Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 3 P 13/10
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 P 6/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Umstritten ist ein Anspruch auf Pflegegeld nach dem Sozialgesetzbuch Elftes Buch – Soziale Pflegeversicherung (SGB XI).
Die am ... 1951 geborene und bei der Beklagten seit 1. Oktober 2009 versicherte Klägerin beantragte am 15. September 2009 die Feststellung einer Pflegestufe und die Auszahlung von Pflegegeld. Sie gab an, aufgrund eines Oberschenkelhalsbruches seit 3. August 2009 pflegebedürftig zu sein. Hilfebedürftig sei sie beim Waschen, der Zahnpflege, dem Kämmen, beim Aufstehen/Zubettgehen, An-/Auskleiden, Stehen, Gehen, Treppensteigen, Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung, beim Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Beheizen der Wohnung und Wechseln/Waschen der Wäsche/Kleidung. Daneben verwies sie auf eine Begutachtung durch Prof. Dr. H. vom 11. September 2007 im Rentenverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Dessau-Roßlau (S 2 R 568/05), in dessen Folge ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt worden war. Mit Bescheid vom 17. Februar 2010 des Versorgungsamtes im Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt wurde die Klägerin als Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung von 50 anerkannt. Als Behinderungen wurden festgestellt: TEP rechtes Hüftgelenk mit Belastungsminderung des Beines, Abhängigkeitsleiden, Funktionsminderung der Wirbelsäule bei degenerativen Veränderungen und Skoliose. Merkzeichen, die gleichfalls beantragt waren, wurden nicht zuerkannt. Des Weiteren legte die Tochter der Klägerin, S. (damals: B.), medizinische Unterlagen des Evangelischen Krankenhauses P., W., und des E.es B. S. GmbH über stationäre Aufenthalte der Klägerin vom 3. bis 24. August 2009 und vom 24. August bis 12. September 2009 vor. Außerdem teilte die Tochter mit, die Klägerin im Rahmen einer Vorsorgevollmacht zu unterstützen. Der Sozialmedizinische Dienst (SMD) H. erstattete im Auftrag der Beklagten ein Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI vom 30. November 2009 nach Untersuchung der Klägerin in der häuslichen Umgebung am selben Tag durch die Ärztin Dr. G. Diese Sachverständige kam zu dem Ergebnis eines Pflegebedarfs in der Grundpflege von 3 min am Tag für die Körperpflege, da die Klägerin einmal in der Woche beim Baden hilfebedürftig sei, und zwar in der Form der teilweisen Übernahme. In den übrigen Bereichen der Grundpflege (Ernährung und Mobilität) stellte die Sachverständige keinen Pflegebedarf fest. Bei der hauswirtschaftlichen Versorgung betrage der Hilfebedarf 45 min pro Tag. Zur Begründung gab sie an, bei der Klägerin bestehe ein Zustand nach endoprothetisch versorgter Schenkelhalsfraktur rechts bei Osteoporose. Sie könne noch frei sitzen, sich aufsetzen und umlagern sowie aufstellen, indem sie sich an Möbeln abstütze. Das freie Stehen sei noch nicht sicher möglich, sie gehe verlangsamt an Unterarmstützen, rechts hinkend. Von Geburt an bestehe eine Beinverkürzung. Die grobe Kraft und Feinmotorik der Hände sei ungestört, Faustschluss und Greiffunktion erhalten. Der Schürzen-Nacken-Griff sei möglich; beim Hand-Fuß-Kontakt im Sitzen hebe die Klägerin den Fuß soweit an, dass sie ihn mit der Hand erreichen könne. Es bestehe weder Inkontinenz noch eine pflegerelevante Einschränkung der Sinnesorgane. Die Klägerin sei untergewichtig; anamnestisch sei von Alkoholabhängigkeit mit Verhaltensstörungen und psychischen Auffälligkeiten auszugehen. Als pflegebegründende Diagnosen benannte die Sachverständige Osteoporose und Alkoholabhängigkeit; eine erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz oder eine demenzbedingte Fähigkeitsstörung, geistige Behinderung oder psychischer Erkrankung stellte sie nicht fest.
Mit Bescheid vom 14. September 2009 lehnte die Beklagte den Antrag auf Pflegegeld ab, da bei der Klägerin in den Bereichen Körperpflege, Ernährung und Mobilität nur gelegentliche bzw. keine Hilfeleistungen erforderlich seien. Aus diesen Gründen bestehe keine erhebliche Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI. Hiergegen legte die Tochter der Klägerin mit Schreiben vom 17. Dezember 2009, bei der Beklagten am 18. Dezember 2009 eingegangen, Widerspruch ein und gab an, die Begutachtung sei ohne sie, die Tochter, durchgeführt worden. Bei der Begutachtung habe die Mutter die Sachverständige belogen. Ihre Mutter sei alkoholkrank, sie, die Tochter, fahre jeden Tag dreimal hin und wende dafür am Tag insgesamt drei bis viereinhalb Stunden auf. Sie gehe täglich einkaufen, wasche ihre Mutter, gebe ihr Tabletten, reinige die Wohnung, bereite ihr die Nahrung zu und mache die Klägerin gegen Abend bettfertig. Ihre Mutter könne sich auch nicht richtig bewegen. Sie sei täglich auf Betreuung angewiesen. Daraufhin veranlasste die Beklagte das Ausfüllen eines Pflegetagebuches, das die Tochter der Klägerin am 7. Januar 2010 mit Eintragungen für die Zeit vom 23. Dezember 2009 bis 5. Januar 2010 zurückreichte. In dem Pflegetagebuch ist der tägliche Zeitaufwand für die Körperpflege durchschnittlich mit mehr als 100 min, für die Ernährung mit 30 bis 80 min und für die Mobilität mit zum Teil mehr als 200 min angegeben. Die Pflegemaßnahmen sind nach diesen Eintragungen im Regelfall morgens, mittags und abends durchgeführt worden; nächtlicher Pflegebedarf wurde ausdrücklich verneint. Die Beklagte legte das Pflegetagebuch nebst Akten dem SMD zur Stellungnahme vor, der zunächst durch Dr. G. am 16. Januar 2010 mitteilte, die Klägerin sei zum Begutachtungszeitpunkt allein in der Wohnung gewesen, da die Tochter verhindert gewesen sei. Zum damaligen Zeitpunkt des 30. November 2009 hätte unter Berücksichtigung aller zur Verfügung stehenden Informationen und unter Berücksichtigung des Befundes eine Einstufung in eine Pflegestufe nicht befürwortet werden können. Die in dem Pflegetagebuch verzeichneten Pflegezeiten seien nicht nachvollziehbar, denn die Klägerin habe einen Hilfebedarf bei Toilettengängen ebenso verneint wie den im Tagebuch aufgeführten Hilfebedarf beim Aufstehen, Zu-Bett-gehen, beim Be- und Entkleiden sowie beim Transfer. Auch beim Gehen, Treppensteigen und Verlassen bzw. Wiederaufsuchen der Wohnung sei kein Pflegebedarf angegeben worden. Ebenso wenig nachvollziehbar sei der angeführte Hilfebedarf bei der Nahrungsaufnahme, der Ende November definitiv nicht bestanden habe. Das Waschen der Hände und des Gesichts könne die Klägerin selbständig ausführen. Unter Berücksichtigung der von der Betreuerin angeführten möglichen Unwahrheiten sei eine erneute Begutachtung, diesmal unbedingt im Beisein der Tochter als Betreuerin zu empfehlen.
