Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 7 KR 234/09
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 KR 98/12 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 28. September 2012 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auf 42,99 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Streitig sind noch die Zinsen und die Kosten des Verfahrens, nachdem die Beklagte zwischenzeitlich die Forderung der Klägerin wegen erbrachter Krankenhausleistungen beglichen hatte.
Die Klägerin ist Trägerin des Fachkrankenhauses für Psychiatrie, Psychotherapie, Neurologie und psychosomatische Medizin in J. (im Folgenden: Krankenhaus), das in den Krankenhausplan des Landes Sachsen-Anhalt aufgenommen ist. Der bei der Beklagten versicherte O. (im Folgenden: der Versicherte) wurde am 7. April 2009 mit den Aufnahmediagnosen
Psychische Verhaltensstörungen durch Alkohol mit Intoxikation, Abhängigkeits- und Entzugssyndrom
auf Einweisung eines Hausarztes in die Fachabteilung Allgemeine Psychiatrie des Krankenhauses stationär aufgenommen. Die Klägerin übermittelte noch am selben Tag Daten nach § 301 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V). Als voraussichtliches Behandlungsende war der 17. April 2009 bezeichnet. Tatsächlich war der Versicherte an diesem Tag auch entlassen worden. Die Aufnahmeanzeige umfasste die Stammdaten der Versicherten (Versicherungs-Nr., Vor- und Nachname, Geburtsdatum, Geschlecht, Institutionskennzeichen des Krankenhauses, Detaildaten über die Aufnahme einschließlich der Angaben des einweisenden Arztes mittels dessen Arztnummer sowie die Aufnahmediagnose). Der Versicherte wurde stationär in der Station für Allgemeine Psychiatrie behandelt.
Die Beklagte erteilte hierüber eine bis zum 13. April 2009 beschränkte Kostenübernahmeerklärung. Mit Schreiben vom 9. April 2009 bestätigte die Beklagte die Aufnahme ihres Versicherten und kündigte eine Überprüfung an, da eine Diskrepanz zwischen Aufnahmediagnose und der voraussichtlichen Verweildauer über den 13. April 2009 hinaus bestehe. Dies mache eine weitere Begründung der Klägerin notwendig. Dem trat die Klägerin im Schreiben vom 20. April 2009 entgegen: Sie halte eine Krankenhausbehandlung für erforderlich. Sollte die Beklagte dies anders sehen, stehe es ihr frei, den medizinischen Sachverhalt durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) überprüfen zu lassen.
Mit Rechnung vom 23. April 2009 machte das Krankenhaus gegenüber der Beklagten eine Forderung in Höhe von 2.155,49 EUR geltend. Am selben Tage erinnerte die Beklagte an die Übersendung einer medizinischen Begründung und verweigerte am 7. Mai 2009 mangels erfolgter Begründung die vollständige Zahlung. Dagegen wendete das Krankenhaus am 19. Mai 2009 ein, die stationäre Behandlung sei ärztlich geprüft worden und bis zum 17. April 2009 erforderlich gewesen. Mit Schreiben vom 24. Juni 2009 zog die Beklagte für die Behandlung vom 14. April bis 17. April 2009 einen Betrag von 627,75 EUR von der Rechnung vom 23. April 2009 ab. Am 9. Juli 2009 widersprach die Klägerin dieser Vorgehensweise.
Die Klägerin hat am 7. September 2009 Klage beim Sozialgericht Magdeburg (SG) auf Zahlung von 627,75 EUR nebst Zinsen erhoben und vorgetragen: Die Beklagte mache zu Unrecht ein imaginäres Zurückbehaltungsrecht geltend und meine, ohne Einschaltung des MDK medizinische Begründungen vom Krankenhaus verlangen zu können. Offensichtlich versuche sie dabei zu Lasten der Klägerin die gesetzliche Regelung des § 275 Abs. 1c SGB V zu umgehen. Zwischenzeitlich habe diese rechtswidrige Praxis der Beklagten zu Zahlungsrückständen von ca. 200.000,- EUR geführt. Der Zinsanspruch beruhe auf § 7 der Budget- und Entgeltvereinbarung für das Jahr 2008. Nach Überschreiten des Fälligkeitstermins stehe der Klägerin auch ohne eine gesonderte Mahnung ein Verzugszins in Höhe von fünf Prozent zu.
Die Beklagte hat demgegenüber geltend gemacht: Ihr stehe ein Zurückbehaltungsrecht zu. Die Klägerin habe ihre Informationspflichten gemäß § 301 SGB V nicht erfüllt. Einen Automatismus, wonach jedes Verfahren gemäß § 275 SGB V dem MDK zur Prüfung vorgelegt werden müsse, sehe das Gesetz nicht vor. Das Krankenhaus verstoße gegen seine Informationspflichten, wenn es angeforderte Informationen ohne substantiierten Hinweis formelhaft ablehne.
Die Beteiligten haben im Jahr 2010 in Parallelverfahren (Aktenzeichen AR 10/10 M bis AR 14/10 M) Mediationen beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt geführt. Der Inhalt der dort geschlossenen Vereinbarung ist gerichtsbekannt. Nach dem Protokoll der Mediationssitzung des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt in den Verfahren AR 10/10 M bis AR 14/10 M vom 25. Oktober 2010 haben die Beteiligten folgende Vereinbarung getroffen:
"1. Der Mediator wird den Beteiligten umgehend drei in Betracht kommende mögliche Sachverständige zur Auswahl vorschlagen. Die Beteiligten einigen sich auf eine dieser Personen als Gutachter. Der Gutachter soll in den aufgeführten Verfahren jeweils folgende Fragen beantworten und den Beteiligten hierzu jeweils einen Vorschlag unterbreiten:
- War die Aufnahme zur vollstationären/teilstationären Behandlung medizinisch notwendig?
- War die Verweildauer medizinisch gerechtfertigt?
