L 6 U 47/13

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 33 U 115/10
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 47/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob eine Hüftgelenksarthrose und -nekrose beim Kläger Folge eines Unfalls ist, den dieser in der Deutschen Demokratischen Republik erlitten hat.

Der im Dezember 1973 geborene Kläger erlitt am 27. September 1988 einen Arbeitsunfall, der von der Verwaltung der Sozialversicherung der DDR anerkannt wurde. Dabei geriet der Kläger in Ausübung seines Lehrverhältnisses als Fleischerlehrling in eine Maschine und wurde dort eingeklemmt. Er zog sich einen komplizierten Querbruch des linken Oberschenkelknochens am Übergang zum unteren Drittel zu. Die Bruchstelle wurde durch Nagelung zusammengefügt. Im Verlauf des Heilungsprozesses zog der Kläger sich eine weitere Sturzverletzung mit der Folge eines eingedrückten Bruchs (Infraktion) unterhalb der Kniegelenksrolle (suprakondylär) im linken Oberschenkel zu, die beteiligte Ärzte als mittelbare Folge ungenügender Gehfähigkeit nach dem vorherigen Unfall einschätzten.

In verschiedenen Befundunterlagen bewertete der behandelnde Traumatologe Dr. K. den Bruchstand als anatomisch korrekt und glatt verheilt. In einem abschließenden Gutachten vom 16. August 1990 schätzte er den verbleibenden Körperschaden mit 15 % ein. Die vorher bezogene Unfallrente wurde daraufhin schon in Zeiten "der Wende" eingestellt und der Gesetzlichen Unfallversicherung der Bundesrepublik nachfolgend kein Datenbestand zu dem Unfall mehr übergeben.

Im Februar 2008 beantragte der Kläger die Feststellung einer Verletztenrente.

Die Beklagte zog einen Bericht des Chirurgen Dr. Pf. vom S-U-Klinikum N. vom 22. August 2008 nach erneuter Untersuchung des Klägers bei. Der Kläger hatte dort anhaltende und im Verlauf zunehmende Schmerzen im Bereich des linken Hüftgelenks beklagt. Im Grunde genommen sei er nie ganz schmerzfrei geworden. Seit ca. zehn Jahren hätten sich die Schmerzen im Hüftgelenk deutlich verschlechtert. Dr. Pf. berichtete über eine Beinverkürzung links von 1,5 Zentimetern. Das Röntgenbild vom Vortag habe einen in regelrechter Achsstellung verheilten Oberschenkelschaftbruch gezeigt. Rückstände seien kaum noch erkennbar, insbesondere keine Achsfehler. Eine vermehrte Knochendemineralisation sei nicht zu erkennen. Im linken Hüftgelenk zeigten sich eine deutliche Verschmälerung des Gelenkspaltes und ein leicht verformter Hüftkopf. Es seien deutliche zystische Veränderungen sichtbar. Der Befund spreche für eine Hüftkopfnekrose.

Die Beklagte zog weiterhin einen Befundbericht des Orthopäden T. vom 8. Dezember 2008 bei, bei dem der Kläger erstmals am 8. Juli 2003 in Behandlung gewesen war. Dort hatte er über Schmerzen im linken Hüftbereich, zunehmend in den letzten Jahren, geklagt. Als Röntgenbefund vom gleichen Tag teilte der Orthopäde T. eine gute achsengerechte Ausheilung des Bruches mit. Im linken Hüftgelenk lag eine deutliche Gelenkspaltverschmälerung bei stark entrundetem und verplumpten Hüftkopf vor.

Die Beklagte veranlasste die Fertigung eines MRT des Beckens vom 6. März 2009, aus dem sich die Diagnose einer deutlichen Femurkopfnekrose (abgestorbenes Knochengewebe im Oberschenkelkopf) links ergab.

