Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 13 AY 216/12
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 8 AY 2/13 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 8. Februar 2013 wird aufgehoben.
Den Klägern wird für das Klageverfahren S 13 AY 216/12 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung bewilligt und Rechtsanwalt A. zur Vertretung beigeordnet.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Kläger verfolgen im Klageverfahren für den Zeitraum vom 1. bis zum 31. Juli 2012 höhere Leistungen unter Berücksichtigung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 18. Juli 2012 in den Verfahren 1 BvL 10/10 und 1 BvL 2/11.
Die Beklagte bewilligte den Klägern mit Bescheid vom 5. Juni 2012 laufende Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) für den Monat Juni 2012 zunächst in Höhe von 2.315,31 EUR "bis auf weiteres". Mit Bescheid vom 11. Juni 2012 wurden ihnen aufgrund geänderter persönlicher bzw. wirtschaftlicher Verhältnisse Leistungen nach dem AsylbLG für den Monat Mai 2012 in Höhe von 2.335,76 EUR, für Juni 2012 in Höhe von 2315,31 EUR und für Juli 2012 in Höhe von 2.294,86 EUR sowie "bis auf weiteres" bewilligt.
Mit Telefax vom 24. Juli 2012 - Eingang am gleichen Tag - legten die Kläger Widerspruch gegen den laufenden Bescheid über die Bewilligung der Leistungen nach dem AsylbLG ein mit der Begründung, im Urteil des BVerfG vom 18. Juli 2012 sei ausgeführt worden, die nach dem AsylbLG gewährten Leistungen verstießen gegen das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum und seien evident unzureichend; die zu gewährenden Leistungen seien unverzüglich neu festzusetzen. Nach der Zurückweisung des Widerspruchs als verfristet (Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 2012) haben die Kläger am 31. Oktober 2012 Klage beim Sozialgericht Halle erhoben und gleichzeitig die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt. Mit der Klage haben sie die Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 5. Juni 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9. Oktober 2012 beantragt mit dem Ziel, ihnen für den Zeitraum vom 1. bis zum 31. Juli 2012 Leistungen unter Berücksichtigung des Urteils des BVerfG vom 18. Juli 2012 zu gewähren.
Mit Bescheid vom 30. Oktober 2012 hat die Beklagte die laufenden Leistungen nach dem AsylbLG ab August 2012 entsprechend dem Urteil des BVerfG vom 18. Juli 2012 erhöht.
Mit Beschluss vom 8. Februar 2013 hat das Sozialgericht Halle den Antrag auf Bewilligung von PKH abgelehnt mit der Begründung, es könne offen bleiben, ob der Widerspruch vom 24. Juli 2012 gegen den Bescheid vom 11. Juni 2012 fristgerecht erhoben worden sei; die Beklagte habe keinen Nachweis über den Zeitpunkt der Aufgabe zur Post vorlegen können. Jedenfalls hätten die Kläger keinen Anspruch auf höhere Asylbewerberleistungen für den Monat Juli 2012. Denn das BVerfG habe hierzu in seinem Urteil vom 18. Juli 2012 ausgeführt, dass die entsprechende Anwendung des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – SGB X) über die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung bei Änderung der rechtlichen Verhältnisse zugunsten der Betroffenen in Bezug auf den Regelungsgegenstand dieses Urteils für Zeiträume bis Ende Juli 2012 ausgeschlossen sei. Hier hätten die Kläger bis zum 18. Juli 2012 keinen Widerspruch gegen die Höhe der bewilligten Asylbewerberleistungen erhoben, so dass Ansprüche auf höhere Leistungen entsprechend dem Urteil des BVerfG vom 18. Juli 2012 für Zeiträume bis zum 31. Juli 2012 ausgeschlossen seien.
Am 19. Februar 2013 haben die Kläger Beschwerde eingelegt mit der Begründung, bei den erteilten Bescheiden habe es sich jeweils nicht um Dauerverwaltungsakte gehandelt und der Widerspruch sei mangels Nachweis des Zugangs der Bewilligungsbescheide nicht verfristet.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, die sämtlich Gegenstand der Beratung des Senats gewesen sind, Bezug genommen.
II.
Die Kläger haben Anspruch auf Gewährung von PKH für das von ihnen geführte Klageverfahren.
Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter auf Antrag PKH, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten für die Prozessführung nicht oder nur in Raten aufbringen kann und die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Das Begehren bietet eine hinreichende Erfolgsaussicht, wenn ein (Teil-)Obsiegen des Beteiligten nicht schlechthin ausgeschlossen ist oder fernliegt (BVerfG, Beschluss vom 7. April 2000 - 1 BvR 81/00 - NJW 2000, 1936 ff.). Eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit genügt.