Die Beteiligten verpflichten sich, sich dem Spruch des Gutachters zu unterwerfen.
2. Die Beteiligten werden zu gegebener Zeit für die beim Sozialgericht Magdeburg bzw. beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt anhängigen Rechtsstreite prozessbeendende Erklärungen abgeben und diese dem Mediator zuleiten.
- Laut diktiert, vorgespielt und genehmigt - "
Mit Schreiben vom 1. März 2011 hat die Klägerin das Mediationsverfahren für gescheitert erklärt und mitgeteilt, die Beklagte habe 627,75 EUR am 29. September 2010 gezahlt, sodass nur noch über die Zinsen und Kosten gestritten werde.
Hierzu hat die Beklagte erklärt: Das Mediationsverfahren sei nicht gescheitert. Die Klägerin könne daher das Klageverfahren nicht weiter betreiben. Das Mediationsverfahren entfalte eine prozesshemmende Wirkung für dieses Gerichtsverfahren. Im Übrigen sei im Mediationsverfahren zwischen den Beteiligten auch in diesem Fall eine Einigung über die Hauptforderung erzielt worden. Die Beklagte habe gezahlt, wenn sie nach Prüfung der Vorgänge zu einer Zahlungspflicht gelangt sei. Bezüglich der Nebenforderungen (Zinsen, Kosten) sei keine Einigung erzielt worden. Darüber hätten sich die Beteiligten außerhalb des Mediationsverfahrens einigen wollen. Nun sei das Mediationsverfahren aber nicht so verlaufen, wie es sich die Beteiligten gedacht hätten. Während die Klägerin vom Scheitern der Mediation ausgehe, sehe dies die Beklagte anders, was verfahrensrechtlich zu bewerten sei.
Im Protokoll der mündlichen Verhandlung des SG vom 28. September 2012 finden sich für die Verfahren S 7 KR 238/09, S 7 KR 218/09, S 7 KR 222/09, S 7 KR 224/09, S 7 KR 224/09, S 7 KR 228/09, S 7 KR 234/09, S 7 KR 258/09, S 7 KR 214/09, S 7 KR 384/09, S 7 KR 382/09 folgende Ausführungen:
"Beginn der Sitzung: 09:00 Uhr
Ende der Sitzung: 09.31 Uhr
Bei Aufruf der Sache erschienen:
Für die Klägerin Frau Rechtsanwältin S.
Für die Beklagte niemand
Rechtsanwalt S. hatte gestern telefonisch mitgeteilt, dass er gegebenenfalls erst gegen 10:00 Uhr Magdeburg erreichen kann, falls er den Anschlusszug in H. verpasst.
Begonnen wird mit dem Verfahren S 7 KR 238/09.
Der Vorsitzende eröffnet die mündliche Verhandlung und trägt den Sachverhalt vor. Sodann erhalten die Beteiligten das Wort. Die Sach- und Rechtslage wird mit der Prozessbevollmächtigten der Klägerin erörtert."
Es folgen Klageanträge der Klägerin in acht Sachen. Die Verfahren S 7 KR 384/09 und S 7 KR 382/09 wurden vertagt, da die Verwaltungsakten nicht vorlagen.
"Der Vorsitzende erklärt die mündliche Verhandlung für geschlossen. Die Kammer zieht sich zur Beratung und Entscheidung zurück.
Um 09.25 Uhr erscheint Frau B. aus der Kanzlei S. als Vertreterin der Beklagten."
Es folgen die Urteilstenöre in acht Verfahren.
Am 28. September 2012 lehnte die Beklagte den Vorsitzenden der Kammer wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Bedingt durch die frühe Anreise aus Duisburg gegen 5.11 Uhr und der knappen Umsteigezeit in H. von nur 8 Minuten sei die Geschäftsstelle auf die Möglichkeit hingewiesen worden, dass der direkte Anschlusszug nach H. verpasst werden könnte. Dies würde eine Verspätung von einer Stunde nach sich ziehen. Sollte es hierzu kommen, werde die Geschäftsstelle informiert werden. Hierzu sei es jedoch nicht gekommen. Der Zug sei am Verhandlungstag um 9.00 Uhr in Magdeburg eingetroffen, so dass Rechtsanwältin B. gegen 9.15 Uhr den Sitzungssaal des SG erreicht habe. Hier habe sie jedoch niemanden angetroffen. Auf Nachfrage bei der Geschäftsstelle sei ihr mitgeteilt worden, die Kammer tage noch. Gegen 9.25 Uhr erschien die Kammer aus der Beratung. Der Vorsitzende habe erklärt, man habe bis 9.15 Uhr gewartet und sei aufgrund der Angaben davon ausgegangen, dass der Anschlusszug verspätet sei. Eine Stunde habe man nicht warten wollen.
In seiner dienstlichen Stellungnahme vom 5. November 2012 hat der Vorsitzende ergänzend angegeben: Ein Zuwarten auf das Erscheinen des Prozessbevollmächtigten der Beklagten mit einer Verzögerung von einer Stunde sei als nicht zweckmäßig bewertet worden.
Das SG hat die Beklagte mit Urteil vom 28. September 2012 antragsgemäß verurteilt, an die Klägerin 5 % Zinsen auf 627,75 vom 18. Mai 2009 bis zum 29. September 2010 zu zahlen. Das SG hat sich in der Begründung rechtlich der Auffassung des Landessozialgericht Sachsen-Anhalt in durch Urteile abgeschlossene Parallelverfahren der Beteiligten (L 4 KR 66/09) angeschlossen, was den Zinsanspruch der Klägerin rechtfertige. Das Urteil enthielt eine Rechtmittelbelehrung, nach dem das Urteil mit der Berufung angegriffen werden könne.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 2. November 2012 zugestellte Urteil am 9. November Nichtzulassungsbeschwerde beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und ausgeführt: Die angefochtene Entscheidung leide an einem wesentlichen Mangel des Verfahrens. Sie verletze den allgemeinen Gleichheitssatz sowie das Willkürverbot. Streitig sei ein Betrag von 42,99 EUR, so dass die Berufungssumme nicht erreicht sei und das SG eine fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung verwandt habe. Das Gericht habe die Interessen der Beklagten in gröblichster Weise außer Acht gelassen. Das LSG habe daher die Sache an das SG zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,
die Berufung zuzulassen und die Klage abzuweisen
sowie hilfsweise , das Verfahren an das SG Magdeburg
zurückzuverweisen.