Die Beklagte holte eine Stellungnahme des Unfallchirurgen Dr. F. als Beratungsarzt vom 11. August 2009 ein, der die Auffassung vertrat, die heute bestehende Hüftgelenksarthrose und -nekrose stünden nicht in einem Unfallzusammenhang. Der Bruch sei damals korrekt versorgt worden. Hüftkopfnekrosen könnten nach einer Nagelung von Oberschenkelbrüchen auftreten, seien aber dann innerhalb eines Jahres zu erwarten. Der Kläger habe ein Cam-Impingement an beiden Hüften als Veranlagung zu einer Hüftgelenksarthrose.

Mit Bescheid vom 3. September 2009 lehnte der Rentenausschuss der Beklagten die Feststellung einer Rente ab. Er führte aus, ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den Beschwerden und Veränderungen im Bereich des linken Hüftgelenkes und dem Arbeitsunfall seien nicht wahrscheinlich. Der festgestellte Schaden am linken Hüftgelenk sei Ausdruck eines körpereigenen, selbständigen Krankheitsprozesses.

Der Kläger legte dagegen noch im gleichen Monat Widerspruch ein und legte eine Einschätzung des Orthopäden T. vom 25. Januar 2010 vor, aus dessen Sicht ein direkter Zusammenhang zwischen dem Unfallschaden und der Hüftgelenksarthrose bestand. Dies ergebe sich erstens als direkte Folge der Krafteinwirkung auf das Hüftgelenk und zweitens als Folge der Fehlbelastung der Hüfte durch die Bruchfolgen mit Beinverkürzung. Auf der Gegenseite finde sich keinerlei krankhafter Befund, und bei dem Alter des Klägers sei eine Hüftgelenksarthrose anderer Ursache unwahrscheinlich.

In einer weiteren Stellungnahme vom 27. April 2010 führte Dr. F. aus, hier sei die Beinlängendifferenz zur Verursachung einer Hüftkopfnekrose nicht geeignet. Eine sekundäre Arthrose aufgrund einer Fehlbelastung sei hier auszuschließen, weil der Bruch absolut achsgerecht versorgt worden sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 2010 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück. Er verwies darauf, die Möglichkeit eines Zusammenhanges allein entspreche den Beweisanforderungen im Recht der Gesetzlichen Unfallversicherung nicht. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger auf dem Postweg bekannt gegeben.

Mit der am 30. Juli 2010 beim Sozialgericht Halle eingegangenen Klage hat der Kläger sich im Wesentlichen auf die Auffassung des Orthopäden T. bezogen.

Das Sozialgericht hat ein Gutachten des Arztes für Orthopädie Dr. Sch. vom 21. Juni 2012 eingeholt, wegen dessen Inhalt im Einzelnen auf Bl. 53 - 73 d. A. Bezug genommen wird. Im Wesentlichen ist der Sachverständige zu dem Ergebnis gelangt, er halte einen Zusammenhang zwischen dem Unfall und der Hüftgelenksarthrose und -nekrose für wahrscheinlich. Er halte dies auch angesichts des Zeitablaufs für möglich, da die Ausbildung einer Sekundärarthrose nach einer solchen Bruchnagelung wie beim Kläger sehr lange Zeiträume benötigen könne. Eine solche Arthrose nach Nagelung sei allerdings sehr selten. Die Entwicklung einer schicksalhaften Arthrose bei einem so jungen Menschen sei allerdings eine Rarität sonder Gleichen, zumal beim Kläger keine erhebliche anatomische Besonderheit der Hüfte vorliege. Das vom Beratungsarzt als Befund beschriebene Cam-Impingement ergebe sich weder aus einem der einschlägigen Berichte noch könne er selbst dies sogar auf den jüngeren Aufnahmen an der rechten Hüfte erkennen. Klinisch habe der Kläger ihm gegenüber über ständige gewisse Beschwerden im linken äußeren Hüftbereich bis in die Leiste hinein seit dem Unfall geklagt. Er habe sich damit arrangiert und sei nicht zum Arzt gegangen. Aus seinen spontanen und unaufgeregten Angaben ergebe sich eine entsprechende Brückensym-ptomatik. Das rechte Hüftgelenk sei arthrosefrei, obwohl zumindest eine beginnende Arthrose angesichts eines vergleichsweise flach auslaufenden Pfannendachs nicht einmal verwunderlich wäre. Nach allem sei es außerordentlich unwahrscheinlich, dass das linke Hüftgelenk bei dem noch vergleichsweise jungen Kläger eine Arthrose im Ausmaß einer Gelenkruine ohne den Unfall entwickelt hätte. Auch Risikofaktoren für die Ausbildung einer Hüftgelenksarthrose seien beim Kläger nicht bekannt. Es bleibe keine Erklärung für die Befundentwicklung der linken Hüfte übrig als das Unfallgeschehen. Die Frage einer Beinlängendifferenz sei allerdings für die Zusammenhangseinschätzung komplett bedeutungslos. Der Zusammenhang bestehe mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit schätze er seit dem ersten Februar 2008 mit 40 v. H. ein.

