Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 46 R 90211/10
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 208/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 12. April 2012 wird aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers für beide Instanzen sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme seines Rentenbescheides und die Erstattung von Rentenleistungen nach einer fehlerhaften Übertragung von Rentenanwartschaften im Zusammenhang mit einem Versorgungsausgleich.
Die Ehe des am ... 1949 geborenen Klägers wurde durch Urteil des Amtsgerichts Stendal vom 28. März 2002 – 5 F 12/01 – geschieden. Der Versorgungsausgleich wurde zunächst ausgesetzt. Mit Bescheid vom 29. November 2005 bewilligte die Beklagte ihm eine Rente wegen voller Erwerbsminderung für den Zeitraum vom 01. September 2005 bis zum 30. April 2006 mit einem monatlichen Zahlbetrag von 545,51 Euro. Am 08. Dezember 2005 beantragte er die Fortzahlung der Rente. Mit Schreiben vom 13. Februar 2006 teilte das Amtsgericht der Beklagten mit, dass der Vorsorgungsausgleich weiterhin ausgesetzt bleibe. Mit Bescheid vom 23. März 2006 bewilligte sie dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf unbestimmte Dauer. Zur Höhe der Rente teilte sie mit, dass diese aus technischen Gründen zurzeit nicht abschließend bestimmt werden könne. Die Rente werde daher vorläufig in Höhe der bisherigen Rente geleistet. Dies ergebe sich aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Berechnung der Rentenhöhe bei der Weiterzahlung einer befristeten Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Durch Beschluss des Amtsgerichts S. vom 25. Mai 2007 wurden dem Kläger Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 165,65 DM übertragen. Mit Schreiben vom 09. August 2007 teilte die Beklagte ihm mit, dass sich durch die Übertragung der Rentenanwartschaften eine Erhöhung der Rente ergebe. Entgegen der Festlegung im Beschluss des Amtsgerichts wies sie allerdings einen Betrag von monatlich 165,65 Euro aus. Die Rentenbewilligung der geschiedenen Ehefrau des Klägers wurde mit Rentenbescheid vom 24. Juli 2007 entsprechend abgeändert.
Mit Bescheid vom 30. Januar 2009 stellte die Beklagte die Rente des Klägers für die Zeit ab 01. Mai 2006 endgültig fest. In der Anlage 5 des Bescheides führte sie zu den Auswirkungen des Versorgungsausgleichs aus, dass aus der Ehezeit vom 01. Januar 1976 bis zum 31. Dezember 2000 zu Gunsten des Klägers Rentenanwartschaften übertragen worden seien. Die übertragene Rentenanwartschaft sei auf 165,65 Euro monatlich festgestellt worden. Dies seien zum Ende der Ehezeit monatlich 323,98 DM gewesen.
Im Januar 2010 stellte die Beklagte im Rahmen einer internen Prüfung fest, dass bei der Berücksichtigung des Versorgungsausgleiches von einem fehlerhaften Betrag ausgegangen worden sei. Daraufhin hörte sie den Kläger mit Schreiben vom 03. März 2010 an. Bei dem Versorgungsausgleich seien 165,65 Euro statt 165,65 DM zur Anrechnung gekommen. Es sei beabsichtigt, den Bescheid vom 24. Juli 2007 mit Wirkung ab dem 01. September 2007 nach § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) zurückzunehmen. Die richtig berechnete Rente in Höhe von 767,58 Euro sei ab dem 01. Mai 2010 laufend zu zahlen und die Überzahlung für die Zeit vom 01. September 2007 bis 30. April 2010 in Höhe von 2.694,46 Euro nach § 50 Abs. 1 SGB X zurückzufordern. Der Kläger habe die Fehlerhaftigkeit des Bescheides erkennen können. Dieser teilte hierzu mit Schreiben vom 09. März 2010 mit, dass die Beklagte voraussetze, dass er als "Nichtfachmann" den von ausgebildetem Fachpersonal berechneten Rentenbescheid kontrollieren und berichtigen solle. Es liege nicht in seiner Verantwortung und auch nicht in seinem Wissen, den Rentenbescheid bis ins kleinste Detail zu überprüfen. Er sei sich keines schuldhaften Verhaltens bewusst. Mit Rentenbescheid vom 18. März 2010 reduzierte die Beklagte die laufende Rentenzahlung ab dem 01. Mai 2010 auf 767,58 Euro und forderte den Kläger für die Zeit vom 01. September 2007 bis zum 30. April 2010 zur Erstattung eines Betrages in Höhe von 1.346,28 Euro auf. In der Anlage 1 des Bescheides teilte sie ihm die neuberechneten Rentenbeträge ab dem 01. Mai 2006 und die Berechnung des Erstattungsbetrages mit. In der Anlage 10 des Bescheides führte sie ergänzend aus, dass der Rentenbescheid vom 24. Juli 2007 hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung ab 01. September 2007 nach § 45 SGB X zurückgenommen werde und dass die entstandene Überzahlung nach § 50 SGB X zu erstatten sei. Auf Vertrauen in den Bestand des Rentenbescheides könne sich der Kläger nicht berufen, da ihm am 09. August 2007 eine Mitteilung zugegangen sei, aus der man eindeutig habe ersehen können, in welcher Höhe der Versorgungsausgleich Berücksichtigung gefunden habe. Dabei hätte lediglich der Vergleich von Zahlbeträgen erfolgen müssen. Die vom Kläger dargelegten Gründe seien allerdings im Wege des Ermessens insoweit berücksichtigt worden, als dass der Bescheid nur teilweise zurückgenommen werde. Daraus ergebe sich, dass nur der in der Anlage 1 ausgewiesene Betrag überzahlt und zu erstatten sei. Es sei von einem Mitverschulden der Beklagten auszugehen, was ein Mittragen der Überzahlung zur Hälfte zur Folge habe. Der hiergegen am 30. März 2010 erhobene Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 10. August 2010 als unbegründet zurückgewiesen.
