L 7 BL 2/12

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
7
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 2 BL 90002/10
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 7 BL 2/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Umstritten sind die Höhe von Blindengeld und die Anrechnung von Pflegegeld auf Blindengeld.

Der am ... 1935 geborene Kläger bezieht seit 1. Januar 1992 Blindengeld nach dem Gesetz über das Blindengeld im Lande Sachsen-Anhalt (Bescheid des Versorgungsamtes M. vom 20. Dezember 1992). Die monatliche Höhe des Blindengeldes betrug zunächst 600 DM, wurde in der Folgezeit mehrfach erhöht und belief sich ab 1. Juli 1995 auf 840 DM im Monat. Seit 15. Juli 1997 bezieht der Kläger Pflegegeld nach der Pflegestufe II des § 15 des Sozialgesetzbuches Elftes Buch – Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) von der Pflegekasse der AOK Sachsen-Anhalt. Mit Schreiben vom 16. September 1997 teilte der Beklagte dem Kläger mit, es sei beabsichtigt, das Pflegegeld zu 40 % auf das Blindengeld anzurechnen, so dass dem Kläger seit Bewilligung des Pflegegeldes nur noch ein monatliches Blindengeld in Höhe von 520 DM auszuzahlen sei. Zwischenzeitlich aufgelaufene Überzahlungen würden in Höhe von 1.131 DM gegen die laufenden Blindengeldzahlungen aufgerechnet. Mit Bescheid vom 17. Oktober 1997 hob der Beklagte seinen Bescheid vom 1. August 1995 auf und setzte das seit dem 15. Juli 1997 zu zahlende Blindengeld auf 520 DM fest. Zugleich ordnete er die Erstattung des überzahlten Betrages in Höhe von 1.131 DM an. Hiergegen legte der Kläger erfolglos Widerspruch ein (Widerspruchsbescheid vom 22. Januar 1998). Seine dagegen gerichtete Klage vom 27. Januar 1998 blieb im Wesentlichen erfolglos (Urteil des Sozialgerichts Stendal vom 25. Juli 2001). Die auf Auszahlung des Blindengeldes ohne Anrechnung des Pflegegeldes gerichtete Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt mit Urteil vom 17. April 2003 zurückgewiesen.

Mit Bescheid vom 28. Februar 2003 bewilligte der Beklagte dem Kläger ab 1. März 2003 unter Aufhebung seines früheren Bewilligungsbescheides vom 17. Oktober 1997 ein monatliches Blindengeld in Höhe von 186 EUR unter Anrechnung des dem Kläger von der Pflegekasse gezahlten Pflegegeldes nach der Pflegestufe II. Zur Begründung führte der Beklagte aus, infolge einer Änderung des Landesblindengeldgesetzes betrage das Blindengeld ab 1. März 2003 350 EUR, auf das das dem Kläger zustehende Pflegegeld weiterhin in Höhe von 40 % anzurechnen sei. Mit weiterem Aufhebungs- und Neufeststellungsbescheid vom 11. November 2009 setzte der Beklagte das Blindengeld auf nur noch 178 EUR fest, da sich ab 1. Januar 2010 das Pflegegeld von 420 auf 430 EUR erhöht hatte. Der dagegen ohne nähere Begründung gerichtete Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 21. Januar 2010).

Dagegen hat sich der Kläger mit seiner am 2. Februar 2010 über den Beklagten beim Sozialgericht (SG) Stendal (Eingang dort: 12. Februar 2010) erhobenen Klage gewendet und die Auszahlung eines Blindengeldes in Höhe von 800 EUR begehrt. Sodann hat der vorübergehend anwaltlich vertretene Kläger vortragen lassen, die Auffassung des Beklagten, dieser schulde kein Blindengeld mehr, sei unzutreffend, da sich die gesundheitlichen Voraussetzungen des Klägers nicht verändert hätten. Seit 2. Dezember 2011 wird der Kläger nicht mehr anwaltlich vertreten Das nach Aufhebung des SG Stendal zum 1. November 2010 zuständig gewordene SG Magdeburg hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 17. August 2012 abgewiesen und in den Entscheidungsgründen im Wesentlichen ausgeführt: Das auf Auszahlung eines monatlichen Blindengeldes in Höhe von 800 EUR gerichtete Begehren des Klägers sei unbegründet, da das ihm zustehende Pflegegeld in Höhe von 40 % des jeweiligen monatlichen Betrages auf das Blindengeld anzurechnen sei. Eine vorherige Anhörung des Klägers zu der beabsichtigten Aufhebung und Neufeststellung des Blindengeldes sei gemäß § 24 Abs. 2 Nr. 5 des Sozialgesetzbuchs Zehntes Buch – Verwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) nicht erforderlich gewesen.

