L 8 SO 16/11

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 16 SO 120/08
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 8 SO 16/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 19. April 2011 geändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

Der Beklagte hat der Klägerin die Hälfte ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten noch über höhere Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII) für die Betreuung der Klägerin in dem Wohnheim in Trägerschaft der Beigeladenen ab dem 1. Dezember 2007.

Die am ... 1978 geborene Klägerin leidet zumindest seit ihrem 13. Lebensjahr unter Affekten gegen sich selbst nach massiven sexuellen Übergriffen ihr und ihren leiblichen Schwestern gegenüber. Sie befand sich auch nach ihrer Volljährigkeit häufig in stationärer Krankenhausbehandlung auf Grund einer schweren Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ mit autoaggressiven Tendenzen bei intellektueller Minderbegabung. Es wurde für die Klägerin ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 anerkannt. Sie lebt seit März 1999 in stationären Einrichtungen, seit dem 31. Oktober 2004 im Wohnheim St. E. für Menschen mit seelischer und seelischmehrfacher Behinderung in C. (Saale) (im Folgenden: Wohnheim), dessen Trägerin die Beigeladene ist.

Zu dem Rahmenvertrag gemäß § 79 SGB XII für das Land Sachsen-Anhalt vom 27. August 2007 (im Folgenden: Rahmenvertrag) wird in der Anlage H der Personalschlüssel für Einrichtungen der Alten- und Behindertenhilfe geregelt. Danach ist für Wohnheime für Menschen mit seelischen Behinderungen ein Personalschlüssel höchstens von 1:6 vorgesehen (Nr. 2 Buchst. a zu 2.). Der für den Leistungsberechtigten günstigste Personalschlüssel von 1:1,5 ergibt sich für stationäre Langzeiteinrichtungen für geistig und mehrfach Behinderte bei schwerer und schwerster Pflege (Nr. 3 zu 2.2.). Nach den zwischen der Beigeladenen und dem Beklagten geschlossenen Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII galt eine Vergütung pro Leistungstag für die Betreuung im Wohnheim für Menschen mit seelischen Behinderungen (Leistungstyp 2b) vom 1. April bis zum 31. Dezember 2007 in Höhe von insgesamt 49,19 EUR/Leistungstag - einschließlich 4,45 EUR Verzehrgeld und 4,81 EUR Investitionsbetrag - sowie ab dem 1. Januar 2008 in Höhe von insgesamt 49,04 EUR/Leistungstag - einschließlich 4,45 EUR Verzehrgeld und 4,81 EUR Investitionsbetrag - (Vereinbarung vom 30. März 2007). Mit Vereinbarung vom 28. Dezember 2007 wurde die Vergütung ab dem 1. Januar 2008 auf 50,01 EUR angehoben.

Der Landkreis B, der zum 1. Juli 2007 im S.-landkreis (im Folgenden: Landkreis) aufgegangen ist, bewilligte der Klägerin auch nach ihrem Umzug in das Wohnheim in C. Leistungen nach den §§ 39, 40 Abs. 1 Nr. 8 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) i.V.m. § 55 Abs. 2 Nr. 6 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - SGB IX) in Form der Hilfe zu selbstbestimmtem Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten. Ab dem 1. Januar 2005 wurden die Leistungen nach den Regelungen des SGB XII, nun im Namen des Beklagten als überörtlichem Sozialhilfeträger, weitergewährt. Die laufenden Leistungen setzen sich aus der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (§§ 19 Abs. 2, 41 ff. SGB XII), der Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen einschließlich des Barbetrages (§§ 19 Abs. 1, 35 Abs. 1 und 2 Satz 2 SGB XII) und der Eingliederungshilfe zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (§§ 19 Abs. 3, 53, 54 SGB XII) zusammen.

Dem zweiten Entwicklungsbericht der Leiterin des Wohnheims für den Berichtzeitraum bis zum 1. November 2006 ist zu entnehmen, bei der Klägerin bestehe auf Grund ihrer seelischen Behinderung ein so hoher Hilfebedarf, dass die zu dieser Zeit bestehende landesweit übliche Personalbemessung für Menschen mit seelischer Behinderung diesem Einzelfall nicht gerecht werde. Im Sinne der Gewährleistung einer bedarfsgerechten Betreuung und Förderung werde um Prüfung des vorliegenden Einzelfalles gebeten.

Auf die Bitte des Landkreises mit Schreiben vom 23. Oktober 2006 um Konkretisierung des erhöhtem Hilfebedarfs der Klägerin gab die Leiterin des Wohnheims auf dem von dem Landkreis übersandten beigefügten "Erhebungsbogen zur Bildung von Gruppen für Leistungsberechtigte mit seelischen Behinderungen" einen Gesamtpunktwert von 308 bei einer maximal vorgesehenen Gesamtsumme von 348 Punkten an. Mit wenigen Ausnahmen zu Einzelpunkten ist in sämtlichen Bereichen der Wert für einen sehr großen Hilfebedarf (Anleitung und umfassende Hilfestellung) angegeben. Im Bereich "Anmerkungen" des Vordrucks wird auf eine über die Maßen suizidale Gefährdung (sehr hoher Hilfebedarf an individueller Begleitung, sehr umfangreicher Hilfebedarf bei der fachärztlichen Versorgung), eine Fremdgefährdung bei instabilem psychosozialem Befinden und eine über die Maßen [erforderliche] Motivation in allen Lebensbereichen einschließlich externer Therapiebegleitung verwiesen. Im Übrigen wird wegen der Einzelheiten auf Bl. 85ff. des Medizinischen Beihefts aus den Verwaltungsakten Bezug genommen.