Die Klägerin hat sich nicht geäußert.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 24. Januar 2013 hat der Berichterstatter darauf hingewiesen, dass ein Verfahrensmangel nur beachtlich sein könne, wenn die angegriffene Entscheidung auch darauf beruhe. Hieran könnten Zweifel bestehen, da das SG eine hinlänglich bekannte Rechtsprechung des LSG in Parallelverfahren angewandt habe und die Rechtsauffassung der Beklagten ohne neuen Sachvortrag aussichtslos sein dürfte. Die Beklagte habe daher darzulegen, dass die Entscheidung auf dem Verfahrensfehler beruhen könne, wobei die bloße Möglichkeit bereits ausreiche.
Hierzu hat die Beklagte ausgeführt: Es sei unbefriedigend, dass ein Urteil, das gegen Recht und Gesetz verstoße nur deshalb fortbestehen könne, weil das SG die Rechtsprechung des Rechtsmittelgerichts beachtet habe. Auch sei bei einer korrekten Durchführung der mündlichen Verhandlung eine andere Entscheidung des SG möglich gewesen.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
II.
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des SG vom 28. September 2012 ist nach § 145 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, jedoch unbegründet.
1. Die im Grundsatz nach § 143 SGG statthafte Berufung ist hier kraft Gesetzes nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 1 SGG ausgeschlossen, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,- EUR nicht übersteigt. Die Beklagte hat daher – entgegen der fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung des SG – zu Recht Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.
Nach § 145 Abs. 1 Satz 1 SGG kann die Nichtzulassung der Berufung durch das SG mit der Beschwerde angefochten werden. Die Beklagte hat diese form- und fristgerecht (§ 145 Abs. 1 Satz 2 SGG) eingelegt.
2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, da keine Zulassungsgründe bestehen. Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr.1), das Urteil von einer Entscheidung des LSG, des BSG, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2), oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.
a) Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG noch muss die Berufung wegen einer Divergenz im Sinne von § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG zugelassen werden. Die Beklagte hat hierzu bereits nichts vorgetragen.
b) Soweit die Beklagte meint, das Urteil beruhe auf einem wesentlichen Verfahrensmangel, was zur Zulassung der Berufung nach § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG führen müsse, kann dem nicht gefolgt werden.
Ein rechtserheblich geltend gemachter Verfahrensverstoß nach § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG setzt voraus, dass sich aus den vorgetragenen Tatsachen schlüssig ergibt, welche Verfahrensvorschrift als verletzt angesehen wird und warum das Urteil darauf beruhen kann. Die Beklagte hat zu Recht einen Verfahrensmangel gerügt (hierzu: aa). Das Urteil beruht jedoch nicht auf diesem Verfahrensmangel (hierzu: bb).
aa) Ein Verfahrensmangel ist ein Verstoß gegen eine Vorschrift, die das sozialgerichtliche Verfahren regelt. Insoweit können keine inhaltlichen Unrichtigkeiten eines Urteils gerügt werden (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 144 Rdn 34 a). Das SG hat bei der Durchführung der mündlichen Verhandlung vom 28. September 2012 das rechtliche Gehör der Beklagten aus Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verletzt. Diese Vorschrift gewährleistet jedem Verfahrensbeteiligten einen Anspruch darauf, sich vor dem Erlass einer gerichtlichen Entscheidung zu dem ihr zu Grunde liegenden Sachverhalt zu äußern (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. März 2006, 2 BvR 1104/05, zitiert nach juris). Die Durchführung der mündlichen Verhandlung ist geradezu als Inbegriff der Ausprägung des rechtlichen Gehörs anzusehen.
Wenn Hinweise dafür bestehen, dass ein Prozessbeteiligter wegen einer längeren Anfahrt mit der Bahn typischen und bereits mitgeteilten Verspätungsrisiken unterliegt, hat das Gericht davon auszugehen, dass der Prozessbeteiligte unbedingt an der mündlichen Verhandlung teilnehmen will und sein weiteres Vorgehen hieran auszurichten (vgl. ausführlich mit zutreffender Begründung OLG München, Beschluss vom 26. August 2008, 5St RR 167/08, zitiert nach juris). So lag der Fall hier. In Anbetracht der Reise des Prozessbevollmächtigten der Beklagten mit dem Zug von D. nach H. mit Umstieg in H. musste das SG mit reisetypischen Verspätungen rechnen, die außerhalb der Einflussmöglichkeiten der Beklagten lagen und daher als unverschuldet hätten gewertet werden müssen. Hierauf hatte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten das SG noch am Vortrag des Termins ausdrücklich hingewiesen und damit zugleich seine feste Teilnahmeabsicht bekräftigt. Unter Berücksichtigung auch des Umfangs des Termins mit zehn Verfahren derselben Beteiligten, die sich bereits in zahlreichen früheren Verfahren mit gleicher Problematik gegenüber gestanden haben, konnte kein Zweifel daran bestehen, dass sich der Beklagtenvertreter auch an diesem Sitzungstag auf dem Weg zum Gericht befand. Ungewiss waren bei Sitzungsbeginn lediglich der genaue Verspätungsumfang sowie die Gründe für die eingetretene Verspätung. Angesichts dessen hätte sich das SG gedrängt fühlen müssen, die Sitzung zu unterbrechen, um Erkundigungen über den Grund und das Ausmaß der Verspätung einzuholen. In Anbetracht der Gesamtumstände hätte das SG annehmen müssen, dass sich der Bevollmächtigte der Beklagten auf dem Weg zum Gericht möglicherweise unverschuldet verspätet hatte. Das SG hätte daher Rücksprache mit der Kanzlei des Beklagtenvertreters aufnehmen müssen, um seinen aktuellen Aufenthaltsort zu ermitteln oder zumindest die Sitzung für eine Stunde unterbrechen müssen. Statt dessen hat das Gericht ab 9.00 Uhr in zehn Verfahren in ungewöhnlich kurzer Zeit den Sachverhalt vorgetragen, die Anträge der Klägerin aufgenommen sowie die Sachverhalte geheim beraten und damit den Anschein gesetzt, zu Lasten der Beklagten "kurzen Prozess" zu machen. Auch die letzte Möglichkeit, diesen offenkundig schweren Verfahrensfehler zu Lasten der Beklagten zu heilen, hat das SG beim Auftreten der Prozessbevollmächtigten der Beklagten um 9.25 Uhr unmittelbar vor der Verkündung der Entscheidung ungenutzt verstreichen lassen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war das SG aus dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs gehalten, wieder in die mündliche Verhandlung und Beweisaufnahme einzutreten. Schließlich war durch das Erscheinen von Rechtsanwältin B. offenkundig geworden, dass sich die Beklagte um weniger als eine Stunde verspätet hatte. Gleichwohl hat das SG laut Protokoll in acht Verfahren Urteile verkündet und damit den wesentlichen Verfahrensfehler im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG besiegelt.
