L 1 R 271/11

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 6 R 332/08
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 271/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 52/13 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 10. Juni 2011 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Bewilligung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI).

Die am ... 1958 geborene Klägerin absolvierte von September 1975 bis August 1977 eine Ausbildung zur Facharbeiterin für automatische Produktionssysteme und war anschließend bis April 1982 als Laborantin tätig. Von Mai 1982 bis September 1990 übte sie ungelernte Tätigkeiten als Hilfserzieherin, Küchenhilfe und Köchin aus. Von November 1991 bis zum November 1993 schulte sie zur Altenpflegerin um und war als solche in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen mit Unterbrechung bis zum Juli 1995 tätig. Im Rahmen weiterer Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen folgten von Oktober 1996 bis September 1997 eine Tätigkeit als Freizeitbetreuerin in einem Jugendclub und von Dezember 1998 bis März 2000 als Seniorenbetreuerin. Von März 2001 bis Oktober 2002 arbeitete sie in Teilzeit mit wöchentlich 30 Stunden als Altenpflegerin. Schließlich war sie von Mai 2003 bis Oktober 2003 in einer geförderten Maßnahme als Touristenführerin tätig.

Die Klägerin absolvierte von Mai 2006 bis zum März 2007 eine berufsorientierende Maßnahme bei der Deutschen Angestellten-Akademie (DAA) in N. und arbeitet seit dem 24. Juni 2007 als alleinige Rezeptionskraft in der Physiotherapiepraxis ihres Schwiegersohnes mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden. Nach dem zugrunde liegenden Arbeitsvertrag vom 19. Juni 2007 ist ein Gehalt von 460,00 EUR vereinbart. Entsprechend der Kontenübersicht für die Klägerin vom 09. November 2007 wird der Zeitraum ab der Arbeitsaufnahme als Rezeptionskraft am 24. Juni 2007 von der Beklagten als Gleitzonenfall mit Pflichtversicherungszeiten festgestellt. Ausweislich der Abrechnung der Bezüge für Dezember 2007 werden für die Klägerin in ihrer Tätigkeit als Rezeptionskraft Sozialversicherungsbeiträge abgeführt.

Am 25. Juni 2007 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Beklagte holte ein orthopädisches Gutachten von Dr. A. vom 24. August 2007 ein. Dr. A. stellte die Diagnosen eines Thorax-Schmerzsyndroms bei Zustand nach Thorakotomie und eines Schulter-Arm-Syndroms rechts. Die Klägerin sei in der Lage, sechs Stunden und mehr als Rezeptionskraft in einer Physiotherapiepraxis zu arbeiten. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne die Klägerin aus orthopädischer Sicht noch leichte körperliche Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten vollschichtig ausüben. Arbeiten in gebückter Haltung oder anderen Zwangslagen sowie schweres Heben und Tragen oder Überkopfarbeiten seien ihr nicht zu empfehlen. Eine Tätigkeit als Altenpflegerin könne die Klägerin nicht mehr ausüben. Eine Gehstrecke von vier Mal mehr als 500 m sei ihr zumutbar.

Aus einem weiteren von der Beklagten eingeholten Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie/Psychotherapie Dr. K. vom 04. September 2007 ergibt sich die Diagnose einer somatoformen Schmerzstörung bei vorwiegend histrionisch strukturierter Persönlichkeit. Die Klägerin könne eine Tätigkeit als Rezeptionskraft in Tagesschicht sechs Stunden und mehr täglich in wechselnder Körperhaltung, überwiegend im Sitzen, ausüben. Ihr seien körperlich leichte Arbeiten ohne Heben und Tragen schwerer Lasten, ohne Zwangshaltungen und Überkopfarbeiten sowie ohne hohen Zeitdruck und ohne Nachtschichtarbeit möglich.

Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung mit Bescheid vom 13. November 2007 ab. Insbesondere sei sie noch in der Lage, in ihrer derzeit ausgeübten Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Den dagegen am 27. November 2007 eingelegten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. April 2008 zurück