In Auswertung einer weiteren Stellungnahme von Dr. F. hat die Beklagte gegen das Gutachten eingewandt, der Sachverständige selbst habe die Bildung einer Arthrose nach Nagelung nur als eine geringe Möglichkeit eingeschätzt. Ein Argument für einen Zusammenhang lasse sich aus dem langen Zeitablauf jedenfalls nicht ableiten. Der Schluss auf eine Brückensymptomatik sei nicht nachvollziehbar. Oberschenkelbrüche hinterließen nahezu immer Beschwerden unterschiedlicher Art und unterschiedlichen Ausmaßes. Auch auf der rechten Hüftgelenkseite zeigten sich zumindest Veränderungen, die auf eine entstehende Arthrose hinwiesen. Auf den Röntgenaufnahmen vom 8. Juli 2003 sei nämlich ein Cam-Impingement zu erkennen.

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 16. Januar 2013, Bl. 92 - 100 d. A., hat Dr. Sch. zunächst angemerkt, die Fehlbelastung des Hüftgelenkes als Kugelgelenk sei kaum möglich. Es erfordere – wie etwa bei Beinamputierten – ein Abkippen des Beckens unter Entblößung eines Teils der Pfannenüberdachung des Gelenkes. Damit werde die Druckübertragungsfläche kleiner, was die Entstehung einer Hüftgelenksarthrose begünstige. Die Behauptung, Oberschenkelbrüche hinterließen nahezu immer Beschwerden, sei schlicht falsch. Bei einem ausgeheilten Knochenbruch könnten fortdauernde Beschwerden nur zwei Ursachen haben, nämlich Mitverletzungsfolgen am Weichteilmantel, die beim Kläger nicht festzustellen gewesen seien, oder eine negative Beeinflussung der Gelenkfunktion, wie immer diese auch zustande gekommen sein möge. Die Behauptung eines sich abzeichnenden Hüftgelenkverschleißes auf der rechten Seite sei geradezu abwegig. Schon der massive Seitenunterschied spreche im Falle des Klägers in einem vergleichsweise hohen Maße für die Unfallkausalität.

Mit Urteil vom 9. April 2013 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Minderung der Erwerbsfähigkeit beim Kläger erreiche das erforderliche Maß von 20 v. H. nicht. Der Oberschenkelbruch, den sich der Kläger bei dem Arbeitsunfall vom 27. September 1988 zugezogen habe, sei nach einhelliger Auffassung der beteiligten Ärzte im Jahre 2008 anatomiegerecht ausgeheilt gewesen. Eine Funktionseinschränkung des linken Beines habe sich daraus nicht ergeben.

Die weiteren Gesundheitsstörungen in Form einer Hüftgelenksarthrose mit einer Hüftkopfnekrose seien nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Arbeitsunfall vom 27. September 1988 zurück zu führen. Insoweit folge das Gericht im Ergebnis den Beratungsärzten. Die Beurteilung des Ursachenzusammenhangs richte sich am Maßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit aus, bei der bei Abwägung aller Umstände mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spreche und ernste Zweifel daran ausschieden. Hingegen genüge die bloße Möglichkeit einer Verursachung nicht.

