Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
7
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 2 SF 111/09 RH
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 7 SB 47/10 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Ordnungsgeldbeschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 24. August 2010 wird aufgehoben.
Die Staatskasse hat dem Beschwerdeführer die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Im Übrigen werden keine Kosten erhoben.
Gründe:
I.
Der Beschwerdeführer begehrt die Aufhebung eines gegen ihn als Zeugen verhängten Ordnungsgeldes wegen Nichterscheinens zum Termin.
Das Sozialgericht Magdeburg (SG) hat den Beschwerdeführer in einem Rechtshilfeersuchen des Landesversorgungsamtes zur Erstattung eines Befundberichts am 1. Juli 2010 zum Termin am 24. August 2010 geladen. Die Ladung wurde per Postzustellungsurkunde (PZU) vom 8. Juli 2010 durch Übergabe im Schmerzzentrum B. an den dort beschäftigten P. G. zugestellt. Mit der Ladung ist der Beschwerdeführer auf die Folgen des unentschuldigten Fernbleibens vom Termin (Ordnungsgeld bis zu 1.000,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis sechs Wochen) hingewiesen worden. Zur Verhandlung am 24. August 2010 ist der Beschwerdeführer nicht erschienen.
Daraufhin hat das SG mit Beschluss vom 24. August 2010 aufgrund des Nichterscheinens des Beschwerdeführers zum Termin ein Ordnungsgeld in Höhe von 250,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, ersatzweise Ordnungshaft für die Dauer von zwei Tagen festgesetzt. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, für die Festlegung der Höhe des Ordnungsgeldes sei aufgrund des zu vermutenden Einkommens und nach den hier vorliegenden Umständen (unentschuldigtes Nichterscheinen trotz zeitlich weiträumiger Ladung) die Festlegung der Höhe von 250,00 EUR angemessen.
Gegen den ihm am 30. August 2010 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 6. September 2010 Beschwerde beim SG erhoben und diese wie folgt begründet: Eine Vorladung sei nicht zu seiner Kenntnis gelangt. Er sei nicht das Schmerzzentrum B. selbst, sondern ein Angestellter dieser relativ großen Einrichtung. Die gerichtlichen Schreiben seien von irgendjemandem entgegengenommen worden, nur niemals von ihm selbst, wie eine Unterschriftenprobe zeigen würde. Er sei durchaus in der Lage zu erkennen, dass er einer gerichtlichen Vorladung Folge leisten müsse, da dies strafbewehrt sei. Dies gelte umso mehr, da er dies in seiner bisherigen Tätigkeit bereits schon mehrfach erlebt habe. Insofern erscheine es nicht einleuchtend, warum er jetzt auf einmal wissentlich eine Ordnungsgeldstrafe riskieren solle. Er habe die Ladung nicht persönlich erhalten. Derartige Post müsse an ihn "persönlich/vertraulich" über das Schmerzzentrum B. zugestellt werden.
Das SG hat die Sache dem Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt zur Entscheidung vorgelegt. Auf Nachfrage des Senats, wer Inhaber des Schmerzzentrums und in welcher Rechtsform der Beschwerdeführer tätig sei, hat der Beschwerdeführer ein Schreiben des Ärztlichen Leiters des MVZ Schmerzzentrum B. vom 15. November 2010, Dr. J., vorgelegt. Dieser hat mitgeteilt, der Beschwerdeführer sei im Angestelltenverhältnis tätig. Er sei nicht mit leiteten oder geschäftsführenden Aufgaben betraut und verfüge nicht über die arbeitsorganisatorische Weisungsbefugnis gegenüber den anderen Angestellten der Einrichtung.
II.
Die nach §§ 172, 173 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte und zulässige Beschwerde ist begründet.
Nach § 118 Abs. 1 SGG i.V.m. § 380 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) sind einem ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten aufzuerlegen und zugleich ein Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft festzusetzen.
