere, mit "3/10 Fußwert", da eine Dorsal-/Plantarfunktion von 10/0/50° zusammen mit einer Wackelsteife vorliege.
In der mündlichen Verhandlung vom 18. November 2010 hat der Kläger das erweiterte Teilanerkenntnis des Beklagten hinsichtlich eines GdB von 30 bereits ab 6. August 2008 angenommen und darüber hinaus die Feststellung eines GdB von 50 ab 4. August 2008 beantragt. Mit Urteil vom selben Tag hat das SG der Klage zum Teil stattgegeben und den Beklagten verurteilt, über das Anerkenntnis hinaus einen GdB von 40 ab 4. August 2008 festzustellen. In den Entscheidungsgründen hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei von einem Wirbelsäulenschaden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt betroffen, der in Übereinstimmung mit dem Gutachten von PD Dr. W. vom 24. Februar 2010 mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten sei. Auch für die Funktionseinschränkungen des rechten oberen und unteren Sprunggelenkes sei von einem GdB von 20 auszugehen, weil die von PD Dr. W. festgestellte deutliche Funktionseinschränkung in Verbindung mit der Versteifung des unteren rechten Sprunggelenkes insgesamt als Bewegungseinschränkung stärkeren Grades einzustufen sei, für die ein Einzel-GdB von 20 angesetzt werden müsse. Die Funktionseinschränkung des rechten Schultergelenks sei mit 10 zutreffend bewertet, während für die Beckenschädigung mit Beinverkürzung kein GdB zu vergeben sei. Für die Entleerungsstörung der Blase wiederum sei ein GdB von 20 anzunehmen, da es sich, anknüpfend an das Sachverständigengutachten des Prof. D./ Dr. F. vom 9. Juni 2010 und dessen ergänzender Stellungnahme vom 15. November 2010, wegen der erheblichen Restharnbildung um eine Entleerungsstörung stärkeren Grades handele. Für die Behinderungen sei ein Gesamtgrad von 40 zu bilden, da es sich um Funktionsstörungen innerhalb verschiedener Funktionssysteme handele, die sich hinsichtlich der Auswirkungen an der Teilnahme des Klägers am Leben in der Gesellschaft in verschiedenen Bereichen äußerten, zum Teil aber auch überschnitten. So beträfen die Bereiche "Beeinträchtigung der Wirbelsäule" und "Beeinträchtigung des rechten Fußes" jeweils sämtliche Tätigkeiten des Klägers, die mit seinem Bewegungsapparat und seiner Mobilität im Zusammenhang stünden. Die Funktionsbeeinträchtigung durch die Harnblasenentleerungsstörung erhöhe den GdB; ein GdB von 50 sei jedoch nicht gerechtfertigt.
Mit Ausführungsbescheid vom 28. Dezember 2010 hat der Beklagte den GdB mit 40 ab 4. August 2008 festgesetzt und diese Entscheidung auf folgende Funktionsbeeinträchtigungen gestützt:
Funktionsstörung des rechten oberen und unteren Sprunggelenkes
Funktionsstörung der Wirbelsäule nach Wirbelkörperfraktur
Harnblasenentleerungsstörung
Funktionseinschränkung des rechten Schultergelenkes
Das ihm am 27. Dezember 2010 zugestellte Urteil greift der Kläger mit seiner rechtzeitig am 24. Januar 2011 eingelegten Berufung an. Er begehrt weiterhin einen GdB von 50 und ist der Ansicht, für die Funktionssysteme "Rumpf" und "Beine" müsse jeweils ein GdB von 30, für das Funktionssystem "Harnorgane" ein solcher von 20 und zusammenfassend ein GdB von 50 angenommen werden. Dies sei angemessen, weil bei der vorhandenen massiven Funktionseinschränkung des oberen Sprunggelenkes, die einer Versteifung annähernd gleichstehe, in Übereinstimmung mit Nummer 18.14 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze ein Einzel-GdB von 30 gerechtfertigt sei. Bei den Wirbelsäulenschäden sei der GdB für das Funktionssystem "Rumpf" unter Berücksichtigung der Beeinträchtigung der rechten Schulter ebenfalls auf 30 anzuheben, da nach dem Gutachten von PD Dr. W. am rechten Schultergelenk eine deutliche und schmerzhafte Funktionseinschränkung bestehe, die sich in einer Einschränkung der Abduktionsfähigkeit bis 110° gegenüber links von 160° sowie in einer Einschränkung der Anteversion auf 120° endgradig schmerzhaft zeige. Insgesamt seien die Funktionseinschränkungen entgegen den Ausführungen des SG mit dem Verlust eines Beines im Unterschenkel bei genügender Funktionstüchtigkeit des Stumpfes und der Gelenke vergleichbar. Der Verlust eines Beines im Unterschenkel werde in der Regel durch eine Prothese kompensiert, die es dem Träger ermögliche, sich ohne fremde Hilfe fortzubewegen. In der Beweglichkeit selbst unterscheide sich der rechte Fuß des Klägers aufgrund der festgestellten Versteifung des unteren Sprunggelenkes nicht wesentlich von der einer Prothese. Hinzu kämen ein Wirbelsäulenschaden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt sowie eine isolierte neurogene Harnblasenentleerungsstörung.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 18. November 2010 sowie den Ausführungsbescheid des Beklagten vom 28. Dezember 2010 abzuändern und diesen zu verpflichten, bei ihm einen GdB von 50 ab 4. August 2008 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er erhält, dabei gestützt auf seinen versorgungsärztlichen Dienst, einen höheren GdB als 40 für nicht gerechtfertigt.