Mit Schreiben vom 26. Januar 2010 teilte die Beklagte der Klägerin mit, es sei eine weitere Begutachtung am 8. Februar 2010 durch die Pflegefachkraft R. vorgesehen. Zu diesem Schreiben teilte die Tochter der Klägerin mit undatiertem Schreiben, bei der Beklagten am 4. Februar 2010 eingegangen, mit, der SMD, der alle Befunde habe, könne nach Aktenlage entscheiden. Bereits mit Brief/Postkarte vom 28. Januar 2010 hatte die Tochter erklärt, die B. mit der Sache beauftragen zu wollen, falls der Bescheid für ihre Mutter nicht bis 5. Februar 2010 "bei mir" (der Tochter) sei. Mit Gesprächsvermerk vom 3. Februar 2010 hat die Pflegefachkraft R. über ein an diesem Tag geführtes Telefonat mit der Tochter festgehalten, dass die Klägerin nach Angaben der Tochter keine weitere Begutachtung wünsche, so dass die Entscheidung auch per Aktenlage erfolgen könne. Die Tochter habe angegeben, an dem vorgesehenen Begutachtungstermin des 8. Februar 2010 nicht teilnehmen zu können, da sie um 8:30 Uhr ihr Kind in den Kindergarten bringen müsse und niemanden habe, der sie zu ihrer Mutter fahren könne. Die Klägerin hat gegenüber der Pflegefachkraft R. am selben Tag telefonisch angegeben, die Begutachtung könne wie geplant stattfinden, sie sei immer da. Mit Gutachten vom 9. Februar 2010 nach Hausbesuch bei der Klägerin am 8. Februar 2010 haben die Pflegefachkräfte T. und R. festgestellt, es bestehe ein notwendiger Hilfebedarf in der Grundpflege von 2 min am Tag. Für die im Pflegetagebuch aufgeführten langen Pflegezeiten für Verrichtungen der Körperpflege, die Hygienevorgänge, die mundgerechte Nahrungszubereitung und die Nahrungsverabreichung und für die Mobilität, einschließlich Kleiden, sowie für die hauswirtschaftliche Versorgung fehle jegliche Begründung. Diese Zeiten seien sozialmedizinisch nicht plausibel und nicht nachvollziehbar. Bei der Untersuchung sei die Klägerin wie im Erstgutachten mit zwei Unterarmgehstützen in der Wohnung mobil gewesen; Einschränkungen der Greiffunktionen seien nicht beobachtet worden. Aufgrund der bestehenden Restmobilität sei die Klägerin recht gut in der Lage, die Körperpflege, die Toilettengänge, die Ernährung sowie das Kleiden selbst zu übernehmen. Sie benötige lediglich Hilfe beim wöchentlichen Baden einschließlich des Ein- und Ausstiegs in die bzw. aus der Wanne. Eine erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz stellten die Sachverständige nicht fest, bejahten aber eine demenzbedingte Fähigkeitsstörung, geistige Behinderung oder psychischer Erkrankung, da die Wahrnehmung und das Denken der Klägerin infolge der Alkoholkrankheit auffällig sei.
In Kenntnis von der Begutachtung teilte Frau B. "die Kontonummer von Frau H. mit, falls sie Pflegegeld bekommt, bitte auf das Konto ( ) überweisen. Sie kann nicht an das Konto da ich die Karte für Automat und Kontoauszugsautomat habe da ich ja ihre Betreuerin bin. Bescheide immer an meine Adresse ( ), da ich Frau H.s Betreuerin bin bitte rufen Sie mich an und teilen Sie mir wenns geht heute noch mit ob Frau H. eine Pflegestufe bekommen hat ( ). Mit weiterem Schreiben, das am 26. Februar 2010 bei der Beklagten eingegangen ist, verlangte Frau B. eine Bearbeitung des Widerspruchs bis zum 5. März 2010 und erklärte, sich danach an die überörtliche Presse wenden zu wollen, falls es wieder zu einer Ablehnung komme. Es könne doch nicht sein, dass der SMD jedes Mal das Alkoholproblem ihrer Mutter unter den Tisch kehre. Sie wasche ihre Mutter, gehe einkaufen und säubere die Wohnung und das jeden Tag fast 3 h.
Mit Widerspruchsbescheid vom 9. März 2010 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück, da die ärztliche Begutachtung ergeben habe, dass im Bereich der Grundpflege keine tägliche Hilfe notwendig sei, sondern lediglich einmal wöchentlich beim Baden. Ein Hilfebedarf bei weiteren Verrichtungen, wie dies zur Begründung des Widerspruchs vorgetragen worden sei, habe von den Gutachtern nicht bestätigt werden können. Die Klägerin sei mit Hilfe zweier Unterarmstützen in der Wohnung mobil. Unter Berücksichtigung der bestehenden Restmobilität sei sie recht gut in der Lage, die Körperpflege, die Toilettengänge, die Ernährung sowie das Kleiden selbständig zu übernehmen. Sie benötige lediglich Hilfe beim wöchentlichen Baden einschließlich des Ein- und Aussteigens in die bzw. aus der Wanne. Angesichts des am 8. Februar 2010 ermittelten Grundpflegebedarfes von durchschnittlich 2 min am Tag seien die Voraussetzungen für erhebliche Pflegebedürftigkeit nach der Pflegestufe I, wofür allein im Bereich der Grundpflege ein Hilfebedarf von mindestens 46 min pro Tag erforderlich sei, nicht erfüllt.
Gegen den Widerspruchsbescheid hat die Tochter der Klägerin am 17. März 2010 vor dem SG Klage erhoben und vorgetragen, es sei nicht berücksichtigt worden, dass ihre Mutter alkoholkrank sei. Die Begutachtung sei ohne sie, die Tochter als Betreuerin, durchgeführt worden. Ihre Mutter habe bei der Begutachtung gelogen. Sie, die Tochter, fahre jeden Tag dreimal täglich nach V., bereite der Mutter das Essen, wasche sie, gehe einkaufen, gehe mit ihr zur Toilette usw ... Sie finde es nicht schön, dass das schon zweimal abgelehnt worden sei.