Aus der von der Leiterin des Sozialpsychiatrischen Dienstes des Landkreises, Dipl.-Med. R., verfassten amtsärztlichen Stellungnahme zur Feststellung von Eingliederungshilfe für behinderte Menschen vom 22. Februar 2007 ergibt sich, es sei nicht abzusehen, ob die Klägerin ihren Lebensüberdruss und ihre suizidale Phantasien in die Tat umsetze. Momentan bestünden zusätzlich berechtigte Ängste auf Grund der von der Klägerin gefürchteten Haftentlassung des Täters der sexuellen Übergriffe. Als Diagnosen lägen eine Borderline-Persönlichkeitsstörung (emotional instabile Persönlichkeitsstörung) mit dauerhafter latenter Suizidalität bei Unvermögen der angepassten emotionalen Reaktion auf Grund traumatischer Kindheitserfahrungen bei zerrütteter Familiensituation vor. Es liege eine auf einer schweren Persönlichkeitsstörung beruhende wesentliche seelische Behinderung vor. Als Maßnahmen würden eine erhöhte emotionale Zuwendung, vermehrte Gesprächs- und Beziehungsangebote durch betreuendes Personal, psychotherapeutische Betreuung und psychiatrische Behandlung (nur in einem Heim) empfohlen. Es bestehe ein erhöhter Hilfebedarf auf Grund der emotionalen Defizite; eine Erhöhung des Betreuungsaufwandes sei gerechtfertigt.

Dipl.-Med. S. führte in ihrem Gutachten für den Rehapädagogischen Fachdienst (im Folgenden: RFD) über den individuellen Hilfebedarf der Klägerin vom 11. Juli 2007 aus, die Tendenz zur Selbstgefährdung der Klägerin sei erheblich rückläufig. Während der Arbeit (von 8.00 Uhr bis 14.00 Uhr) kämen ihr keine bösen Gedanken. Danach sei sie erschöpft und ruhe in ihrem Zimmer. Die Klägerin gebe an, dann kämen sehr oft Gedanken; sie verspüre dann das Bedürfnis, sich unbedingt mit einem Betreuer unterhalten zu müssen. Sie habe Angst, dass sie sich wieder etwas antue; sie wolle nie wieder in die Nervenklinik. Während der Zeit von 14.00 Uhr bis ca. 22.00 Uhr sähen die Betreuer und auch die Klägerin den höchsten Bedarf an Zuwendung zur Abwendung von Selbstgefährdung. Es werde deshalb ein täglicher individueller Betreuungsbedarf von sechs Stunden empfohlen, der selbstverständlich durch eine Fachkraft zu erbringen sei. Dieser Hilfebedarf sei als Durchschnittswert anzusehen, weil er jeweils abhängig von der Befindlichkeit der Leistungsberechtigten sei. Der Inhalt des weiteren Gutachtens von Dipl.-Med. S. für den RFD vom 23. April 2008 entspricht im Wesentlichen diesem Gutachten. Der Hilfebedarf als Durchschnittswert sei - entsprechend dem beantragten Personalschlüssel von 1:1 - analog einem Wohnheim für wesentlich geistig behinderte Menschen als Höchstmaß der Betreuung in einer vollstationären Einrichtung aus gutachterlicher Sicht zu befürworten.

Mit Bescheid vom 24. Juli 2007 bewilligte der Landkreis der Klägerin im Namen des Beklagten u.a. Leistungen der Eingliederungshilfe in Höhe von monatlich 1.496,36 EUR (täglich 49,19 EUR) ab April 2007 unter Berücksichtigung der maßgebenden Entgeltvereinbarungen.

Zu den Angaben der Beigeladen zum individuellen Hilfebedarf der Klägerin von November 2006 bis Oktober 2008 wird auf Bl. 108 ff. und 119 ff. des Medizinischen Beiheftes aus den Verwaltungsakten verwiesen. Mit Schreiben vom 31. Juli 2007 übersandte die Beigeladene dem Beklagten (dort eingegangen am 6. August 2007) ein "Kostenangebot/Pflegesatz" für die Betreuung der Klägerin, verbunden mit einem "Antrag auf behinderungsbedingten Mehrbedarf (1:1)" mit folgender Berechnung:

( nachfolgender Absatz im Original als Tabelle dargestellt )

Am 28. September 2007 stellte die Klägerin durch ihre Betreuerin den Antrag auf weitere Bewilligung der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen, ohne insoweit einen bestimmten Umfang der Leistungen anzugeben. Der Landkreis bewilligte der Klägerin im Namen des Beklagten mit Bescheid vom 14. Dezember 2007 für die Zeit vom 1. Dezember 2007 bis zum 31. Mai 2008 Eingliederungshilfe in Höhe von monatlich 2.412,47 EUR. Dabei wurde für diesen Zeitraum ein Tagessatz auf Grund des erhöhten Betreuungsaufwandes in Höhe von 97,32 EUR (2.960,47 EUR/Monat) unter Berücksichtigung der maßgebenden Entgeltvereinbarungen zugrunde gelegt. Bedarfsmindernd wurden 548,00 EUR monatlich entsprechend dem Umfang der Grundsicherung und ein Kostenbeitrag der Klägerin in Höhe von monatlich 154,00 EUR berücksichtigt. Nach Mitteilung der für die Betreuung der Klägerin nun übernommenen Vergütung für die Zeit vom 1. Dezember 2007 bis zum 31. Mai 2008 fragte der Landkreis bei dem Wohnheim an, ob seit September 2006 besonderes Personal für die 1:1-Betreuung der Klägerin vorgehalten worden sei.

Die Beigeladene legte am 31. Januar 2008 "Widerspruch" gegen den Bescheid 14. Dezember 2007 verwies auf ihren Antrag vom 22. September 2006. Gleichzeitig werde behelfsmäßig ein Neuantrag gestellt. Die Klägerin legte durch ihre Betreuerin, nach telefonischer Sachstandinformation von Seiten der Behörde, am 4. Februar 2008 Widerspruch gegen den Bescheid vom 14. Dezember 2007 ein und beantragte die Anerkennung des (von der Beigeladenen) beantragten Mehrbedarfs. Bei Ablehnung des Widerspruchs beantrage sie die Zahlung des Mehrbedarfs in Höhe der anfallenden Kosten des Wohnheimes ab Februar 2008.

Der Beklagte gab sodann ein Kostenanerkenntnis nach § 75 Abs. 4 SGB XII für die Betreuung der Klägerin im Wohnheim vom 1. bis zum 31. Dezember 2007 in Höhe von 117,30 EUR/Leistungstag und für die Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Mai 2008 in Höhe von 118,27 EUR/Leistungstag ab, über das der Landkreis die Beigeladene informierte.