Der Senat hat medizinische Ermittlungen durchgeführt und zunächst vom Facharzt für Orthopädie Dr. S. einen Befundbericht vom 10. August 2011 eingeholt, der zum Behandlungszeitraum vom 8. Juni bis 3. September 2010 angegeben hat, dass der Kläger anfangs über seit Wochen bestehende Ellenbogenbeschwerden geklagt, später aber über einen privaten Unfall im Jahre 2007 mit Folgebeschwerden berichtet habe. Zu den Befunden hat der Arzt angegeben, es bestehe eine geringe Bewegungseinschränkung der Brust- und Lendenwirbelsäule ohne Klopf- oder Stauungsschmerz. Die Hüftgelenke seien fast, die Kniegelenke völlig frei beweglich, rechts bestehe ein etwas hochgesprengter Fuß, sonst keine Deformität oder Fehlstellung. Die Beweglichkeit der Sprunggelenke hat Dr. S. hinsichtlich der Extension/Flexion rechts mit 20/0/20° und links mit 20/0/45° angegeben. Das untere rechte Sprunggelenk sei fast eingesteift, links habe die Pronation/Supination 10/0/20° betragen. Die Bewegungseinschränkung des rechten oberen Sprunggelenkes sei geringen Grades; hinsichtlich des unteren Sprunggelenkes liege eine Einsteifung vor. Die ursprünglich geklagten Beschwerden am rechten Ellenbogen hätten im Verlauf der Behandlung keine wesentliche Behinderung dargestellt. Die weitere Konsultation sei zielgerichtet zur Versorgung mit orthopädischen Schuhen bzw. Einlagen erfolgt, so dass aus seiner Sicht vordergründig die Behinderung am rechten Sprunggelenk zu nennen sei. Einen weiteren Befundbericht hat das Gericht von Dr. K. vom 6. September 2011 eingeholt, die über Behandlungen des Klägers im Zeitraum vom 15. November 2010 bis 27. Januar 2011 berichtet hat. Am 15. November 2010 habe im LWS-Bereich ein Druck- und Bewegungsschmerz bestanden; diese Beschwerden hätten auch am 19. November noch vorgelegen, während zu diesem Zeitpunkt Blasenbeschwerden nicht mehr vorhanden gewesen seien. Zum Teil sei die Behandlung wegen einer Epikondylitis humeris radialis rechts erfolgt sowie wegen einer Gastroenteritis. Hinsichtlich der Frage nach Funktionsstörungen im Bereich der oberen und unteren Sprunggelenke hat die Ärztin auf die Behandlung durch einen Facharzt für Orthopädie verwiesen. Schließlich hat das Gericht noch einen Befundbericht von Dipl.-Med. B. vom 11. Juni 2012 eingeholt. Dieser hat u.a. angegeben, das Gangbild sei beidseits ohne Befund und eine Verschlechterung der Befunde sei nicht eingetreten.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte und gemäß § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auch statthafte Berufung des Klägers ist unbegründet. Das angegriffene Urteil vom 18. November 2010 und der Ausführungsbescheid des Beklagten vom 28. Dezember 2010 erweisen sich als rechtens und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Voraussetzungen für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft liegen bei dem Kläger nicht vor. Der GdB ist mit 40 ab Antragstellung zutreffend festgestellt.
