L 6 U 106/13 B

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 15 U 200/08
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 106/13 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 18.Oktober 2013 wird aufgehoben.

Die Kosten des schriftlichen Gutachtens von Prof.Dr. M. vom 28. März 2012, seiner ergänzenden Stellungnahme vom 21. November 2012 und seiner mündlichen Anhörung vom 20. August 2013 werden auf die Landeskasse übernommen.

Die Beschwerdegegnerin hat dem Beschwerdeführer die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer hat in der Hauptsache die Feststellung weiterer Schäden eines Unfalls vom 5. April 2008 im Schulterbereich und den Anspruch auf Verletztenrente geltend gemacht.

Der 1949 geborene Beschwerdeführer befand sich in stationärer Behandlung der Kliniken E. , als er am 5. April 2008 beim Tischtennisspiel im Rahmen der Bewegungstherapie stürzte und sich eine Quetschung und Kontusion der rechten Schulter zuzog. Dieser Vorgang ist Gegenstand der Unfallanzeige der Kliniken vom 8. April 2008. Auf Nachfrage der Beklagten – eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung – teilte die Klinik ergänzend mit, der Beschwerdeführer sei beim Tischtennisspielen "umgefallen" und habe über starke Schmerzen in der rechten Schulter geklagt. Ein MRT der rechten Schulter am 8. April 2008 ergab Faserläsionen der Supraspinatus- und der Subscapularissehne mit Begleiterguss, auslaufend in den Recessus subcoracoideus. Daneben bestand eine nachfolgende Flüssigkeitsansammlung um die proximale Bizepssehnenscheide im Sinne einer geringgradigen Sehnenansatzentzündung. Es fanden sich auch eine mäßige Einblutung und Ödematisierung im Deltamuskel, weiterhin eine geringgradige Einblutung und Faserläsion des körpernahen langen Bizepskopfes. Als Nebenbefunde wurden eine geringgradige degenerative Veränderung im Sinne einer Arthrose im Gelenk zwischen Schultergelenkkapsel und Schlüsselbein (Acromioclaviculargelenk) sowie ein beginnender Osteophytenkranz an der Schultergelenkkapsel beschrieben. Die Behandlung erfolgte bis zum Abschluss des stationären Aufenthaltes mit dem 16. April 2008 in der Klinik. Danach übernahmen ausweislich ihres Berichtes vom 30. Juli 2008 die Chirurgen Dres. E. und H. die Weiterbehandlung bis zu deren Ende am 23. Mai 2008. Sie betrachteten die Unfallfolgen als durch konservative Behandlung abgeheilt.

Der Beschwerdeführer gab unter dem 31. Juli 2008 auf einem Fragebogen der Beklagten weitere Auskunft. Dabei bejahte er die Frage, ob er direkt auf die Schulter gefallen sei. Um Auskunft gebeten, ob er auf die ausgestreckte Hand oder den abgewinkelten Arm gefallen sei, teilte er mit, er sei auf den angewinkelten Arm gefallen. Zusammenhängend gab er an, er habe bei einer Seitwärtsbewegung kurz das Gleichgewicht verloren und sei mit voller Wucht auf den angewinkelten Arm gefallen, wobei er den Tischtennisschläger noch in der Hand gehabt habe. Er habe auch einen Bluterguss am rechten Becken erlitten. Beigefügt war eine Heilmittelverordnung vom 21. Juli 2008 der Dres. E. und H. im Hinblick auf eine akute schmerzhafte Schultersteife rechts.

Die Beklagte zog ein Vorbehandlungsverzeichnis des Beschwerdeführers von der Krankenkasse bei. Daraus ergibt sich, dass er seit 2006 wegen einer adhäsiven Entzündung einer Schultergelenkkapsel in orthopädischer Behandlung stand.

Mit Bescheid vom 25. September 2008 lehnte der Rentenausschuss der Beklagten einen Anspruch des Beschwerdeführers auf Verletztenrente ab. Er stellte fest, unfallbedingte Behandlungsbedürftigkeit habe bis einschließlich 23. Mai 2008 vorgelegen. Die danach geklagten Beschwerden seien Folge anlagebedingter Erkrankungen. Als Folgen des Unfalls erkannte die Beklagte an: Ohne wesentliche Funktionseinschränkung ausgeheilte Prellung der rechten Schulter mit geringgradigen Einblutungen des dreieckigen Schultermuskels und des langen Bizepssehnenkopfes, Beckenprellung rechts.