Das SG hat zunächst einen Befundbericht von den behandelnden Ärzten der Klägerin, den Fachärzten für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. H. und M., einen Befundbericht vom 25. Mai 2010 eingeholt, die erklärt haben, keine genauen oder aktuellen Angaben machen zu können, da sich die Klägerin im Dezember 2009 das letzte Mal in der Praxis vorgestellt habe. Zu dieser Zeit habe sie unter den Folgen der Schenkelhalsfraktur rechts gelitten. Sodann hat das SG mit Beweisanordnung vom 1. Juli 2010 den Diplom-Pflegewissenschaftler H. beauftragt, ein Pflegegutachten nach einem Hausbesuch zu erstatten. Mit undatiertem Schreiben, dass am 12. Januar 2011 bei der Beklagten eingegangen ist, hat die Tochter (jetzt: S.) mitgeteilt, für "gesundheitliches sowie rechtliches (Amtsgerichte/Krankenkasse) nicht mehr zuständig" zu sein. Sie habe nur eine Vorsorgevollmacht gehabt. Neue Ansprechpartnerin in den Angelegenheiten ihrer Mutter seien nunmehr Frau K. oder Frau S. Sie bitte darum, aus den Unterlagen gestrichen und durch die neuen Ansprechpartnerinnen ersetzt zu werden. Mit Schreiben vom 12. Januar 2011 hat der Sachverständige mitgeteilt, er habe die Klägerin an diesem Tag trotz Voranmeldung und Terminbestätigung nicht begutachten können. Nach dem Eintreffen zur vereinbarten Zeit um 9:30 Uhr sei ihm durch die Nachbarin und neue Versorgungsperson der Klägerin, Frau K., mitgeteilt worden, die Klägerin sei kurzfristig wegen Hüftproblemen in das Krankenhaus gekommen. Alles Weitere müsse mit der Tochter besprochen werden. Ein Rückruf bei der Tochter habe ergeben, dass die angebliche stationäre Behandlung nur ein Vorwand gewesen sei, da die Klägerin sich an diesem Tag nicht habe begutachten lassen wollen. Zugleich habe die Tochter mitgeteilt, die Nachbarin und neue Freundin ihrer Mutter, Frau K., versorge die Mutter nicht nur, sondern vertrete sie auch in allen knappschaftlichen und gesundheitlichen Angelegenheiten. Nach Ladung zur mündlichen Verhandlung auf den 2. März 2011 hat Frau S. mit am 15. Februar 2011 eingegangenem Schreiben erneut mitgeteilt, sie sei für die Angelegenheiten ihrer Mutter nicht mehr zuständig. Ihre Mutter habe sie in einer Vorsorgevollmacht benannt. Diese Aufgabe habe sie nicht wahrnehmen können, was sie bereits telefonisch und mittels Fax dem Gericht mitgeteilt habe. Vor diesem Datum habe sie keinerlei Anträge auf Pflegestufe gestellt. Wenn ein solcher Antrag gestellt worden sei, sei dies ohne ihr Wissen und ohne ihr Einverständnis geschehen. Sie sei der Meinung, dass eine Pflegestufe II oder III für ihre Mutter nicht notwendig sei. Da sie diese nicht gestellt habe, könne sie für diese Anträge auch keinerlei Zusammenhänge erkennen. Falls sie diese Person gewesen sei, die für diese Anträge zuständig war, hätte sie diese Anträge nicht gestellt. Wenn ihre Mutter, die sicherlich anwesend gewesen sei, dem Sachverständigen nicht die Tür geöffnet habe, zeige sie damit ihr Desinteresse an einer Begutachtung. Sie werde den Verhandlungstermin nicht wahrnehmen und wenn sie die zuständige Person gewesen sei die einen Antrag hätte stellen können, habe sie dies nicht getan und ziehe diesen Antrag hiermit zurück.
Mit Urteil vom 2. März 2011 hat das SG die Klage abgewiesen und in den Entscheidungsgründen im Wesentlichen ausgeführt, bei Zugrundelegung der beiden SMD-Gutachten betrage der zeitliche Aufwand nicht mehr als 45 Minuten in der Grundpflege. Während im Bereich der Ernährung kein Pflegebedarf bestehe, betrage bei der Körperpflege und der Mobilität der Bedarf jeweils 3 Minuten, was für die Pflegestufe 1 nicht ausreiche.
Das ihr am 15. März 2011 zugestellte Urteil greift die Klägerin mit der am 4. April 2011 beim Landessozialgericht eingelegten Berufung an und macht geltend, sie sei alkoholabhängig und habe einen Pflegebedarf von ca. 1,5 Std. am Tag für Waschen und Aufpassen, sowie das Aufpassen, dass sie isst. Sie sei wegen Schmerzen auch nicht mobil. Bei Dr. U. in V. könne ein Gutachten eingeholt werden. Sie habe auch einen Schwerbehindertenausweis; es sei nicht alles berücksichtigt worden.
Die im Termin nicht erschienene und nicht vertretene Klägerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 2. März 2011 und den Bescheid der Beklagten vom 14. Dezember 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. März 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Pflegegeld nach der Pflegestufe 1 ab 1. Oktober 2010 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält ihre Bescheide für zutreffend.
Das Gericht hat, nachdem die Klägerin zu ärztlichen Behandlungen nur unzureichende Auskünfte gegeben hat, diese zu den aktuellen Pflegepersonen befragt. Daraufhin hat sich die Tochter telefonisch an das Gericht gewendet und erklärt, sie könne nicht mehr die Betreuerin für ihre Mutter sein, da sie bereits ihren Ehemann pflegen müsse und auch eine kleine Tochter habe. Ermittlungen bei der in erster Instanz von der Tochter benannten Frau K. blieben unter verschiedenen Anschriften dieser Person ergebnislos. Weitere Anschreiben an die Klägerin wurden von ihr nicht mehr beantwortet. Die Tochter hat schließlich am 9. Juli 2012 mitgeteilt, ihre Mutter sei in der JVA C. noch bis zum 6. August 2012 inhaftiert, danach ziehe sie zu ihr. Die Vorsorgevollmacht sei nicht geändert worden und auch kein Betreuer gerichtlich bestellt.
Die JVA C. hat eine Haftbescheinigung übersandt, nach der die Klägerin dort vom 22. Mai bis 6. August 2012 inhaftiert gewesen ist. Der Medizinische Dienst der Haftanstalt, vertreten durch den Facharzt für Allgemeinmedizin, Medizinaldirektor Dipl.-Med. G., hat mit Befundbericht vom 23. November 2012 mitgeteilt, die Klägerin sei während der Haft bei der Körperpflege und Nahrungsaufnahme selbständig gewesen. Ihre Bewegungsfähigkeit sei nur mit Hilfe zweier Unterarmgehstützen möglich gewesen. Das Treppensteigen sei ihr sehr erschwert möglich gewesen, weshalb man ihr eine Ausnahmegenehmigung für den Fahrstuhl erteilt habe. Er könne sich durchaus vorstellen, dass die Klägerin in der häuslichen Umgebung ein Handicap bei der Sauberhaltung der Wohnung, beim Einkaufen und bei der Herstellung von Speisen zum Eigenverbrauch habe. Seiner Ansicht nach könne die Klägerin noch ohne eigentliche Pflegeleistungen existieren, bedürfe aber der Hilfe durch Dritte bei der Haushaltsführung, beim Einkaufen und bei der Essenszubereitung.