Die Ladung des Beschwerdeführers zum Termin am 24. August 2010 wurde per Postzustellungsurkunde (PZU) vom 8. Juli 2010 durch Übergabe im Schmerzzentrum B. an den dort beschäftigten P. G. zugestellt. Diese Zustellung ist nicht wirksam, weil sie nicht den Vorschriften des § 63 SGG i.V.m. §§ 176 ff. ZPO entspricht und auch keine Heilung eingetreten ist. Zwar kann eine Ersatzzustellung auch in Geschäfträumen vorgenommen werden. Nach § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO gilt insoweit aber Folgendes: Wird die Person, der zugestellt werden soll, in dem Geschäftsraum nicht angetroffen, kann das Schriftstück einer in den Geschäftsräumen beschäftigten Person zugestellt werden. Dabei muss es sich um einen Geschäftsraum des Zustellungsadressaten handeln. Für Angestellte kann ein solcher Geschäftsraum nicht Ort einer Ersatzzustellung sein (Zöller-Stöber, 28. Auflage 2010, § 178 Rn. 16; OLG Celle, Beschluss vom 12. August 2011, 322 SsBs 167/11, zitiert nach juris). Danach konnte keine Ersatzzustellung durch die Übergabe an Herrn G. erfolgen, da der Beschwerdeführer nach dem Schreiben des Ärztlichen Leiters des Schmerzzentrums B. Dr. J. in diesem lediglich in einem Angestelltenverhältnis tätig ist. Er ist nicht mit leitenden oder geschäftsführenden Aufgaben betraut und verfügt nicht über eine arbeitsorganisatorische Weisungsbefugnis gegenüber den anderen Angestellten der Einrichtung. Es handelt sich beim Schmerzzentrum B. also nicht um seinen Geschäftsraum.
Eine Heilung der unwirksamen Ersatzzustellung nach § 189 ZPO ist nicht erfolgt, da dies den tatsächlichen Zugang voraussetzt. Nach dem Schreiben des Beschwerdeführers vom 6. September 2010 ist ihm die Ladung zum Termin nicht zur Kenntnis gelangt.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung des § 197a SGG. Der Beschwerdeführer gehört nicht zum begünstigten Personenkreis des § 183 SGG, nach dem nur Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenempfänger, Behinderte oder deren Sonderrechtsnachfolger von den Gerichtskosten befreit sind, wenn sie als Kläger oder Beklagte an einem Rechtsstreit vor dem SG beteiligt sind. Als Zeuge gehört der Beschwerdeführer nicht zu diesem Personenkreis (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 176 Rn. 5 mit weiteren Nachweisen). Die Beschwerde ist in vollem Umfang erfolgreich. Daher hat die Staatskasse dem Beschwerdeführer die außergerichtlichen Kosten, sofern solche angefallen sind, zu erstatten. Der Senat wendet für die Durchführung einer erfolgreichen Beschwerde § 467 Abs. 1 der Strafprozessordnung entsprechend an (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 30. Juni 2011 – L 7 SB 29/11, Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 20. Dezember 2010, L 2 AS 708/10 B, beide zitiert nach juris). Von der Erhebung von Gerichtskosten war gemäß § 21 des Gerichtskostengesetzes abzusehen (Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 18. Auflage 2012, § 155 Rn. 24).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Die Staatskasse hat dem Beschwerdeführer die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Im Übrigen werden keine Kosten erhoben.
Gründe:
I.
Der Beschwerdeführer begehrt die Aufhebung eines gegen ihn als Zeugen verhängten Ordnungsgeldes wegen Nichterscheinens zum Termin.
Das Sozialgericht Magdeburg (SG) hat den Beschwerdeführer in einem Rechtshilfeersuchen des Landesversorgungsamtes zur Erstattung eines Befundberichts am 1. Juli 2010 zum Termin am 24. August 2010 geladen. Die Ladung wurde per Postzustellungsurkunde (PZU) vom 8. Juli 2010 durch Übergabe im Schmerzzentrum B. an den dort beschäftigten P. G. zugestellt. Mit der Ladung ist der Beschwerdeführer auf die Folgen des unentschuldigten Fernbleibens vom Termin (Ordnungsgeld bis zu 1.000,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis sechs Wochen) hingewiesen worden. Zur Verhandlung am 24. August 2010 ist der Beschwerdeführer nicht erschienen.
Daraufhin hat das SG mit Beschluss vom 24. August 2010 aufgrund des Nichterscheinens des Beschwerdeführers zum Termin ein Ordnungsgeld in Höhe von 250,00 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, ersatzweise Ordnungshaft für die Dauer von zwei Tagen festgesetzt. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, für die Festlegung der Höhe des Ordnungsgeldes sei aufgrund des zu vermutenden Einkommens und nach den hier vorliegenden Umständen (unentschuldigtes Nichterscheinen trotz zeitlich weiträumiger Ladung) die Festlegung der Höhe von 250,00 EUR angemessen.
Gegen den ihm am 30. August 2010 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 6. September 2010 Beschwerde beim SG erhoben und diese wie folgt begründet: Eine Vorladung sei nicht zu seiner Kenntnis gelangt. Er sei nicht das Schmerzzentrum B. selbst, sondern ein Angestellter dieser relativ großen Einrichtung. Die gerichtlichen Schreiben seien von irgendjemandem entgegengenommen worden, nur niemals von ihm selbst, wie eine Unterschriftenprobe zeigen würde. Er sei durchaus in der Lage zu erkennen, dass er einer gerichtlichen Vorladung Folge leisten müsse, da dies strafbewehrt sei. Dies gelte umso mehr, da er dies in seiner bisherigen Tätigkeit bereits schon mehrfach erlebt habe. Insofern erscheine es nicht einleuchtend, warum er jetzt auf einmal wissentlich eine Ordnungsgeldstrafe riskieren solle. Er habe die Ladung nicht persönlich erhalten. Derartige Post müsse an ihn "persönlich/vertraulich" über das Schmerzzentrum B. zugestellt werden.