Als Unfallfolgen erkannte sie nicht an: Anlagebedingte (degenerative) Veränderungen im Sinne einer anlagebedingten Gelenkerkrankung (Arthrose) sowie einer Knochenneubildung (Osteophytenkranz) an der rechten Schulter.

Zur Begründung bezog sich die Beklagte auf die MRT-Befunde.

Gegen den Bescheid legte der Beschwerdeführer am 1. Oktober 2008 Widerspruch ein und machte geltend, er habe seit dem Unfall Schmerzen im Gelenk und könne den Arm nicht mehr richtig bewegen.

Er stützte sich u. a. auf eine Heilmittelverordnung der Dres. H. und E. vom 13. Juni 2008, die u.a. die Diagnose eines Impingement-Syndroms der rechten Schulter enthielt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27. November 2008 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück. Er verwies darauf, nach der Einschätzung des Behandlungsverlaufs durch Dr. H. seien die Unfallfolgen komplikationslos und ohne funktionelle Einschränkungen ausgeheilt. Insoweit sei auch auf die bekannten, unfallunabhängig bestehenden Veränderungen im Bereich der rechten Schulter hinzuweisen. Diese ergäben sich aus dem MRT-Befund vom 8. April 2008. Eine über den 23. Mai 2008 hinausgehende Leistungspflicht der Beklagten und dementsprechend ein Rentenanspruch bestünden nicht.

Mit der am 16. Dezember 2008 beim Sozialgericht Halle erhobenen Klage hat der Beschwerdeführer im Wesentlichen geltend gemacht, er leide weiterhin unter der Funktionseinschränkung der rechten Schulter. Der Beschwerdeführer hat u.a. ein ärztliches Zeugnis der Dres. E. und H. vom 12. Januar 2009 vorgelegt, in dem diese bescheinigt haben, es sei beim Beschwerdeführer mit dauernden Unfallfolgen zu rechnen, die in Schmerzen des rechten Schultergelenkes, einer Einschränkung der Kraft des rechten Armes und einer Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenkes zu erwarten sei.

Das Sozialgericht hat Befundberichte von dem Facharzt f. Orthopädie Dipl.-Med. B. vom 22. Oktober 2009, Bl. 47 f. d. A. und von Dr. E., eingegangen am 11. November 2009, Bl. 50 f. d. A. mit einer Ergänzung vom 12. Dezember 2009, Bl. 69 d. A., eingeholt. Der Orthopäde B. hat unter anderem mitgeteilt, beim Beschwerdeführer liege eine Faserläsion der Supraspinatussehne vor, deren Ursache vermutlich ein Degenerationsprozess sei. Dr. E. hat mitgeteilt, die Teilruptur "könnte" durch die Verletzung am 5. April 2008 verursacht sein.

Die Beklagte hat unter Hinweis auf Ausführungen in Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit darauf hingewiesen, der Unfallablauf sei für die Entstehung einer Rotatorenmanschettenruptur nicht geeignet.

Der Beschwerdeführer hat weitere Befunde vorgelegt, wegen deren Inhalt im Einzelnen auf Bl. 61 - 67, 98 f. und 127 f. d. A. Bezug genommen wird.

In einem Termin zur Erörterung des Sachverhalts vom 1. November 2011 hat das Sozialgericht weitere Ermittlungen von Amts wegen vorläufig abgelehnt und den Beschwerdeführer auf ein Vorgehen nach § 109 SGG verwiesen. Wegen weiterer Ausführungen zur Begründung wird auf die Sitzungsniederschrift vom gleichen Tag, Bl. 104 d. A. Bezug genommen.