Am 4. Februar 2013 hat die Beklagte ein weiteres Pflegegutachten des SMD vom 17. Januar 2013 vorgelegt, das die freiberufliche Gutachterin Pflegefachkraft Z. nach Befunderhebung in der häuslichen Umgebung der Klägerin erstattet hat. Die Sachverständige hat festgestellt, dass die Klägerin keine Medikamente einnimmt, ihr keine Heilmittel verordnet seien und an Hilfsmitteln eine Zahnprothese oben, eine Lesebrille und zwei Unterarmgehstützen vorhanden seien. Zum Hausarzt fahre die Klägerin mit dem Bus. Zur Anamnese hat die Gutachterin angegeben, der Erstantrag sei von der Tochter gestellt worden, da diese jetzt immer mal im Haushalt und beim Baden helfe müsse. Als pflegebegründende Diagnosen hat sie benannt: Zustand nach Humeruskopffraktur und Coxarthrose, jeweils mit Bewegungseinschränkungen, deformiertes Fußgelenk rechts. Eine erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz sei nicht festzustellen. Pflegebedarf bestehe im Bereich der Körperpflege beim Baden mit einem Zeitaufwand von ca. 3 min pro Tag. In den Bereichen Ernährung und Mobilität bestehe kein Pflegebedarf, da die Klägerin dort selbständig sei, bei der Mobilität allerdings mit erhöhtem Kraft- und Zeitaufwand. Bei der hauswirtschaftlichen Versorgung belaufe sich der Pflegebedarf auf 20 Minuten am Tag.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge, die Verwaltungsunterlagen der Beklagten und die beigezogene Schwerbehindertenakte des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt verwiesen. Diese Akten und Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der anschließenden geheimen Beratung und Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe:
Der Senat durfte den Rechtsstreit in Abwesenheit der Klägerin verhandeln und entscheiden, da sie ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist, § 110 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die zulässige Berufung ist unbegründet, denn das SG hat im angefochtenen Urteil vom 2. März 2011 die Klage zu Recht abgewiesen. Der von der Klägerin angegriffene Bescheid der Beklagten vom 14. Dezember 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. März 2010 ist rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, weil sie keinen Anspruch auf Pflegegeld hat.
Der Anspruch auf Pflegegeld beruht auf § 37 Abs. 1 SGB XI i. V. mit § 14, 15 SGB XI. Voraussetzung ist, dass der Pflegebedürftige mit dem Pflegegeld dessen Umfang entsprechend die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung in geeigneter Weise selbst sicherstellt. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen oder regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens 6 Monate, in erheblichem oder höherem Maße (§ 15) der Hilfe bedürfen. Die pflegebedürftigen Personen werden nach § 15 Abs. 1 SGB XI für die Gewährung von Leistungen einer von drei Pflegestufen zugeordnet. Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI). Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege – Körperpflege, Ernährung und Mobilität – mehr als 45 Minuten entfallen (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI).
Die Klägerin erfüllt diese Voraussetzungen für die Pflegestufe I trotz bestehender Behinderungen nicht. Nach Auswertung der Unterlagen, darunter insbesondere der Befundbericht von Dipl.-Med. G. vom 23. November 2012 und das Gutachten der Pflegefachkraft Z. vom 17. Januar 2013, besteht bei der Klägerin Pflegebedarf aufgrund von schmerzbedingten Bewegungseinschränkungen, die durch eine Hüftgelenksarthrose, die Folgen einer Humeruskopffraktur und ein deformiertes Fußgelenk hervorgerufen werden. Allerdings besteht der Pflegebedarf nach übereinstimmender Sicht aller von der Beklagten beauftragten Gutachter im Bereich der Grundpflege in geringem Umfang lediglich bei der Körperpflege und dort auch nur bei der Verrichtung "Baden" sowie bei der Mobilität. Der Zeitbedarf für die Verrichtung Baden ist nach den Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem XI. Buch des Sozialgesetzbuches (Begutachtungs-Richtlinien – BRi) vom 8. Juni 2009 i. V. mit den Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen über die Abgrenzung der Merkmale der Pflegebedürftigkeit und der Pflegestufen sowie zum Verfahren der Feststellung der Pflegebedürftigkeit (Pflegebedürftigkeits-Richtlinien – PflRi) in der Fassung vom 11. Mai 2006 zu bestimmen. Die BRi enthalten ausgehend von einer vollständigen Übernahme der Verrichtungen durch eine Laienpflegekraft Orientierungswerte zur Pflegezeitbemessung. Danach umfasst das Baden eine Ganzkörperwäsche in einer Badewanne, wobei das Haarewaschen Bestandteil dieser Verrichtung ist, während eine Hilfestellung beim Einsteigen in die Badewanne im Bereich der Mobilität "Stehen" zu berücksichtigen ist (BRi D 4.1 Vorbemerkung sowie Nr. 3). Für das Baden sind 20 bis 25 min anzusetzen (BRi F 4.1 Körperpflege Nr. 3), wobei unter Berücksichtigung der individuellen häuslichen und persönlichen Situation der Klägerin ein zweimaliges Baden pro Woche bedarfsgerecht erscheint. Mangels konkreter Feststellungen der Gutachter ist angesichts der Behinderungen der Klägerin, die jetzt offenbar auch dauerhaft unter den Folgen einer Humeruskopffraktur leidet, davon auszugehen, dass sie in größerem Umfang beim Baden hilfebedürftig ist, aber weiterhin keine vollständige Übernahme erforderlich ist. Anzusetzen sind für zweimaliges Baden in der Woche also zweimal 15 min, was einem täglichen Hilfebedarf von 4 min entspricht (2 x 15 = 30, geteilt durch 7 Tage = 4 [gerundet]). Entgegen allen gutachtlichen Ausführungen ist zusätzlich aber auch ein Hilfebedarf im Bereich Mobilität zu berücksichtigen, da die Klägerin aufgrund der Hüftgelenkserkrankung und des deformierten rechten Fußes auf Hilfe beim Ein- und Aussteigen aus der Wanne angewiesen ist, was die Gutachter auch zum Teil festgestellt haben (T. und R. sowie G.). Dieser Hilfebedarf ist beim Stehen (Transfer) mit 2 min pro Badevorgang zu berücksichtigen, sodass hierfür eine weitere Minute in den täglichen Hilfebedarf einfließt (2 x 2 = 4, geteilt durch 7 Tage = 1 [gerundet]). Insgesamt besteht danach ein Grundpflegebedarf von 5 min am Tag. Weiterer Hilfebedarf besteht nicht, da von den Gutachtern keine zusätzlichen Einschränkungen beschrieben werden, sodass die Klägerin in den übrigen Bereichen der Grundpflege als selbständig anzusehen ist. Im Hinblick darauf, dass die Greiffunktionen der Hände nicht eingeschränkt sind und die Bewegungsfähigkeit/Gehfähigkeit der Klägerin offenbar noch für selbständige Fahrten mit dem Bus zum Hausarzt ausreicht, erscheint die Wertung der Sachverständigen auch plausibel. Besonders zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch die Einschätzung von Dipl.-Med. G., der die Klägerin im Bereich der Grundpflege mit nachvollziehbarer Begründung nicht für pflegebedürftig hält, weil sie, mit Einschränkungen in der Mobilität, den Haftalltag selbständig bewältigen konnte.
Den Angaben der Tochter ist nicht zu folgen, weil die von ihr im Pflegetagebuch angegebenen Pflegezeiten offensichtlich nicht mit dem tatsächlichen Pflegebedarf der Klägerin übereinstimmen, wie sich insbesondere aus dem Bericht von Dipl.-Med. G. und dem Gutachten der Sachverständigen Z. ergibt. Die bestehende Alkoholkrankheit bedingt keinen zusätzlichen Pflegeaufwand, weil nicht festgestellt worden ist, dass diese Erkrankung einen konkreten Pflegebedarf verursacht.
Insgesamt besteht ein Pflegebedarf in zwei Verrichtungen der Grundpflege von 5 min am Tag. Damit verfehlt die Klägerin die nach dem Gesetz geforderten "mehr als 45 Minuten" (§ 15 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB XI), sodass es nicht mehr darauf ankommt, dass sie nach den Feststellungen der Sachverständigen Z. auch bei der hauswirtschaftlichen Versorgung mit 20 Minuten am Tag nicht ausreichend hilfebedürftig ist.