Am 19. Mai 2008 hat die Klägerin beim Sozialgericht Halle (SG) Klage erhoben und eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 43 Abs. 1 i.V.m. § 240 Abs. 1 SGB VI geltend gemacht. Nach einem von ihr vorgelegten Lebenslauf habe sie vom 06. Dezember 2004 bis zum 30. Dezember 2004 an einen Lehrgang "Altenpflegehelferin" teilgenommen und sei danach vom 26. Januar 2005 an bis zum 21. Mai 2006 erstmalig arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Auf dem vom SG zugesandten Fragebogen hat die Klägerin erklärt, wegen der Erkrankung im Brustbereich ab 26. Januar 2005 den bisherigen Beruf aufgegeben zu haben. Sie meint, sie könne nach dem Mehrstufenschema des Bundessozialgerichts (BSG) nur auf die sonstigen Ausbildungsberufe des oberen Bereichs der zweiten Stufe mit einer Ausbildungsdauer von einem bis zu zwei Jahren verwiesen werden. Für eine von der Beklagten vorgenommene Verweisung als Empfangskraft werde üblicherweise eine Ausbildung – wie etwa als Hotelfachfrau – erwartet. Sie habe weder eine kaufmännische Ausbildung noch PC- oder Buchführungskenntnisse, so dass die Empfangstätigkeit für sie nicht in Betracht komme. Ferner hat sie eine ärztliche Stellungnahme der Fachärztin für Anästhesiologie Dr. P. vom 01. April 2009 vorgelegt, nach der ihr aus schmerztherapeutischer Sicht eine vollschichtige Tätigkeit nicht möglich sei.

Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf ihre berufskundlichen Stellungnahmen vom 24. Juni 2008, 30. Juni 2010, 19. August 2010, 06. Oktober 2010 und auf die von ihr eingeholte Auskunft der Bundesagentur für Arbeit vom 28. Dezember 2005 sowie auf weitere berufskundliche Unterlagen bestätigt, dass das Leistungsvermögen der Klägerin für eine Tätigkeit als Altenpflegerin nicht mehr ausreiche. Allerdings könne sie mit ihrem Restleistungsvermögen auf eine Tätigkeit als Mitarbeiterin an Auskunfts- und Informationsstellen verwiesen werden. Es handle sich hierbei um eine körperlich leichte, in wechselnder Haltung, überwiegend im Sitzen auszuübende Tätigkeit. Die Beklagte hat hierzu u.a. auf ein berufskundliches Gutachten vom 26. Februar 2010 über Mitarbeiter in Informations- und Auskunftsstellen Bezug genommen, wonach in dieser Verweisungstätigkeit keine körperlich belastenden Arbeiten verrichtet werden müssten. Auch akkord- oder fließbandähnliche Bedingungen bestünden hier ebenso wenig wie besonderer Zeit- und Leistungsdruck. In der öffentlichen Verwaltung oder größeren Betrieben unterschiedlichster Branchen seien diese Stellen in der Bundesrepublik Deutschland in nennenswerter Anzahl deutlich oberhalb von 300 bis 400 Stellen vorhanden, unabhängig davon, ob sie derzeit besetzt oder frei seien. Diese Verweisungstätigkeit werde mindestens mit der Vergütungsgruppe BAT VIII, was der Entgeltgruppe 3 TVöD entspreche, entlohnt, wobei es sich um die Eingangsgruppe für ausgebildete Verwaltungsfachkräfte bzw. kaufmännische Angestellte handele. Zu den Aufgaben dieser Verweisungstätigkeit gehörten der Besucherempfang und deren Weiterleitung, die Anliegensvorklärung, die Auskunftserteilung, die telefonische Besucheranmeldung, die Aushändigung von Formularvordrucken und Broschüren, die visuelle Eingangsbeobachtung und teilweise auch die Erledigung von kleinerem Schreibwerk. Für den Zugang zu dieser Tätigkeit als Empfangskraft sei keine bestimmte Ausbildung vorgeschrieben. Eine Einarbeitung am Arbeitsplatz sei üblich und innerhalb von drei Monaten könne die Tätigkeit konkurrenzfähig ausgeübt werden. Durch die dreimonatige Fortbildungsmaßnahme der Klägerin für medizinische Berufsgruppen im Jahr 2000, ihre beruflichen Weiterbildungsmaßnahme für Rehabilitanden zur beruflichen Orientierung, ihr Praktikum in einer Immobilien- und Finanzdienstleistungsfirma und durch ihre derzeitige Tätigkeit als Rezeptionskraft habe sie zumindest Grundlagenkenntnisse über Kundengespräche, Beratung, Bürokommunikation, Telefondienst, Patientenbetreuung, Praxismanagement und PC-Kenntnisse erlangt, so dass sie in der Lage sei, binnen der Einarbeitungszeit die Verweisungstätigkeit auszuüben. Schließlich hat die Beklagte noch einen Anforderungskatalog für eine Mitarbeiterin am Empfang in öffentlichen Verwaltungen übersandt. Dadurch, dass die Klägerin derzeit in der Physiotherapiepraxis eine Empfangstätigkeit ausübe, werde ihre Fähigkeit zu dieser Art von Tätigkeit nachgewiesen.