Auf den Antrag des Beschwerdeführers nach § 109 SGG hat das Sozialgericht ein Gutachten des Facharztes für Chirurgie Prof. Dr. M., Chefarzt der Klinik. für Chirurgie am C.-Klinikum Q. , vom 28. März 2012 eingeholt, wegen dessen Inhalt im Einzelnen auf Bl. 131 - 147 d. A. verwiesen wird. Der Sachverständige ist im Wesentlichen zu dem Ergebnis gekommen, es handele sich eigentlich um eine Prellung im Bereich der rechten Schulter. Dafür habe die Beklagte die Zeit für Beschwerden zu Recht auf sechs Wochen begrenzt. Nach Ablauf dieser Zeit sei der Krankheitswert gegenüber den Unfallfolgen überwiegend. Der Faserriss der Supraspinatussehne sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht frisch. Dabei dürfe eine Faserläsion der Supraspinatussehne nicht mit einer Sehnenruptur verwechselt werden. Die im MRT und Röntgenbild beschriebenen degenerativen Veränderungen mit Impingement und Reizung hätten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorher bestanden und dem Beschwerdeführer wohl keine Beschwerden bereitet. Auf den Unfall seien lediglich die im MRT vom 8. April 2008 beschriebenen übrigen Befunde zurückzuführen. Der Unfall vom 5. Februar 2008 sei geeignet, bei einem vorbestehenden Leiden die jetzigen Gesundheitsstörungen zu verstärken. Unfallfolgen seien aber eigentlich keine verblieben.

Das Gericht hat eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen vom 21. November 2012 eingeholt, wegen deren Inhalt im Einzelnen auf Bl. 179 - 183 d. A. Bezug genommen wird. Der Sachverständige hat darin ausgeführt, im MRT sei eine Faserläsion der Supraspinatussehne beschrieben. Dabei zeige weniger als ein Zehntel bis ein Hundertstel der Sehne einzelne Läsionen. Der Faserriss sei mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit nicht als frisch zu werten. Veränderungen seien im gesamten Schultergelenk beschrieben worden. Demgegenüber seien die Einblutungen im Deltamuskel eindeutig Prellungsfolge. Eine spätere Bedeutung für eine eventuell schlechtere Funktion der Schulter komme ihnen nicht zu. Wenn dafür für eine gewisse Zeitdauer – durchschnittlich sechs Wochen – eine Arbeitsunfallfolge anerkannt werde, ein Dauerschaden aber abgelehnt werde, sei dies nach allen Gutachtenlehrbüchern nachvollziehbar.

Vorbeschriebene degenerative Veränderungen mit Impingement und Reizung müssten dem Beschwerdeführer keine Beschwerden bereitet haben. Das Impingement sei eine messtechnische Größe im MRT. Die beschriebenen degenerativen Veränderungen entsprächen dem Alter. Auch am nicht betroffenen Arm seien solche Veränderungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu finden. Dem minimalen Faserriss komme – wenn man ihn denn als Unfallfolge werten wolle – keine Bedeutung im Sinne einer Funktionseinschränkung zu. Die eigentlichen Beschwerden seien schon nicht von denjenigen abzugrenzen, die von den vorliegenden degenerativen Halswirbelveränderungen verursacht würden. Auch andere Beschwerden des Beschwerdeführers im Bereich des rechten Armes und der Hand seien sowohl durch ein Karpaltunnel- als auch ein Ulnarissyndrom zu erklären, die mit der Schulterprellung nicht im Zusammenhang stünden.

Der Beschwerdeführer hat einen MRT-Befund vom 16. Januar 2013, Bl. 187 d. A., vorgelegt, darin wird eine Acromioclavikulargelenksarthrose mit Verbreiterung und Druckausübung auf die Supraspinatussehne beschrieben. An dieser findet sich ein Riss des vorderen Bauches und eine deutliche Degeneration des rückwärtigen Sehnenbauches. Der Kläger hat weitere Befunde von der Orthopädischen Universitätsklinik M. vom 6. März 2013, Bl. 174 und von der Orthopädischen Universitätsklinik L. vom 26. März 2013, Bl. 175 d. A. eingereicht.

Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung am 20. August 2013 auf Antrag des Beschwerdeführers gem. § 109 SGG die Sachverständigen Prof. Dr. M. und G. angehört. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift vom 20. August 2013, Bl. 210 - 213 d. A. Bezug genommen. Im Wesentlichen hat Prof. Dr. M. ergänzt, ein Faserriss der Sehne habe grundsätzlich keine Bedeutung, verursache jedoch Schmerzen und auch Bewegungseinschränkungen. Wenn auch jetzt ein Sehnenriss vorliege, habe er zum Unfallzeitpunkt aber noch nicht vorgelegen. Das Abheilen der Prellung nach dem Unfall bedeute nicht zwingend auch das Abklingen der Beschwerden. Diese Beschwerden könnten auch eine andere Ursache haben und könnten jedenfalls schwerlich auf den Unfall zurückgeführt werden. Es könne nicht gesagt werden, dass der Unfall Auslöser der jetzigen Beschwerden sei. Er sei allenfalls als kleines Teilchen der Verursachung der jetzigen Beschwerden zu sehen. Dass der Sehnenriss sich aus einem ursprünglich unfallbedingten Faserriss entwickelt hätte, könne sein, müsse aber nicht sein.