Die Klage und Berufung richtet sich nur noch gegen den Ausführungsbescheid vom 28. Dezember 2010, mit dem der Beklagte das der Klage teilweise stattgebende Urteil des SG umgesetzt und die ursprünglich angefochtenen Bescheide insoweit ersetzt hat. Es handelt sich um eine Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, bei der für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich ist (vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2000 - B 9 SB 3/99 R - SozR 3-3870 § 3 Nr. 9 S. 22).
Die Funktionsstörungen, unter denen der Kläger seit dem Unfall vom 2. Juni 2007 leidet, rechtfertigen ab dem 5. Dezember 2008 einen GdB von 40.
Für den streitgegenständlichen Zeitraum gilt das am 1. Juli 2001 in Kraft getretene Neunte Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB IX) über die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1046). Der hier anzuwendende § 69 SGB IX ist durch die Gesetze vom 23. April 2004 (BGBl. I S. 606) und vom 13. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2904) geändert worden. Rechtsgrundlage für den vom Kläger erhobenen Anspruch auf Feststellung eines GdB ist § 69 Abs. 1 und 3 SGB IX. Infolge der verfahrensrechtlichen Änderungen des § 69 SGB IX durch das Gesetz vom 23. April 2004 (a.a.O.) hat sich im Übrigen nur die Satzzählung geändert. Im Folgenden werden die Vorschriften des § 69 SGB IX nach der neuen Satzzählung zitiert.
Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Diese Vorschrift knüpft materiellrechtlich an den in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX bestimmten Begriff der Behinderung an. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX sind die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben der Gesellschaft als GdB nach Zehnergraden abgestuft festzustellen. Wenn mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft vorliegen, wird nach § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt.
§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX ist durch das insoweit am 21. Dezember 2007 in Kraft getretene Gesetz vom 13. Dezember 2007 (a.a.O.) geändert worden. Nach der früheren Fassung der Vorschrift galten für den GdB die im Rahmen des § 30 Abs. 1 BVG festgelegten Maßstäben entsprechend. Nach dem Wortlaut der früheren Fassung des ebenfalls durch das Gesetz vom 13. Dezember 2007 geänderten § 30 Abs. 1 BVG war für die Beurteilung die körperliche und geistige Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben maßgeblich, wobei seelische Begleiterscheinungen und Schmerzen zu berücksichtigen waren. Nach der Neufassung des § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten für den GdB die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30 Abs. 17 BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. Nach der damit in Bezug genommenen neuen Fassung des § 30 Abs. 1 BVG richtet sich die Beurteilung des Schweregrades – dort des "Grades der Schädigungsfolgen" (GdS) – nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen. Die hierfür maßgebenden Grundsätze sind in der am 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412) aufgestellt worden, zu deren Erlass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales durch den dem § 30 BVG durch das Gesetz vom 13. Dezember 2007 angefügten Absatz 17 ermächtigt worden ist.
Nach § 2 VersMedV sind die auch für die Beurteilung des Schweregrades nach § 30 Abs. 1 BVG maßgebenden Grundsätze in der Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (Anlageband zu BGBl. I Nr. 57 vom 15. Dezember 2008, G 5702) als deren Bestandteil festgelegt und sind damit nunmehr der Beurteilung der erheblichen medizinischen Sachverhalte mit der rechtlichen Verbindlichkeit einer Rechtsverordnung zugrunde zu legen. Zuvor dienten der Praxis als Beurteilungsgrundlage die jeweils vom zuständigen Bundesministerium herausgegebenen "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht", die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts als vorweggenommene Sachverständigengutachten eine normähnliche Wirkung hatten (vgl. BSG, Urteil vom 18. September 2003 – B 9 SB 3/02 R – SozR 4-3800 § 1 Nr. 3 Rdnr. 12, m.w.N.). Die in den Anhaltspunkten (letzte Ausgabe von 2008) enthaltenen Texte und Tabellen, nach denen sich die Bewertung des GdB bzw. der Schädigungsfolge bisher richtete, sind – inhaltlich nahezu unverändert – in diese Anlage übernommen worden (vgl. die Begründung BR-Drucks. 767/08, S. 3 f.). GdS und GdB werden dabei nach gleichen Grundsätzen bemessen. Die Begriffe unterscheiden sich lediglich dadurch, dass sich der GdS kausal auf Schädigungsfolgen und der GdB final auf alle Gesundheitsstörungen unabhängig von deren Ursachen auswirkt (vgl. Versorgungsmedizinische Grundsätze, Teil A: Allgemeine Grundsätze 2 a (S. 19)).