Die Kostenentscheidung geruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Umstritten ist ein Anspruch auf Pflegegeld nach dem Sozialgesetzbuch Elftes Buch – Soziale Pflegeversicherung (SGB XI).
Die am ... 1951 geborene und bei der Beklagten seit 1. Oktober 2009 versicherte Klägerin beantragte am 15. September 2009 die Feststellung einer Pflegestufe und die Auszahlung von Pflegegeld. Sie gab an, aufgrund eines Oberschenkelhalsbruches seit 3. August 2009 pflegebedürftig zu sein. Hilfebedürftig sei sie beim Waschen, der Zahnpflege, dem Kämmen, beim Aufstehen/Zubettgehen, An-/Auskleiden, Stehen, Gehen, Treppensteigen, Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung, beim Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Beheizen der Wohnung und Wechseln/Waschen der Wäsche/Kleidung. Daneben verwies sie auf eine Begutachtung durch Prof. Dr. H. vom 11. September 2007 im Rentenverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Dessau-Roßlau (S 2 R 568/05), in dessen Folge ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt worden war. Mit Bescheid vom 17. Februar 2010 des Versorgungsamtes im Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt wurde die Klägerin als Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung von 50 anerkannt. Als Behinderungen wurden festgestellt: TEP rechtes Hüftgelenk mit Belastungsminderung des Beines, Abhängigkeitsleiden, Funktionsminderung der Wirbelsäule bei degenerativen Veränderungen und Skoliose. Merkzeichen, die gleichfalls beantragt waren, wurden nicht zuerkannt. Des Weiteren legte die Tochter der Klägerin, S. (damals: B.), medizinische Unterlagen des Evangelischen Krankenhauses P., W., und des E.es B. S. GmbH über stationäre Aufenthalte der Klägerin vom 3. bis 24. August 2009 und vom 24. August bis 12. September 2009 vor. Außerdem teilte die Tochter mit, die Klägerin im Rahmen einer Vorsorgevollmacht zu unterstützen. Der Sozialmedizinische Dienst (SMD) H. erstattete im Auftrag der Beklagten ein Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI vom 30. November 2009 nach Untersuchung der Klägerin in der häuslichen Umgebung am selben Tag durch die Ärztin Dr. G. Diese Sachverständige kam zu dem Ergebnis eines Pflegebedarfs in der Grundpflege von 3 min am Tag für die Körperpflege, da die Klägerin einmal in der Woche beim Baden hilfebedürftig sei, und zwar in der Form der teilweisen Übernahme. In den übrigen Bereichen der Grundpflege (Ernährung und Mobilität) stellte die Sachverständige keinen Pflegebedarf fest. Bei der hauswirtschaftlichen Versorgung betrage der Hilfebedarf 45 min pro Tag. Zur Begründung gab sie an, bei der Klägerin bestehe ein Zustand nach endoprothetisch versorgter Schenkelhalsfraktur rechts bei Osteoporose. Sie könne noch frei sitzen, sich aufsetzen und umlagern sowie aufstellen, indem sie sich an Möbeln abstütze. Das freie Stehen sei noch nicht sicher möglich, sie gehe verlangsamt an Unterarmstützen, rechts hinkend. Von Geburt an bestehe eine Beinverkürzung. Die grobe Kraft und Feinmotorik der Hände sei ungestört, Faustschluss und Greiffunktion erhalten. Der Schürzen-Nacken-Griff sei möglich; beim Hand-Fuß-Kontakt im Sitzen hebe die Klägerin den Fuß soweit an, dass sie ihn mit der Hand erreichen könne. Es bestehe weder Inkontinenz noch eine pflegerelevante Einschränkung der Sinnesorgane. Die Klägerin sei untergewichtig; anamnestisch sei von Alkoholabhängigkeit mit Verhaltensstörungen und psychischen Auffälligkeiten auszugehen. Als pflegebegründende Diagnosen benannte die Sachverständige Osteoporose und Alkoholabhängigkeit; eine erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz oder eine demenzbedingte Fähigkeitsstörung, geistige Behinderung oder psychischer Erkrankung stellte sie nicht fest.
Mit Bescheid vom 14. September 2009 lehnte die Beklagte den Antrag auf Pflegegeld ab, da bei der Klägerin in den Bereichen Körperpflege, Ernährung und Mobilität nur gelegentliche bzw. keine Hilfeleistungen erforderlich seien. Aus diesen Gründen bestehe keine erhebliche Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI. Hiergegen legte die Tochter der Klägerin mit Schreiben vom 17. Dezember 2009, bei der Beklagten am 18. Dezember 2009 eingegangen, Widerspruch ein und gab an, die Begutachtung sei ohne sie, die Tochter, durchgeführt worden. Bei der Begutachtung habe die Mutter die Sachverständige belogen. Ihre Mutter sei alkoholkrank, sie, die Tochter, fahre jeden Tag dreimal hin und wende dafür am Tag insgesamt drei bis viereinhalb Stunden auf. Sie gehe täglich einkaufen, wasche ihre Mutter, gebe ihr Tabletten, reinige die Wohnung, bereite ihr die Nahrung zu und mache die Klägerin gegen Abend bettfertig. Ihre Mutter könne sich auch nicht richtig bewegen. Sie sei täglich auf Betreuung angewiesen. Daraufhin veranlasste die Beklagte das Ausfüllen eines Pflegetagebuches, das die Tochter der Klägerin am 7. Januar 2010 mit Eintragungen für die Zeit vom 23. Dezember 2009 bis 5. Januar 2010 zurückreichte. In dem Pflegetagebuch ist der tägliche Zeitaufwand für die Körperpflege durchschnittlich mit mehr als 100 min, für die Ernährung mit 30 bis 80 min und für die Mobilität mit zum Teil mehr als 200 min angegeben. Die Pflegemaßnahmen sind nach diesen Eintragungen im Regelfall morgens, mittags und abends durchgeführt worden; nächtlicher Pflegebedarf wurde ausdrücklich verneint. Die Beklagte legte das Pflegetagebuch nebst Akten dem SMD zur Stellungnahme vor, der zunächst durch Dr. G. am 16. Januar 2010 mitteilte, die Klägerin sei zum Begutachtungszeitpunkt allein in der Wohnung gewesen, da die Tochter verhindert gewesen sei. Zum damaligen Zeitpunkt des 30. November 2009 hätte unter Berücksichtigung aller zur Verfügung stehenden Informationen und unter Berücksichtigung des Befundes eine Einstufung in eine Pflegestufe nicht befürwortet werden können. Die in dem Pflegetagebuch verzeichneten Pflegezeiten seien nicht nachvollziehbar, denn die Klägerin habe einen Hilfebedarf bei Toilettengängen ebenso verneint wie den im Tagebuch aufgeführten Hilfebedarf beim Aufstehen, Zu-Bett-gehen, beim Be- und Entkleiden sowie beim Transfer. Auch beim Gehen, Treppensteigen und Verlassen bzw. Wiederaufsuchen der Wohnung sei kein Pflegebedarf angegeben worden. Ebenso wenig nachvollziehbar sei der angeführte Hilfebedarf bei der Nahrungsaufnahme, der Ende November definitiv nicht bestanden habe. Das Waschen der Hände und des Gesichts könne die Klägerin selbständig ausführen. Unter Berücksichtigung der von der Betreuerin angeführten möglichen Unwahrheiten sei eine erneute Begutachtung, diesmal unbedingt im Beisein der Tochter als Betreuerin zu empfehlen.