Bei einem Fall auf den angewinkelten Arm liege kein geeigneter Unfallhergang vor. Geeignet sei etwa ein Hergang, bei dem man auf den nach hinten ausgestreckten Arm falle. Die gegenwärtig feststellbaren Funktionsbeeinträchtigungen könnten zwar auf den Unfall zurückzuführen seien, ebenso gut aber auf das Schulterengesyndrom.

Die Fachärztin für diagnostische Radiologie G. hat erklärt, die im MRT von 2008 zu erkennende Faserläsion könne traumatisch bedingt sein oder auch schon vorher vorgelegen haben. Die degenerativen Veränderungen im Schultereckgelenk wirkten auf die Sehne und den Muskel ein und führten nach längerem Verlauf auch zu einem Riss. Der Grund für die Veränderungen könne anhand der Aufnahmen von 2008 nicht angegeben werden. Dort sei über dem gesamten Sehnenbauch nur ein Teil der Sehne zerrissen. In diesem Fall könne der Muskel noch arbeiten. Von einer Ruptur werde bereits gesprochen, wenn in der Sehne ein Loch vorliege. Ein solches, jetzt in der Sehne des Beschwerdeführers gefundenes Loch könne nicht sicher auf den Unfall zurückgeführt werden, weil das MRT nur eine Momentaufnahme sei. Sie stimme dem Sachverständigen Prof. Dr. M. zu, dass es für eine traumatische Ruptur der Supraspinatussehne eines bestimmten schweren Traumas bedürfe, wofür ein Sturz auf den angewinkelten Arm nicht ausreiche. Die Veränderungen könnten möglicherweise auch ohne den Unfall eingetreten seien.

Der Beschwerdeführer hat mitgeteilt, er erhalte Verletztenrenten aus anderen Versicherungsfällen nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 und um 10 v. H ...

Mit Urteil vom 20. August 2013 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, der Beschwerdeführer habe keinen Anspruch auf eine Feststellung der Beschwerden und Schmerzen im rechten Schultergelenk sowie der Ruptur der Supraspinatussehne rechts als weitere Unfallfolgen sowie auf Zahlung einer Verletztenrente wegen der Folgen dieses Unfalls. Er habe bei dem Unfall am 5. April 2008 eine Prellung der rechten Schulter und eine Beckenprellung rechts erlitten, die ohne wesentliche Funktionseinschränkung ausgeheilt seien. Ein Riss der Supraspinatussehne rechts als Gesundheitserstschaden sei nicht bewiesen. Denn dieser sei nicht zeitnah nach dem Unfall vom 5. April 2008 festgestellt worden. Er sei weder im MRT vom 8. April 2008 noch im Röntgenbild vom 7. April 2008 erkennbar gewesen. Noch im Befund des MRT vom 31. Januar 2011 werde eine Sehnenruptur verneint. Jedenfalls überwögen unter Abwägung aller Umstände die für einen Zusammenhang zwischen den Beschwerden und dem Arbeitsunfall sprechenden Tatsachen nicht so stark, dass sich darauf eine richterliche Überzeugung stützen lasse. Ernste Zweifel an einer anderen Verursachung hätten sich nicht ausschließen lassen. Es sei nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die Ruptur der Supraspinatussehne rechts und die darauf beruhenden Beschwerden und Schmerzen im rechten Schultergelenk auf den Unfall zurückzuführen seien. Schon die behandelnden Ärzte hätten die Unfallfolgen am 23. Mai 2008 als ausgeheilt betrachtet und damit die Ursache für den Abbruch der Behandlung durch die Beklagte gesetzt. Der Orthopäde B. habe in seinem Befundbericht vom 22. Oktober 2009 ausdrücklich auf einen Degenerationsprozess hingewiesen. Dres. E./H. hätten ebenfalls degenerative Veränderungen hervorgehoben und eine Verursachung der Teilruptur der Supraspinatussehne durch den Unfall lediglich als Möglichkeit eingeschätzt. Auch aus jüngeren Berichten folge nicht die Behauptung eines Ursachenzusammenhangs mit dem Unfall.