Die Klägerin widersprach der Höhe der Vergütung mit bei dem Landkreis am 14. April 2008 eingegangenem Schreiben vom 10. April 2008 mit der Begründung, dass ihre Betreuung über sieben Tage rund um die Uhr mit dem bewilligten Tagessatz nicht zu leisten sei, nahm diesen Widerspruch und den Widerspruch gegen den Bescheid vom 14. Dezember 2007 am 14. Mai 2008 aber wieder zurück.

Die Beigeladene teilte dem Beklagten mit Schreiben vom 7. April 2008 mit, die vorgenommene Kostenberechnung sei unzutreffend. Bei einem Ansatz von 29 Urlaubstagen und drei Fortbildungstagen betrage die Nettoarbeitszeit eines Mitarbeiters für die 1:1-Betreuung der Klägerin (360 Minuten pro Tag) 152 Stunden pro Monat. Daraus errechne sich hier ein erforderlicher Personalaufwand von 1,2 Vollzeitkräften (VK). Mit dem vertraglich vereinbarten Personalschlüssel von 1:6 seien auf der Grundlage einer Siebentagewoche lediglich 57 Minuten täglich finanziert (4 VK x 40 Stunden: 24 Plätze: 7 Tage x 60 Minuten). Bei 152 Stunden Nettoarbeitszeit im Monat seien 1,01 VK mit einem betreuungstäglichen Bedarf von 84,13 EUR (Kosten des zusätzlich einzustellenden Personals 30.721 EUR/Jahr, 2.559,34 EUR/Monat) anzusetzen. Nach gängiger Verwaltungspraxis sei ein Personalkostenansatz in Höhe von 30.388 EUR/Jahr der Kalkulation zugrunde zu legen. In der Summe mit der vereinbarten Vergütung in Höhe von 49,04 EUR bzw. seit dem 1. Januar 2008 50,01 EUR ergebe sich eine Vergütung pro Tag für Dezember 2007 in Höhe von 133,17 EUR und ab dem 1. Januar 2008 in Höhe von 134,14 EUR.

Mit Bescheid vom 18. April 2008 erfolgte eine Erhöhung der Eingliederungshilfeleistungen auf monatlich 3.020,27 EUR vom 1. bis zum 31. Dezember 2007 und auf monatlich 3.049,77 EUR vom 1. Januar bis zum 31. Mai 2008. Dabei wurde nun ein Tagessatz auf Grund des erhöhten Betreuungsaufwandes der Klägerin in Höhe von 117,30 EUR (3.568,27 EUR/Monat) für Dezember 2007 und in Höhe von 118,27 EUR (3.597,77 EUR) für Januar bis Mai 2008 (unter Berücksichtigung der maßgebenden Entgeltvereinbarungen) zugrunde gelegt. Der Landkreis informierte die Beigeladene mit Schreiben vom 18. April 2008 über dieses Kostenanerkenntnis für den Zeitraum vom 1. Dezember 2007 bis zum 31. Mai 2008.

Am 14. Mai 2008 legte die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 18. April 2008 in Bezug auf die Kostenübernahme im Einzelfall "ab 01.12.2007-31.05.2008" ein. Die Entgeltberechnung entspreche auf Grund der Schwere der seelischen Behinderung und Suizidalität nicht ihrem Betreuungsbedarf. Der Landkreis half dem Widerspruch im Namen des Beklagten in Bezug auf den Zeitraum vom 1. Dezember 2007 bis zum 31. Mai 2008 mit Bescheid vom 27. August 2008 mit der Anhebung der Eingliederungshilfe auf 3.602,04 EUR/Monat, 118,41 EUR/Tag ab Dezember 2007 und auf 3.631,54 EUR/Monat, 119,38 EUR/Tag ab dem 1. Januar 2008 bei im Übrigen unveränderten Regelungen teilweise ab. Im Übrigen wies er den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 2008 als unbegründet zurück. Für die Klägerin bestehe kein höherer Anspruch auf Leistungen der Sozialhilfe für die Zeit vom 1. Dezember 2007 bis zum 31. Mai 2008 auf der Grundlage von § 53 SGB XII i.V.m. § 9 Abs. 1 SGB IX. Die gewährte Vergütung auf der Grundlage eines täglichen individuellen Betreuungsbedarfs an 1:1-Betreuung von sechs Stunden sei entsprechend den Feststellungen der Gutachterin des RFD vom 11. Juli 2007 ausreichend, zweckmäßig, wirtschaftlich und notwendig, den Bedarf der Klägerin auf Hilfen während ihrer stationären Betreuung im Wohnheim zu decken. Für das Wohnheim sei mit der Beigeladenen eine Personalbemessung von 1:6 vereinbart. Das entspreche der Finanzierung von insgesamt vier VK für 24 Leistungsberechtigte, auf die rein rechnerisch, unabhängig von der Verteilung des Personals auf Wochentage oder Schichten, jeweils ein Anteil von 0,167 VK entfalle. Für die Klägerin sei damit die Differenz von 0,833 VK zusätzlich durch den Sozialhilfeträger zu finanzieren. Bei einem durchschnittlichen Personalkostenaufwand in Höhe von 30.388 EUR/Jahr für eine fachlich geeignete VK seien für das bei der Klägerin im Einzelfall erforderliche Zusatzpersonal jährliche Aufwendungen in Höhe von 25.323,33 EUR bzw. eine Zusatzvergütung in Höhe von 69,37 EUR betreuungstäglich (25.323,33 EUR: 365,04 Tage/Jahr = 30,42 Tage/Monat x 12 Monate) anzusetzen. Die festgelegte Vergütung pro Leistungstag ergebe sich aus der vertraglichen Vergütung und der Zusatzvergütung.

Nachfolgend rechnete die Beigeladene gegenüber dem Landkreis für den Zeitraum vom 1. Dezember 2007 bis zum 31. Mai 2008 die bewilligten Leistungen für Eingliederungshilfe im Wohnheim vollständig ab.

Für die Eingliederungshilfe ab dem 1. Juni 2008 erließ der Landkreis den Bescheid vom 21. April 2008, half dem hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin (in einem zweiten Schreiben vom 14. Mai 2008) mit zwei Bescheiden vom 28. August 2008 teilweise ab und wies den Widerspruch im Übrigen mit einem zweiten Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 2008 als unbegründet zurück. Der Zugang dieses Widerspruchsbescheides ist zwischen den Beteiligten inzwischen unstreitig. Mit Bescheid vom 19. Dezember 2008 erfolgte die Bewilligung von Eingliederungshilfe in dem Wohnheim für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2009. Die Klägerin lebt weiterhin in der Einrichtung.