Der Verdacht des Sachverständigen Dr. Sch. , der Kläger habe sich bei dem Unfall einen Pfannenrandbruch links zugezogen, finde in den ärztlichen Befunden keine Bestätigung. Dr. K. habe einen solchen Bruch in den Unterlagen über die damalige Behandlung nicht beschrieben. Auch der Beratungsarzt Dr. F. habe einen solchen Befund nicht mitgeteilt. Er sei nicht vollbeweislich gesichert und entfalle als Grundlage für einen Zusammenhang.

Der Beginn der Hüftgelenksarthrose und -nekrose lasse sich nicht feststellen. In den von Dr. K. gefertigten Unterlagen seien sie noch nicht beschrieben. Erst 15 Jahre nach dem Unfallereignis habe Dipl.-Med. T. Veränderungen an der linken Hüfte beschrieben. Der Entwicklungszeitraum könne sowohl eine schicksalhafte als auch eine unfallbedingte Hüftgelenksarthrose betreffen, sei aber in beiden Fällen selten. Danach lasse sich die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhanges nicht begründen.

Die Hüftgelenksarthrose könne auch nicht aus einer Fehlstellung des linken Oberschenkels entstanden sein, weil eine solche nicht festzustellen gewesen sei. Schon Dr. K. habe einen röntgenologisch anatomischen Bruchstand beschrieben. Diese Einschätzung hätten sowohl Dipl.-Med. T. als auch Dr. Pf. bestätigt. Daran habe der Sachverständige keine Zweifel geäußert. Die Beinlängenverkürzung von ungefähr einem Zentimeter sei nach der übereinstimmenden Einschätzung des Sachverständigen und Dr. F. für die Entwicklung einer Hüftgelenksarthrose nicht von Bedeutung. Die vom Sachverständigen zugrunde gelegten Brückensymptome seien nicht ersichtlich. Dr. K. habe seit dem 12. Oktober 1989 von einem komplikationslosen postoperativen Verlauf und einer Entlassung des Klägers bei subjektivem Wohlbefinden berichtet. Restbeschwerden hatten sich bis zum 16. August 1990 gebessert, als in dem Gutachten nur noch ziehende Schmerzen bei Wetterwechsel, Oberschenkelschmerzen beim Knien und ein Taubheitsgefühl im Narbenbereich oberhalb der Kniescheibe beschrieben worden seien. Bis zum 8. Juli 2003 seien danach keine weiteren Befunde erhoben worden. Gegenüber Dr. Pf. habe der Kläger auch nur angegeben, seit etwa zehn Jahren hätten sich die Schmerzen im Hüftgelenk deutlich verschlechtert. Dies betreffe erst einen zehn Jahre nach dem Unfall beginnenden Zeitraum. Der Schluss des Sachverständigen aus dem Vergleich des Zustandes beider Hüftgelenke, es komme nur das Unfallgeschehen als Ursache für die Veränderungen des linken Hüftgelenks in Betracht, widerspreche seinen übrigen Ausführungen. Er habe beide Möglichkeiten der Entstehung – unfallbedingt oder schicksalhaft – eher für selten gehalten. Die Möglichkeit einer schicksalhaften Entstehung habe er nicht in Abrede gestellt. Es komme nicht darauf an, ob eine schicksalhafte Entwicklung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu belegen sei; vielmehr müsse das Gericht von der hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines Unfallzusammenhangs überzeugt sein. Dies sei nicht der Fall.

Die Hüftkopfnekrose selbst sei nicht ursächlich auf den Unfall zurückzuführen, weil sie sich nach der überzeugenden Auffassung der Beratungsärzte innerhalb eines Jahres nach dem Unfall ausbilden müsse. Eine solche sei aber von Dr. K. nicht beschrieben worden. Soweit sie sich entsprechend der Auffassung des Sachverständigen auf die Hüftgelenksarthrose aufgepfropft habe, entspreche die Zusammenhangseinschätzung derjenigen zur Hüftgelenksarthrose.