Die ärztliche Bescheinigung von Dr. E. vom 12. Januar 2009 genüge für die Annahme einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit nicht. Dr. E. nehme dort keine Abgrenzung zwischen Unfallfolgen und den degenerativen Änderungen vor. Zudem könnten die Beweismaßstäbe der privaten Unfallversicherung nicht für den vorliegenden Zusammenhang übernommen werden. Ein bloßer zeitlicher Zusammenhang reiche für die Bejahung eines Ursachenzusammenhangs nicht aus. Gegen einen Ursachenzusammenhang spreche auch, dass der geschilderte Unfallhergang als direkte Krafteinwirkung zur Verursachung eines Supraspinatussehnenrisses nicht geeignet sei. Die Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. M. stünde diesen Überlegungen nicht entgegen und habe auch keine neuen Erkenntnisse dazu erbracht. Auch er habe aber das Vorliegen von Unfallfolgen ausgeschlossen. Entsprechendes gelte für die Beurteilung durch die Fachärztin für diagnostische Radiologie G. Es handele sich nicht um einen Fall einer wesentlichen Verschlimmerung von Gesundheitsstörungen durch den Arbeitsunfall, weil ein Krankheitszustand im Rechtssinne für die Zeit vor dem Unfall nicht nachweisbar sei.

Der Beschwerdeführer habe keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 10 v. H. Aus den Unfallfolgen ergebe sich kein Rentenanspruch im Sinne von § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII, weil die Unfallfolgen schon nach dem Bericht der Dres. E./H. vom 30. Juli 2008 ausgeheilt gewesen seien. In seiner ärztlichen Bescheinigung vom 12. Januar 2009 habe Dr. E. auch die unfallfremden Anteile berücksichtigt. Prof Dr. M. habe keine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit bestätigt.

Mit Beschluss vom 18. Oktober 2013 hat das Sozialgericht die Übernahme der durch die gutachterliche Anhörung des Sachverständigen Prof Dr. M. entstandenen Kosten auf die Staatskasse abgelehnt: Das Gutachten habe keine neuen medizinischen Erkenntnisse erbracht, sondern die von der Beklagten vertretene Ansicht bestätigt. Das Gutachten, die ergänzende Stellungnahme und die mündliche Anhörung hätten den Rechtsstreit nicht objektiv im Sinne einer weiteren Sachverhaltsaufklärung gefördert. Vielmehr habe er nur die Auffassung der Beklagten und die eingeholten Befundberichte bestätigt. Schon die behandelnden Ärzte des Klägers hätten einen Unfallzusammenhang der nunmehr geklagten Beschwerden abgelehnt und die degenerativen Veränderungen als Ursache angesehen, wobei sie lediglich die Möglichkeit eines Zusammenhangs festgestellt hätten. Anhaltspunkte für eine gegenteilige Sichtweise ergäben sich aus den Unterlagen nicht. Der Fall sei vor der Einschaltung Prof.Dr. M.s ausermittelt gewesen. Das Gutachten von Prof. Dr. M. habe keinen Anlass für eine zusätzliche Beweiserhebung gegeben. Soweit das Gericht das Gutachten im Urteil zitiert habe, habe es auch insoweit lediglich das Fehlen neuer Erkenntnisse aus dem Gutachten beschrieben.

