L 5 AS 66/08

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 21 AS 1805/07
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 66/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Übernahme von Kosten für Rechnungen eines Steuerberaters als Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).

Die am ... 1964 geborene Klägerin bezog ab Januar 2005 gemeinsam mit ihrer am ... 1995 geborenen Tochter als Bedarfsgemeinschaft laufende Leistungen nach dem SGB II.

Die Klägerin hatte ab dem 1. März 2006 ein Gewerbe "Kartenlegen, Erstellung von Horoskopbucherstellung" angemeldet. Sie hatte am 14. Februar 2006 die Bewilligung von Einstiegsgeld beantragt und in einem Begleitschreiben vom 1. Februar 2006 angegeben, " ... es wird eine Einnahmen-, Ausgabenbuchhaltung geführt". Ferner hatte sie eine "Stellungnahme der fachkundigen Stelle zur Tragfähigkeit der Existenzgründung" des Steuerberaters A. S. vom 7. Februar 2006 vorgelegt. Dieser hatte zudem unter dem 20. März 2006 bestätigt, die Klägerin seit dem 1. März 2006 im Rahmen ihrer selbstständigen Tätigkeit steuerlich zu betreuen. Ferner hatte er am 9. August 2006 mitgeteilt, dass voraussichtlich erst im Jahr 2007 mit Einnahmen zu rechnen sei. Rechnungen für in diesem Zusammenhang entstandene Aufwendungen existieren nicht.

Der Steuerberater stellte der Klägerin mehrere Rechnungen für jeweils im Rechnungsmonat erbrachte Leistungen für Buchführung, Zeitgebühren sowie Steuererklärungen für die Jahre 2006 bis 2009, von denen die Klägerin keine beglich. Nach Mitteilung des Steuerberaters im Schriftsatz vom 11. Januar 2013 an den Bevollmächtigten der Klägerin handele sich um einen Gesamtbetrag von 1.712,41 EUR.

Der Beklagte hatte mit Änderungsbescheid vom 13. März 2006 wegen der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit der Klägerin nur noch vorläufige Leistungen bewilligt und das von ihr prognostizierte Einkommen zu Grunde gelegt. Die Vorläufigkeit gelte bis zur Einreichung einer Prognose des Steuerberaters (auch BWA) und bis zur Vorlage des Steuerbescheids für das Jahr 2006 nur vorläufig. Im Zeitraum zwischen November 2006 und Oktober 2007 erhielten die Klägerin und ihre Tochter Leistungen ohne Anrechnung von Einkommen (Bescheide vom 26. Oktober 2006 und vom 30. März 2007 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 31. Mai 2007).

Der Beklagte hatte der Klägerin von März bis August 2006 sowie von September 2006 bis Februar 2007 Einstiegsgeld nach § 16 Abs. II Nr. 5 und § 29 SGB II bewilligt (Bescheide vom 8. März und 13. September 2006).

Im Rahmen des Antrags auf weitere Verlängerung des Einstiegsgelds vom 15. Februar 2007 gab die Klägerin an, 2006 noch keine Gewinne erzielt zu haben, diese seien jedoch für das Jahr 2007 zu erwarten. Daraufhin forderte der Beklagte unter dem 1. März 2007 weitere Unterlagen. Das Schreiben lautet: " sie haben einen Verlängerungsantrag auf Einstiegsgeld gestellt. Bitte reichen Sie baldmöglichst - Nachweise ihrer Geschäftstätigkeit der letzten 6 Monate (Gewinn- und Verlustrechnung) - Akt. Rentabilitätsvorschau für das 2. Geschäftsjahr (ab 01.03.07) - Bestätigung der Tragfähigkeit Bitte lassen Sie sich die Unterlagen von Ihrem Steuerberater erstellen. "

Die Klägerin legte am 3. April 2007 eine von dem Steuerberater unter dem 28. März 2007 unterschriebene "Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG vom 01.03.2006 bis 31.12.2006" vor. Nach der beigefügten Gebührenrechnung vom 27. März 2007 forderte der Steuerberater "für die im Kalendermonat des Rechnungsdatums erbrachten Leistungen für Überschussermittlung aus Gewerbebetrieb" 268,94 EUR. Die Gewinnermittlung vom 28. März 2007 war auch Grundlage der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2006 - unbekannten Datums - und des Einkommensteuerbescheids 2006 des Finanzamts M. II vom 29. Juni 2007.