Der Kläger hat am 3. Juni 2013 gegen das Urteil Berufung eingelegt und trägt vor, dass Sozialgericht habe den Anspruch wegen fehlender Brückensymptome abgewiesen. Dieser Umstand spreche aber nicht automatisch für eine Unterbrechung der Kausalkette. Diesen Anforderungen werde das Gutachten des Sachverständigen Dr. Sch. mit seiner Einschätzung voll gerecht. Die Fakten, auf die sich die Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs gründe, seien voll bewiesen. Im Übrigen sei es Aufgabe des Sozialgerichts gewesen, seinen Hausarzt zu hören, dem er nach dem Arbeitsunfall immer wieder Schmerzen in der Hüfte geklagt habe. Röntgenbilder aus dem Jahre 1989, die in seinem Sozialversicherungsausweis vermerkt seien, seien vernichtet worden. Er halte zur Klärung möglicher Beweiserleichterungen die Zulassung der Revision für erforderlich.

Der Kläger beantragt in der Hauptsache,

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 9. April 2013 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 3. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2010 abzuändern und

die Beklagte zu verurteilen, ihm vom 1. Februar 2008 an eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 vom Hundert zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bleibt bei ihrer Auffassung und schließt sich dem Urteil des Sozialgerichts an.

Das Gericht hat eine weitere ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Dr. Sch. vom 6. Juni 2014 – unter anderem zur Auswertung aller dem Gericht vorliegenden Röntgen-, CT- und MRT-Aufnahmen – eingeholt, wegen deren Inhalt im Einzelnen auf Bl. 191 - 207 d. A. Bezug genommen wird. Im Wesentlichen hat der Sachverständige die Beurteilung abgegeben, in der Frühphase nach dem Unfall wären zweifelsfrei keine Veränderungen am linken Hüftgelenk nachzuweisen. Das Bild vom 8. Juli 2003 zeige eine ausgeprägte Arthrose des linken Hüftgelenkes mit ersten Anzeichen einer Hüftkopfnekrose, die an einer Abplattung der Kopfkontur zu erkennen sei. Da die Hüftgelenksarthrose damals aber noch dominiert habe, sei die Hüftkopfnekrose als Sekundärfolge einzuschätzen. Die Hüftgelenksarthrose müsse sich bereits damals seit mehreren Jahren, mindestens 5 und höchstens 15 Jahren, entwickelt haben. Irgendeine Veranlagung zur Entwicklung einer Hüftgelenksarthrose sei den frühen Röntgenbildern nicht zu entnehmen. Ein Cam-Impingement sei bildtechnisch nicht zu belegen. Für die Fälle einer ungeklärten, sogenannten idiopathischen Hüftgelenksarthrose ließen sich mittlerweile häufig Ursachen finden, auf die beim Kläger aber Hinweise fehlten. Die Entstehung einer idiopathischen Hüftgelenksarthrose vor dem 50. Lebensjahr sei aber völlig atypisch. Eine solche Erklärung stelle eine Möglichkeit mit einer nur sehr geringen Wahrscheinlichkeit dar. Umgekehrt sei bei dem Unfall eine erhebliche Gewalteinwirkung im Spiel gewesen, die sich an der sehr groben Bruchflächenverschiebung um gut zehn Zentimeter im Röntgenbild zeige. Die Vermutung liege nahe, dass diese Gewalteinwirkung auch in irgendeiner Form am linken Hüftgelenk angekommen sei und hier eine röntgenanatomisch nicht erkennbare Knorpelschädigung bewirkt habe. In der unfallmedizinischen Literatur werde zunächst die Frage aufgeworfen, ob eine Arthrose sich nur auf einer Seite oder – wenn auch unterschiedlich – an beiden Seiten herausgebildet habe. Im letzteren Fall sei eine Wahrscheinlichkeit nicht zu stützen. Danach sei die Frage zu stellen, ob irgendwelche Befundauffälligkeiten oder Belastungen in der Altanamnese bestünden, die unfallfremd die Entstehung der einseitigen Hüftgelenksarthrose erklären könnten. Seien Gründe für eine schicksalhafte Arthroseentstehung nur dort nicht erkennbar, spreche die Wahrscheinlichkeit eher für das Gegenteil, nämlich einen Unfallzusammenhang. Er räume ein, dass diese Beurteilung nicht zwingend und insoweit die Zweifel der Beklagten berechtigt seien. Der Bedeutung einer Brückensymptomatik sei entgegenzuhalten, dass selbst bildtechnisch nachweisbar fortgeschrittene Arthrosen nicht immer Beschwerden hervorrufen müssten. Eine völlige Beschwerdefreiheit habe der Kläger im Übrigen aber auch abgestritten. Jedenfalls könne eine Symptomatik schon vor 2003 über viele Jahre zurückliegend vorgelegen haben. Die Abwägung sei nun Sache des Gerichts, wobei eine sichere Beweisführung auch im Sinne des sogenannten Wahrscheinlichkeitsbeweises in diesem Einzelfall nicht möglich erscheine. Er gehe aus möglicherweise unzureichenden Gründen von der Wahrscheinlichkeit aus, weil sie näher lägen als die Gründe für das Gegenteil.