Mit Schreiben vom 26. Januar 2010 teilte die Beklagte der Klägerin mit, es sei eine weitere Begutachtung am 8. Februar 2010 durch die Pflegefachkraft R. vorgesehen. Zu diesem Schreiben teilte die Tochter der Klägerin mit undatiertem Schreiben, bei der Beklagten am 4. Februar 2010 eingegangen, mit, der SMD, der alle Befunde habe, könne nach Aktenlage entscheiden. Bereits mit Brief/Postkarte vom 28. Januar 2010 hatte die Tochter erklärt, die B. mit der Sache beauftragen zu wollen, falls der Bescheid für ihre Mutter nicht bis 5. Februar 2010 "bei mir" (der Tochter) sei. Mit Gesprächsvermerk vom 3. Februar 2010 hat die Pflegefachkraft R. über ein an diesem Tag geführtes Telefonat mit der Tochter festgehalten, dass die Klägerin nach Angaben der Tochter keine weitere Begutachtung wünsche, so dass die Entscheidung auch per Aktenlage erfolgen könne. Die Tochter habe angegeben, an dem vorgesehenen Begutachtungstermin des 8. Februar 2010 nicht teilnehmen zu können, da sie um 8:30 Uhr ihr Kind in den Kindergarten bringen müsse und niemanden habe, der sie zu ihrer Mutter fahren könne. Die Klägerin hat gegenüber der Pflegefachkraft R. am selben Tag telefonisch angegeben, die Begutachtung könne wie geplant stattfinden, sie sei immer da. Mit Gutachten vom 9. Februar 2010 nach Hausbesuch bei der Klägerin am 8. Februar 2010 haben die Pflegefachkräfte T. und R. festgestellt, es bestehe ein notwendiger Hilfebedarf in der Grundpflege von 2 min am Tag. Für die im Pflegetagebuch aufgeführten langen Pflegezeiten für Verrichtungen der Körperpflege, die Hygienevorgänge, die mundgerechte Nahrungszubereitung und die Nahrungsverabreichung und für die Mobilität, einschließlich Kleiden, sowie für die hauswirtschaftliche Versorgung fehle jegliche Begründung. Diese Zeiten seien sozialmedizinisch nicht plausibel und nicht nachvollziehbar. Bei der Untersuchung sei die Klägerin wie im Erstgutachten mit zwei Unterarmgehstützen in der Wohnung mobil gewesen; Einschränkungen der Greiffunktionen seien nicht beobachtet worden. Aufgrund der bestehenden Restmobilität sei die Klägerin recht gut in der Lage, die Körperpflege, die Toilettengänge, die Ernährung sowie das Kleiden selbst zu übernehmen. Sie benötige lediglich Hilfe beim wöchentlichen Baden einschließlich des Ein- und Ausstiegs in die bzw. aus der Wanne. Eine erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz stellten die Sachverständige nicht fest, bejahten aber eine demenzbedingte Fähigkeitsstörung, geistige Behinderung oder psychischer Erkrankung, da die Wahrnehmung und das Denken der Klägerin infolge der Alkoholkrankheit auffällig sei.
In Kenntnis von der Begutachtung teilte Frau B. "die Kontonummer von Frau H. mit, falls sie Pflegegeld bekommt, bitte auf das Konto ( ) überweisen. Sie kann nicht an das Konto da ich die Karte für Automat und Kontoauszugsautomat habe da ich ja ihre Betreuerin bin. Bescheide immer an meine Adresse ( ), da ich Frau H.s Betreuerin bin bitte rufen Sie mich an und teilen Sie mir wenns geht heute noch mit ob Frau H. eine Pflegestufe bekommen hat ( ). Mit weiterem Schreiben, das am 26. Februar 2010 bei der Beklagten eingegangen ist, verlangte Frau B. eine Bearbeitung des Widerspruchs bis zum 5. März 2010 und erklärte, sich danach an die überörtliche Presse wenden zu wollen, falls es wieder zu einer Ablehnung komme. Es könne doch nicht sein, dass der SMD jedes Mal das Alkoholproblem ihrer Mutter unter den Tisch kehre. Sie wasche ihre Mutter, gehe einkaufen und säubere die Wohnung und das jeden Tag fast 3 h.
Mit Widerspruchsbescheid vom 9. März 2010 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück, da die ärztliche Begutachtung ergeben habe, dass im Bereich der Grundpflege keine tägliche Hilfe notwendig sei, sondern lediglich einmal wöchentlich beim Baden. Ein Hilfebedarf bei weiteren Verrichtungen, wie dies zur Begründung des Widerspruchs vorgetragen worden sei, habe von den Gutachtern nicht bestätigt werden können. Die Klägerin sei mit Hilfe zweier Unterarmstützen in der Wohnung mobil. Unter Berücksichtigung der bestehenden Restmobilität sei sie recht gut in der Lage, die Körperpflege, die Toilettengänge, die Ernährung sowie das Kleiden selbständig zu übernehmen. Sie benötige lediglich Hilfe beim wöchentlichen Baden einschließlich des Ein- und Aussteigens in die bzw. aus der Wanne. Angesichts des am 8. Februar 2010 ermittelten Grundpflegebedarfes von durchschnittlich 2 min am Tag seien die Voraussetzungen für erhebliche Pflegebedürftigkeit nach der Pflegestufe I, wofür allein im Bereich der Grundpflege ein Hilfebedarf von mindestens 46 min pro Tag erforderlich sei, nicht erfüllt.
Gegen den Widerspruchsbescheid hat die Tochter der Klägerin am 17. März 2010 vor dem SG Klage erhoben und vorgetragen, es sei nicht berücksichtigt worden, dass ihre Mutter alkoholkrank sei. Die Begutachtung sei ohne sie, die Tochter als Betreuerin, durchgeführt worden. Ihre Mutter habe bei der Begutachtung gelogen. Sie, die Tochter, fahre jeden Tag dreimal täglich nach V., bereite der Mutter das Essen, wasche sie, gehe einkaufen, gehe mit ihr zur Toilette usw ... Sie finde es nicht schön, dass das schon zweimal abgelehnt worden sei.