Am 16. April 2007 ging per Telefax eine Ertragsvorschau 2007 beim Beklagten ein, deren Urheber nicht ausgewiesen ist.

Mit Bescheid vom 2. Mai 2007 bewilligte der Beklagte abermals Einstiegsgeld von März bis August 2007.

Die Klägerin legte mit Schreiben vom 7. Juni 2007 eine weitere Rechnung des Steuerberaters vom 22. Mai 2007 über einen Abschlag auf die Buchführung Januar bis März 2007 i.H.v. 109,48 EUR vor. Gleichzeitig beantragte sie die Kostenübernahme der beiden Rechnungen. Sie könne diese aus dem erzielten Umsatz noch nicht begleichen.

Der Beklagte lehnte eine Kostenübernahme mit Bescheid vom 25. Juni 2007 ab. Die Kosten könnten nicht als Beihilfe gewährt werden, da sie nicht zum lebensnotwendigen Bedarf gehörten. Des Weiteren seien sie auch nicht im Leistungskatalog für zu übernehmende Beihilfen enthalten. Auf Antrag komme ein Darlehen nach § 23 SGB II in Betracht.

In ihrem dagegen gerichteten Widerspruch machte die Klägerin geltend, die vom Beklagten verlangten Unterlagen seien steuerrechtlich nicht notwendig und eine extra zu vergütende Zusatzleistung. Folglich habe der Beklagte die entstandenen Kosten zu tragen.

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 6. September 2007 als unbegründet zurück. Eine Übernahme nach § 22 Abs. 1 SGB II als Darlehen scheide aus, da Steuerberatungskosten nicht von der Regelleistung umfasst seien. Auch eine Kostenübernahme nach § 23 Abs. 3 SGB II scheide aus, da die Sonderleistungen abschließend geregelt seien. Schließlich sei auch eine Erstattung gemäß § 16 Abs. 1 SGB II nicht möglich. Sämtliche im Zusammenhang mit dem Gewerbe stehenden Kosten gehörten nicht zu den Leistungen, die zur Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit beitragen könnten. Im Übrigen würden die Kosten des Steuerberaters bei der Anrechnung des Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit als Werbungskosten angerechnet; eine Doppelberücksichtigung komme nicht in Betracht.

Dagegen hat die Klägerin am 10. September 2007 beim Sozialgericht Magdeburg Klage erhoben. Der Beklagte sei nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen gehalten, die ihr entstandenen Aufwendungen zu erstatten, da er die Bestätigung eines Steuerberaters verlangt habe. Angesichts des geringen Einkommens nütze ihr auch keine Berücksichtigung als Betriebsausgabe. Letztlich gehe es um die Kosten einer Sachverhaltsermittlung, welche Sache des Beklagten sei.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 3. März 2008 abgewiesen. Ein Anspruch ergebe sich nicht aus § 23 Abs. 1 SGB II, da Steuerberatungskosten von der Regelleistung nicht erfasst seien. Auch § 23 Abs. 3 SGB III sei nicht anwendbar, da die Sonderleistungen abschließend geregelt seien. Eine analoge Anwendung der Vorschrift komme nicht in Betracht. Ebenso wenig sei § 16 Abs. 1 SGB II zutreffend, da von Leistungen zur Eingliederung in die Arbeit nicht gesprochen werden könne. Ein Anspruch ergebe sich auch nicht aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen. Vielmehr könnten Steuerberatungskosten als Werbungskosten geltend gemacht werden. Unerheblich sei wegen der Grundsätze der Steuergleichheit die Einkommenshöhe. Das Sozialgericht hat die Berufung zugelassen.