Dagegen hat der Kläger am 31. August 2010 Klage vor dem Sozialgericht Stendal erhoben. Nach Auflösung des Sozialgerichts Stendal ist der Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Magdeburg (SG) fortgeführt worden. Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 12. April 2012 den Bescheid der Beklagten vom 18. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2010 aufgehoben. Der Kläger könne sich zwar nicht auf Vertrauensschutzgesichtspunkte berufen, aber der Rücknahmebescheid der Beklagten sei rechtswidrig, da er einen Bescheid aufhebe, der nicht an ihn, sondern an dessen geschiedene Ehefrau ergangen sei. Ein Bescheid vom 24. Juli 2007, der an den Kläger adressiert sei, finde sich in den Verwaltungsakten nicht. Eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne vom § 38 SGB X liege nicht vor, da die Beklagte ganz bewusst den Bescheid vom 24. Juli 2007 habe aufheben wollen.
Gegen den ihr am 02. Mai 2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 24. Mai 2012 beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Berufung eingelegt. Der Bescheid vom 18. März 2010 entspreche dem Bestimmtheitsgebot, auch wenn das Datum des zu korrigierenden Bescheides unzutreffend genannt worden sei. Der Inhalt des Verfügungssatzes sei durch Auslegung festzustellen. Hierbei sei nach der Rechtsprechung des BSG maßgeblich, wie der Adressat des Bescheides ihn nach verständiger Würdigung von allen bekannten Umständen des Einzelfalls nach Treu und Glauben zu deuten habe. Für den Kläger komme aus den Verfügungssätzen im Bescheid vom 18. März 2010 ganz klar zum Ausdruck, dass die Bescheide, die die Rentenhöhe für die Zeit ab 01. September 2007 regelten, keine Wirksamkeit mehr entfalten sollen. Damit sei konkludent deren Rücknahme erklärt worden.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 12. April 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 12. April 2012 zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am
31. Januar 2013 einen Widerrufsvergleich geschlossen, mit dem sich der Kläger zur Rückzahlung eines Betrages von 673,64 Euro verpflichtet hat. Die Beklagte hat den Vergleich mit Schriftsatz vom 18. Februar 2013 widerrufen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der anschließenden Beratung des Senats gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 18. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2010 ist formell (1.) und auch materiell (2.) rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.
1.
Die angefochtene Entscheidung der Beklagten ist formell rechtmäßig. Mit Bescheid vom 18. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2010 hat die Beklagte den Rentenbescheid vom 30. Januar 2009 hinreichend bestimmt zurückgenommen. Nach § 33 Abs. 1 SGB X muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dieses Erfordernis bezieht sich auf den Verfügungssatz des Verwaltungsaktes, nicht jedoch auf dessen Gründe. Aus dem Verfügungssatz muss für den Betroffenen vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein, was die Behörde will (Urteil des BSG vom 06. Februar 2007 – B 8 KN 3/06 –, Urteil des BSG vom 23. Februar 1998 – B 11/7 RAr 103/87 –; juris). Eine Aufhebung früherer Bescheide muss nicht ausdrücklich erklärt werden, sondern kann auch durch einen konkludenten, jedoch hinreichend deutlichen Verwaltungsakt erfolgen. Es genügt, wenn aus den Formulierungen, Hinweisen und Auskünften des Verwaltungsaktes für einen verständigen und objektiven Erklärungsempfänger klar erkennbar zum Ausdruck kommt, dass ihm die nach dem bisherigen Verwaltungsakt bewilligte Leistung nicht mehr