Der hier streitigen Bemessung des GdB ist die GdS-Tabelle der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (Teil A, S. 17 ff.) zugrunde zu legen. Nach den allgemeinen Hinweisen zu der Tabelle (Teil A, S. 33) sind die dort genannten GdS-Sätze Anhaltswerte. In jedem Einzelfall sind alle leistungsmindernden Störungen auf körperlichem, geistigem und seelischem Gebiet zu berücksichtigen und in der Regel innerhalb der in Nr. 2 e (Teil A, S. 20) genannten Funktionssysteme (Gehirn einschließlich Psyche; Augen; Ohren; Atmung; Herz-Kreislauf; Verdauung; Harnorgane; Geschlechtsapparat; Haut; Blut und Immunsystem; innere Sektion und Stoffwechsel; Arme; Beine; Rumpf) zusammenfassend zu beurteilen. Die Beurteilungsspannen tragen den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung (Teil B, Nr. 1 a, S. 33).
Nach diesem Maßstab kann für die Funktionseinschränkungen des Klägers kein höherer Grad der Behinderung als 40 festgestellt werden. Dabei stützt sich der Senat auf die in beiden Rechtszügen eingeholten medizinischen Unterlagen, die versorgungsmedizinischen Stellungnahmen des Beklagten sowie insbesondere auf das fachorthopädische Gutachten von PD Dr. W. vom 24. Februar 2010. Ferner waren zu berücksichtigen die vom Kläger in das Verfahren eingebrachten medizinischen Unterlagen, nämlich das fachurologische Gutachten von Prof. D./Dr. F. vom 6. Juni 2010 und das fachorthopädische Gutachten der Ärzte des U.-klinikums H. Prof. Dr. R. und Dr. Z. vom 5. März 2010. Beide Gutachten sind von der I. Versicherungs-AG eingeholt worden und unterliegen als Privaturkunden gemäß § 118 Abs. 1 SGG i. V. mit § 416 Zivilprozessordnung (ZPO) der freien Beweiswürdigung gemäß § 128 SGG.
Den genannten Unterlagen sind folgende Funktionseinschränkungen des Klägers zu entnehmen:
a)
Zunächst leidet er infolge des Unfalls vom 2. Juni 2007 dauerhaft unter Wirbelsäulenschäden, die dem Funktionsbereich "Rumpf" zuzuordnen sind. Dafür ist ein Einzelgrad der Behinderung von 20 festzustellen.
Nach ärztlicher Einschätzung erreichen diese Einschränkungen den Schweregrad von mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (GdS-Tabelle, B 18.9, S. 107 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze). Dies folgt aus dem Gutachten von PD Dr. W. vom 24. Februar 2010, der eine mittelgradige funktionelle Einschränkung der Brust- und Lendenwirbelsäule mit nahezu vollständiger Aufhebung der physiologischen Lordosierung der Wirbelsäule mit rezidivierend auftretenden Beschwerden festgestellt hat (S. 9 des Gutachtens, Bl. 91 der Gerichtsakte). Diese zwischen den Beteiligten nicht umstrittene Bewertung wird auch durch das im Auftrag der I. Versicherungs-AG erstattete orthopädischen Gutachten der Ärzte Prof. Dr. R. und Dr. Z. vom 5. März 2010 gestützt, die ebenfalls Funktionsstörungen im Bereich der Lendenwirbelsäule im Sinne einer verminderten Entfaltbarkeit und Einschränkung der Rotation bzw. Seitneige festgestellt haben. In Anbetracht dieser mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt ist für diese Funktionseinschränkung ein GdB von 20 festzustellen. Ein GdB von 30 wäre erst bei schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt anzunehmen, die hier aber nicht vorliegen.