Gegen den ihr am 16. April 2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 7. April 2008 Berufung beim Sozialgericht Magdeburg erhoben. Der Beklagte habe verlangt, dass eine ordnungsgemäße Buchführung nachgewiesen werde und insbesondere Ertragsprognosen von einem Steuerberater zu erstellen seien. Sie habe diesen daraufhin mit der Erstellung von Einnahme-/Überschussrechnungen und zur Abgabe einer entsprechenden Ertragsvorschau beauftragt. Die hierbei entstandenen Kosten habe sie mit Antrag vom 11. Juni 2007 geltend gemacht. Die Feststellung der Voraussetzungen nach § 29 SGB II unterfalle dem Amtsermittlungsgrundsatz nach § 20 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X). Die dabei anfallenden Kosten seien vom Sozialleistungsträger zu übernehmen. Ferner liege ein Beratungsfehler des Beklagten vor, da die Buchführung von ihr selbst hätte vorgenommen werden können. Für die Beurteilung der Tragfähigkeit hätte auch die Prognose einer kostengünstigeren Stelle ausgereicht. Ihr stehe überdies ein Aufwendungsersatz aus öffentlich-rechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) zu. Der Beklagte hätte selbst das Vorliegen der Voraussetzungen von § 29 SGB II ermitteln müssen. Sie habe durch die Mandatierung des Steuerberaters auch ein Geschäft des Beklagten geführt und - zumindest auch - mit Fremdgeschäftsführungswillen gehandelt. Schließlich macht die Klägerin einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch geltend. Der Beklagte habe etwas in sonstiger Weise ohne Rechtsgrund erlangt und sei zur Herausgabe des Erlangten verpflichtet. Da dies nicht möglich sei, müsse ihr der Geldbetrag für die Beauftragung des Steuerberaters erstattet werden.

In der mündlichen Verhandlung hat der Bevollmächtigte der Klägerin ausgeführt, mehrere Bescheide des Beklagten aus den Jahren 2010 und 2011 enthielten die Aufforderung, eine betriebswirtschaftliche Auswertung durch eine fachkundige Stelle erstellen zu lassen, anderenfalls würden die Geldleistungen entzogen. Wäre sie darauf hingewiesen worden, dass die Kosten für die Inanspruchnahme des Steuerberaters nicht weiter übernommen werden, hätte sie diesen nicht weiter beauftragt. Der Antrag vom 11. Juni 2007 sei als Grundantrag auf Übernahme aller Rechnungen zu verstehen.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 25. Juni 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. September 2007 und unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Magdeburg vom 3. März 2008 den Beklagten zu verpflichten, an sie den Betrag von 1.790,42 Euro zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Ferner macht er geltend, die Bescheide über die Bewilligung von Einstiegsgeld hätten keine Auflage zur Erstellung der betriebswirtschaftlichen Auswertung durch einen Steuerberater enthalten. Vielmehr habe die Klägerin diesen schon zuvor beauftragt gehabt. Da die steuerliche Beratung bekannt gewesen sei, habe es auf der Hand gelegen, die beim Steuerberater vorhandenen Unterlagen zu nutzen; weitere Kosten seien ihr dadurch nicht entstanden. Zudem seien Steuerberatungskosten sowohl in der betriebswirtschaftlichen Auswertung als auch mit der Steuererklärung beim Finanzamt geltend gemacht und als Betriebskosten anerkannt worden. Es sei auch kein Tragfähigkeitsgutachten angefordert worden

Der Klägerin ist mit Schreiben vom 6. November 2012 und 9. Januar 2013 aufgegeben worden, u.a. Nachweise über die steuerliche Geltendmachung der Gebührenrechnungen bei der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2007 vorzulegen. Sie hat lediglich die sämtlich noch offenen Rechnungen des Steuerberaters übersandt. Mit weiterem Schreiben vom 8. März 2013 ist die Klägerin um Vorlage der Rechnung des Steuerberaters für die Einkommensteuererklärung für das Jahr 2006 gebeten worden. Mit der Ladung vom 13. März 2013 ist ihr unter Hinweis auf § 106a Abs. 2 und Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eine Frist bis zum 3. April 2013 zur Vorlage dieser Rechnung gesetzt worden. Es sind keine Unterlagen eingegangen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten und Beiakten Bezug genommen. Die Verwaltungsakten des Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 SGG eingelegt worden. Sie ist auch statthaft gemäß § 144 Abs. 1, 3 SGG. Das Sozialgericht hat die Berufung zugelassen; daran ist der Senat gebunden.