Gegen den Beschluss hat der Beschwerdeführer am 12. November 2013 Beschwerde erhoben und mitgeteilt, er habe mit dem Gutachten für sich noch bestehende Unklarheiten im Verständnis um seine Krankheit ausräumen wollen. Dabei sei es auch um Sachverhaltsaufklärung gegangen. Außerdem hätten sich aus der Erläuterung Prof. Dr. M.s durchaus Ergänzungen der medizinischen Erkenntnisse ergeben. Im Übrigen verweise er auf seine Berufungsbegründung vom 4. November 2013. Darin führt er aus, schon unmittelbar nach dem Unfall sei eine Teilruptur im MRT vom 8. April 2008 festgestellt worden. Ein weiteres MRT vom 16. Januar 2013 ergänze diese Diagnose zu einer Sehnenruptur. Der behandelnde Arzt Dr. E. diagnostiziere ebenfalls eine unfallbedingte Teilruptur. Der Orthopäde B. habe sich zwar nicht auf eine Ruptur festgelegt, aber eine Faserläsion an der Supraspinatussehne eingeräumt. Als Ursache vermute er nur einen Degenerationsprozess und könne demnach einen Unfallzusammenhang nicht ausschließen. Für den Sehnenriss habe das Unfallereignis einen wesentlichen Einfluss gehabt. Eine Vorerkrankung sei nie diagnostiziert worden. Auch nach dem Unfall habe es kein Ereignis gegeben, dass die Schmerzen und die Bewegungseinschränkung oder den Sehnenriss ausgelöst hätten. Aus dem ärztlichen Attest von Dr. E. lasse sich eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreichend ableiten. Degenerationsprozesse würden nur vermutet, seien aber nicht bewiesen. Aus seiner Sicht sei die Behandlung der Schulterbeschwerden zu keinem Zeitpunkt abgeschlossen gewesen. Nur daraus lasse sich schon ableiten, dass es nicht nur um eine Prellung gegangen sei, die nach sechs Wochen ausgeheilt sein solle. Dass schon der Unfallhergang gegen das Vorliegen einer Ruptur sprechen solle, sei völlig abwegig. Die Entstehung bei einem plötzlichen Sturz sei noch immer möglich.

Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 18.Oktober 2013 aufzuheben und die Kosten des schriftlichen Gutachtens von Prof. Dr. M. vom 28. März 2012, seiner ergänzenden Stellungnahme vom 21. November 2012 und seiner mündlichen Anhörung vom 20. August 2013 auf die Landeskasse zu übernehmen.

Bei der Entscheidungsfindung haben neben der Gerichtsakte der Hauptsache die Akte der Beklagten über den Unfall – Az. 11 01 08 2-3 504 035 – sowie eine Beiakte mit Behandlungsunterlagen von Prof. Dr. M., die dieser seinem Gutachten beigefügt hat, vorgelegen.

II.

Die gem. § 172 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Beschwerde hat Erfolg.

Der Beschwerdeführer hat gem. § 109 Abs. 1 S. 2 SGG Anspruch auf Rückerstattung der von ihm vorschussweise entrichteten Beträge auf die Kosten für den Sachverständigen Prof. Dr. M., weil das Gutachten an Stelle einer an sich erforderlichen Sachaufklärung von Amts wegen erforderlich war (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 109 Rdnr. 16a); jedenfalls diese Voraussetzung für die Kostenerstattung gilt als strikter Rechtssatz. Andere Beweismittel, mit denen über den Fall fehlerfrei zu entscheiden gewesen wäre, lagen zum Zeitpunkt der Gutachtenerstattung durch Prof. Dr. M. nicht vor.

Die Einschätzungen der Dres. E./H. stellten keine hinreichende Grundlage für eine Entscheidung dar, wonach ein Zusammenhang zwischen Krankheitsbildern im Bereich der rechten Schulter beim Beschwerdeführer und dem Unfall vom 5. April 2008 nicht im Sinne einer wesentlichen Ursache hinreichend wahrscheinlich festgestellt werden kann. Unklar ist dazu zunächst die Antwort von Dr. E. auf die Frage des Sozialgerichts nach der Ursache der Sehnenruptur. In einen schlüssigen Zusammenhang zum Behandlungsabbruch und zu der früheren Aussage einer völligen Ausheilung der Unfallfolgen könnte nur eine Antwort gebracht werden, wonach die Ursache im Sinne des Kausalitätsrechts der gesetzlichen Unfallversicherung entweder unbekannt ist oder eine unfallfremde Ursache benannt wird. Die stattdessen getroffene Aussage, wonach der Unfall mögliche Ursache ist, zeigt jedenfalls ein Abrücken von einer solch klaren Einschätzung. Dabei ist zudem unklar, worauf die Möglichkeitsaussage bezogen ist. Ist
die Möglichkeit einer Ursächlichkeit im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung gemeint, wie jedenfalls an dieser Stelle das Beweisthema zur Haupttatsache lautet, drängt sich Klärungsbedarf auf. Auch die Mitteilung Dr. E.s in seinem Zeugnis vom 12. Januar 2009 für die Privatversicherung besagt mittelbar zumindest, es lägen Unfallfolgen vor, die (jedenfalls) naturwissenschaftlich durch den Unfall verursacht worden seien. Insofern trifft es zwar zu, dass Einschätzungen im Rahmen des Privatversicherungsrechts kaum hinreichende Aussagen zum Vorliegen eines Schadens in der gesetzlichen Unfallversicherung zulassen; gegen einen Anspruchsausschluss können sie dort gleichwohl Bedeutung haben.