Der Kläger hat zu der ergänzenden Stellungnahme angemerkt, das geringe Alter zum Zeitpunkt der Entwicklung der Arthrose und das Fehlen biologischer Ursachen für diese Entwicklung lasse die Einschätzung eines Zusammenhangs mit dem Unfall als zwingend erscheinen. Der Umstand, dass er sich vor 2003 nicht in spezielle ärztliche Behandlung begeben habe, führe nicht zu einer anderen Schlussfolgerung. Die Einschätzung Dr. Sch. sei schlüssig, wobei er es nicht für angemessen halte, dass dieser nunmehr letztlich eine medizinische Entscheidung den Juristen zuschiebe.

Die Beteiligten haben nach Hinweisen des Berichterstatters zur Rechtslage im Erörterungstermin vom 27. August 2014 einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Bei der Entscheidung hat neben den Gerichtsakten die Akte der Beklagten – Az. 7 4 2008 03830 – vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung hat keinen Erfolg.

Der Bescheid der Beklagten vom 3. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2010 beschwert den Kläger nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, soweit die Beklagte darin die Zahlung einer Verletztenrente abgelehnt hat. Denn darauf hat der Kläger gem. § 56 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, 2 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII – G. v. 7.8.1996, BGBl. I S. 1254) keinen Anspruch, weil die Minderung der Erwerbsfähigkeit bei ihm nicht ein Ausmaß von 20 v. H. erreicht. Die Anwendung dieser Vorschrift auf den vor 1992 eingetretenen Versicherungsfall des Klägers ergibt sich aus § 215 Abs. 6 SGB VII. Es handelt sich um eine erstmalig festzustellende Rente im Sinne dieser Vorschrift i.V.m. § 1154 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) in der zuletzt geltenden Fassung, weil bei Inkrafttreten der RVO in Sachsen-Anhalt am 1. Januar 1992 (durch Anl. I Kap. VIII Sachg. I Abschn. III Nr. 1 Maßg. f und i. d. F. durch das RÜG v. 25.7.1991, BGBl. I S. 1606) kein Körperschaden als Grundlage einer Unfallrentenzahlung festgestellt war.

Für die feststehenden und unumstrittenen Unfallfolgen lässt sich keine Beeinträchtigung des körperlichen Leistungsvermögens im Sinne des § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII feststellen, die die Arbeitsmöglichkeiten im Erwerbsleben hätte vermindern können. So hat Dr. F. unwidersprochen und überzeugend ausgeführt, der beim Unfall entstandene Bruch sei bei der Erstbehandlung korrekt versorgt worden. Es seien im weiteren Behandlungsverlauf weder eine Achsfehlstellung noch eine Beinlängendifferenz von Bedeutung verblieben. Der Bruch sei dann konsolidiert. Dieser Einschätzung stimmt der Sachverständige Dr. Sch. zu. Daneben beschreibt der Sachverständige in Übereinstimmung mit den vorliegenden Befundberichten verbliebene Narben im linken Oberschenkel, ohne dass Beschwerden oder funktionell einschränkende Befunde durch diese Narben beschrieben oder sonst erkennbar werden. Die Beinlängendifferenz schätzt Dr. Sch. unabhängig von einer wahrscheinlichen Unfallunabhängigkeit jedenfalls als bedeutungslos ein. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. ergibt sich daraus nicht, wovon auch Dr. Sch. ausweislich seiner für maßgeblich erachteten Kausalitätserwägungen ausgeht.