Das beklagte Jobcenter ist gemäß § 70 Nr. 1 SGG als Rechtsnachfolger der Jobcenter Arbeitsgemeinschaft M. GmbH beteiligtenfähig. Er ist mit Wirkung vom 1. Januar 2011 gemäß § 76 Abs. 3 Satz 1 SGB II als Rechtsnachfolger an die Stelle der bis dahin beklagten ARGE getreten (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 18. Januar 2011, B 4 AS 99/10 R (11)).

II. 1. Die Berufung ist zulässig, soweit die Klägerin sich gegen die abgelehnte Übernahme der Rechnung des Steuerberaters vom 27. März 2007 i.H.v. 268,94 EUR und vom 22. Mai 2007 i.H.v. 109,48 EUR wendet. Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens ist allein die Übernahme dieser Kosten gewesen. Die Klägerin hatte in ihrem Antrag auf Kostenübernahme vom 7. Juni 2007 ausdrücklich nur diese beiden Rechnungen geltend gemacht. Auf diese bezog sich daher der streitgegenständliche Bescheid vom 25. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. September 2007. Auch im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens hat die Klägerin keine weitergehenden Zahlungsansprüche für mittlerweile entstandene weitere Kosten des Steuerberaters begehrt. Der Berufungsschriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 12. Juni 2008 enthält ebenfalls keine Ausführungen zu einem weiteren, über den Antrag vom 11. Juni 2007 hinausgehenden Anspruch auf Kostenübernahme.

Unzulässig ist die Berufung, soweit die Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits erstmals einen weiteren Betrag von 1.412 EUR für weitere Rechnungen des Steuerberaters begehrt hat. Zwar kann grundsätzlich auch im Rahmen des Berufungsverfahrens eine Klageänderung nach § 99 Abs. 1 SGG zulässig sein, wenn neben dem ursprünglichen Klagebegehren ein weiterer Anspruch verfolgt wird (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 10. Auflage, vor § 143, Rdnr. 3). Voraussetzung ist jedoch - auch bei Zulässigkeit einer Klageänderung - dass die Prozessvoraussetzungen der neuen Klage vorliegen (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 99 Rdnr. 13a). Die Klägerin hat jedoch nach ihren eigenen Angaben für weitere Rechnungen des Steuerberaters bislang beim Beklagten keinen Antrag auf Kostenerstattung gestellt. Insoweit fehlt es schon an dem nach § 78 Abs. 1 SGG vorgeschriebenen Vorverfahren für die Zulässigkeit einer Klage. Es kann daher dahinstehen, dass der geltend gemachte Zahlbetrag von 1.790,42 EUR sich aus den vorgelegten Rechnungen des Steuerberaters nicht vollständig ergibt.

2. Soweit die Berufung zulässig ist, ist sie unbegründet, da die Klägerin keinen Anspruch auf Kostenersatz für die begehrten Leistungen hat. Der angefochtene Gerichtsbescheid des Sozialgerichts sowie die Bescheide des Beklagten sind im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung eines Betrags für die von ihrem Steuerberater in Rechnung gestellten 268,94 EUR und 109,48 EUR, insgesamt 378,42 EUR.

a. Der geltend gemachte Zahlungsanspruch ergibt sich nicht unmittelbar aus den Regelungen des SGB II.

Danach sind gemäß § 19 SGB II als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung zu zahlen. Die begehrten Aufwendungen für den Steuerberater sind keine Regelleistung, kein Mehrbedarf und keine Kosten der Unterkunft und Heizung i.S.v. §§ 20 bis 22 und § 23 Abs. 3 SGB II. Daher käme auch eine - hier nicht begehrte - darlehensweise Bewilligung gemäß § 23 Abs. 1 SGB II nicht in Betracht.