zusteht (Urteil des BSG vom 13. Dezember 2000 – B 5 RJ 42/99 R –, Urteil des BSG vom 24. Februar 1999 – B 4 RJ 32/98 R –; juris). Zur Auslegung des Verfügungssatzes kann die Begründung des Verwaltungsaktes herangezogen werden (Urteil des BSG vom 06. Februar 2007 – B 8 KN 3/06 R –; juris). Unter Berücksichtigung des objektiven Empfängerhorizontes ergibt sich gerade nicht, dass die Beklagte tatsächlich den an die ehemalige Ehefrau des Klägers erlassenen Bescheid vom 24. Juli 2007 aufheben wollte. Bei einer solchen Auslegung des Bescheides vom 18. März 2010 würde dieser ins Leere gehen, da Adressat einer Rücknahme- und Erstattungsentscheidung im Hinblick auf den Bescheid vom 24. Juli 2007 nur die geschiedene Ehefrau des Klägers sein kann. Eine solche Auslegung des Bescheides vom 18. März 2010 stünde aber im Widerspruch zu der Begründung dieser Entscheidung, die sich allein auf die Rentenhöhe des Klägers bzw. die Korrektur der übertragenen Rentenanwartschaften aus einem Versorgungsausgleich bezieht. Mit dem als Rentenbescheid bezeichneten Bescheid vom 18. März 2010 hat die Beklagte die Rentenhöhe ab dem 01. September 2007 neu berechnet. In der Anlage 1 des Bescheides wird angegeben, dass die Rente aufgrund der teilweisen Rücknahme des fehlerhaften Rentenbescheides im Rahmen des Ermessens nunmehr die dort aufgeführten Beträge aufweise. In der Anlage 10 des Bescheides wird lediglich fehlerhaft ausgeführt, dass der Rentenbescheid vom 24. Juli 2007 hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung ab 01. September 2007 nach
§ 45 SGB X zurückgenommen werde. Ein Bescheid vom 24. Juli 2007 ist an den Kläger nie ergangen. Aus der weiteren Begründung wird dann aber ersichtlich, dass die Rentenhöhe des Klägers reduziert werden soll. Die Beklagte bezieht sich zum Beispiel auf die an den Kläger übersandte Mitteilung vom 09. August 2007, mit dem ihm die Übertragung von Rentenanwartschaften aus dem Versorgungsausgleich mitgeteilt worden ist. Des Weiteren nimmt sie Bezug auf die vorangegangene Anhörung des Klägers. Der Kläger konnte mithin den Bescheid vom 18. März 2010 nur so verstehen, dass seine Rentenhöhe für den dort angegebenen Zeitraum zurückgenommen werden soll. Aus seinem Vorbringen im Widerspruchs- und Klageverfahren ergibt sich, dass er den Bescheid vom 18. März 2010 auch genau so verstanden hat. Insoweit ist offensichtlich, dass der Bescheid vom 24. Juli 2007 unzutreffend benannt wird, sodass von einer offenbaren Unrichtigkeit i. S. von § 38 SGB X auszugehen ist. Offenbar ist eine Unrichtigkeit, wenn sie für den verständigen objektiven Betrachter unschwer ersichtlich ist, und zwar aus erkennbaren Vorgängen beim Erlass des Verwaltungsaktes, aus ihm selbst oder aus sonstigen Umständen. Der Fehler muss "ins Auge springen". Es genügt nicht, wenn er sich nur aus den Verwaltungsvorgängen ergibt. Andererseits ist nicht erforderlich, dass sich der Fehler allein schon beim Lesen des Bescheides aufdrängt (Engelmann in von Wulffen, Kommentar zum SGB X, 7. Auflage, § 38 Rdnr. 6). Bei unbefangenem Lesen des Bescheides vom 18. März 2010 drängt sich auf, dass die Beklagte für einen bestimmten Zeitraum die Rentenhöhe des Klägers wegen der fehlerhaften Berücksichtigung von übertragenen Rentenanwartschaften korrigieren wollte und dass die entgegenstehenden Entscheidungen aufgehoben werden sollten. Ein inhaltlicher Bezug auf den Bescheid vom 24. Juli 2007 ergibt sich nicht. Es wird lediglich das Datum dieses Bescheides genannt, was allein nicht ausreichend ist, um den Willen der Beklagten anzunehmen, dass explizit dieser Bescheid aufgehoben werden sollte.
2.