Nachdem das SG Befundberichte der Schmerztherapeutin Dr. P. vom 05. Januar 2009 und der Hausärztin Dr. L. vom 13. Januar 2009 eingeholt hat, hat es Dr. U. mit der Erstellung eines fachpsychotherapeutischen Gutachtens vom 11. Januar 2010 beauftragt. Danach gäbe es bei der Klägerin eine depressive Episode als Reaktion auf die chronifizierten körperlichen Probleme. Für monotone Sitzhaltungen sei sie eingeschränkt. Hinsichtlich der Konzentrationsanforderungen seien wegen der Schmerzbeschwerden leichte Defizite feststellbar. Aus psychologischer Sicht ergäben sich keine gravierenden Hemmnisse, die Tätigkeit als Rezeptionskraft auch mehr als sechs Stunden täglich auszuüben; hierbei seien zusätzliche Pausen nicht erforderlich. Hinsichtlich eines zurückliegenden Zeitraumes könne keine Aussage zur psychischen Situation getroffen werden.

Mit Urteil vom 10. Juni 2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin könne ihren Hauptberuf als Altenpflegerin, den sie aus gesundheitlichen Gründen angesichts der Arbeitsschwere aufgegeben habe, nicht mehr ausüben. Nach dem Mehrstufenschema des BSG könne sie aufgrund ihres qualifizierten Berufsschutzes mit dreijähriger Ausbildung auf eine Anlerntätigkeit mit einer Ausbildung von drei Monaten bis zu zwei Jahren der nächst niedrigeren Stufe verwiesen werden. Die von der Beklagten benannte Verweisungstätigkeit als Mitarbeiterin an Informationsstellen nach BAT-Entgeltgruppe VIII sei der Klägerin zumutbar. Angesichts der von ihr derzeit ausgeübten Halbtagstätigkeit als Rezeptionskraft in einer Physiotherapiepraxis könne sie nach dem Sachverständigengutachten auch eine sechsstündige Tätigkeit an einer Informationsstelle ausüben, zumal diese körperlich leichte Tätigkeit dem Anforderungsprofil der derzeitigen Beschäftigung ähnele.

Gegen das am 02. August 2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 24. August 2011 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Die von der Beklagten benannte Verweisungstätigkeit einer Mitarbeiterin in Informationsstellen und Verwaltungen habe keine berufliche Konturen und könne von jedermann ausgeübt werden; sie sei nicht im Mindesten mit einer Facharbeiterin vergleichbar und ihr daher sozial nicht zumutbar. Für den Zugang zu den Tätigkeiten als Empfangskraft sei keine bestimmte Ausbildung vorgesehen, zumindest nicht eine für angelernte Arbeiter des oberen Bereichs der zweiten Stufe von einem bis zu zwei Jahren. Auch die Höhe der Entlohnung – hier BAT VIII – stelle lediglich ein Indiz für den Wert einer Tätigkeit dar, und es sei zweifelhaft, ob derzeit überhaupt ausreichend Stellen für die Verweisungstätigkeit auf dem Arbeitsmarkt vorhanden seien. Es reiche für eine Verweisung nicht aus, die Vergütungsgruppe und einzelne Arbeitsvorgänge oder Tätigkeitsmerkmale anzugeben, da die Benennung eines typischen Arbeitsplatzes mit der üblichen Berufsbezeichnung erforderlich sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 10. Juni 2011 und den Bescheid der Beklagten vom 13. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April 2008 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab dem 25. Juni 2007 zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 10. Juni 2011 zurückzuweisen.

Sie hält ihre Bescheide und das angefochtene Urteil des SG für zutreffend. Die Klägerin sei auf die Tätigkeit einer Mitarbeiterin in Auskunfts- und Informationsstellen, beispielsweise in der öffentlichen Verwaltung, verweisbar.