Auch die Vorschriften über die Bewilligung von Einstiegsgeld gemäß § 16 Abs. 2 Nr. 5 und § 29 SGB II enthalten keine Bestimmungen über einen Zahlungsanspruch. Dort ist lediglich geregelt, unter welchen Voraussetzungen Eingliederungsgeld bewilligt werden kann.

Der Senat kann offen lassen, ob sich aus Verwaltungsvorschriften der Bundesagentur für Arbeit ein Zahlungsanspruch ergibt. Grundsätzlich kann es im Rahmen von Ermessensentscheidungen zu einer Selbstbindung der Verwaltung aufgrund von Dienstanweisungen kommen (BSG, Urteil vom 7. Juli 2011, B 14 KG 2/09 R (11)).

Nach der "SGB II - Arbeitshilfe Einstiegsgeld § 16b SGB II" der Bundesagentur für Arbeit, Stand März 2010, können Kosten für eine Tragfähigkeitsbescheinigung einer fachkundigen Stelle im Wege der Einzelfallentscheidung im Rahmen des Budgets für Verwaltungskosten abgerechnet werden. Dem gegenüber soll die Agentur für Arbeit für Tragfähigkeitsbescheinigungen im Zusammenhang mit einem Gründungszuschuss nach § 93 f. SGB III keine Kosten zu tragen haben (www. arbeitsagentur.de - Wissendatenbank SGB II zu § 45 SGB III, Stand 1. Februar 2013). Die im streitigen Zeitraum geltende Richtlinie § 16 Abs. 2 SGB II (Stand: März 2005) enthält hingegen keine ermessenslenkenden Vorschriften zur Übernahme von Kosten für eine Tragfähigkeitsbescheinigung.

Hier geht es indes nicht um die Erstattung der Kosten einer Tragfähigkeitsbescheinigung einer fachkundigen Stelle. Eine solche hatte der Steuerberater bereits am 7. Februar 2006 erstellt, ohne dafür eine Rechnung erstellt zu haben. Die beiden zur Erstattung verlangten Rechnungen betreffen Leistungen des Steuerberaters aus März und Mai 2007 für die Gewinnermittlung nach § 4 Satz 3 EStG sowie für die Buchführung des Betriebs.

b. Auch ein Aufwendungsersatz gemäß § 65a Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I) scheidet hier aus. Danach hat Anspruch auf Ersatz u.a. seiner notwendigen Auslagen, wer einem Verlangen des zuständigen Leistungsträgers nach den §§ 61 oder 62 SGB I nachkommt. Die Klägerin macht keine Kostenerstattung wegen persönlichen Erscheinens oder anlässlich von Untersuchungen geltend. Eine analoge Anwendung der Vorschrift im vorliegenden Fall ist schon wegen des eindeutigen Wortlauts von § 65a Abs. 1 SGB I ausgeschlossen.

§ 64 Abs. 1 Satz 1 SGB X scheidet als Anspruchsnorm ebenfalls aus. Er regelt allein die Kostenfreiheit des Verfahrens vor den Behörden nach diesem Gesetzbuch. Hier wendet sich die Klägerin aber nicht gegen eine Kostenforderung des Beklagten für das Verfahren über die Weiterbewilligung von Einstiegsgeld.

§ 64 Abs. 2 Satz 1 SGB X betrifft vorliegenden Fall ebenfalls nicht. Er regelt die Kostenfreiheit für ein Tätigwerden anderer Behörden im Zusammenhang mit einer beantragten Sozialleistung (vgl. Roos in: von Wulffen, SGB X, 7. Aufl., § 64, Rdnr. 6 f.).