Der Bescheid der Beklagten vom 18. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2010 ist auch materiell rechtmäßig. Als Rechtsgrundlage für die Rücknahme des Bescheides vom 30. Januar 2009 ist § 45 SGB X heranzuziehen. Gemäß § 45 Abs. 1 SGB X darf ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der ein Recht oder rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt (begünstigender Verwaltungsakt), auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Der Rentenbescheid vom 30. Januar 2009 ist rechtswidrig begünstigend, da mit diesem Bescheid dem Kläger eine Rente gewährt wird und hierbei überhöhte Rentenanwartschaften aus einem Versorgungsausgleich berücksichtigt worden sind. Durch Beschluss des Amtsgerichts S. vom 25. Mai 2007 sind dem Kläger Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 165,65 DM übertragen worden und die Beklagte hat tatsächlich Rentenanwartschaften in Höhe von 165,65 Euro monatlich berücksichtigt. Auf Vertrauensschutzgesichtspunkte kann sich der Kläger im Hinblick auf die Rücknahmeentscheidung nicht berufen. Nach § 45 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X kann sich der Begünstigte nicht auf Vertrauen berufen, soweit er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, der Verwaltungsakt auf Angaben beruhte, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
Beim Kläger ist von einer grob fahrlässigen Unkenntnis im Sinne von § 45 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 SGB X auszugehen. Nach der Legaldefinition des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 zweiter Halbsatz SGB X ist grobe Fahrlässigkeit gegeben, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Dies ist dann der Fall, wenn er einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und daher nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (Urteil des BSG vom 31. August 1976 – 7 RAr 112/74 –; Urteil des BSG vom 08. Februar 2001 – B 11 AL 21/00 R –; juris). Entscheidend sind stets die besonderen Umstände des Einzelfalles und die individuellen Fähigkeiten des Betroffenen, d. h. seine Urteilsfähigkeit und sein Einsichtsvermögen, im Übrigen auch sein Verhalten (Urteil des BSG vom 31. August 1976 a.a.O.). Bezugspunkt für das grob fahrlässige Nichtwissen ist schon nach dem Wortlaut des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes, also das Ergebnis der Tatsachenfeststellung und Rechtsanwendung durch die Behörde. Allerdings können Fehler im Bereich der Tatsachenermittlung oder im Bereich der Rechtsanwendung, auch wenn sie nicht Bezugspunkte des grob fahrlässigen Nichtwissens sind, Anhaltspunkt für den Begünstigten sein, die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes selbst zu erkennen. Voraussetzung dafür ist, dass sich die tatsächlichen oder rechtlichen Mängel aus dem Bewilligungsbescheid oder anderen Umständen ergeben und für das Einsichtsvermögen des Betroffenen ohne weiteres erkennbar sind. Hierbei besteht eine Obliegenheit, Bewilligungsbescheide zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen, auch wenn dies nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt ist. Diese Obliegenheit ergibt sich vielmehr aus dem Sozialrechtsverhältnis, in dem die Beteiligten sich gegenseitig vor vermeidbaren, das Versicherungsverhältnis betreffenden Schäden zu bewahren haben (Urteil des BSG vom 08. Februar 2001 – B 11 AL 21/00 R –; juris). Der Kläger wurde bereits mit der Mitteilung vom
09. August 2007 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, ihm Rentenanwartschaften in Höhe von 165,65 Euro zu übertragen. Der Hinweis erging zeitlich unmittelbar nach dem Beschluss des Amtsgerichts S. vom 25. Mai 2007, mit dem ihm lediglich 165,65 DM übertragen worden waren, so dass ihm bereits zu diesem Zeitpunkt hätte klar sein müssen, dass ein Fehler auf Seiten der Beklagten vorlag. Dieser Fehler setzte sich im Rentenbescheid vom 30. Januar 2009 fort, da in der Anlage dieses Bescheides noch einmal die Auswirkungen des Versorgungsausgleichs mit dem falschen Betrag dargelegt worden sind. Der Kläger hätte hier nicht aufwendige Rentenberechnungen nachvollziehen, sondern lediglich die übertragenen Anwartschaften im Beschluss des Amtsgerichts und im Rentenbescheid vergleichen müssen.
Die Beklagte hat auch eine rechtsfehlerfreie Ermessensentscheidung getroffen. Eine rechtsfehlerfreie Ermessensentscheidung erfordert nach § 39 Abs. 1 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB I), dass die Behörde ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung ausübt und dabei die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einhält. Der von der Ermessensentscheidung Betroffene hat dementsprechend einen Anspruch auf pflichtgemäße Ausübung von fehlerfreiem Ermessen. In diesem eingeschränkten Umfang unterliegt die Ermessensentscheidung der richterlichen Kontrolle (§ 54 Abs. 2 Satz 2 SGG). Als Ermessensfehler kommen zum Einen eine Ermessensunterschreitung bzw. ein Ermessensnichtgebrauch, zum Anderen eine sogenannte Ermessensüberschreitung in Betracht. Schließlich stellt es einen Ermessenfehler dar, wenn die Beklagte von dem ihr eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung widersprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Dies ist dann der Fall, wenn die Beklagte ihrer Entscheidung entweder einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde legt, für die Entscheidung objektive wesentliche Gesichtspunkte nicht ermittelt oder berücksichtigt oder objektiv gemessen am Ermächtigungszweck sachfremde bzw. unsachliche Erwägungen zur Entscheidungsgrundlage gemacht hat (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 10. Auflage 2012, § 54 Rdnr. 27 ff.). Aus der Begründung des Bescheides vom 18. März 2010 wird ersichtlich, dass die Beklagte Ermessenserwägungen angestellt und im Rahmen dieser Ermessenserwägungen die Erstattungsforderung um die Hälfte auf 1.347,28 Euro reduziert hat. Die Beklagte hat dabei ausdrücklich berücksichtigt, dass ihr ein Mitverschulden bei der Überzahlung anzulasten ist. Insoweit ist die Ermessensentscheidung der Beklagten nicht zu beanstanden.
Die Ermächtigungsgrundlage für die Erstattungsforderung ergibt sich aus
§ 50 Abs. 1 SGB X.
Die Kostenentscheidung erging in Anwendung von § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Die Klage wird abgewiesen.