Mit Schreiben vom 13. September 2012, beim SG am 14. September 2012 eingegangen, hat der Kundenservice der Deutschen Post ein Schriftstück mit der Anmerkung übersandt: "das beigefügte Schriftstück wurde im Bereich unseres Unternehmens aufgefunden. Die näheren Umstände der Rückgabe sind nicht bekannt, so dass wir hierzu leider keine Angaben machen können." Bei dem Schriftstück hat es sich um die an den Kläger zugestellte Ausfertigung des Gerichtsbescheides vom 17. August 2012 gehandelt, der zerknüllt und mit handschriftlichen Anmerkungen der Ehefrau des Klägers versehen war. Diese lauten: "dan mussen sie jeten 1 die 420 euro an mein mann F. K. zahlen. dan müssen sie her jansen jeden 1 die 420 euro an mein mann F. K. zahlen." Auf dem Begleitschreiben des SG vom 4. September 2012 ist vermerkt: "ich will wissen wan endlich gerichsferhandlu ist dises bin ich nie einferstanden nie her han jansen". Mit Vermerk vom 14. September 2012 hat der Kammervorsitzende den Vorgang als Berufung gegen den Gerichtsbescheid vom 17. August 2012 ausgelegt und die Akten dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt übersandt.

Im Berufungsverfahren hat der Kläger zu seinem Begehren nicht weiter vorgetragen.

Der in der mündlichen Verhandlung durch seine Ehefrau vertretene Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 17. August 2012 und die Bescheide des Beklagten vom 11. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2010 sowie den Bescheid vom 23. November 2011 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm Blindengeld in Höhe von monatlich 840 EUR seit dem 25. März 1997 ohne Anrechnung von Pflegegeld zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung und seine Bescheide für zutreffend.

Während des erstinstanzlichen Klageverfahrens hat der Beklagte mit dem weiteren Aufhebungs- und Neufeststellungsbescheid vom 23. November 2011 den Bescheid vom 11. November 2009 aufgehoben und das Blindengeld ab 1. Januar 2012 auf 174 EUR festgesetzt, da das Pflegegeld nach der Pflegestufe II von 430 auf 440 EUR angehoben worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsunterlagen des Beklagten und die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die Gerichtsakte des abgeschlossenen Klageverfahrens S 3 BL 12/03 (Sozialgericht Stendal) verwiesen. Diese Akten haben vorgelegen und sind in der mündlichen Verhandlung und bei der anschließenden Entscheidungsfindung herangezogen worden.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Die angefochtenen Aufhebungs- und Bewilligungsbescheide erweisen sich als rechtens und verletzten den Kläger daher ebenso wenig in seinen Rechten wie der Gerichtsbescheid vom 17. August 2012.

Streitbefangen ist neben dem Bescheid vom 11. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2010 auch der Aufhebungsbescheid vom 23. November 2011, mit dem der Beklagte den mit der Klage angefochtenen Bescheid vom 11. November 2009 mit Wirkung vom 1. Januar 2012 aufgehoben hat. Auch der Bescheid vom 23. November 2011 ist gemäß § 96 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne weiteres Zutun der Prozessbeteiligten zum Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens geworden, so dass sich die Klage auch gegen diesen Bescheid richtet. Die Auslegung des Klageantrags durch das SG, wonach ausschließlich über die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 11. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Januar 2010 zu entscheiden war, ist daher unzutreffend. Insgesamt betroffen ist der Zeitraum seit 1. Januar 2010, weil der Aufhebungsbescheid vom 11. November 2009 den früheren Bewilligungsbescheid vom 19. Juni 2008 mit Wirkung vom 1. Januar 2010 aufgehoben hat. Soweit dem Vorbringen des Klägers zu entnehmen sein sollte, er begehre auch höheres Blindengeld für weiter zurückliegende Zeiträume, fehlen für diesen Teil der Klage die Prozessvoraussetzungen, da er (u. a.) gegen den Aufhebungsbescheid vom 19. Juni 2008 und die Neufestsetzung seines Blindengeldes mit Wirkung vom 1. Juli 2008 weder Widerspruch eingelegt noch Klage erhoben hat.