Das SG hat die Sache dem Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt zur Entscheidung vorgelegt. Auf Nachfrage des Senats, wer Inhaber des Schmerzzentrums und in welcher Rechtsform der Beschwerdeführer tätig sei, hat der Beschwerdeführer ein Schreiben des Ärztlichen Leiters des MVZ Schmerzzentrum B. vom 15. November 2010, Dr. J., vorgelegt. Dieser hat mitgeteilt, der Beschwerdeführer sei im Angestelltenverhältnis tätig. Er sei nicht mit leiteten oder geschäftsführenden Aufgaben betraut und verfüge nicht über die arbeitsorganisatorische Weisungsbefugnis gegenüber den anderen Angestellten der Einrichtung.
II.
Die nach §§ 172, 173 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte und zulässige Beschwerde ist begründet.
Nach § 118 Abs. 1 SGG i.V.m. § 380 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) sind einem ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten aufzuerlegen und zugleich ein Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft festzusetzen.
Die Ladung des Beschwerdeführers zum Termin am 24. August 2010 wurde per Postzustellungsurkunde (PZU) vom 8. Juli 2010 durch Übergabe im Schmerzzentrum B. an den dort beschäftigten P. G. zugestellt. Diese Zustellung ist nicht wirksam, weil sie nicht den Vorschriften des § 63 SGG i.V.m. §§ 176 ff. ZPO entspricht und auch keine Heilung eingetreten ist. Zwar kann eine Ersatzzustellung auch in Geschäfträumen vorgenommen werden. Nach § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO gilt insoweit aber Folgendes: Wird die Person, der zugestellt werden soll, in dem Geschäftsraum nicht angetroffen, kann das Schriftstück einer in den Geschäftsräumen beschäftigten Person zugestellt werden. Dabei muss es sich um einen Geschäftsraum des Zustellungsadressaten handeln. Für Angestellte kann ein solcher Geschäftsraum nicht Ort einer Ersatzzustellung sein (Zöller-Stöber, 28. Auflage 2010, § 178 Rn. 16; OLG Celle, Beschluss vom 12. August 2011, 322 SsBs 167/11, zitiert nach juris). Danach konnte keine Ersatzzustellung durch die Übergabe an Herrn G. erfolgen, da der Beschwerdeführer nach dem Schreiben des Ärztlichen Leiters des Schmerzzentrums B. Dr. J. in diesem lediglich in einem Angestelltenverhältnis tätig ist. Er ist nicht mit leitenden oder geschäftsführenden Aufgaben betraut und verfügt nicht über eine arbeitsorganisatorische Weisungsbefugnis gegenüber den anderen Angestellten der Einrichtung. Es handelt sich beim Schmerzzentrum B. also nicht um seinen Geschäftsraum.
Eine Heilung der unwirksamen Ersatzzustellung nach § 189 ZPO ist nicht erfolgt, da dies den tatsächlichen Zugang voraussetzt. Nach dem Schreiben des Beschwerdeführers vom 6. September 2010 ist ihm die Ladung zum Termin nicht zur Kenntnis gelangt.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung des § 197a SGG. Der Beschwerdeführer gehört nicht zum begünstigten Personenkreis des § 183 SGG, nach dem nur Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenempfänger, Behinderte oder deren Sonderrechtsnachfolger von den Gerichtskosten befreit sind, wenn sie als Kläger oder Beklagte an einem Rechtsstreit vor dem SG beteiligt sind. Als Zeuge gehört der Beschwerdeführer nicht zu diesem Personenkreis (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 176 Rn. 5 mit weiteren Nachweisen). Die Beschwerde ist in vollem Umfang erfolgreich. Daher hat die Staatskasse dem Beschwerdeführer die außergerichtlichen Kosten, sofern solche angefallen sind, zu erstatten. Der Senat wendet für die Durchführung einer erfolgreichen Beschwerde § 467 Abs. 1 der Strafprozessordnung entsprechend an (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 30. Juni 2011 – L 7 SB 29/11, Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 20. Dezember 2010, L 2 AS 708/10 B, beide zitiert nach juris). Von der Erhebung von Gerichtskosten war gemäß § 21 des Gerichtskostengesetzes abzusehen (Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 18. Auflage 2012, § 155 Rn. 24).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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