Die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers für beide Instanzen sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme seines Rentenbescheides und die Erstattung von Rentenleistungen nach einer fehlerhaften Übertragung von Rentenanwartschaften im Zusammenhang mit einem Versorgungsausgleich.
Die Ehe des am ... 1949 geborenen Klägers wurde durch Urteil des Amtsgerichts Stendal vom 28. März 2002 – 5 F 12/01 – geschieden. Der Versorgungsausgleich wurde zunächst ausgesetzt. Mit Bescheid vom 29. November 2005 bewilligte die Beklagte ihm eine Rente wegen voller Erwerbsminderung für den Zeitraum vom 01. September 2005 bis zum 30. April 2006 mit einem monatlichen Zahlbetrag von 545,51 Euro. Am 08. Dezember 2005 beantragte er die Fortzahlung der Rente. Mit Schreiben vom 13. Februar 2006 teilte das Amtsgericht der Beklagten mit, dass der Vorsorgungsausgleich weiterhin ausgesetzt bleibe. Mit Bescheid vom 23. März 2006 bewilligte sie dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf unbestimmte Dauer. Zur Höhe der Rente teilte sie mit, dass diese aus technischen Gründen zurzeit nicht abschließend bestimmt werden könne. Die Rente werde daher vorläufig in Höhe der bisherigen Rente geleistet. Dies ergebe sich aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Berechnung der Rentenhöhe bei der Weiterzahlung einer befristeten Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Durch Beschluss des Amtsgerichts S. vom 25. Mai 2007 wurden dem Kläger Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 165,65 DM übertragen. Mit Schreiben vom 09. August 2007 teilte die Beklagte ihm mit, dass sich durch die Übertragung der Rentenanwartschaften eine Erhöhung der Rente ergebe. Entgegen der Festlegung im Beschluss des Amtsgerichts wies sie allerdings einen Betrag von monatlich 165,65 Euro aus. Die Rentenbewilligung der geschiedenen Ehefrau des Klägers wurde mit Rentenbescheid vom 24. Juli 2007 entsprechend abgeändert.
Mit Bescheid vom 30. Januar 2009 stellte die Beklagte die Rente des Klägers für die Zeit ab 01. Mai 2006 endgültig fest. In der Anlage 5 des Bescheides führte sie zu den Auswirkungen des Versorgungsausgleichs aus, dass aus der Ehezeit vom 01. Januar 1976 bis zum 31. Dezember 2000 zu Gunsten des Klägers Rentenanwartschaften übertragen worden seien. Die übertragene Rentenanwartschaft sei auf 165,65 Euro monatlich festgestellt worden. Dies seien zum Ende der Ehezeit monatlich 323,98 DM gewesen.
Im Januar 2010 stellte die Beklagte im Rahmen einer internen Prüfung fest, dass bei der Berücksichtigung des Versorgungsausgleiches von einem fehlerhaften Betrag ausgegangen worden sei. Daraufhin hörte sie den Kläger mit Schreiben vom 03. März 2010 an. Bei dem Versorgungsausgleich seien 165,65 Euro statt 165,65 DM zur Anrechnung gekommen. Es sei beabsichtigt, den Bescheid vom 24. Juli 2007 mit Wirkung ab dem 01. September 2007 nach § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) zurückzunehmen. Die richtig berechnete Rente in Höhe von 767,58 Euro sei ab dem 01. Mai 2010 laufend zu zahlen und die Überzahlung für die Zeit vom 01. September 2007 bis 30. April 2010 in Höhe von 2.694,46 Euro nach § 50 Abs. 1 SGB X zurückzufordern. Der Kläger habe die Fehlerhaftigkeit des Bescheides erkennen können. Dieser teilte hierzu mit Schreiben vom 09. März 2010 mit, dass die Beklagte voraussetze, dass er als "Nichtfachmann" den von ausgebildetem Fachpersonal berechneten Rentenbescheid kontrollieren und berichtigen solle. Es liege nicht in seiner Verantwortung und auch nicht in seinem Wissen, den Rentenbescheid bis ins kleinste Detail zu überprüfen. Er sei sich keines schuldhaften Verhaltens bewusst. Mit Rentenbescheid vom 18. März 2010 reduzierte die Beklagte die laufende Rentenzahlung ab dem 01. Mai 2010 auf 767,58 Euro und forderte den Kläger für die Zeit vom 01. September 2007 bis zum 30. April 2010 zur Erstattung eines Betrages in Höhe von 1.346,28 Euro auf. In der Anlage 1 des Bescheides teilte sie ihm die neuberechneten Rentenbeträge ab dem 01. Mai 2006 und die Berechnung des Erstattungsbetrages mit. In der Anlage 10 des Bescheides führte sie ergänzend aus, dass der Rentenbescheid vom 24. Juli 2007 hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung ab 01. September 2007 nach § 45 SGB X zurückgenommen werde und dass die entstandene Überzahlung nach § 50 SGB X zu erstatten sei. Auf Vertrauen in den Bestand des Rentenbescheides könne sich der Kläger nicht berufen, da ihm am 09. August 2007 eine Mitteilung zugegangen sei, aus der man eindeutig habe ersehen können, in welcher Höhe der Versorgungsausgleich Berücksichtigung gefunden habe. Dabei hätte lediglich der Vergleich von Zahlbeträgen erfolgen müssen. Die vom Kläger dargelegten Gründe seien allerdings im Wege des Ermessens insoweit berücksichtigt worden, als dass der Bescheid nur teilweise zurückgenommen werde. Daraus ergebe sich, dass nur der in der Anlage 1 ausgewiesene Betrag überzahlt und zu erstatten sei. Es sei von einem Mitverschulden der Beklagten auszugehen, was ein Mittragen der Überzahlung zur Hälfte zur Folge habe. Der hiergegen am 30. März 2010 erhobene Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 10. August 2010 als unbegründet zurückgewiesen.