Vorliegend hat die Klage hinreichende Erfolgsaussicht geboten, da nicht ohne weiteres auszuschließen ist, dass sich auf der Grundlage der Ausführungen des BVerfG in den o.g Entscheidungen ein höherer Anspruch auf Leistungen nach dem AsylbLG für Juli 2012 ergibt.
Am 18. Juli 2012 hat das BVerfG entschieden, dass die Leistungen nach § 3 AsylbLG evident unzureichend seien. Es hat zum Schluss seiner Entscheidung ausgeführt, dass eine Rückwirkung der Übergangsregelung hinsichtlich nicht bestandskräftiger Bescheide für Leistungszeiträume ab dem 1. Januar 2011 vertretbar sei. Die nach § 9 Abs. 3 AsylbLG grundsätzlich vorgegebene entsprechende Anwendung des § 44 SGB X über die Rücknahme rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte und die entsprechende Anwendung des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X über die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung bei Änderung der rechtlichen Verhältnisse zugunsten der Betroffenen würden daneben in Bezug auf den Regelungsgegenstand dieses Urteils für Zeiträume bis Ende Juli 2012 ausgeschlossen. Seien jedoch Bescheide über Grundleistungen für einen Zeitraum ab dem 1. Januar 2011 noch nicht bestandskräftig geworden, hätten die Betroffenen Anspruch auf nach der Übergangsregelung berechnete Leistungen.
Hier könnten die Bescheide vom 5. und 11. Juni 2012 noch nicht bestandskräftig geworden sein. Nach ihren Angaben im Schriftsatz vom 28. Januar 2013 führt die Beklagte bei laufendem Bezug von Hilfeleistungen kein Postausgangsbuch. Damit ist nicht feststellbar, wann die o.g. Bescheide den Klägern bekannt gegeben worden sind. Der Lauf der einmonatigen Widerspruchsfrist beginnt jedoch erst mit der Bekanntgabe des Bescheides (§ 84 Abs. 1 Satz SGG). Bei nicht nachgewiesener Bestandskraft käme der mit der Klage verfolgte Anspruch auf höhere Leistungen für Juli 2012 in Betracht.
Schließlich sind die Kläger wirtschaftlich nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung aufzubringen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind gem. § 127 Abs. 4 ZPO nicht zu erstatten
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Den Klägern wird für das Klageverfahren S 13 AY 216/12 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung bewilligt und Rechtsanwalt A. zur Vertretung beigeordnet.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Kläger verfolgen im Klageverfahren für den Zeitraum vom 1. bis zum 31. Juli 2012 höhere Leistungen unter Berücksichtigung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 18. Juli 2012 in den Verfahren 1 BvL 10/10 und 1 BvL 2/11.
Die Beklagte bewilligte den Klägern mit Bescheid vom 5. Juni 2012 laufende Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) für den Monat Juni 2012 zunächst in Höhe von 2.315,31 EUR "bis auf weiteres". Mit Bescheid vom 11. Juni 2012 wurden ihnen aufgrund geänderter persönlicher bzw. wirtschaftlicher Verhältnisse Leistungen nach dem AsylbLG für den Monat Mai 2012 in Höhe von 2.335,76 EUR, für Juni 2012 in Höhe von 2315,31 EUR und für Juli 2012 in Höhe von 2.294,86 EUR sowie "bis auf weiteres" bewilligt.
Mit Telefax vom 24. Juli 2012 - Eingang am gleichen Tag - legten die Kläger Widerspruch gegen den laufenden Bescheid über die Bewilligung der Leistungen nach dem AsylbLG ein mit der Begründung, im Urteil des BVerfG vom 18. Juli 2012 sei ausgeführt worden, die nach dem AsylbLG gewährten Leistungen verstießen gegen das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum und seien evident unzureichend; die zu gewährenden Leistungen seien unverzüglich neu festzusetzen. Nach der Zurückweisung des Widerspruchs als verfristet (Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 2012) haben die Kläger am 31. Oktober 2012 Klage beim Sozialgericht Halle erhoben und gleichzeitig die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt. Mit der Klage haben sie die Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 5. Juni 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9. Oktober 2012 beantragt mit dem Ziel, ihnen für den Zeitraum vom 1. bis zum 31. Juli 2012 Leistungen unter Berücksichtigung des Urteils des BVerfG vom 18. Juli 2012 zu gewähren.
Mit Bescheid vom 30. Oktober 2012 hat die Beklagte die laufenden Leistungen nach dem AsylbLG ab August 2012 entsprechend dem Urteil des BVerfG vom 18. Juli 2012 erhöht.