Zusätzlich ist im Funktionssystem "Rumpf" eine Funktionseinschränkung des rechten Schultergelenkes gegeben, die in die Gesamtbewertung des SG im Urteil vom 18. November 2010 und dem entsprechend in den Ausführungsbescheid des Beklagten vom 28. Dezember 2010 zutreffend mit einem Einzel-GdB von 10 eingeflossen ist. Denn nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (a.a.O., S. 110) bedingt eine Bewegungseinschränkung des Schultergelenks (einschließlich Schultergürtel) bei der Armhebung bis zu 120° mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit einen Einzel-GdB von 10. Eine solche Bewegungseinschränkung liegt hier vor, da nach der Untersuchung von PD Dr. W. die Abduktionsfähigkeit des rechten Schultergelenkes bis 110° und die Anteversion bis 120°, jeweils endgradig schmerzhaft, Dagegen ist der vom Kläger hierfür beanspruchte Einzel-GdB von 20 nicht festzustellen, weil dies eine auf einen Grad bis 90 eingeschränkte Beweglichkeit voraussetzen würde, die hier nicht festgestellt ist. Dem Vorbringen des Klägers ist auch entgegenzuhalten, dass nach dem Gutachten von Prof. Dr. R. und Dr. Z. vom 5. März 2010 anzuzweifeln ist, ob das bei dem Unfall geschädigte rechte Schultergelenk tatsächlich dauerhafte Schäden davongetragen hat. Denn diese Ärzte geben Befunde an (radiologisch "kein pathologischer Befund erkennbar, altersentsprechender Befund [ ] vollständig konsolidierte Schulterblattfraktur [ ] kein Anhalt für eine Pseudoarthrose"), die zumindest der Feststellung eines Einzel-GdB von mehr als 10 für diese Funktionseinschränkung entgegenstehen. Diese Bewertung wird auch gestützt durch die in diesem Gutachten mitgeteilten seitengleichen Bewegungsmaße für die Schultergelenke, die zu dem von PD Dr. W. erhobenen Befund (Bewegungseinschränkungen im rechten Schultergelenk) im Widerspruch stehen. Jedenfalls spricht auch die vom Kläger Anfang 2008 wieder aufgenommene berufliche Tätigkeit mit teilweise mittelschwerer körperlicher Arbeit (Auslieferung von l. M.) dagegen, dass zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch nennenswerte Einschränkungen in der rechten Schulter vorliegen. Der Einzel-GdB von 10 ist daher zu bestätigen und der GdB für das Funktionssystem "Rumpf" auf 20 festzusetzen, da der Einzel-GdB von 10 für das Schulterleiden als nur leichte Einschränkung den GdB für das Funktionssystem nicht weiter erhöhen kann (Teil A 3 ee, S. 23 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze).
b)
Ein weiteres Leiden des Klägers ist dem Funktionsbereich "Beine" zuzuordnen. Dafür ist ebenfalls ein Einzelgrad der Behinderung von 20 festzustellen.
Durch den Unfall vom 2. Juni 2007 sind das rechte obere und untere Sprunggelenk dauerhaft geschädigt und in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt worden. Nach Feststellung der Ärzte PD Dr. W., Prof. Dr. R. und Dr. Z. liegt einer Einschränkung der Beweglichkeit des oberen Sprunggelenkes und eine Versteifung des unteren Sprunggelenks vor. Nach den von PD Dr. W. im Gutachten vom 24. Februar 2010 erhobenen Bewegungsmaßen (oberes Sprunggelenk: Heben/Senken des Fußes: 0/0/10°; unteres Sprunggelenk: 0/0/0°) liegt eine Bewegungseinschränkung stärkeren Grades vor, die nach den versorgungsmedizinischen Grundsätzen mit 20 zu bewerten ist (GdS-Tabelle, Teil B, B 18.14, S. 117) , wobei die Versteifung bzw. nahezu aufgehobene Beweglichkeit (Prof. Dr. R./Dr. Z.: nur "Wackelbewegungen" möglich) des unteren Sprunggelenks für sich genommen nur einen Einzel-GdB von 10 bedingt. Die Bewegungseinschränkung des oberen Sprunggelenkes ist stärkeren Grades und bedingt deshalb nach der GdS-Tabelle (a.a.O.) einen GdB von 20. Dieser ist aber auch angesichts der Versteifung des unteren Sprunggelenkes nicht zu erhöhen, weil ein GdB von 30 nach der Tabelle erst bei einer Versteifung des oberen und unteren Sprunggelenkes in günstiger und von 40 in ungünstiger Stellung festzustellen ist. Diesen Schweregrad erreicht der Kläger angesichts der mitgeteilten Bewegungsmaße nicht. Es liegen in Bezug auf dieses Funktionssystem auch sonst keine Umstände vor, die für eine Erhöhung des GdB sprechen könnten, denn Dipl.-Med. B. hat im Befundbericht vom 11. Juni 2012 die bereits aus dem Gutachten von Prof. Dr. R./Dr. Z. und PD Dr. W. bekannten sowie seiner eigenen früheren Befunde bestätigt und erneut angegeben, das Gangbild sei beidseits ohne Befund.