Weitere Regelungen zum Ersatz von Aufwendungen eines Antragstellers im Rahmen der Amtsermittlungspflicht gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 SGB X i.V.m. § 60 Abs. 1 SGB I enthält das Gesetz nicht.

c. Der geltend gemachte Leistungsanspruch ist auch nicht nach den Grundsätzen der Vorschriften über den Auftrag oder eine Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß § 677 f. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) begründet. Diese sind im öffentlichen Recht entsprechend anzuwenden, soweit - wie hier - ein Erstattungsanspruch nach den §§ 102 f. SGB X ausscheidet (BSG, Urteil vom 12. Januar 2010, B 2 U 28/08 R (24) mit weiteren Hinweisen zur Rechtsprechung; Landessozialgericht für das Saarland, Urteil vom 18. März 1999, L 6/1 AR 86/95 30)).

Gemäß § 677 BGB kann, wer ein Geschäft für einen anderen besorgt, ohne von ihm beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein, wie ein Beauftragter (§ 670 BGB) Ersatz seiner Aufwendungen verlangen. Behördliche Anordnungen an Privatpersonen sind keine Aufträge im Sinne von § 670 BGB (Palandt, BGB, 72. Aufl. 2013, Einf. v. § 662 Rdnr. 4). Voraussetzung für einen Anspruch auf Aufwendungsersatz ist, dass - zumindest auch - ein Fremdgeschäftsführungswille besteht und die Übernahme der Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht. Soweit die Geschäftsführung eine im öffentlichen Interesse liegende Pflicht des Geschäftsherrn betrifft, besteht gemäß § 679 BGB der Ersatzanspruch auch, wenn die Übernahme der Geschäftsführung dem Willen des Geschäftsherrn widerspricht. Der Erstattungsanspruch umfasst den Ersatz aller Aufwendungen, die zur Ausführung des Auftrags nach den Umständen für erforderlich gehalten werden durften (Palandt, a.a.O., § 670 Rdnr. 4). Bei Zusammenfallen von Fremd- und Eigengeschäftsführungswillen hat der Geschäftsführende aber nur Anspruch auf Ersatz der auf die Geschäftsführung entfallenden anteiligen Aufwendungen (Palandt, a.a.O., § 683 Rn. 8)

a.a. Hinsichtlich der erbrachten Dienstleistungen für die Rechnung des Steuerberaters vom 27. März 2007 i.H.v. 268,94 EUR hat die Klägerin keinen "auch" - Fremdgeschäftsführungswillen für ein Geschäft des Beklagten nachgewiesen. Unterstellte man einen Auftrag oder eine GoA mit Fremdgeschäftsführungswillen, wären die hierdurch ausgelösten kausalen Aufwendungen im obigen Rahmen ggf. erstattungsfähig. Indes gelingt der Klägerin der Nachweis ursächlicher Mehraufwendungen aus einem "Auftrag" des Beklagten nicht.

Die den vorgelegten Rechnungen zugrunde liegenden Unterlagen sind nicht von ihm angefordert worden. Verlangt waren vielmehr eine Gewinn- und Verlustrechnung der letzten sechs Monate, also von September 2006 bis Februar 2007, sowie eine Ertragsvorschau. Die "Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 EStG" für das Geschäftsjahr 2006 betrifft lediglich vier Monate des vom Beklagten angeforderten Zeitraums. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Beauftragung des Steuerberaters mit der Gewinnermittlung für das Jahr 2006 im Interesse des Beklagten stand. Dieser hatte weder eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG noch Unterlagen für diesen Zeitraum angefordert.