bb) Dieser klare und auch schwerwiegende Verfahrensverstoß genügt jedoch allein noch nicht für die Zulassung der Berufung. Erforderlich ist zusätzlich, dass die angegriffene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann. Dies kann im vorliegenden Ausnahmefall jedoch sicher ausgeschlossen werden. Selbst bei korrekter Durchführung der mündlichen Verhandlung hätte das SG bei dieser Sachverhaltskonstellation nicht zu einem anderen Ergebnis kommen können. Zwar bedarf es grundsätzlich keines weiteren Vortrages, wenn eine Prozesspartei behauptet, sie sei um ihr Recht auf mündliche Verhandlung gebracht worden. Dies gilt jedoch nicht uneingeschränkt (so zur Vermeidung von völlig aussichtslosen Revisionen: BSG, Beschluss vom 9. Juni 2004, B 12 KR 16/02 B, zitiert nach juris). Das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt hat in zahlreichen Verfahren mit denselben Beteiligten und entsprechenden Parallelsachverhalten (L 4 KR 66/09; L 4 KR 68/99; L 4 KR 1/10; L 4 KR 8/10; L 4 KR 86/11; L 4 KR 91/11; L 4 KR 68/11 NZB; L 4 KR 73/11 NZB) die Beklagte regelmäßig verurteilt und in jedem einzelnen Fall deren Rechtsauffassung unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG abgelehnt. Sofern die Beklagte dagegen Rechtsmittel eingelegt hatte, blieben diese mit einer Ausnahme (verfahrensrechtliche Frage zur Berichtigung einer Entscheidungsformel bei der Verkündung eines Urteils) bisher jeweils erfolglos. Auf die hinlänglich bekannten Begründungen des Senats zu den Begründungspflichten des Krankenhauses gegenüber der Krankenkasse und den Wirkungen der Mediationsvereinbarung der Beteiligten wird Bezug genommen. Die vorliegende Fallkonstellation wurde in diesen zahlreichen Parallelverfahren hinlänglich aufbereitet, ohne dass es der Beklagten auch nur in einem Fall gelungen ist, die Kernfehler ihrer verwaltungstechnischen Vorgehensweise gegenüber der Klägerin und ihrer Rechtsauffassung auszuräumen. Diese Rechtsprechung hat das SG zutreffend berücksichtigt und zum Gegenstand der eigenen Prüfung und Entscheidungsfindung gemacht. Auch auf Nachfrage konnte die Beklagte keinen möglicherweise beachtlichen neuen Sachvortrag geltend machen, den das SG am 28. September 2012 hätte berücksichtigen können. Daher ist es im vorliegenden Fall ausgeschlossen, dass das SG bei korrekter Durchführung der mündlichen Verhandlung zu einer anderen Bewertung hätte kommen können. Gegenteiliges hat die Beklagte auch nicht geltend gemacht, sondern sich auf die schlichte Ergebnisbehauptung beschränkt, die Anhörung der Beklagten hätte möglicherweise zu einer anderen Entscheidung des SG geführt. Da es nicht Sinn des Nichtzulassungsverfahrens sein kann, eine Berufung zuzulassen, die sogleich wegen offensichtlicher Aussichtslosigkeit in rechtlicher Hinsicht durch Beschluss des LSG nach § 153 Abs. 4 SGG wieder zurückgewiesen werden müsste (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 12. Februar 2007, L 7 SO 2173/06 NZB, zitiert nach juris; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer a.a.O., § 144 Rdn 35), kann der oben festgestellte klare Verfahrensverstoß hier ausnahmsweise keine Zulassung der Berufung rechtfertigen. Schließlich hätte der Senat in diesem Fall die Berufung im Beschlusswege als offensichtlich aussichtslos wieder zurückweisen müssen.
3. Das Verfahren war aus denselben Gründen auch nicht nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG an das Sozialgericht zurückzuverweisen. Dabei kann offenbleiben, ob eine Zurückverweisung nach dieser Vorschrift eine zulässige bzw. zugelassene Berufung voraussetzt. Zumindest ist eine Zurückverweisung ausgeschlossen, wenn die Sache, wie hier, bereits entscheidungsreif ist (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O. § 159 Rdn 5b).