Mit ihrer am 7. November 2008 vor dem Sozialgericht (SG) Magdeburg erhobenen und nach Änderung des Passivrubrums gegen den Beklagten gerichteten Klage hat die Klägerin unter Anfechtung des Bescheides vom 18. April 2008 in der Gestalt des Bescheides vom 27. August 2008 und des Widerspruchsbescheides vom 9. Oktober 2008 die Verpflichtung des Beklagten erstrebt, als Eingliederungshilfe die Kosten zu übernehmen, die die Beigeladene ihr, der Klägerin, für ihre ganztägige Betreuung im Wohnheim in Rechnung stellt, und zwar für den Zeitraum 29. September 2006 bis 31. Dezember 2007 in Höhe von 133,17 EUR/Tag und ab dem 1. Januar 2008 in Höhe von 134,14 EUR/Tag unter Anrechnung ihr bewilligter und gezahlter behinderungsbedingter monatlicher Pauschalen und Mehrbedarfsleistungen. Der Klageschrift war als Anlage K 1 eine Kopie des Widerspruchsbescheides vom 9. Oktober 2008 in Bezug auf den Bewilligungszeitraum vom 1. Dezember 2007 bis zum 31. Mai 2008 beigefügt. Zur Begründung der Klage hat die Klägerin ausgeführt, weder der Landkreis noch die Sozialagentur seien hier zum Erlass von Bescheiden berechtigt gewesen. Bei grundsätzlich gleicher Rechnungsweise und einem Ansatz von 152 Stunden Nettoarbeitszeit pro Monat (109.440 Minuten/Jahr) sowie einem Personalkostenansatz von 30.388,00 EUR/Jahr ergebe sich die von der Beigeladenen im Schreiben vom 7. April 2008 angegebene Vergütung pro Tag für den Dezember 2007 in Höhe von 133,17 EUR und ab dem 1. Januar 2008 in Höhe von 134,14 EUR. Es sei nicht erkennbar, unter welchem Gesichtspunkt der RFD auf den nach ihrer, der Klägerin, Auffassung niedrigeren Bedarf für geistig behinderte Menschen abgestellt habe. Der Vergleich sei nicht nur unglücklich. Weder auf die vereinbarte Vergütung nach § 75 Abs. 3 SGB XII noch auf den Personalschlüssel nach dem Rahmenvertrag, der nur für nach § 75 SGB XII abzuschließende Vereinbarungen gelte, komme es hier an. Eine Einrichtung, welche die für sie erforderliche Eingliederungshilfe günstiger als die Beigeladene erbringen könne, sei von dem Beklagten nicht benannt worden.

Der Beklagte hat seinen Antrag auf Klageabweisung im Wesentlichen auf den Rahmenvertrag gestützt. Vergütungen dürften nach § 75 Abs. 4 SGB XII nur bis zu der Höhe übernommen werden, wie sie der Sozialhilfeträger am Ort der Unterbringung oder in seiner nächsten Umgebung für vergleichbare Leistungen nach den nach Absatz 3 dieser Regelung abgeschlossenen Vereinbarungen mit anderen Einrichtungen übernehme. Es gebe im Land Sachsen-Anhalt keine Einrichtung, mit der regelhaft eine Wohnheimbetreuung von seelisch behinderten Menschen unter einer Personalbemessung 1:1 vereinbart worden sei. Für das Wohnheim der Beigeladenen für seelisch und mehrfach behinderte Menschen in O. sei bei einer (im Vergleich höchsten) empfohlenen Personalrelation von 1:1,1 der personelle Mehraufwand mit 0,89 VK abzüglich 0,14 VK (entsprechend Personalschlüssel 1:7) und für die auf dieser Basis ermittelten 0,75 VK 62,43 EUR pro Leistungstag im Rahmen einer Einzelfallregelung vergütet worden. Die von der Klägerin verfolgten Mehrkosten in Höhe von 84,17 EUR/Leistungstag seien nicht realistisch.

Das SG hat den Beklagten mit Urteil vom 19. April 2011 "unter Abänderung des Bescheides vom 18. April 2008 in der Gestalt des Bescheides vom 27. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Oktober 2008" verpflichtet, die Kosten der Eingliederungshilfe der Klägerin im Wohnheim der Beigeladenen "in Höhe von 133,17 EUR im Zeitraum 1.12. bis zum 31.12.2007 sowie in Höhe von 134,14 EUR ab 1.1.2008 zu übernehmen, wobei bereits gezahlte Kosten anzurechnen sind" und die Klage im Übrigen abgewiesen. Soweit die Klage zulässig sei, sei diese auch begründet. Die Klägerin werde durch die im Tenor bezeichneten Bescheide insoweit in ihren Rechten verletzt, als für den Monat Dezember 2007 kalendertäglich 118,41 EUR statt 133,17 EUR sowie von Januar bis einschließlich Mai 2008 kalendertäglich 119,38 EUR statt 134,14 EUR bewilligt worden seien. Die Klägerin sei durch eine seelische Behinderung wesentlich behindert im Sinne des § 53 SGB XII. Die in der Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII für das betreffende Wohnheim festgelegte Vergütung in Höhe von 49,19 EUR/Leistungstag bis zum 31. Dezember 2007 und in Höhe von 49,04 EUR/Leistungstag ab dem 1. Januar 2008 reiche entsprechend dem dieser zugrunde liegenden Personalschlüssel von 1:6 nach der Anlage H zum Rahmenvertrag zur Betreuung der Klägerin unstreitig nicht aus. Das werde insbesondere durch die Feststellungen des RFD unter dem 11. Juli 2007 belegt. Der individuelle Hilfebedarf der Klägerin mit einer 1:1-Betreuung zwischen 15.00 Uhr und 21.00 Uhr täglich werde von den bewilligten Leistungen nicht abgedeckt, sodass ihr unter Berücksichtigung des § 75 Abs. 4 SGB XII weitere Hilfe zu leisten sei. Ausgehend von dem Kostenansatz des Beklagten mit jährlichen Aufwendungen in Höhe von 30.388,00 EUR koste eine 5/6-Kraft (0,833 VK) jährlich 25.323,33 EUR und damit kalendertäglich 69,33 EUR (bei unter Berücksichtigung von Schaltjahren 365,25 Kalendertagen pro Jahr). Unter Berücksichtigung der rechtlich maßgebenden Nettoarbeitszeit von 152 Stunden pro Monat bei Berücksichtigung von jährlich 29 Urlaubstagen sowie drei Fortbildungstagen ergebe sich ein jährlicher Kostenbetrag in Höhe von 30.721,00 EUR, um den Bedarf der Klägerin sicherzustellen. Dem entspreche kalendertäglich ein Betrag in Höhe von 84,13 EUR, der zusätzlich zu den bereits gezahlten Beträgen von 49,04 EUR für Dezember 2007 sowie 50,01 EUR ab Januar 2008 von dem Beklagten zu zahlen sei.