Mit Beschluss vom 8. Februar 2013 hat das Sozialgericht Halle den Antrag auf Bewilligung von PKH abgelehnt mit der Begründung, es könne offen bleiben, ob der Widerspruch vom 24. Juli 2012 gegen den Bescheid vom 11. Juni 2012 fristgerecht erhoben worden sei; die Beklagte habe keinen Nachweis über den Zeitpunkt der Aufgabe zur Post vorlegen können. Jedenfalls hätten die Kläger keinen Anspruch auf höhere Asylbewerberleistungen für den Monat Juli 2012. Denn das BVerfG habe hierzu in seinem Urteil vom 18. Juli 2012 ausgeführt, dass die entsprechende Anwendung des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – SGB X) über die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung bei Änderung der rechtlichen Verhältnisse zugunsten der Betroffenen in Bezug auf den Regelungsgegenstand dieses Urteils für Zeiträume bis Ende Juli 2012 ausgeschlossen sei. Hier hätten die Kläger bis zum 18. Juli 2012 keinen Widerspruch gegen die Höhe der bewilligten Asylbewerberleistungen erhoben, so dass Ansprüche auf höhere Leistungen entsprechend dem Urteil des BVerfG vom 18. Juli 2012 für Zeiträume bis zum 31. Juli 2012 ausgeschlossen seien.
Am 19. Februar 2013 haben die Kläger Beschwerde eingelegt mit der Begründung, bei den erteilten Bescheiden habe es sich jeweils nicht um Dauerverwaltungsakte gehandelt und der Widerspruch sei mangels Nachweis des Zugangs der Bewilligungsbescheide nicht verfristet.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, die sämtlich Gegenstand der Beratung des Senats gewesen sind, Bezug genommen.
II.
Die Kläger haben Anspruch auf Gewährung von PKH für das von ihnen geführte Klageverfahren.
Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter auf Antrag PKH, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten für die Prozessführung nicht oder nur in Raten aufbringen kann und die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Das Begehren bietet eine hinreichende Erfolgsaussicht, wenn ein (Teil-)Obsiegen des Beteiligten nicht schlechthin ausgeschlossen ist oder fernliegt (BVerfG, Beschluss vom 7. April 2000 - 1 BvR 81/00 - NJW 2000, 1936 ff.). Eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit genügt.
Vorliegend hat die Klage hinreichende Erfolgsaussicht geboten, da nicht ohne weiteres auszuschließen ist, dass sich auf der Grundlage der Ausführungen des BVerfG in den o.g Entscheidungen ein höherer Anspruch auf Leistungen nach dem AsylbLG für Juli 2012 ergibt.
Am 18. Juli 2012 hat das BVerfG entschieden, dass die Leistungen nach § 3 AsylbLG evident unzureichend seien. Es hat zum Schluss seiner Entscheidung ausgeführt, dass eine Rückwirkung der Übergangsregelung hinsichtlich nicht bestandskräftiger Bescheide für Leistungszeiträume ab dem 1. Januar 2011 vertretbar sei. Die nach § 9 Abs. 3 AsylbLG grundsätzlich vorgegebene entsprechende Anwendung des § 44 SGB X über die Rücknahme rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte und die entsprechende Anwendung des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X über die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung bei Änderung der rechtlichen Verhältnisse zugunsten der Betroffenen würden daneben in Bezug auf den Regelungsgegenstand dieses Urteils für Zeiträume bis Ende Juli 2012 ausgeschlossen. Seien jedoch Bescheide über Grundleistungen für einen Zeitraum ab dem 1. Januar 2011 noch nicht bestandskräftig geworden, hätten die Betroffenen Anspruch auf nach der Übergangsregelung berechnete Leistungen.
Hier könnten die Bescheide vom 5. und 11. Juni 2012 noch nicht bestandskräftig geworden sein. Nach ihren Angaben im Schriftsatz vom 28. Januar 2013 führt die Beklagte bei laufendem Bezug von Hilfeleistungen kein Postausgangsbuch. Damit ist nicht feststellbar, wann die o.g. Bescheide den Klägern bekannt gegeben worden sind. Der Lauf der einmonatigen Widerspruchsfrist beginnt jedoch erst mit der Bekanntgabe des Bescheides (§ 84 Abs. 1 Satz SGG). Bei nicht nachgewiesener Bestandskraft käme der mit der Klage verfolgte Anspruch auf höhere Leistungen für Juli 2012 in Betracht.
Schließlich sind die Kläger wirtschaftlich nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung aufzubringen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind gem. § 127 Abs. 4 ZPO nicht zu erstatten
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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