Die Hüftgelenksarthrose und nachfolgende -nekrose links bleiben bei der Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit außer Betracht, weil sie nicht im Sinne von § 56 Abs. 1 S. 1 SGB VII in Folge eines Versicherungsfalls – hier des Arbeitsunfalls im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB VII – eingetreten sind. Es ist nämlich nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die Erkrankung des linken Hüftgelenkes durch den Arbeitsunfall vom 27. September 1988 verursacht worden ist. Insoweit bestehen bereits ernste Zweifel an der naturwissenschaftlichen Ursächlichkeit (dazu als Voraussetzung BSG, Urt. v. 12.4. 05 – B 2 U 27/04 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 15 Rdnr. 11), zu deren Beurteilung zu prüfen ist, ob der Unfall gedanklich außer Betracht bleiben kann, ohne dass auch die Krankheit notwendig entfiele. Dies ist hier nicht der Fall, weil sich eine Beeinflussung des genannten Krankheitsbildes durch den Arbeitsunfall nicht feststellen lässt.

Der Zusammenhang ist im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung hinreichend wahrscheinlich, wenn mehr für als gegen den Zusammenhang spricht und ernste Zweifel an dem Zusammenhang ausscheiden (BSG, Urt. v. 9.5.06 – B 2 U 1/05 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 17 Rdnr. 20). Grundlage der Würdigung des Zusammenhanges sind nur die Tatsachen, die nach dem Maßstab des Vollbeweises festgestellt werden können (BSG, Urt. v. 17.2.09 – B 2 U 18/07 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 31 Rdnr. 15). Insoweit ist eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich, die selbst vernünftige Zweifel nicht zulässt.

In diesem Sinne sind dauerhafte funktionelle Folgen, die sich aus einer nicht vollständigen Verheilung der 1988 und 1989 erlittenen Brüche des Oberschenkelknochens ergeben hätten, – wie dargelegt – nicht festzustellen. Nicht festzustellen ist auch, dass der Kläger nach der Abheilung der Brüche unter dauerhaften Beschwerden gelitten hätte. Eine ärztliche Behandlung aus einem solchen Grund hat er nicht in Anspruch genommen. Dies hat der Kläger nach Angabe des Sachverständigen Dr. Sch. diesem gegenüber so angegeben und eine solche Angabe auch nicht bestritten.

Eine bis zum Jahr 2003 aufgetretene Erkrankung des linken Hüftgelenkes lässt sich ebenfalls nicht feststellen. Die Überlegungen des Sachverständigen Dr. Sch. lassen insoweit nicht zu – was aber notwendig wäre – mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit allein aus dem Unfallverlauf und dem Krankheitsverlauf auf eine krankhafte Veränderung im Hüftgelenksbereich vor 1998 zu schließen. So bezeichnet Dr. Sch. nachvollziehbar selbst den Schluss als spekulative Vermutung, mit dem er aus der schweren Gewalteinwirkung im Rahmen des Unfalls auf das linke Bein eine Schädigung des linken Hüftgelenkes selbst herleiten will. Diese Überlegung kann ernste Zweifel des Inhalts nicht beseitigen, dass angesichts des Fehlens zeitlich und räumlich unmittelbarer Symptome im Hüftbereich auch ein anderer Verlauf gut denkbar ist.

Dr. Sch. behauptet auch nicht, dass sich aus den Röntgenbefunden ein sicherer Rückschluss auf eine Arthroseentwicklung bereits seit der Zeit des Unfalls oder des nachfolgenden Heilungsprozesses ziehen lässt. Insofern ist nach seinen Ausführungen lediglich eine gröbere Schätzung möglich, wonach der Beginn der Krankheitsentwicklung auch im Jahre 1998 gelegen haben kann.