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 197 a SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das BSG angefochten werden (§ 177 SGG). Mit dieser Entscheidung wird das Urteil des SG gemäß § 145 Abs. 4 SGG rechtskräftig.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 und § 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auf 42,99 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Streitig sind noch die Zinsen und die Kosten des Verfahrens, nachdem die Beklagte zwischenzeitlich die Forderung der Klägerin wegen erbrachter Krankenhausleistungen beglichen hatte.
Die Klägerin ist Trägerin des Fachkrankenhauses für Psychiatrie, Psychotherapie, Neurologie und psychosomatische Medizin in J. (im Folgenden: Krankenhaus), das in den Krankenhausplan des Landes Sachsen-Anhalt aufgenommen ist. Der bei der Beklagten versicherte O. (im Folgenden: der Versicherte) wurde am 7. April 2009 mit den Aufnahmediagnosen
Psychische Verhaltensstörungen durch Alkohol mit Intoxikation, Abhängigkeits- und Entzugssyndrom
auf Einweisung eines Hausarztes in die Fachabteilung Allgemeine Psychiatrie des Krankenhauses stationär aufgenommen. Die Klägerin übermittelte noch am selben Tag Daten nach § 301 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V). Als voraussichtliches Behandlungsende war der 17. April 2009 bezeichnet. Tatsächlich war der Versicherte an diesem Tag auch entlassen worden. Die Aufnahmeanzeige umfasste die Stammdaten der Versicherten (Versicherungs-Nr., Vor- und Nachname, Geburtsdatum, Geschlecht, Institutionskennzeichen des Krankenhauses, Detaildaten über die Aufnahme einschließlich der Angaben des einweisenden Arztes mittels dessen Arztnummer sowie die Aufnahmediagnose). Der Versicherte wurde stationär in der Station für Allgemeine Psychiatrie behandelt.
Die Beklagte erteilte hierüber eine bis zum 13. April 2009 beschränkte Kostenübernahmeerklärung. Mit Schreiben vom 9. April 2009 bestätigte die Beklagte die Aufnahme ihres Versicherten und kündigte eine Überprüfung an, da eine Diskrepanz zwischen Aufnahmediagnose und der voraussichtlichen Verweildauer über den 13. April 2009 hinaus bestehe. Dies mache eine weitere Begründung der Klägerin notwendig. Dem trat die Klägerin im Schreiben vom 20. April 2009 entgegen: Sie halte eine Krankenhausbehandlung für erforderlich. Sollte die Beklagte dies anders sehen, stehe es ihr frei, den medizinischen Sachverhalt durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) überprüfen zu lassen.
Mit Rechnung vom 23. April 2009 machte das Krankenhaus gegenüber der Beklagten eine Forderung in Höhe von 2.155,49 EUR geltend. Am selben Tage erinnerte die Beklagte an die Übersendung einer medizinischen Begründung und verweigerte am 7. Mai 2009 mangels erfolgter Begründung die vollständige Zahlung. Dagegen wendete das Krankenhaus am 19. Mai 2009 ein, die stationäre Behandlung sei ärztlich geprüft worden und bis zum 17. April 2009 erforderlich gewesen. Mit Schreiben vom 24. Juni 2009 zog die Beklagte für die Behandlung vom 14. April bis 17. April 2009 einen Betrag von 627,75 EUR von der Rechnung vom 23. April 2009 ab. Am 9. Juli 2009 widersprach die Klägerin dieser Vorgehensweise.
Die Klägerin hat am 7. September 2009 Klage beim Sozialgericht Magdeburg (SG) auf Zahlung von 627,75 EUR nebst Zinsen erhoben und vorgetragen: Die Beklagte mache zu Unrecht ein imaginäres Zurückbehaltungsrecht geltend und meine, ohne Einschaltung des MDK medizinische Begründungen vom Krankenhaus verlangen zu können. Offensichtlich versuche sie dabei zu Lasten der Klägerin die gesetzliche Regelung des § 275 Abs. 1c SGB V zu umgehen. Zwischenzeitlich habe diese rechtswidrige Praxis der Beklagten zu Zahlungsrückständen von ca. 200.000,- EUR geführt. Der Zinsanspruch beruhe auf § 7 der Budget- und Entgeltvereinbarung für das Jahr 2008. Nach Überschreiten des Fälligkeitstermins stehe der Klägerin auch ohne eine gesonderte Mahnung ein Verzugszins in Höhe von fünf Prozent zu.
Die Beklagte hat demgegenüber geltend gemacht: Ihr stehe ein Zurückbehaltungsrecht zu. Die Klägerin habe ihre Informationspflichten gemäß § 301 SGB V nicht erfüllt. Einen Automatismus, wonach jedes Verfahren gemäß § 275 SGB V dem MDK zur Prüfung vorgelegt werden müsse, sehe das Gesetz nicht vor. Das Krankenhaus verstoße gegen seine Informationspflichten, wenn es angeforderte Informationen ohne substantiierten Hinweis formelhaft ablehne.
Die Beteiligten haben im Jahr 2010 in Parallelverfahren (Aktenzeichen AR 10/10 M bis AR 14/10 M) Mediationen beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt geführt. Der Inhalt der dort geschlossenen Vereinbarung ist gerichtsbekannt. Nach dem Protokoll der Mediationssitzung des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt in den Verfahren AR 10/10 M bis AR 14/10 M vom 25. Oktober 2010 haben die Beteiligten folgende Vereinbarung getroffen:
"1. Der Mediator wird den Beteiligten umgehend drei in Betracht kommende mögliche Sachverständige zur Auswahl vorschlagen. Die Beteiligten einigen sich auf eine dieser Personen als Gutachter. Der Gutachter soll in den aufgeführten Verfahren jeweils folgende Fragen beantworten und den Beteiligten hierzu jeweils einen Vorschlag unterbreiten:
- War die Aufnahme zur vollstationären/teilstationären Behandlung medizinisch notwendig?
- War die Verweildauer medizinisch gerechtfertigt?
Die Beteiligten verpflichten sich, sich dem Spruch des Gutachters zu unterwerfen.