Der Senat hat Befundberichte der Fachärztin für Allgemeinmedizin L. vom 17. Januar 2012 und der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. N. vom 31. März 2012 eingeholt. Die Allgemeinmedizinerin hat mitgeteilt, es lägen keine Veränderungen der Beschwerden vor. Dr. N. hat bei weiter bestehender chronischer Schmerzstörung eine leichte Besserung der depressiven Störung festgestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Senats.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch in der Form und Frist des § 151 SGG eingelegte Berufung ist nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 13. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April 2008 und das diesen bestätigende Urteil des SG vom 10. Juni 2011 sind nicht zu beanstanden, so dass die Klägerin nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 SGG beschwert ist. Sie hat keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Die Klägerin hat für den streitigen Zeitraum keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 Abs. 1 i.V.m. § 43 Abs. 1 SGB VI. Danach haben Versicherte bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zum Erreichen des 65. Lebensjahres (Fassung ab 01. Januar 2008: " bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze ") Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Die Klägerin ist zwar vor diesem Datum am ... 1958 geboren worden, sie ist aber nicht berufunfähig im Sinne von § 240 Abs. 2 SGB VI.

Nach der Rechtsprechung des BSG ist bei der Prüfung der Berufsunfähigkeit vom bisherigen Beruf der Versicherten auszugehen. Es ist zu prüfen, ob sie diesen Beruf ohne wesentliche Einschränkungen weiterhin ausüben kann. Ist sie hierzu aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, ist der qualitative Wert des bisherigen Berufs dafür maßgebend, auf welche Tätigkeiten eine Versicherte verwiesen werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 24. Januar 1994 – 4 RA 35/93SozR 3-2200 § 1246 Nr. 41; Urteil vom 16. November 2000 – B 13 RJ 79/99 RSozR 3-2600 § 43 Nr. 23, S. 78). Bisheriger Beruf ist in der Regel die letzte nicht nur vorübergehende versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit. Dabei ist nicht unbedingt auf die letzte Berufstätigkeit abzustellen, sondern auf diejenige, die bei im Wesentlichen ungeschwächter Arbeitskraft nicht nur vorübergehend eine nennenswerte Zeit ausgeübt wurde (vgl. BSG, Urteil vom 30. Oktober 1985 – 4a RJ 53/84SozR 2200 § 1246 Nr. 130).

Zugunsten der Klägerin geht der Senat davon aus, dass bisheriger Beruf der Klägerin in diesem Sinne der der Altenpflegerin ist. Ob auf ihre derzeit noch ausgeübte Tätigkeit als Rezeptionskraft in der Physiotherapiepraxis des Schwiegersohnes abzustellen ist, kann deshalb offen bleiben. Die Klägerin hat ihren Berufsschutz in der vormals ausgeübten höherwertigen Tätigkeit als Altenpflegerin nicht verloren, da sie sich von diesem Beruf nicht freiwillig gelöst hat. Sie kann aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr im erlernten Beruf als Altenpflegerin arbeiten. Diese Einschätzung wird auch von der Beklagten vertreten und findet ihre Bestätigung in den Gutachten von Dr. A. und Dr. K., die die Klägerin nur noch für leichte körperliche Arbeiten und damit nicht mehr für die Tätigkeit als Altenpflegerin befähigt sehen.

Damit ist die Klägerin aber noch nicht berufsunfähig. Auf welche Berufstätigkeiten eine Versicherte nach ihrem fachlichen und gesundheitlichen Leistungsvermögen noch zumutbar verwiesen werden kann, beurteilt das BSG nach einem von ihm entwickelten Mehrstufenschema (vgl. BSG, Urteil vom 29. Juli 2004 – B 4 RA 5/04 R – juris). Die soziale Zumutbarkeit eines Verweisungsberufs richtet sich nach dem qualitativen Wert des bisherigen Berufs. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des BSG die Berufe in Gruppen eingeteilt, wobei der Stufenbildung im Ansatz die zur Erreichung einer bestimmten Qualifikation normalerweise erforderliche Ausbildung zugrunde gelegt wurde. Sozial zumutbar sind grundsätzlich nur Tätigkeiten der im Verhältnis zum bisherigen Beruf gleichen oder nächst niederen Stufe (vgl. BSG, Urteil vom 12. September 1991 – 5 RJ 34/90SozR 3-2200 § 1246 Nr. 17). Dabei werden folgende Stufen unterschieden: Ungelernte Berufe (Stufe 1); Berufe mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren (Stufe 2); Berufe mit einer Ausbildung von mehr als zwei Jahren (Stufe 3) und weitere hier nicht in Betracht kommende Stufen mit höheren Qualifikationsanforderungen (zu diesen Stufen: BSG, Urteil vom 29. Juli 2004 – B 4 RA 5/04 R – juris). Die Stufe 2, auch als Gruppe der Angelernten bezeichnet, unterteilt die Rechtsprechung des BSG wegen der Vielschichtigkeit und Inhomogenität dieser Berufsgruppe in einen oberen und einen unteren Bereich. Dem unteren Bereich sind alle Tätigkeiten mit einer regelmäßigen (auch betrieblichen) Ausbildungs- oder Anlernzeit von 3 bis 12 Monaten und dem oberen Bereich dementsprechend die Tätigkeiten mit einer Ausbildungs- oder Anlernzeit von über 12 bis zu 24 Monaten zuzuordnen (vgl. BSG, Urteil vom 29. März 1994 – 13 RJ 35/93SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45). Bei Angelernten des oberen Bereichs sind im Gegensatz zu Angelernten des unteren Bereichs sowie Ungelernten Verweisungstätigkeiten konkret zu benennen (Niesel in: Kasseler Kommentar, SGB VI, § 240 Rdnr. 101, 102).