Das SG hat zunächst einen Befundbericht von den behandelnden Ärzten der Klägerin, den Fachärzten für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. H. und M., einen Befundbericht vom 25. Mai 2010 eingeholt, die erklärt haben, keine genauen oder aktuellen Angaben machen zu können, da sich die Klägerin im Dezember 2009 das letzte Mal in der Praxis vorgestellt habe. Zu dieser Zeit habe sie unter den Folgen der Schenkelhalsfraktur rechts gelitten. Sodann hat das SG mit Beweisanordnung vom 1. Juli 2010 den Diplom-Pflegewissenschaftler H. beauftragt, ein Pflegegutachten nach einem Hausbesuch zu erstatten. Mit undatiertem Schreiben, dass am 12. Januar 2011 bei der Beklagten eingegangen ist, hat die Tochter (jetzt: S.) mitgeteilt, für "gesundheitliches sowie rechtliches (Amtsgerichte/Krankenkasse) nicht mehr zuständig" zu sein. Sie habe nur eine Vorsorgevollmacht gehabt. Neue Ansprechpartnerin in den Angelegenheiten ihrer Mutter seien nunmehr Frau K. oder Frau S. Sie bitte darum, aus den Unterlagen gestrichen und durch die neuen Ansprechpartnerinnen ersetzt zu werden. Mit Schreiben vom 12. Januar 2011 hat der Sachverständige mitgeteilt, er habe die Klägerin an diesem Tag trotz Voranmeldung und Terminbestätigung nicht begutachten können. Nach dem Eintreffen zur vereinbarten Zeit um 9:30 Uhr sei ihm durch die Nachbarin und neue Versorgungsperson der Klägerin, Frau K., mitgeteilt worden, die Klägerin sei kurzfristig wegen Hüftproblemen in das Krankenhaus gekommen. Alles Weitere müsse mit der Tochter besprochen werden. Ein Rückruf bei der Tochter habe ergeben, dass die angebliche stationäre Behandlung nur ein Vorwand gewesen sei, da die Klägerin sich an diesem Tag nicht habe begutachten lassen wollen. Zugleich habe die Tochter mitgeteilt, die Nachbarin und neue Freundin ihrer Mutter, Frau K., versorge die Mutter nicht nur, sondern vertrete sie auch in allen knappschaftlichen und gesundheitlichen Angelegenheiten. Nach Ladung zur mündlichen Verhandlung auf den 2. März 2011 hat Frau S. mit am 15. Februar 2011 eingegangenem Schreiben erneut mitgeteilt, sie sei für die Angelegenheiten ihrer Mutter nicht mehr zuständig. Ihre Mutter habe sie in einer Vorsorgevollmacht benannt. Diese Aufgabe habe sie nicht wahrnehmen können, was sie bereits telefonisch und mittels Fax dem Gericht mitgeteilt habe. Vor diesem Datum habe sie keinerlei Anträge auf Pflegestufe gestellt. Wenn ein solcher Antrag gestellt worden sei, sei dies ohne ihr Wissen und ohne ihr Einverständnis geschehen. Sie sei der Meinung, dass eine Pflegestufe II oder III für ihre Mutter nicht notwendig sei. Da sie diese nicht gestellt habe, könne sie für diese Anträge auch keinerlei Zusammenhänge erkennen. Falls sie diese Person gewesen sei, die für diese Anträge zuständig war, hätte sie diese Anträge nicht gestellt. Wenn ihre Mutter, die sicherlich anwesend gewesen sei, dem Sachverständigen nicht die Tür geöffnet habe, zeige sie damit ihr Desinteresse an einer Begutachtung. Sie werde den Verhandlungstermin nicht wahrnehmen und wenn sie die zuständige Person gewesen sei die einen Antrag hätte stellen können, habe sie dies nicht getan und ziehe diesen Antrag hiermit zurück.
Mit Urteil vom 2. März 2011 hat das SG die Klage abgewiesen und in den Entscheidungsgründen im Wesentlichen ausgeführt, bei Zugrundelegung der beiden SMD-Gutachten betrage der zeitliche Aufwand nicht mehr als 45 Minuten in der Grundpflege. Während im Bereich der Ernährung kein Pflegebedarf bestehe, betrage bei der Körperpflege und der Mobilität der Bedarf jeweils 3 Minuten, was für die Pflegestufe 1 nicht ausreiche.
Das ihr am 15. März 2011 zugestellte Urteil greift die Klägerin mit der am 4. April 2011 beim Landessozialgericht eingelegten Berufung an und macht geltend, sie sei alkoholabhängig und habe einen Pflegebedarf von ca. 1,5 Std. am Tag für Waschen und Aufpassen, sowie das Aufpassen, dass sie isst. Sie sei wegen Schmerzen auch nicht mobil. Bei Dr. U. in V. könne ein Gutachten eingeholt werden. Sie habe auch einen Schwerbehindertenausweis; es sei nicht alles berücksichtigt worden.
Die im Termin nicht erschienene und nicht vertretene Klägerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 2. März 2011 und den Bescheid der Beklagten vom 14. Dezember 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. März 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Pflegegeld nach der Pflegestufe 1 ab 1. Oktober 2010 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält ihre Bescheide für zutreffend.
Das Gericht hat, nachdem die Klägerin zu ärztlichen Behandlungen nur unzureichende Auskünfte gegeben hat, diese zu den aktuellen Pflegepersonen befragt. Daraufhin hat sich die Tochter telefonisch an das Gericht gewendet und erklärt, sie könne nicht mehr die Betreuerin für ihre Mutter sein, da sie bereits ihren Ehemann pflegen müsse und auch eine kleine Tochter habe. Ermittlungen bei der in erster Instanz von der Tochter benannten Frau K. blieben unter verschiedenen Anschriften dieser Person ergebnislos. Weitere Anschreiben an die Klägerin wurden von ihr nicht mehr beantwortet. Die Tochter hat schließlich am 9. Juli 2012 mitgeteilt, ihre Mutter sei in der JVA C. noch bis zum 6. August 2012 inhaftiert, danach ziehe sie zu ihr. Die Vorsorgevollmacht sei nicht geändert worden und auch kein Betreuer gerichtlich bestellt.
Die JVA C. hat eine Haftbescheinigung übersandt, nach der die Klägerin dort vom 22. Mai bis 6. August 2012 inhaftiert gewesen ist. Der Medizinische Dienst der Haftanstalt, vertreten durch den Facharzt für Allgemeinmedizin, Medizinaldirektor Dipl.-Med. G., hat mit Befundbericht vom 23. November 2012 mitgeteilt, die Klägerin sei während der Haft bei der Körperpflege und Nahrungsaufnahme selbständig gewesen. Ihre Bewegungsfähigkeit sei nur mit Hilfe zweier Unterarmgehstützen möglich gewesen. Das Treppensteigen sei ihr sehr erschwert möglich gewesen, weshalb man ihr eine Ausnahmegenehmigung für den Fahrstuhl erteilt habe. Er könne sich durchaus vorstellen, dass die Klägerin in der häuslichen Umgebung ein Handicap bei der Sauberhaltung der Wohnung, beim Einkaufen und bei der Herstellung von Speisen zum Eigenverbrauch habe. Seiner Ansicht nach könne die Klägerin noch ohne eigentliche Pflegeleistungen existieren, bedürfe aber der Hilfe durch Dritte bei der Haushaltsführung, beim Einkaufen und bei der Essenszubereitung.