Dagegen hat der Kläger am 31. August 2010 Klage vor dem Sozialgericht Stendal erhoben. Nach Auflösung des Sozialgerichts Stendal ist der Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Magdeburg (SG) fortgeführt worden. Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 12. April 2012 den Bescheid der Beklagten vom 18. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2010 aufgehoben. Der Kläger könne sich zwar nicht auf Vertrauensschutzgesichtspunkte berufen, aber der Rücknahmebescheid der Beklagten sei rechtswidrig, da er einen Bescheid aufhebe, der nicht an ihn, sondern an dessen geschiedene Ehefrau ergangen sei. Ein Bescheid vom 24. Juli 2007, der an den Kläger adressiert sei, finde sich in den Verwaltungsakten nicht. Eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne vom § 38 SGB X liege nicht vor, da die Beklagte ganz bewusst den Bescheid vom 24. Juli 2007 habe aufheben wollen.
Gegen den ihr am 02. Mai 2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 24. Mai 2012 beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Berufung eingelegt. Der Bescheid vom 18. März 2010 entspreche dem Bestimmtheitsgebot, auch wenn das Datum des zu korrigierenden Bescheides unzutreffend genannt worden sei. Der Inhalt des Verfügungssatzes sei durch Auslegung festzustellen. Hierbei sei nach der Rechtsprechung des BSG maßgeblich, wie der Adressat des Bescheides ihn nach verständiger Würdigung von allen bekannten Umständen des Einzelfalls nach Treu und Glauben zu deuten habe. Für den Kläger komme aus den Verfügungssätzen im Bescheid vom 18. März 2010 ganz klar zum Ausdruck, dass die Bescheide, die die Rentenhöhe für die Zeit ab 01. September 2007 regelten, keine Wirksamkeit mehr entfalten sollen. Damit sei konkludent deren Rücknahme erklärt worden.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 12. April 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 12. April 2012 zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am
31. Januar 2013 einen Widerrufsvergleich geschlossen, mit dem sich der Kläger zur Rückzahlung eines Betrages von 673,64 Euro verpflichtet hat. Die Beklagte hat den Vergleich mit Schriftsatz vom 18. Februar 2013 widerrufen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der anschließenden Beratung des Senats gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 18. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2010 ist formell (1.) und auch materiell (2.) rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.
1.
Die angefochtene Entscheidung der Beklagten ist formell rechtmäßig. Mit Bescheid vom 18. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2010 hat die Beklagte den Rentenbescheid vom 30. Januar 2009 hinreichend bestimmt zurückgenommen. Nach § 33 Abs. 1 SGB X muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dieses Erfordernis bezieht sich auf den Verfügungssatz des Verwaltungsaktes, nicht jedoch auf dessen Gründe. Aus dem Verfügungssatz muss für den Betroffenen vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein, was die Behörde will (Urteil des BSG vom 06. Februar 2007 – B 8 KN 3/06 –, Urteil des BSG vom 23. Februar 1998 – B 11/7 RAr 103/87 –; juris). Eine Aufhebung früherer Bescheide muss nicht ausdrücklich erklärt werden, sondern kann auch durch einen konkludenten, jedoch hinreichend deutlichen Verwaltungsakt erfolgen. Es genügt, wenn aus den Formulierungen, Hinweisen und Auskünften des Verwaltungsaktes für einen verständigen und objektiven Erklärungsempfänger klar erkennbar zum Ausdruck kommt, dass ihm die nach dem bisherigen Verwaltungsakt bewilligte Leistung nicht