Damit kommt der Klägerin der Berufschutz der Stufe 3 (Facharbeiterin) als Altenpflegerin zu. Nach dem Mehrstufenschema des BSG ist ein sozialer Abstieg um eine Stufe als sozial zumutbar hinzunehmen. Die Klägerin kann daher auf eine Tätigkeit mit einer Ausbildung von wenigstens drei Monaten verwiesen werden (vgl. BSG, Urteil vom 12. November 1991, a.a.O.). Die Verweisung der Klägerin ist hierbei auf angelernte Tätigkeiten sowohl des oberen als auch des unteren Bereichs möglich (BSG, Urteil vom 26. Januar 2000 – B 13 RJ 45/98 R – juris). Es ist hierbei auch nicht zwischen dem oberen und unteren Bereich der Stufe 2 zu unterscheiden. Ein Beruf aus Stufe 3 kann insgesamt auf die Stufe 2 mit einer Anlernzeit von 3 Monaten bis zu 2 Jahren verwiesen werden.

Die Klägerin ist nicht berufsunfähig, da die Beklagte sie sozial zumutbar auf eine Anlerntätigkeit der Stufe 2 – hier einer Mitarbeiterin am Empfang oder an Informationsstellen – verwiesen hat. Angesichts des vielfältigen Einsatzes in Informationsstellen auf dem Arbeitsmarkt hat die Beklagte somit eine zumutbare Verweisungstätigkeit im Sinne eines typischen Arbeitsplatzes hinreichend konkret benannt. Es liegt nicht nur eine Verweisung auf ein allgemeines Arbeitsfeld wie bei Angelernten des unteren Bereichs bzw. Ungelernten vor. Die Tätigkeit als Mitarbeiterin am Empfang und in Informationsstellen wird aufgrund ihrer Qualität tariflich wie ein sonstiger Ausbildungsberuf bewertet, auch wenn die Ausbildung in der Regel nur drei Monate umfasst (vgl. BSG, Urteil vom 30. März 1977 – 5 RJ 98/76 –, BSGE 43, 243, 245f. = SozR 2200 § 1246 Nr. 16). Die Bezahlung nach den Lohngruppen BAT VIII oder VII indiziert sogar, dass es sich um eine angelernte Tätigkeit der Stufe 2 handelt (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 27. Juni 2002 – L 1 RA 59/02 –, juris). Der Senat hat auch keine Zweifel, dass die Verweisungstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in ausreichender Zahl existiert, nachdem nahezu jede größere Behörde mit Publikumsverkehr derartige Mitarbeiter am Empfang beschäftigt.

Die Klägerin ist mit ihrem restlichen Leistungsvermögen auch noch in der Lage, diese Tätigkeit einer Empfangskraft in wechselnder Körperhaltung zu verrichten. Es handelt sich um eine leichte körperliche Arbeit, die ihrem physischen Leistungsvermögen entspricht, da sie keine Überkopfarbeiten und Zwangshaltungen beinhaltet und regelmäßig nicht in Nachtschichten gearbeitet wird. Das neurologisch-psychiatrische Fachgutachten von Dr. U. bestätigt für den Senat überzeugend, dass die Klägerin die Verweisungstätigkeit noch mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann. Entgegen der Auffassung der Klägerin kann diese Tätigkeit auch nicht von "jedermann" ausgeübt werden, da bestimmte körperliche und psychische Voraussetzungen erforderlich sind, die die Klägerin angesichts ihres positiven Leistungsbildes mitbringt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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