In Verbindung mit dem Hinweis der Beklagten auf die medizinische Lehrmeinung, wonach der hier vorliegende Unfallablauf schon zur Verursachung des Schadens ungeeignet ist, ergäbe sich bereits ein Widerspruch; ein ungeeigneter Ablauf kann einen Schaden auch naturwissenschaftlich nicht verursachen. Auch diese Überlegung stellt die Bedeutung der Mitteilungen der Dres. E./H. als alleiniger Beweismittel in Frage, weil nicht klar ist, inwieweit sie ihre Einschätzungen an der herrschenden medizinischen Lehrmeinung ausrichten.

Umgekehrt schließen zumindest die verschiedenen Ausführungen der Dres. E./H. es aus, die medizinische Einschätzung allein auf die Literatur zu stützen, in der die genannte Lehrmeinung als allgemeine Erkenntnis veröffentlicht ist. Es bleibt unklar, inwieweit möglicherweise hier individuelle Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind. Ob die allgemeinen Erkenntnisse über Risse in der Rotatorenmanschette auch für Faserläsionen gelten, war beispielsweise vor der Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. M. völlig unklar. Jedenfalls hat dieser gerade betont, dass es sich um unterschiedliche Dinge handelt.

Auch die Auffassung von Dipl.-Med. B. in seinem Befundbericht vom 22. Oktober 2009 beantwortet die zu klärenden Fragen nicht erschöpfend. Die Aussage, Ursache der Sehnenruptur sei "vermutlich" ein Degenerationsprozess, ermöglicht keine verbindliche Aussage darüber, dass und ggf. warum der Unfall jedenfalls keine wesentliche Ursache der Schulterveränderungen und -beschwerden beim Kläger ist bzw. der Zusammenhang nicht näher aufklärbar ist.

Ebenso wenig ermöglicht eine Auswertung des MRT-Befundes vom 8. April 2008 als solchen eine Klärung der Verursachungsfrage. Insbesondere besagt das Vorliegen degenerativer Veränderungen für sich genommen nichts darüber, ob diesen bei der Verursachung der jedenfalls auch später vorgefundenen Bewegungseinschränkungen der Schulter eine überragende Bedeutung zukommt, die eine wesentliche Bedeutung des Unfalls dafür ausschließt. Zu dieser Klärung bedurfte es vielmehr einer Bewertung der Unterlagen durch eine alle Gesichtspunkte einbeziehende Gesamtbeurteilung. Da die Beklagte auf eine beratungsärztliche Stellungnahme, die dies ggf. hätte leisten können, verzichtet hatte, waren die Äußerungen Prof. Dr. M.s als Sachverständiger erforderlich.

Eine Unterscheidung der durch den Sachverständigen verursachten Kosten nach notwendigen und nicht notwendigen Kosten ist hier nicht gerechtfertigt. Zwar mag es sein, dass das schriftliche Gutachten allein die erforderliche Klärung nicht herbeigeführt hat, sondern diese erst durch die ergänzende Stellungnahme oder gar die mündliche Anhörung herbeigeführt worden ist. Im Hinblick auf die jedenfalls erforderliche Einschaltung eines Sachverständigen besteht kein Anlass zu einer Beschränkung der Vorschusserstattung auf die Kosten einer dieser Beweiserhebungen. Denn auch im Rahmen einer Begutachtung von Amts wegen kann das Gericht die Notwendigkeit einer kostenpflichtigen ergänzenden Stellungnahme oder einer mündlichen Anhörung nicht verhindern.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren folgt in entsprechender Anwendung von § 193 SGG aus dem Unterliegen des Beschwerdegegners.
Rechtskraft
Aus
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