Der Beklagte hat gegen das ihm am 16. Mai 2011 zugestellte Urteil am 15. Juni 2011 bei dem Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt Berufung eingelegt.

Die Beiladung ist von dem Senat mit Beschluss vom 9. Juli 2012 bewirkt worden.

Zur Begründung seines Rechtsmittels, gegen die seines Erachtens erfolgte Verurteilung zu höheren Leistungen für den Zeitraum vom 1. Dezember 2007 bis zum 31. Mai 2008, führt der Beklagte aus, die Standards für die personelle Ausstattung von Einrichtungen der Eingliederungshilfe, die für den Abschluss von Leistungs-, Vergütungs- und Prüfungsvereinbarungen gemäß § 75 Abs. 3 SGB XII zugrunde gelegt würden, seien mit Erlass der Geschäftsstelle der Pflegesatzkommission beim Ministerium für Gesundheit und Soziales des Landes Sachsen-Anhalt festgelegt worden und als Anlage H Bestandteil des Rahmenvertrages geworden. Hiernach richte sich auch die vereinbarte Betreuungsleistung der Beigeladenen für das Wohnheim. Die höchstmögliche Personalrelation ergebe sich aus der Regelung in Nr. 3 zu 2.2. des Rahmenvertrages mit 1:1,5. Diese Einstufung sei begründet, wenn zum Beispiel eine akute Eigen- und Fremdgefährdung des Leistungsberechtigten vorliege und einen intensiven Betreuungsbedarf "rund um die Uhr" bedinge. Soweit im Einzelfall auf Grund der Art und/oder Schwere der Behinderung gem. § 75 Abs. 4 SGB XII maximal eine Personalbemessung 1:1 zugrunde gelegt werde, sei diese für die Klägerin in Ansatz gebracht worden.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des SG Magdeburg vom 19. April 2011 aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Einschätzung zum Hilfebedarf durch den RFD sei nicht nachvollziehbar. Bereits mit Schreiben vom 1. Februar und vom 7. April 2008 habe die Beigeladene dem Beklagten mitgeteilt, dass von 152 Stunden Nettoarbeitszeit einer VK pro Monat (109.440 Minuten/Jahr) bei einem Personalkostenansatz von 30.388,00 EUR/Jahr auszugehen sei. Für diese Vergütung sei die Beigeladene zur Betreuung in der Lage und bereit. Mit der von dem Beklagten vorgenommenen Berechnung werde denknotwendig der für sie, die Klägerin, attestierte behinderungsbedingte Mehrbedarf in Form einer kalendertäglichen sechsstündigen 1:1-Betreuung (7 Tage x 6 h = 42 h) nicht abgedeckt. Das ergebe sich bereits daraus, dass eine Betreuungsperson nur eine 40-Stunden-Woche und einen gesetzlichen Urlaubsanspruch habe, auch einmal krank werden könne und auch wegen Fortbildung zeitweise nicht anwesend sei. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Berechnungsmethodik nach dem Rahmenvertrag gelten solle. In der mündlichen Verhandlung des Senats am 30. Oktober 2013 hat die Klägerin folgende Unterlagen vorgelegt, wobei es sich bereits bei dem Exemplar, das Grundlage der zur Gerichtsakte genommenen Rechnung gewesen ist, um eine Fotokopie handelt:



Die Beigeladene hat keinen Antrag stellt und sich nur in Bezug auf ihre Beteiligung an der mündlichen Verhandlung des Senats geäußert.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten Bezug genommen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Streitgegenstand ist hier ausschließlich die der Klägerin im Einzelfall zustehende Eingliederungshilfe für den Zeitraum vom 1. Dezember 2007 bis zum 31. Mai 2008. Der Tenor der angefochtenen Entscheidung des SG bezieht sich auf konkret bezeichnete Bescheide, unter denen die den Zeitraum vom 1. Juni bis zum 31. Dezember 2008 betreffenden Bescheide vom 21. April 2008 und vom 28. August 2008 nicht genannt werden. Den Entscheidungsgründen des Urteils ist in Bezug auf die Verurteilung zur Leistungsgewährung "ab dem 1. Januar 2008" konkretisierend zu entnehmen, dass der angefochtene Bescheid in Bezug auf den Zeitraum bis zum 31. Mai 2008 rechtswidrig sei. Dem entspricht es auch, dass bei Klageerhebung in Kopie nur der den Zeitraum vom 1. Dezember 2007 bis zum 31. Mai 2008 betreffende Widerspruchsbescheid vorgelegt worden ist, d.h. nicht der ebenfalls unter dem 9. Oktober 2008 erlassene Widerspruchsbescheid über den Zeitraum vom 1. Juni bis zum 31. Dezember 2008. Ein Antrag auf Urteilsergänzung (§ 140 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) ist hier im Rahmen der gesetzlichen Frist nicht gestellt worden.

Die Berufung ist begründet.

Das Urteil des SG kann teilweise bereits unter dem Gesichtspunkt keinen Bestand haben, dass eine Verurteilung des Beklagten zur Übernahme der Kosten der Eingliederungshilfe erfolgt ist. Das Urteil weicht damit in rechtserheblicher Weise von dem Antrag der Klägerin ab, der auf die Übernahme nur ihr in Rechnung gestellter Kosten gerichtet gewesen ist (§ 123 SGG). Die Klägerin hat die Verurteilung des Beklagten unter die Bedingung einer entsprechenden Rechnungsstellung für die Leistungen gestellt, die auch das SG hätte berücksichtigen müssen. Unklar geblieben ist, ob die Klägerin das SG von einer am Tag vor der dort durchgeführten mündlichen Verhandlung überreichten Rechnung in Kenntnis gesetzt hat. Auch ohne eine solche Kenntnis hätte das SG aber nur zur Freistellung von der Kostenlast verurteilen können.