Bei Letzterer handelt es sich vielmehr um notwendige Unterlagen für die Einkommensteuererklärung der Klägerin für das Jahr 2006. Insoweit geht der Senat davon aus, dass die Überschussermittlung aus Gewerbebetrieb für 2006 dafür erfolgte. Aus den von der Klägerin im weiteren Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen ist ersichtlich, dass Grundlage der Einkommensteuererklärung 2006 die dem Beklagten vorgelegte Gewinnermittlung vom 28. März 2007 war. Die dort aufgelisteten Zahlen waren in dem Formular für die Einkommensteuererklärung 2006 jeweils unverändert übernommen worden. Die Klägerin war gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Einkommensteuergesetz berechtigt, als Gewinn den Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben anzusetzen. Aus diesem Grund dürften auch auf S. 1 der vorgelegten Gewinnermittlung unten links das zuständige Finanzamt und die Steuernummer angeführt worden sein. Dieser Information hätte es nicht bedurft, wenn die Gewinnermittlung allein aufgrund der Anforderung des Beklagten vom 1. März 2007 erstellt worden wäre. Für die Durchführung eines ausschließlich eigenen Geschäfts spricht ferner, dass der Steuerberater unter dem 16. Oktober 2008, dem 14. Mai 2009 und dem 11. November 2010 identische Kosten für Überschussermittlungen aus Gewerbebetrieb für 2007, 2008 und 2009 in Rechnung stellte. Dies lässt nur den Schluss zu, dass es sich bei der Rechnung des Steuerberaters vom 27. März 2007 um dessen Dienstleistungen im Zusammenhang mit der jährlichen Einkommensteuererklärung handelte.

Jedenfalls hat die Klägerin das Entstehen von Mehrkosten durch die Anforderung des Beklagten nicht nachgewiesen. Sie hat trotz Aufforderung mit Fristsetzung gemäß § 106a Abs. 2, 3 SGG keine Rechnung des Steuerberaters über eine gesonderte Vergütungsforderung der Einkommensteuererklärung 2006 vorgelegt. Daher kann nicht festgestellt werden, dass die Kosten für die Beauftragung des Steuerberaters - zumindest auch - aus einem Geschäft für den Beklagten resultuierten und dass ihr aus einem Geschäft für den Beklagten Aufwendungen entstanden sind. Dies geht nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zu ihren Lasten.

b.b. Auch hinsichtlich der Rechnung des Steuerberaters vom 22. Mai 2007 in Höhe von 109,48 EUR ist keine Verursachung durch einen "Auftrag" des Beklagten nachgewiesen.

Ausweislich des Wortlauts der Rechnung handelte es sich um einen Abschlag auf die Buchführung für die Monate Januar bis März 2007. Die Buchführung erfolgte jedoch unabhängig von der Aufforderung des Beklagten vom 1. März 2007, Unterlagen vorzulegen. Der Steuerberater war ausweislich seiner Bestätigung vom 20. März 2006 seit dem 1. März 2006 mit der steuerlichen Betreuung der selbstständigen Tätigkeit der Klägerin beauftragt, wozu auch die Buchführung gehörte. Aus den weiteren Rechnungen ergibt sich, dass der Steuerberater auch für Zeiträume nach der Anforderung von Unterlagen für das beantragte weitere Einstiegsgeld und die Ablehnung einer Kostenübernahme bis mindestens September 2008 regelmäßig monatlich 17,40 EUR als Abschlag für die Buchführung berechnete. Auch dies spricht gegen die Veranlassung einer Buchführung für Januar bis März 2007 durch die Klägerin im Auftrag des Beklagten. Die Behauptung der Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung, das Einstiegsgeld sei abhängig gemacht worden von der Vorlage betrieblicher Unterlagen durch einen Steuerberater, lässt sich aus den vorliegenden Verwaltungsakten nicht belegen. Die Verwaltungsakten über das Einstiegsgeld und über die laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sowie die entsprechenden Bewilligungsbescheide lassen keine diesbezüglichen Auflagen des Beklagten erkennen. Erstmals war die Klägerin mit Änderungsbescheid vom 13. März 2006, also nach der Übernahme der steuerlichen Betreuung durch den Steuerberater, zur Einreichung betriebswirtschaftlicher Unterlagen durch den Steuerberater angehalten worden. Dieser Anforderung des Beklagten war somit nicht ursächlich für die Entscheidung der Klägerin, die Buchführung für ihr Gewerbe durch einen Steuerberater durchführen zu lassen.