2. Die Beteiligten werden zu gegebener Zeit für die beim Sozialgericht Magdeburg bzw. beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt anhängigen Rechtsstreite prozessbeendende Erklärungen abgeben und diese dem Mediator zuleiten.
- Laut diktiert, vorgespielt und genehmigt - "
Mit Schreiben vom 1. März 2011 hat die Klägerin das Mediationsverfahren für gescheitert erklärt und mitgeteilt, die Beklagte habe 627,75 EUR am 29. September 2010 gezahlt, sodass nur noch über die Zinsen und Kosten gestritten werde.
Hierzu hat die Beklagte erklärt: Das Mediationsverfahren sei nicht gescheitert. Die Klägerin könne daher das Klageverfahren nicht weiter betreiben. Das Mediationsverfahren entfalte eine prozesshemmende Wirkung für dieses Gerichtsverfahren. Im Übrigen sei im Mediationsverfahren zwischen den Beteiligten auch in diesem Fall eine Einigung über die Hauptforderung erzielt worden. Die Beklagte habe gezahlt, wenn sie nach Prüfung der Vorgänge zu einer Zahlungspflicht gelangt sei. Bezüglich der Nebenforderungen (Zinsen, Kosten) sei keine Einigung erzielt worden. Darüber hätten sich die Beteiligten außerhalb des Mediationsverfahrens einigen wollen. Nun sei das Mediationsverfahren aber nicht so verlaufen, wie es sich die Beteiligten gedacht hätten. Während die Klägerin vom Scheitern der Mediation ausgehe, sehe dies die Beklagte anders, was verfahrensrechtlich zu bewerten sei.
Im Protokoll der mündlichen Verhandlung des SG vom 28. September 2012 finden sich für die Verfahren S 7 KR 238/09, S 7 KR 218/09, S 7 KR 222/09, S 7 KR 224/09, S 7 KR 224/09, S 7 KR 228/09, S 7 KR 234/09, S 7 KR 258/09, S 7 KR 214/09, S 7 KR 384/09, S 7 KR 382/09 folgende Ausführungen:
"Beginn der Sitzung: 09:00 Uhr
Ende der Sitzung: 09.31 Uhr
Bei Aufruf der Sache erschienen:
Für die Klägerin Frau Rechtsanwältin S.
Für die Beklagte niemand
Rechtsanwalt S. hatte gestern telefonisch mitgeteilt, dass er gegebenenfalls erst gegen 10:00 Uhr Magdeburg erreichen kann, falls er den Anschlusszug in H. verpasst.
Begonnen wird mit dem Verfahren S 7 KR 238/09.
Der Vorsitzende eröffnet die mündliche Verhandlung und trägt den Sachverhalt vor. Sodann erhalten die Beteiligten das Wort. Die Sach- und Rechtslage wird mit der Prozessbevollmächtigten der Klägerin erörtert."
Es folgen Klageanträge der Klägerin in acht Sachen. Die Verfahren S 7 KR 384/09 und S 7 KR 382/09 wurden vertagt, da die Verwaltungsakten nicht vorlagen.
"Der Vorsitzende erklärt die mündliche Verhandlung für geschlossen. Die Kammer zieht sich zur Beratung und Entscheidung zurück.
Um 09.25 Uhr erscheint Frau B. aus der Kanzlei S. als Vertreterin der Beklagten."
Es folgen die Urteilstenöre in acht Verfahren.
Am 28. September 2012 lehnte die Beklagte den Vorsitzenden der Kammer wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. Bedingt durch die frühe Anreise aus Duisburg gegen 5.11 Uhr und der knappen Umsteigezeit in H. von nur 8 Minuten sei die Geschäftsstelle auf die Möglichkeit hingewiesen worden, dass der direkte Anschlusszug nach H. verpasst werden könnte. Dies würde eine Verspätung von einer Stunde nach sich ziehen. Sollte es hierzu kommen, werde die Geschäftsstelle informiert werden. Hierzu sei es jedoch nicht gekommen. Der Zug sei am Verhandlungstag um 9.00 Uhr in Magdeburg eingetroffen, so dass Rechtsanwältin B. gegen 9.15 Uhr den Sitzungssaal des SG erreicht habe. Hier habe sie jedoch niemanden angetroffen. Auf Nachfrage bei der Geschäftsstelle sei ihr mitgeteilt worden, die Kammer tage noch. Gegen 9.25 Uhr erschien die Kammer aus der Beratung. Der Vorsitzende habe erklärt, man habe bis 9.15 Uhr gewartet und sei aufgrund der Angaben davon ausgegangen, dass der Anschlusszug verspätet sei. Eine Stunde habe man nicht warten wollen.
In seiner dienstlichen Stellungnahme vom 5. November 2012 hat der Vorsitzende ergänzend angegeben: Ein Zuwarten auf das Erscheinen des Prozessbevollmächtigten der Beklagten mit einer Verzögerung von einer Stunde sei als nicht zweckmäßig bewertet worden.
Das SG hat die Beklagte mit Urteil vom 28. September 2012 antragsgemäß verurteilt, an die Klägerin 5 % Zinsen auf 627,75 vom 18. Mai 2009 bis zum 29. September 2010 zu zahlen. Das SG hat sich in der Begründung rechtlich der Auffassung des Landessozialgericht Sachsen-Anhalt in durch Urteile abgeschlossene Parallelverfahren der Beteiligten (L 4 KR 66/09) angeschlossen, was den Zinsanspruch der Klägerin rechtfertige. Das Urteil enthielt eine Rechtmittelbelehrung, nach dem das Urteil mit der Berufung angegriffen werden könne.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 2. November 2012 zugestellte Urteil am 9. November Nichtzulassungsbeschwerde beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und ausgeführt: Die angefochtene Entscheidung leide an einem wesentlichen Mangel des Verfahrens. Sie verletze den allgemeinen Gleichheitssatz sowie das Willkürverbot. Streitig sei ein Betrag von 42,99 EUR, so dass die Berufungssumme nicht erreicht sei und das SG eine fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung verwandt habe. Das Gericht habe die Interessen der Beklagten in gröblichster Weise außer Acht gelassen. Das LSG habe daher die Sache an das SG zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,
die Berufung zuzulassen und die Klage abzuweisen
sowie hilfsweise , das Verfahren an das SG Magdeburg
zurückzuverweisen.