Für die Klage fehlt es an einem Rechtsschutzbedürfnis, soweit die Höhe des Tagessatzes insgesamt zur Entscheidung gestellt worden ist, wobei es sich insoweit auch um eine von der Klägerin unbeabsichtigte mangelnde Differenzierung des Begehrens handeln kann. Eindeutig ist eine gewollte Differenzierung von Seiten der Klägerin nicht, da man ihr Vorbringen auch dahingehend verstehen kann, dass insgesamt eine von der Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII zwischen der Beigeladenen und dem Beklagten losgelöste Berechnung des Hilfebedarfs im Einzelfall geltend gemacht wird. Nach Auffassung des Senats ist eine Abgrenzung der nach den Vereinbarungen gemäß § 75 Abs. 3 SGB XII geschuldeten "Regelvergütung" und dem über den durch den Rahmenvertrag für das Wohnheim vorgesehenen Personalschlüssel hinausgehenden Mehrbedarf der Klägerin hier zwingend. In Bezug auf die in den Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII geregelte Vergütung handelt es sich um das Vertragsverhältnis zwischen der Beigeladenen und dem Beklagten, das von dem vorliegenden Rechtsstreit nicht unmittelbar betroffen ist. Diese Abgrenzung wird bereits aus der Zuständigkeitsverteilung ersichtlich, die eine eigene Aufgabenwahrnehmung des Landes in Bezug auf den Abschluss von Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII vorgibt (§ 4 Abs. 2 Nr. 3 des Gesetzes zur Ausführung des SGB XII (AG-SGB XII) im Land Sachsen-Anhalt vom 11. Januar 2005, GVBl. LSA 2005, 8). Demgegenüber kann für die Entscheidungen über die Eingliederungshilfe im Einzelfall der örtliche Träger der Sozialhilfe nach § 4 Abs. 1 AG-SGB XII herangezogen werden. Der Heimcharakter im Sinne des Rahmenvertrages mit dem dort geregelten Personalschlüssel wird durch den besonderen Hilfebedarf der Klägerin im Einzelfall nicht betroffen. Eine andere Zuordnung kann die Klägerin auch selbst nicht bewirken, da sie insoweit nicht aktivlegitimiert wäre. Im Übrigen dienen insbesondere die zu den Vereinbarungen gehörenden Qualitätsstandards dem Schutz der Klägerin. Unstreitig besteht im Übrigen auch ein über die vertragliche Vergütung hinausgehender Anspruch der Klägerin auf Eingliederungshilfe in Höhe eines Mehrbedarfs von 69,37 EUR/Tag vom 1. Dezember 2007 bis zum 31. Mai 2008 (118,41 EUR - 49,04 und ab dem 1. Januar 2008 119,38 EUR - 50,01 EUR). In diesem Umfang ist eine Abrechnung zwischen der Beigeladenen gegenüber dem Sozialhilfeträger bereits erfolgt.

Das SG hat den Beklagten im Ergebnis auch zu Unrecht verurteilt, die Klägerin von den Kosten der Eingliederungshilfe für einen behinderungsbedingten Mehrbedarf vom 1. Dezember 2007 bis zum 31. Mai 2008 in Höhe von weiteren 14,76EUR/Tag (133,17 EUR - 118,41 EUR bzw. ab dem 1. Januar 2008 134,14 EUR - 119,38 EUR) freizustellen, die die Beigeladene ihr, der Klägerin, für ihre ganztägige Betreuung im Wohnheim in Rechnung gestellt hat.

Der Bescheid vom 18. April 2008 in der Gestalt des Bescheides vom 27. August 2008 und des Widerspruchsbescheides vom 9. Oktober 2008 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).

Der Beklagte ist hier als überörtlicher Träger für die Gewährung von Eingliederungshilfe zuständig (§ 97 Abs. 3 Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 3 Nr. 1 AG-SGB XII). Da die Klägerin nicht in einer stationären Einrichtung im Sinne der §§ 98 Abs. 2, 109 SGB XII wohnt, ist mit ihrem Umzug nach Sachsen-Anhalt auch die örtliche Zuständigkeit im Sinne des § 98 Abs. 1 SGB XII vor dem 1. Januar 2005 begründet worden. Damit findet insbesondere § 98 Abs. 5 Satz 1 SGB XII keine Anwendung (§ 98 Abs. 5 Satz 2 SGB XII).

Nach § 53 Abs. 4 Satz 1 SGB XII gelten für die Leistungen der Teilhabe die Vorschriften des SGB IX, soweit sich aus dem SGB XII und den auf Grund dieses Buches erlassenen Rechtsverordnungen nichts anderes ergibt. Leistungen der Teilhabe in diesem Sinne sind nach § 29 Abs. 1 Nr. 3 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (Allgemeiner Teil - SGB I) die "Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft", die in dieser Regelung nicht abschließend aufgeführt sind. Dazu gehören insbesondere auch die Hilfen zu selbstbestimmtem Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten (§ 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX), die der Klägerin hier bewilligt wurden (vgl. z.B. Diebold/Schiffer-Werneburg in Lehr- und Praxiskommentar zum SGB I, 2. Aufl. § 29 RdNr. 8). Damit gilt für diese Hilfen u.a. § 15 SGB IX.

Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX besteht eine Erstattungs- bzw. Freistellungspflicht des Sozialhilfeträgers auch, wenn er eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Diese Regelung ist § 13 Abs. 3 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Krankenversicherung - SGB V) nachgebildet, sodass die hierzu von der Rechtsprechung konkretisierten Grundsätze im Wesentlichen übertragbar sind (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 20. Oktober 2009 - B 5 R 5/07 R - SozR 4-3250 § 14 Nr. 8, RdNr. 22).