c)
Die beim Kläger schließlich bestehende Harnentleerungsstörung ist dem Funktionssystem "Harnorgane" zuzuordnen. Der für diese Erkrankung bereits festgestellte Behinderungsgrad von 20, der nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen bei Entleerungsstörungen der Blase stärkeren Grades mindestens anzunehmen ist (GdS-Tabelle B 12.2, S. 82: Rahmen von 20 bis 40), ist hier nicht durch Ausschöpfung des Bewertungsrahmens zu erhöhen. Denn die im Berufungsverfahren durchgeführten Ermittlungen deuten an, dass sich diese Funktionseinschränkung im Sinne einer Entleerungsstörung der Blase leichten Grades gebessert hat, keinesfalls aber schlechter geworden ist. Während Prof. D./Dr. F. noch am 6. Juli 2010 die Diagnose einer posttraumatischen neurogenen Blasenfunktionsstörung mit Restharnbildung angegeben hat, waren nach Dr. K. ausweislich seines Befundberichtes vom 6. September 2011 im November 2010 beim Kläger keine Blasenbeschwerden mehr vorhanden gewesen. Auch wenn angesichts des nur wenige Monate älteren Gutachtens von Prof. D./Dr. F. die Bewertung einer Entleerungsstörung der Blase stärkeren Grades aufrecht zu erhalten ist, fehlen medizinische Indizien für einen höheren GdB innerhalb des Bewertungsrahmens.
d)
Weitere mindestens mit einem GdB von 10 berücksichtigungsfähige Behinderungen liegen nicht vor. Der beim Unfall eingetretene Beckenbruch ist nach den Feststellungen von Prof. Dr. R. und Dr. Z. weitgehend folgenlos ausgeheilt und bedingt daher keinen GdB. Die geringfügige einseitige Beinverkürzung von ca. 1,5 cm ist nicht als Funktionsstörung zu berücksichtigen (GdS-Tabelle B 18.14, S. 116: Beinverkürzung bis 2,5 cm entspricht einem GdB von 0)
Da in den Funktionssystemen "Rumpf", "Beine" und "Harnorgane" jeweils ein Behinderungsgrad von 20 festgestellt werden kann, ist ein Gesamtbehinderungsgrad zu bilden. Dabei ist zu beachten, dass nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (Teil A, Nr. 3 ee, S. 23) von Ausnahmefällen abgesehen, zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzelgrad von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdS von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes derr Behinderung zu schließen. In Anwendung dieser Grundsätze kann hier kein höherer Gesamt-GdB als 40 angenommen werden, da der Kläger in mehreren Funktionssystemen unter leichten Funktionsbeeinträchtigungen leidet, die im Wesentlichen unabhängig voneinander bestehen, sich also weder wechselseitig verstärken noch teilweise überschneiden. Eine Erhöhung dieses GdB im Sinne der vom Kläger begehrten Schwerbehinderteneigenschaft widerspräche hier dem nach A 3 (S. 22) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze zu berücksichtigenden Gesamtmaßstab. In Nr. 19 Abs. 2 der Anhaltspunkte, Ausgabe 2008 (S. 25) wird insoweit erläuternd ausgeführt, dass die Schwerbehinderteneigenschaft nur angenommen werden kann, wenn die zu berücksichtigende Gesamtauswirkung der verschiedenen Funktionsstörungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft so schwer wie etwa die vollständige Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule, der Verlust eines Beins im Unterschenkel oder Aphasie (Sprachstörung) mit deutliche Kommunikationsstörung beeinträchtigen. Derartig schwere Funktionsstörungen liegen bei dem Kläger nicht vor. Der Gesamt-GdB ist nach allem keinesfalls höher als 40 zu bilden. Auf die Frage, ob dieser GdB unter Berücksichtigung der Ausführungen des prüfärztlichen Dienstes des Beklagten vom 4. Oktober 2011 sogar zu hoch ist, kommt es angesichts des Ausführungsbescheides vom 28. Dezember 2010 und der Tatsache, dass der Beklagte nicht ebenfalls Berufung eingelegt hat, nicht an.
Die Kostenentscheidung beruht auf Paragraph 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
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