mehr zusteht (Urteil des BSG vom 13. Dezember 2000 – B 5 RJ 42/99 R –, Urteil des BSG vom 24. Februar 1999 – B 4 RJ 32/98 R –; juris). Zur Auslegung des Verfügungssatzes kann die Begründung des Verwaltungsaktes herangezogen werden (Urteil des BSG vom 06. Februar 2007 – B 8 KN 3/06 R –; juris). Unter Berücksichtigung des objektiven Empfängerhorizontes ergibt sich gerade nicht, dass die Beklagte tatsächlich den an die ehemalige Ehefrau des Klägers erlassenen Bescheid vom 24. Juli 2007 aufheben wollte. Bei einer solchen Auslegung des Bescheides vom 18. März 2010 würde dieser ins Leere gehen, da Adressat einer Rücknahme- und Erstattungsentscheidung im Hinblick auf den Bescheid vom 24. Juli 2007 nur die geschiedene Ehefrau des Klägers sein kann. Eine solche Auslegung des Bescheides vom 18. März 2010 stünde aber im Widerspruch zu der Begründung dieser Entscheidung, die sich allein auf die Rentenhöhe des Klägers bzw. die Korrektur der übertragenen Rentenanwartschaften aus einem Versorgungsausgleich bezieht. Mit dem als Rentenbescheid bezeichneten Bescheid vom 18. März 2010 hat die Beklagte die Rentenhöhe ab dem 01. September 2007 neu berechnet. In der Anlage 1 des Bescheides wird angegeben, dass die Rente aufgrund der teilweisen Rücknahme des fehlerhaften Rentenbescheides im Rahmen des Ermessens nunmehr die dort aufgeführten Beträge aufweise. In der Anlage 10 des Bescheides wird lediglich fehlerhaft ausgeführt, dass der Rentenbescheid vom 24. Juli 2007 hinsichtlich der Rentenhöhe mit Wirkung ab 01. September 2007 nach
§ 45 SGB X zurückgenommen werde. Ein Bescheid vom 24. Juli 2007 ist an den Kläger nie ergangen. Aus der weiteren Begründung wird dann aber ersichtlich, dass die Rentenhöhe des Klägers reduziert werden soll. Die Beklagte bezieht sich zum Beispiel auf die an den Kläger übersandte Mitteilung vom 09. August 2007, mit dem ihm die Übertragung von Rentenanwartschaften aus dem Versorgungsausgleich mitgeteilt worden ist. Des Weiteren nimmt sie Bezug auf die vorangegangene Anhörung des Klägers. Der Kläger konnte mithin den Bescheid vom 18. März 2010 nur so verstehen, dass seine Rentenhöhe für den dort angegebenen Zeitraum zurückgenommen werden soll. Aus seinem Vorbringen im Widerspruchs- und Klageverfahren ergibt sich, dass er den Bescheid vom 18. März 2010 auch genau so verstanden hat. Insoweit ist offensichtlich, dass der Bescheid vom 24. Juli 2007 unzutreffend benannt wird, sodass von einer offenbaren Unrichtigkeit i. S. von § 38 SGB X auszugehen ist. Offenbar ist eine Unrichtigkeit, wenn sie für den verständigen objektiven Betrachter unschwer ersichtlich ist, und zwar aus erkennbaren Vorgängen beim Erlass des Verwaltungsaktes, aus ihm selbst oder aus sonstigen Umständen. Der Fehler muss "ins Auge springen". Es genügt nicht, wenn er sich nur aus den Verwaltungsvorgängen ergibt. Andererseits ist nicht erforderlich, dass sich der Fehler allein schon beim Lesen des Bescheides aufdrängt (Engelmann in von Wulffen, Kommentar zum SGB X, 7. Auflage, § 38 Rdnr. 6). Bei unbefangenem Lesen des Bescheides vom 18. März 2010 drängt sich auf, dass die Beklagte für einen bestimmten Zeitraum die Rentenhöhe des Klägers wegen der fehlerhaften Berücksichtigung von übertragenen Rentenanwartschaften korrigieren wollte und dass die entgegenstehenden Entscheidungen aufgehoben werden sollten. Ein inhaltlicher Bezug auf den Bescheid vom 24. Juli 2007 ergibt sich nicht. Es wird lediglich das Datum dieses Bescheides genannt, was allein nicht ausreichend ist, um den Willen der Beklagten anzunehmen, dass explizit dieser Bescheid aufgehoben werden sollte.
2.