Insoweit fehlt es hier für die Zeit vor dem 4. Februar 2008 bereits an der notwendigen Antragstellung der Klägerin. Die durch die Beigeladene zunächst nicht veranlasste Beteiligung der Klägerin über ihre Betreuerin dürfte auf dem Missverständnis beruht haben, dass der hier zu klärende Hilfebedarf eine Änderung der nach § 75 Abs. 3 SGB XII geschuldeten Vergütung bewirken kann. Soweit § 13 SGB I grundsätzlich auch die Bevollmächtigung Dritter im Verwaltungsverfahren ermöglicht, hat die Beigeladene hier nicht im Namen der Klägerin gehandelt, sodass auch eine Genehmigung mit Rückwirkung nach § 177 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Bezug auf eine Antragstellung der Beigeladenen nicht in Betracht kommt.

Da Voraussetzung einer Kostenerstattungspflicht des Beklagten insbesondere die zivilrechtliche Durchsetzbarkeit der dieser zugrunde liegenden Ansprüche Dritter ist, bedarf es im Übrigen ordnungsgemäßer Rechnungen und Zahlungsnachweise, damit z.B. auch die mögliche Verjährung von Forderungen ausgeschlossen werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 18. Juli 2006 a.a.O., RdNr. 24; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13. März 2009 - L 1 KR 1170/05 - juris, Urteil des Senats vom 31. Januar 2013 - L 8 SO 5/09 - nicht veröffentlicht; Beschluss des Senats vom 17. September 2013 - L 8 SO 19/13 B ER - juris).

Im vorliegenden Fall lässt bereits das unschlüssige Datum der in der mündlichen Verhandlung vom 30. Oktober 2013 vorgelegten Rechnung gewisse Zweifel aufkommen, ob die Klägerin überhaupt Forderungen der Beigeladenen ausgesetzt ist. Insoweit fällt auch auf, dass - die der Betreuerin der Klägerin nach dem handschriftlichen Vermerk am 18. April 2011 persönlich übergebene Rechnung - dem SG, soweit erkennbar, nicht vorgelegt worden ist.

Soweit man, wie die Klägerin es fordert, von einer Lösung des streitigen Mehrbedarfs von den Regelungen im Rahmenvertrag und in den Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII ausginge, dürfte sich im Übrigen die Frage stellen, ob damit auch die Kostentragungspflicht des Beklagten für den Mehrbedarf erst nach dem 60zigsten Tag der Abwesenheit der Klägerin von der Einrichtung entfiele. Die Rechnung ist, ausgehend von dem Vorbringen der Klägerin, insoweit widersprüchlich, da sie Abwesenheitszeiten nur entsprechend den vertraglichen Regelungen zwischen dem Beklagten und der Beigeladenen widergibt. Eine Vereinbarung der Klägerin mit dem Heimträger, die sie eindeutig zu einer Kostentragung in demselben Umfang verpflichtet, liegt dem Senat nicht vor.

Unabhängig von der Frage, ob von der Klägerin überhaupt Kosten für Dezember 2007 entsprechend der vorgelegten Rechnung gefordert werden könnten, ist ein Zahlungsanspruch gegen die Klägerin insoweit verjährt. Eine Klage ist vor dem zuständigen Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit nicht erhoben worden; Unterbrechungs- oder Hemmungstatbestände sind nicht erkennbar.

Grundsätzlich entsteht der Anspruch mit der Folge des Verjährungsbeginns mit seiner Fälligkeit (vgl. zu § 198 a.F. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 17. Februar 1971 - VIII ZR 4/70 - BGHZ 55, 340, 342; Urteil vom 19. Dezember 1990 - VIII ARZ 5/90 - BGHZ 113, 188, 193). Nach der Rechtsprechung des BSG entsteht eine Zahlungsverpflichtung des Kostenträgers unmittelbar durch die Inanspruchnahme der Leistung (vgl. zur Zahlungspflicht der Krankenkassen bei Krankenhausleistungen BSG, Urteil vom 13. Dezember 2001 - B 3 KR 11/01 R - SozR 3-2500 § 112 Nr. 2; Urteil vom 21. Februar 2002 - B 3 KR 30/01 R - SozR 3-5565 § 15 Nr. 1). Soweit die Rechtsprechung aus einer gesetzlich oder vertraglich festgelegten Fälligkeit erst nach Rechnungsstellung einen späteren Verjährungsbeginn abgeleitet hat (vgl. für das Architektenhonorar BGH, Urteil vom 19. Juni 1986 - VII ZR 221/85 - NJW-RR 1986, 1279; für eine stillschweigende Einigung über das Erfordernis einer Schlussrechnung als Fälligkeitsvoraussetzung BGH, Urteil vom 6. Oktober 1988 - VII ZR 367/87 - NJW-RR 1989, 148), bestehen im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte dafür, dass schriftlich, mündlich oder konkludent hier eine solche Abrede über eine spätere Fälligkeit zwischen der Klägerin und der Beigeladenen geschlossen wurde. Die Rechnung ist nach dem handschriftlichen Vermerk am 18. April 2011, d.h. nach Ende der Verjährung mit Ablauf des 31. Dezember 2010, ausgehändigt worden.

Die Beiladung ist erst mit Beschluss des Senats vom 9. Juli 2012, d.h. nach Ablauf der Verjährung, bewirkt worden. Mögliche Auswirkungen einer Beiladung auf den Verjährungseintritt können hier damit dahinstehen.

In Bezug auf die Rechnungsforderung für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Mai 2008 ist es nicht fernliegend, eine Hemmung der Verjährung nach § 205 BGB auf Grund der Bereitschaft des Heimträgers, die Rechnungsforderung bis zur "Entscheidung" des SG in dem Verfahren S 16 SO 120/08 zu stunden, zu prüfen. Im Ergebnis ist aber auch insoweit von einer Verjährung auszugehen.

Nach § 205 BGB ist die Verjährung gehemmt, solange der Schuldner auf Grund einer Vereinbarung mit dem Gläubiger vorübergehend zur Verweigerung der Leistung berechtigt ist. Der Senat hält es zwar nicht für ausgeschlossen, dass der Wortlaut in Bezug auf die Stundung ggf. auch zu Lasten der Klägerin dahin gehend ausgelegt werden könnte, dass eine Hemmungswirkung bis zur Rechtskraft der Entscheidung des SG, d.h. auch für die Dauer eines Berufungsverfahrens, angenommen werden könnte. Der Senat hat indes keine Kenntnis, dass die Klägerin das Stundungsangebot als Grundlage eines zweiseitigen Vertrages hier überhaupt angenommen hat. Ein einseitiges Stundungsangebot hat keine Auswirkung auf den Lauf der Verjährung (allgemeine Meinung, grundlegend zu § 202 a.F. BGB: BGH, Urteil vom 18. Mai 1977 - III ZR 116/74 - juris, RdNr. 33).