Schließlich ist nicht ersichtlich, dass die Beauftragung des Steuerberaters mit der Buchführung für die Monate Januar bis März 2007 im Interesse des Beklagten gestanden hätte. Dieser hatte unter dem 1. März 2007 keine Buchhaltungsunterlagen angefordert.

c.c. Der Senat kann offen lassen, ob für die vorgelegte Ertragsvorschau vom 16. April 2007 - zumindest auch - ein Fremdgeschäftsführungswille der Klägerin für den Beklagten bestanden hatte. Denn dieser hatte unter dem 1. März 2007 eine Rentabilitätsvorschau für das zweite Geschäftsjahr verlangt, der die vorgelegte Ertragsvorschau inhaltlich entsprechen könnte.

Vorgelegt wurde eine Rentabilitätsvorschau, deren Urheber nicht ersichtlich ist. Insoweit ist schon nicht feststellbar, dass diese vom Steuerberater stammt.

Darüber hinaus ist für die Ertragsvorschau keine Rechnung des Steuerberaters vorgelegt worden. Die beiden zur Erstattung gestellten Rechnungen vom 27. März 2007 und 22. Mai 2007 betreffen jeweils "die im Kalendermonat des Rechnungsdatum erbrachten Leistungen". Um solche handelt es sich jedoch nicht für die im April 2007 erbrachte Dienstleistungen des Steuerberaters bei der Erstellung der Ertragsvorschau. Auch die im Berufungsverfahren weiteren von dem Steuerberater vorgelegten Rechnungen weisen keine Leistungen für April 2007 aus.

d. Auch nach den Grundsätzen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs scheidet eine Kostenübernahmeverpflichtung aus. Es handelt sich dabei um ein aus den allgemeinen Grundsätzen des öffentlichen Rechts abgeleitetes Rechtsinstitut. Er setzt voraus, dass im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht worden sind oder sonstige Vermögensverschiebungen stattgefunden haben, die dem Inhaber ein Recht auf Herausgabe des Erlangten verschaffen. Auf einen solchen Anspruch kann sich auch der Bürger stützen, wenn zu seinen Lasten eine Vermögensschiebung eingetreten ist und ein Sozialleistungsträger etwas erhält, was ihm nicht zusteht (BSG, Urteil vom 27. August 2011, B 4 AS 1/10 R (24)).

Auch ein hiernach denkbarer Anspruch scheitert daran, dass kausale "Mehr"-aufwendungen, die den Vermögensschaden der Klägerin darstellen würden, nicht belegt worden sind. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen. Der Senat konnte auch nicht erkennen, dass die Kosten für die Gewinnermittlung vom 28. März 2007 sowie die Buchführung für Januar bis März 2007 niedriger gewesen wären, wenn der Beklagte unter dem 1. März 2007 keine weiteren Unterlagen angefordert hätte. Denn die vom Steuerberater in Rechnung gestellten Honorare sind jeweils identisch mit denen der Folgemonate bzw. Folgejahre, in denen vom Beklagten keine entsprechenden Unterlagen angefordert wurden.

e. Auch aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs scheidet eine Verpflichtung des Beklagten aus.

Dieser setzt voraus, dass der Sozialleistungsträger eine ihm aufgrund Gesetzes oder Sozialrechtsverhältnisses obliegende Pflicht, insbesondere zur Beratung und Auskunft verletzt hat. Weiter muss zwischen der Pflichtverletzung des Sozialleistungsträgers und dem Nachteil des Betroffenen ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. Schließlich muss der durch das pflichtwidrige Verwaltungshandeln eingetretene Nachteil durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden können.

Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist aber nicht auf die Gewährung von Schadensersatz im Sinne einer Kompensation in Geld, sondern allein auf Naturalrestitution gerichtet. Es kann lediglich eine Handlung verlangt werden zur Herstellung einer sozialrechtlichen Position im Sinne desjenigen Zustands, der bestehen würde, wenn der Sozialleistungsträger die ihm obliegenden Nebenpflichten ordnungsgemäß wahrgenommen hätte, (BSG, Urteil vom 20. Oktober 2010, B 13 R 15/10 R).

Da die Klägerin keine Amtshandlung des Beklagten, sondern eine Geldzahlung verlangt, scheidet auch dieses Rechtsinstitut als Anspruchsgrundlage aus.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision lagen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage.
Rechtskraft
Aus
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