Die Klägerin hat sich nicht geäußert.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 24. Januar 2013 hat der Berichterstatter darauf hingewiesen, dass ein Verfahrensmangel nur beachtlich sein könne, wenn die angegriffene Entscheidung auch darauf beruhe. Hieran könnten Zweifel bestehen, da das SG eine hinlänglich bekannte Rechtsprechung des LSG in Parallelverfahren angewandt habe und die Rechtsauffassung der Beklagten ohne neuen Sachvortrag aussichtslos sein dürfte. Die Beklagte habe daher darzulegen, dass die Entscheidung auf dem Verfahrensfehler beruhen könne, wobei die bloße Möglichkeit bereits ausreiche.
Hierzu hat die Beklagte ausgeführt: Es sei unbefriedigend, dass ein Urteil, das gegen Recht und Gesetz verstoße nur deshalb fortbestehen könne, weil das SG die Rechtsprechung des Rechtsmittelgerichts beachtet habe. Auch sei bei einer korrekten Durchführung der mündlichen Verhandlung eine andere Entscheidung des SG möglich gewesen.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
II.
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des SG vom 28. September 2012 ist nach § 145 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, jedoch unbegründet.
1. Die im Grundsatz nach § 143 SGG statthafte Berufung ist hier kraft Gesetzes nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 1 SGG ausgeschlossen, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,- EUR nicht übersteigt. Die Beklagte hat daher – entgegen der fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung des SG – zu Recht Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.
Nach § 145 Abs. 1 Satz 1 SGG kann die Nichtzulassung der Berufung durch das SG mit der Beschwerde angefochten werden. Die Beklagte hat diese form- und fristgerecht (§ 145 Abs. 1 Satz 2 SGG) eingelegt.
2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, da keine Zulassungsgründe bestehen. Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr.1), das Urteil von einer Entscheidung des LSG, des BSG, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2), oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.
a) Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG noch muss die Berufung wegen einer Divergenz im Sinne von § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG zugelassen werden. Die Beklagte hat hierzu bereits nichts vorgetragen.
b) Soweit die Beklagte meint, das Urteil beruhe auf einem wesentlichen Verfahrensmangel, was zur Zulassung der Berufung nach § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG führen müsse, kann dem nicht gefolgt werden.
Ein rechtserheblich geltend gemachter Verfahrensverstoß nach § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG setzt voraus, dass sich aus den vorgetragenen Tatsachen schlüssig ergibt, welche Verfahrensvorschrift als verletzt angesehen wird und warum das Urteil darauf beruhen kann. Die Beklagte hat zu Recht einen Verfahrensmangel gerügt (hierzu: aa). Das Urteil beruht jedoch nicht auf diesem Verfahrensmangel (hierzu: bb).
aa) Ein Verfahrensmangel ist ein Verstoß gegen eine Vorschrift, die das sozialgerichtliche Verfahren regelt. Insoweit können keine inhaltlichen Unrichtigkeiten eines Urteils gerügt werden (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 144 Rdn 34 a). Das SG hat bei der Durchführung der mündlichen Verhandlung vom 28. September 2012 das rechtliche Gehör der Beklagten aus Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verletzt. Diese Vorschrift gewährleistet jedem Verfahrensbeteiligten einen Anspruch darauf, sich vor dem Erlass einer gerichtlichen Entscheidung zu dem ihr zu Grunde liegenden Sachverhalt zu äußern (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. März 2006, 2 BvR 1104/05, zitiert nach juris). Die Durchführung der mündlichen Verhandlung ist geradezu als Inbegriff der Ausprägung des rechtlichen Gehörs anzusehen.
Wenn Hinweise dafür bestehen, dass ein Prozessbeteiligter wegen einer längeren Anfahrt mit der Bahn typischen und bereits mitgeteilten Verspätungsrisiken unterliegt, hat das Gericht davon auszugehen, dass der Prozessbeteiligte unbedingt an der mündlichen Verhandlung teilnehmen will und sein weiteres Vorgehen hieran auszurichten (vgl. ausführlich mit zutreffender Begründung OLG München, Beschluss vom 26. August 2008, 5St RR 167/08, zitiert nach juris). So lag der Fall hier. In Anbetracht der Reise des Prozessbevollmächtigten der Beklagten mit dem Zug von D. nach H. mit Umstieg in H. musste das SG mit reisetypischen Verspätungen rechnen, die außerhalb der Einflussmöglichkeiten der Beklagten lagen und daher als unverschuldet hätten gewertet werden müssen. Hierauf hatte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten das SG noch am Vortrag des Termins ausdrücklich hingewiesen und damit zugleich seine feste Teilnahmeabsicht bekräftigt. Unter Berücksichtigung auch des Umfangs des Termins mit zehn Verfahren derselben Beteiligten, die sich bereits in zahlreichen früheren Verfahren mit gleicher Problematik gegenüber gestanden haben, konnte kein Zweifel daran bestehen, dass sich der Beklagtenvertreter auch an diesem Sitzungstag auf dem Weg zum Gericht befand. Ungewiss waren bei Sitzungsbeginn lediglich der genaue Verspätungsumfang sowie die Gründe für die eingetretene Verspätung. Angesichts dessen hätte sich das SG gedrängt fühlen müssen, die Sitzung zu unterbrechen, um Erkundigungen über den Grund und das Ausmaß der Verspätung einzuholen. In Anbetracht der Gesamtumstände hätte das SG annehmen müssen, dass sich der Bevollmächtigte der Beklagten auf dem Weg zum Gericht möglicherweise unverschuldet verspätet hatte. Das SG hätte daher Rücksprache mit der Kanzlei des Beklagtenvertreters aufnehmen müssen, um seinen aktuellen Aufenthaltsort zu ermitteln oder zumindest die Sitzung für eine Stunde unterbrechen müssen. Statt dessen hat das Gericht ab 9.00 Uhr in zehn Verfahren in ungewöhnlich kurzer Zeit den Sachverhalt vorgetragen, die Anträge der Klägerin aufgenommen sowie die Sachverhalte geheim beraten und damit den Anschein gesetzt, zu Lasten der Beklagten "kurzen Prozess" zu machen. Auch die letzte Möglichkeit, diesen offenkundig schweren Verfahrensfehler zu Lasten der Beklagten zu heilen, hat das SG beim Auftreten der Prozessbevollmächtigten der Beklagten um 9.25 Uhr unmittelbar vor der Verkündung der Entscheidung ungenutzt verstreichen lassen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war das SG aus dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs gehalten, wieder in die mündliche Verhandlung und Beweisaufnahme einzutreten. Schließlich war durch das Erscheinen von Rechtsanwältin B. offenkundig geworden, dass sich die Beklagte um weniger als eine Stunde verspätet hatte. Gleichwohl hat das SG laut Protokoll in acht Verfahren Urteile verkündet und damit den wesentlichen Verfahrensfehler im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG besiegelt.