Ein Kostenerstattungs- oder Freistellungsanspruch der Klägerin kann im Übrigen nicht weiter reichen als der entsprechende Sachleistungsanspruch (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 18. Juli 2006 - B 1 KR 10/05 R - juris). Die von dem SG der Klägerin zugesprochene Kostenübernahme besteht nicht, sodass auch ein entsprechender Kostenfreistellungsanspruch der Klägerin ausscheidet.

Zutreffend ist das SG davon ausgegangen, dass die Klägerin in dem hier maßgebenden Zeitraum zu dem berechtigten Personenkreis im Sinne der Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII gehörte. Diese Leistungen erhalten nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII Personen, die durch eine Behinderung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach § 3 Nr.4 der auf der Grundlage von § 60 SGB XII erlassenen Eingliederungshilfe-Verordnung sind Personen im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII seelisch wesentlich behindert, die unter Neurosen und Persönlichkeitsstörungen als seelischen Störungen leiden, soweit diese eine wesentliche Einschränkung der Teilhabefähigkeit im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII zur Folge haben könnten. Unter Berücksichtigung der Feststellungen des RFD in den Gutachten vom 11. Juli 2007 und vom 23. April 2008 bestehen hier keine Zweifel, dass die Teilhabefähigkeit der Klägerin durch eine schwere Persönlichkeitsstörung in diesem Sinne während des streitgegenständlichen Zeitraums wesentlich eingeschränkt war.

Ein Anspruch der Klägerin auf Eingliederungshilfe ergibt sich dem Grunde nach aus § 55 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 6 SGB IX, der nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII auch im Bereich der Sozialhilfe Anwendung findet. Nach § 55 Abs. 1 SGB IX werden als Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft die Leistungen erbracht, die den behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglichen oder sichern oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege machen und nach den Kapiteln 4 bis 6 des SGB IX nicht erbracht werden. Leistungen im Sinne dieser Vorschrift sind nach § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX insbesondere Hilfen zu selbstbestimmtem Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten. Der von der Klägerin geltend gemachte Umfang der 1:1-Betreuung von 360 Minuten pro Betreuungstag in diesem Teilhabebereich durch eine Fachkraft ist zwischen den Beteiligten unstreitig und ergibt sich nachvollziehbar insbesondere aus den Gutachten des RFD vom 11. Juli 2007 und vom 23. April 2008.

Der von der Beigeladenen hier vorgetragene Kostensatz für die Betreuung der Klägerin ist hier indes für den Senat nicht in vollem Umfang nachzuvollziehen.

Wenn der hier streitige, über die in der Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII festgelegte Vergütung hinausgehende behinderungsbedingte Mehraufwand der Klägerin allein nach Maßgabe des § 75 Abs. 4 Satz 1 SGB XII zu bewerten ist, hätte dies keinen Anspruch der Klägerin oder der Beigeladenen auf eine höhere Vergütung zur Folge. Ist eine Vereinbarung nicht abgeschlossen, darf der Träger der Sozialhilfe nach dieser Vorschrift Leistungen durch diese Einrichtung nur erbringen, wenn dies nach der Besonderheit des Einzelfalls geboten ist. Vergütungen dürfen nach § 75 Abs. 4 Satz 3 SGB XII auch dann nur bis zu der Höhe übernommen werden, wie sie der Träger der Sozialhilfe am Ort der Unterbringung oder in seiner nächsten Umgebung für vergleichbare Leistungen nach den nach § 75 Abs. 3 SGB XII abgeschlossenen Vereinbarungen mit anderen Einrichtungen trägt. Diese Regelung bewirkt eine Verknüpfung zwischen dem geforderten Kostenansatz und den Grundlagen für die Regelungen in den Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII. Die von dem Beklagten festgelegte Vergütung hält sich in diesem Rahmen, da er die Kosten einer VK unter denselben Bedingungen berücksichtigt hat, wie es in den von diesem mit der Beigeladenen geschlossenen Vereinbarungen erfolgt ist. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass die Beigeladene selbst in der von ihr vorgelegten Kostenkalkulation nur eine Gesamtvergütung pro Leistungstag in Höhe von 124,54 EUR ermittelt hatte.

In Bezug auf die der Entscheidung des SG zugrunde gelegte Kostenkalkulation dürfte bereits eine Rückwirkung auf den Zeitraum vor Zugang des Schreibens vom 7. April 2008 bei dem Landkreis ausgeschlossen sein. § 75 Abs. 4 SGB XII fordert ausdrücklich eine nachvollziehbare Darlegung der Kosten.

Für den Senat bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beigeladenen tatsächlich weitere Personalkosten in der von der Klägerin im Klageverfahren verfolgten Höhe für den Zeitraum bis zum 31. Mai 2008 entstanden sind. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass von Seiten der Beigeladenen noch unter dem 7. April 2008 ausgeführt wurde, dass die Kosten für "zusätzlich einzustellendes Personal" zu klären seien. Insoweit hätte es der Beigeladenen frei gestanden, die Kosten konkret benannter Fachkräfte nach den tatsächlichen Verhältnissen zu berechnen. Im Rahmen dieser Berechnung wäre dann - auch vor dem Hintergrund der häufigen längerwährenden Krankenhausaufenthalte der Klägerin - auf die tatsächlichen Personalkosten neben einrichtungsbezogenen Kriterien, wie z.B. einem über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehenden Urlaubsanspruch, abzustellen gewesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Beklagte in den angefochtenen Bescheiden stets einen einheitlichen Tagespflegesatz für das Wohnheim ausgewiesen und dadurch den Eindruck erweckt hat, dass es sich um eine Vergütung auf einheitlicher Rechtsgrundlage handelte, die insgesamt der Beklagten in Rechnung zu stellen war. Die Erstattung der Kosten der Beigeladenen war bereits unter dem Gesichtspunkt nicht geboten, dass sie keinen Antrag im Verfahren gestellt hat.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Entscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
Rechtskraft
Aus
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