Die Voraussetzungen des § 48 SGB X für die Aufhebung und Neufeststellung des dem Kläger zustehenden Blindengeldes ab 1. Januar 2010 bzw. 1. Januar 2012 lagen vor, da das von ihm bezogene Pflegegeld nach der Pflegestufe II zum Teil auf den Anspruch auf Blindengeld anzurechnen ist. Die vorherige Anhörung war hier gemäß § 24 Abs. 2 Nr. 5 SGB X entbehrlich, da die Aufhebung allein deshalb erfolgte, weil eine einkommensabhängige Leistung den geänderten Verhältnissen, nämlich hier dem jeweils um zehn Euro erhöhten Pflegegeld, angepasst werden sollte.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Blindengeld von mehr als 178 EUR ab 1. Januar 2010 bzw. 174 EUR ab 1. Januar 2012, erst recht nicht auf eine monatliche Zahlung von 840 EUR. Sein Anspruch richtet sich nach dem Gesetz über das Blinden- und Gehörlosengeld im Land Sachsen-Anhalt vom 19. Juni 1992 (GVBl. LSA 1992, S. 565), zuletzt geändert durch Gesetz vom 28. Januar 2011 (GVBl. LSA 2011, S. 28). Nach § 1 Abs. 4 Satz 1 erste Alternative dieses Gesetzes beträgt das Blindengeld 350 EUR monatlich. Ein höherer Anspruch ist in diesem Gesetz nicht geregelt, so dass der Kläger maximal 350 EUR beanspruchen könnte. Für den mit der Klage geltend gemachten Betrag von 840 EUR fehlt eine gesetzliche Grundlage. Allerdings belief sich das dem Kläger ohne Anrechnung von Einkünften zustehende monatliche Blindengeld im Zeitraum vom 1. Juli 1994 bis 28. Februar 2003 auf 840 DM bzw. 429,49 EUR und war damit deutlich höher als nach dem seit 1. März 2003 auf 350 EUR festgesetzten Höchstbetrag. Indes ist auch das bis zum 31. Dezember 2001 in DM gezahlte Blindengeld zum 1. Januar 2002 nicht im Verhältnis 1 zu 1, sondern nach dem Umrechnungskurs von 1,95583 DM zu einem Euro umgerechnet worden, sodass dem Kläger in der Zeit vom 1. Januar 2002 bis 28. Februar 2003 ohne Anrechnung von Pflegegeld ein monatliches Blindengeld von 429,49 EUR zugestanden hätte (840 geteilt durch 1,95583 = 429,49). Zum 1. März 2003 hat der Landesgesetzgeber das Blindengeld auf einen Höchstbetrag von 350 EUR monatlich gekürzt, sodass der Kläger seitdem keinen höheren Anspruch als diesen Betrag geltend machen kann.

Der Kläger hat allerdings auch keinen Anspruch auf Auszahlung des ungekürzten Blindengeldes in Höhe von 350 EUR monatlich. Denn er bezieht seit 15. Juli 1997 Pflegegeld nach der Pflegestufe II (§ 15 SGB XI), das teilweise auf den Anspruch auf Blindengeld anzurechnen ist. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Landesblindengeldgesetzes sind Leistungen nach dem SGB XI auf das Blindengeld nach § 1 Abs. 1 und 2 Nr. 1 und 2 anzurechnen, und zwar in Höhe von 40 % des Betrages nach § 37 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SGB XI in den Fällen der Pflegebedürftigkeit nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SGB XI (Pflegestufen II und III). Das dem Kläger gemäß § 37 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SGB XI zustehende Pflegegeld betrug ab 1. Januar 2010 430 EUR, so dass hiervon ein Betrag von 172 EUR (430 geteilt durch 100 mal 40 = 172) auf das Blindengeld anzurechnen war. Dementsprechend hat der Beklagte das monatliche Blindengeld ab 1. Januar 2010 zutreffend auf 178 EUR festgesetzt (350 minus 172 = 178). Zutreffend war es daher auch, dass der Beklagte mit Bescheid vom 23. November 2011 das Blindengeld ab 1. Januar 2012 auf 174 EUR herabgesetzt hat, da sich das Pflegegeld ab diesem Zeitpunkt abermals um zehn Euro auf 440 EUR erhöht hat, so dass jetzt ein Betrag von 176 EUR (440 geteilt durch 100 mal 40 = 176) anzurechnen war (350 minus 176 = 174).

Nach allem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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