Der Bescheid der Beklagten vom 18. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2010 ist auch materiell rechtmäßig. Als Rechtsgrundlage für die Rücknahme des Bescheides vom 30. Januar 2009 ist § 45 SGB X heranzuziehen. Gemäß § 45 Abs. 1 SGB X darf ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der ein Recht oder rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt (begünstigender Verwaltungsakt), auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Der Rentenbescheid vom 30. Januar 2009 ist rechtswidrig begünstigend, da mit diesem Bescheid dem Kläger eine Rente gewährt wird und hierbei überhöhte Rentenanwartschaften aus einem Versorgungsausgleich berücksichtigt worden sind. Durch Beschluss des Amtsgerichts S. vom 25. Mai 2007 sind dem Kläger Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 165,65 DM übertragen worden und die Beklagte hat tatsächlich Rentenanwartschaften in Höhe von 165,65 Euro monatlich berücksichtigt. Auf Vertrauensschutzgesichtspunkte kann sich der Kläger im Hinblick auf die Rücknahmeentscheidung nicht berufen. Nach § 45 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X kann sich der Begünstigte nicht auf Vertrauen berufen, soweit er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, der Verwaltungsakt auf Angaben beruhte, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
Beim Kläger ist von einer grob fahrlässigen Unkenntnis im Sinne von § 45 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 SGB X auszugehen. Nach der Legaldefinition des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 zweiter Halbsatz SGB X ist grobe Fahrlässigkeit gegeben, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Dies ist dann der Fall, wenn er einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und daher nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen (Urteil des BSG vom 31. August 1976 – 7 RAr 112/74 –; Urteil des BSG vom 08. Februar 2001 – B 11 AL 21/00 R –; juris). Entscheidend sind stets die besonderen Umstände des Einzelfalles und die individuellen Fähigkeiten des Betroffenen, d. h. seine Urteilsfähigkeit und sein Einsichtsvermögen, im Übrigen auch sein Verhalten (Urteil des BSG vom 31. August 1976 a.a.O.). Bezugspunkt für das grob fahrlässige Nichtwissen ist schon nach dem Wortlaut des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes, also das Ergebnis der Tatsachenfeststellung und Rechtsanwendung durch die Behörde. Allerdings können Fehler im Bereich der Tatsachenermittlung oder im Bereich der Rechtsanwendung, auch wenn sie nicht Bezugspunkte des grob fahrlässigen Nichtwissens sind, Anhaltspunkt für den Begünstigten sein, die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes selbst zu erkennen. Voraussetzung dafür ist, dass sich die tatsächlichen oder rechtlichen Mängel aus dem Bewilligungsbescheid oder anderen Umständen ergeben und für das Einsichtsvermögen des Betroffenen ohne weiteres erkennbar sind. Hierbei besteht eine Obliegenheit, Bewilligungsbescheide zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen, auch wenn dies nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt ist. Diese Obliegenheit ergibt sich vielmehr aus dem Sozialrechtsverhältnis, in dem die Beteiligten sich gegenseitig vor vermeidbaren, das Versicherungsverhältnis betreffenden Schäden zu bewahren haben (Urteil des BSG vom 08. Februar 2001 – B 11 AL 21/00 R –; juris). Der Kläger wurde bereits mit der Mitteilung vom
09. August 2007 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, ihm Rentenanwartschaften in Höhe von 165,65 Euro zu übertragen. Der Hinweis erging zeitlich unmittelbar nach dem Beschluss des Amtsgerichts S. vom 25. Mai 2007, mit dem ihm lediglich 165,65 DM übertragen worden waren, so dass ihm bereits zu diesem Zeitpunkt hätte klar sein müssen, dass ein Fehler auf Seiten der Beklagten vorlag. Dieser Fehler setzte sich im Rentenbescheid vom 30. Januar 2009 fort, da in der Anlage dieses Bescheides noch einmal die Auswirkungen des Versorgungsausgleichs mit dem falschen Betrag dargelegt worden sind. Der Kläger hätte hier nicht aufwendige Rentenberechnungen nachvollziehen, sondern lediglich die übertragenen Anwartschaften im Beschluss des Amtsgerichts und im Rentenbescheid vergleichen müssen.
Die Beklagte hat auch eine rechtsfehlerfreie Ermessensentscheidung getroffen. Eine rechtsfehlerfreie Ermessensentscheidung erfordert nach § 39 Abs. 1 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB I), dass die Behörde ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung ausübt und dabei die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einhält. Der von der Ermessensentscheidung Betroffene hat dementsprechend einen Anspruch auf pflichtgemäße Ausübung von fehlerfreiem Ermessen. In diesem eingeschränkten Umfang unterliegt die Ermessensentscheidung der richterlichen Kontrolle (§ 54 Abs. 2 Satz 2 SGG). Als Ermessensfehler kommen zum Einen eine Ermessensunterschreitung bzw. ein Ermessensnichtgebrauch, zum Anderen eine sogenannte Ermessensüberschreitung in Betracht. Schließlich stellt es einen Ermessenfehler dar, wenn die Beklagte von dem ihr eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung widersprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Dies ist dann der Fall, wenn die Beklagte ihrer Entscheidung entweder einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde legt, für die Entscheidung objektive wesentliche Gesichtspunkte nicht ermittelt oder berücksichtigt oder objektiv gemessen am Ermächtigungszweck sachfremde bzw. unsachliche Erwägungen zur Entscheidungsgrundlage gemacht hat (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 10. Auflage 2012, § 54 Rdnr. 27 ff.). Aus der Begründung des Bescheides vom 18. März 2010 wird ersichtlich, dass die Beklagte Ermessenserwägungen angestellt und im Rahmen dieser Ermessenserwägungen die Erstattungsforderung um die Hälfte auf 1.347,28 Euro reduziert hat. Die Beklagte hat dabei ausdrücklich berücksichtigt, dass ihr ein Mitverschulden bei der Überzahlung anzulasten ist. Insoweit ist die Ermessensentscheidung der Beklagten nicht zu beanstanden.
Die Ermächtigungsgrundlage für die Erstattungsforderung ergibt sich aus
§ 50 Abs. 1 SGB X.
Die Kostenentscheidung erging in Anwendung von § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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