Das Auftreten des Krankheitsbildes schon im vergleichsweise jungen Alter des Klägers lässt den Schluss auf einen Beginn bereits mit dem Unfall ebenfalls nicht zu. Allein die hohe Unwahrscheinlichkeit einer Arthrosebildung aus unbekannter Ursache (idiopathische Hüftgelenksarthrose) zwingt nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu der Annahme, die Erkrankung habe im zeitlichen Umfeld des Unfalls und des damit verbundenen Heilungsprozesses bereits bestanden. Hinzu kommt, dass der Sachverständige auch die Entstehung von Hüftgelenksveränderungen nach der Nagelung eines Oberschenkelbruches ohne feststellbare Begleitverletzung am Hüftgelenk nur als bloße Möglichkeit von geringer Häufigkeit einschätzt. Ist das Auftreten einer solchen Krankheit bei einem jungen Patienten nämlich insgesamt schon selten, kann aus der Seltenheit idiopathischer Hüftgelenksveränderungen nicht überzeugend auf den Krankheitsbeginn geschlossen werden.

Nach den festzustellenden Gesamtumständen des Krankheitsverlaufes erscheint ein Zusammenhang zwischen dem Unfall und der Hüftgelenkserkrankung nicht hinreichend wahrscheinlich; es verbleiben daran ernste Zweifel. Für einen Zusammenhang in Form einer direkten Schädigung des linken Hüftgelenks fehlt es – wie dargelegt – am Vollbeweis von Erstbefunden eines Schadens am Hüftgelenk für eine unfallnahe Zeit. Die langsame Entwicklung einer Arthrose (und nachfolgenden Nekrose) als mittelbarer Unfallfolge ist ebenfalls nicht wahrscheinlich. Der Beratungsarzt der Beklagten Dr. F. hat insoweit zu Recht darauf hingewiesen, insoweit sei eine Fehlbelastung zu diskutieren. Eine solche Beeinflussung hält der Sachverständige Dr. Sch. schon grundsätzlich außerhalb von Amputationsfällen für unmöglich. Jedenfalls fehlt es für eine unfallbedingte Fehlbelastung nach der Abheilung des Bruches, die bis zum Jahr 1990 abgeschlossen war, an Befunden, die eine solche Fehlbelastung selbst zum Ausdruck bringen oder mögliche Grundlagen dafür darstellen. Ein verändertes Gangbild ist erst im Zusammenhang mit Befunden beschrieben, die bei schon bestehender Hüftkopfarthrose und -nekrose seit 2003 erhoben worden sind.

Eine weitere Beweiserhebung hat der Senat nicht für erforderlich gehalten, weil das Gutachten von Dr. Sch. trotz einer letztlich nicht überzeugenden Beurteilung die Klärung des Falles in vollem Umfang ermöglicht. Weitere Entstehungsmöglichkeiten als die von Dr. Sch. diskutierten sind zu keiner Zeit aufgebracht worden. Der Sachverständige selbst räumt ein, dass seine Wahrscheinlichkeitseinschätzung letztlich einen Bereich betrifft, der in Rechtsanwendung durch das Gericht zu klären ist. Die Kritik des Klägers daran ist unangebracht, weil der Fall sich in der Tat auf die Anwendung von rechtlich vorgegebenen Beweisregeln zuspitzt. Dabei hat das Gericht vor allem zu beachten, dass das Fehlen von Alternativursachen nicht ausreicht, um die Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs zu begründen (BSG, Urt. v. 9.5.06, a.a.O.). Es reicht nämlich gerade nicht aus, dass das Unfallgeschehen als zwanglose Erklärung der Krankheitsentwicklung "übrig" bleibt. Insofern kommt hier auch im Gegensatz zu der Auffassung Dr. Sch. dem Gesichtspunkt keine entscheidende Bedeutung zu, ob Auffälligkeiten in der Altanamnese ermöglichen, die Entstehung einer einseitigen Hüftgelenksarthrose unfallfremd zu erklären.

Die Kostenentscheidung des § 193 SGG war hier nach dem Unterliegen des Klägers zu treffen.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG liegen nicht vor. Die Beweisgrundsätze im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung sind in ständiger Rechtsprechung gesichert und keinen breiter geäußerten Zweifeln in der Literatur ausgesetzt.
Rechtskraft
Aus
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