Am 4. Februar 2013 hat die Beklagte ein weiteres Pflegegutachten des SMD vom 17. Januar 2013 vorgelegt, das die freiberufliche Gutachterin Pflegefachkraft Z. nach Befunderhebung in der häuslichen Umgebung der Klägerin erstattet hat. Die Sachverständige hat festgestellt, dass die Klägerin keine Medikamente einnimmt, ihr keine Heilmittel verordnet seien und an Hilfsmitteln eine Zahnprothese oben, eine Lesebrille und zwei Unterarmgehstützen vorhanden seien. Zum Hausarzt fahre die Klägerin mit dem Bus. Zur Anamnese hat die Gutachterin angegeben, der Erstantrag sei von der Tochter gestellt worden, da diese jetzt immer mal im Haushalt und beim Baden helfe müsse. Als pflegebegründende Diagnosen hat sie benannt: Zustand nach Humeruskopffraktur und Coxarthrose, jeweils mit Bewegungseinschränkungen, deformiertes Fußgelenk rechts. Eine erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz sei nicht festzustellen. Pflegebedarf bestehe im Bereich der Körperpflege beim Baden mit einem Zeitaufwand von ca. 3 min pro Tag. In den Bereichen Ernährung und Mobilität bestehe kein Pflegebedarf, da die Klägerin dort selbständig sei, bei der Mobilität allerdings mit erhöhtem Kraft- und Zeitaufwand. Bei der hauswirtschaftlichen Versorgung belaufe sich der Pflegebedarf auf 20 Minuten am Tag.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge, die Verwaltungsunterlagen der Beklagten und die beigezogene Schwerbehindertenakte des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt verwiesen. Diese Akten und Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der anschließenden geheimen Beratung und Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe:
Der Senat durfte den Rechtsstreit in Abwesenheit der Klägerin verhandeln und entscheiden, da sie ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist, § 110 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die zulässige Berufung ist unbegründet, denn das SG hat im angefochtenen Urteil vom 2. März 2011 die Klage zu Recht abgewiesen. Der von der Klägerin angegriffene Bescheid der Beklagten vom 14. Dezember 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. März 2010 ist rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, weil sie keinen Anspruch auf Pflegegeld hat.
Der Anspruch auf Pflegegeld beruht auf § 37 Abs. 1 SGB XI i. V. mit § 14, 15 SGB XI. Voraussetzung ist, dass der Pflegebedürftige mit dem Pflegegeld dessen Umfang entsprechend die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung in geeigneter Weise selbst sicherstellt. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen oder regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens 6 Monate, in erheblichem oder höherem Maße (§ 15) der Hilfe bedürfen. Die pflegebedürftigen Personen werden nach § 15 Abs. 1 SGB XI für die Gewährung von Leistungen einer von drei Pflegestufen zugeordnet. Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI). Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege – Körperpflege, Ernährung und Mobilität – mehr als 45 Minuten entfallen (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI).
Die Klägerin erfüllt diese Voraussetzungen für die Pflegestufe I trotz bestehender Behinderungen nicht. Nach Auswertung der Unterlagen, darunter insbesondere der Befundbericht von Dipl.-Med. G. vom 23. November 2012 und das Gutachten der Pflegefachkraft Z. vom 17. Januar 2013, besteht bei der Klägerin Pflegebedarf aufgrund von schmerzbedingten Bewegungseinschränkungen, die durch eine Hüftgelenksarthrose, die Folgen einer Humeruskopffraktur und ein deformiertes Fußgelenk hervorgerufen werden. Allerdings besteht der Pflegebedarf nach übereinstimmender Sicht aller von der Beklagten beauftragten Gutachter im Bereich der Grundpflege in geringem Umfang lediglich bei der Körperpflege und dort auch nur bei der Verrichtung "Baden" sowie bei der Mobilität. Der Zeitbedarf für die Verrichtung Baden ist nach den Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem XI. Buch des Sozialgesetzbuches (Begutachtungs-Richtlinien – BRi) vom 8. Juni 2009 i. V. mit den Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen über die Abgrenzung der Merkmale der Pflegebedürftigkeit und der Pflegestufen sowie zum Verfahren der Feststellung der Pflegebedürftigkeit (Pflegebedürftigkeits-Richtlinien – PflRi) in der Fassung vom 11. Mai 2006 zu bestimmen. Die BRi enthalten ausgehend von einer vollständigen Übernahme der Verrichtungen durch eine Laienpflegekraft Orientierungswerte zur Pflegezeitbemessung. Danach umfasst das Baden eine Ganzkörperwäsche in einer Badewanne, wobei das Haarewaschen Bestandteil dieser Verrichtung ist, während eine Hilfestellung beim Einsteigen in die Badewanne im Bereich der Mobilität "Stehen" zu berücksichtigen ist (BRi D 4.1 Vorbemerkung sowie Nr. 3). Für das Baden sind 20 bis 25 min anzusetzen (BRi F 4.1 Körperpflege Nr. 3), wobei unter Berücksichtigung der individuellen häuslichen und persönlichen Situation der Klägerin ein zweimaliges Baden pro Woche bedarfsgerecht erscheint. Mangels konkreter Feststellungen der Gutachter ist angesichts der Behinderungen der Klägerin, die jetzt offenbar auch dauerhaft unter den Folgen einer Humeruskopffraktur leidet, davon auszugehen, dass sie in größerem Umfang beim Baden hilfebedürftig ist, aber weiterhin keine vollständige Übernahme erforderlich ist. Anzusetzen sind für zweimaliges Baden in der Woche also zweimal 15 min, was einem täglichen Hilfebedarf von 4 min entspricht (2 x 15 = 30, geteilt durch 7 Tage = 4 [gerundet]). Entgegen allen gutachtlichen Ausführungen ist zusätzlich aber auch ein Hilfebedarf im Bereich Mobilität zu berücksichtigen, da die Klägerin aufgrund der Hüftgelenkserkrankung und des deformierten rechten Fußes auf Hilfe beim Ein- und Aussteigen aus der Wanne angewiesen ist, was die Gutachter auch zum Teil festgestellt haben (T. und R. sowie G.). Dieser Hilfebedarf ist beim Stehen (Transfer) mit 2 min pro Badevorgang zu berücksichtigen, sodass hierfür eine weitere Minute in den täglichen Hilfebedarf einfließt (2 x 2 = 4, geteilt durch 7 Tage = 1 [gerundet]). Insgesamt besteht danach ein Grundpflegebedarf von 5 min am Tag. Weiterer Hilfebedarf besteht nicht, da von den Gutachtern keine zusätzlichen Einschränkungen beschrieben werden, sodass die Klägerin in den übrigen Bereichen der Grundpflege als selbständig anzusehen ist. Im Hinblick darauf, dass die Greiffunktionen der Hände nicht eingeschränkt sind und die Bewegungsfähigkeit/Gehfähigkeit der Klägerin offenbar noch für selbständige Fahrten mit dem Bus zum Hausarzt ausreicht, erscheint die Wertung der Sachverständigen auch plausibel. Besonders zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch die Einschätzung von Dipl.-Med. G., der die Klägerin im Bereich der Grundpflege mit nachvollziehbarer Begründung nicht für pflegebedürftig hält, weil sie, mit Einschränkungen in der Mobilität, den Haftalltag selbständig bewältigen konnte.
Den Angaben der Tochter ist nicht zu folgen, weil die von ihr im Pflegetagebuch angegebenen Pflegezeiten offensichtlich nicht mit dem tatsächlichen Pflegebedarf der Klägerin übereinstimmen, wie sich insbesondere aus dem Bericht von Dipl.-Med. G. und dem Gutachten der Sachverständigen Z. ergibt. Die bestehende Alkoholkrankheit bedingt keinen zusätzlichen Pflegeaufwand, weil nicht festgestellt worden ist, dass diese Erkrankung einen konkreten Pflegebedarf verursacht.
Insgesamt besteht ein Pflegebedarf in zwei Verrichtungen der Grundpflege von 5 min am Tag. Damit verfehlt die Klägerin die nach dem Gesetz geforderten "mehr als 45 Minuten" (§ 15 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB XI), sodass es nicht mehr darauf ankommt, dass sie nach den Feststellungen der Sachverständigen Z. auch bei der hauswirtschaftlichen Versorgung mit 20 Minuten am Tag nicht ausreichend hilfebedürftig ist.
Die Kostenentscheidung geruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
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