bb) Dieser klare und auch schwerwiegende Verfahrensverstoß genügt jedoch allein noch nicht für die Zulassung der Berufung. Erforderlich ist zusätzlich, dass die angegriffene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann. Dies kann im vorliegenden Ausnahmefall jedoch sicher ausgeschlossen werden. Selbst bei korrekter Durchführung der mündlichen Verhandlung hätte das SG bei dieser Sachverhaltskonstellation nicht zu einem anderen Ergebnis kommen können. Zwar bedarf es grundsätzlich keines weiteren Vortrages, wenn eine Prozesspartei behauptet, sie sei um ihr Recht auf mündliche Verhandlung gebracht worden. Dies gilt jedoch nicht uneingeschränkt (so zur Vermeidung von völlig aussichtslosen Revisionen: BSG, Beschluss vom 9. Juni 2004, B 12 KR 16/02 B, zitiert nach juris). Das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt hat in zahlreichen Verfahren mit denselben Beteiligten und entsprechenden Parallelsachverhalten (L 4 KR 66/09; L 4 KR 68/99; L 4 KR 1/10; L 4 KR 8/10; L 4 KR 86/11; L 4 KR 91/11; L 4 KR 68/11 NZB; L 4 KR 73/11 NZB) die Beklagte regelmäßig verurteilt und in jedem einzelnen Fall deren Rechtsauffassung unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG abgelehnt. Sofern die Beklagte dagegen Rechtsmittel eingelegt hatte, blieben diese mit einer Ausnahme (verfahrensrechtliche Frage zur Berichtigung einer Entscheidungsformel bei der Verkündung eines Urteils) bisher jeweils erfolglos. Auf die hinlänglich bekannten Begründungen des Senats zu den Begründungspflichten des Krankenhauses gegenüber der Krankenkasse und den Wirkungen der Mediationsvereinbarung der Beteiligten wird Bezug genommen. Die vorliegende Fallkonstellation wurde in diesen zahlreichen Parallelverfahren hinlänglich aufbereitet, ohne dass es der Beklagten auch nur in einem Fall gelungen ist, die Kernfehler ihrer verwaltungstechnischen Vorgehensweise gegenüber der Klägerin und ihrer Rechtsauffassung auszuräumen. Diese Rechtsprechung hat das SG zutreffend berücksichtigt und zum Gegenstand der eigenen Prüfung und Entscheidungsfindung gemacht. Auch auf Nachfrage konnte die Beklagte keinen möglicherweise beachtlichen neuen Sachvortrag geltend machen, den das SG am 28. September 2012 hätte berücksichtigen können. Daher ist es im vorliegenden Fall ausgeschlossen, dass das SG bei korrekter Durchführung der mündlichen Verhandlung zu einer anderen Bewertung hätte kommen können. Gegenteiliges hat die Beklagte auch nicht geltend gemacht, sondern sich auf die schlichte Ergebnisbehauptung beschränkt, die Anhörung der Beklagten hätte möglicherweise zu einer anderen Entscheidung des SG geführt. Da es nicht Sinn des Nichtzulassungsverfahrens sein kann, eine Berufung zuzulassen, die sogleich wegen offensichtlicher Aussichtslosigkeit in rechtlicher Hinsicht durch Beschluss des LSG nach § 153 Abs. 4 SGG wieder zurückgewiesen werden müsste (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 12. Februar 2007, L 7 SO 2173/06 NZB, zitiert nach juris; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer a.a.O., § 144 Rdn 35), kann der oben festgestellte klare Verfahrensverstoß hier ausnahmsweise keine Zulassung der Berufung rechtfertigen. Schließlich hätte der Senat in diesem Fall die Berufung im Beschlusswege als offensichtlich aussichtslos wieder zurückweisen müssen.
3. Das Verfahren war aus denselben Gründen auch nicht nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG an das Sozialgericht zurückzuverweisen. Dabei kann offenbleiben, ob eine Zurückverweisung nach dieser Vorschrift eine zulässige bzw. zugelassene Berufung voraussetzt. Zumindest ist eine Zurückverweisung ausgeschlossen, wenn die Sache, wie hier, bereits entscheidungsreif ist (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O. § 159 Rdn 5b).
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 197 a SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das BSG angefochten werden (§ 177 SGG). Mit dieser Entscheidung wird das Urteil des SG gemäß § 145 Abs. 4 SGG rechtskräftig.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 und § 47 Abs. 1 Gerichtskostengesetz.
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