S 12 KA 48/05

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 48/05
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 10/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 2/10 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die für Gerichtsverfahren strengen Maßstäbe der Rechtsprechung zur Glaubhaftmachung einer Verhandlungsunfähigkeit wegen Erkrankung (auch des Prozessbevollmächtigten) (vgl. BFH, Beschluss vom 4. August 2005, Az: I B 219/04, juris Rdnr. 6; BFH, Beschluss vom 10. März 2005, Az: IX B 171/03, juris Rdnr. 4, jeweils m. w. N.) gelten auch für Vertagungsgesuche gegenüber einem Beschwerdeausschuss. Ein eingereichtes Attest muss die Diagnose der Erkrankung enthalten, und aus ihm muss sich die Verhandlungsunfähigkeit eindeutig und nachvollziehbar ergeben. Insbesondere wenn der Antrag auf Terminsverlegung "in letzter Minute" gestellt wird, müssen die Beteiligten mit einer Prüfung ihres Antrags unter jedem in Frage kommenden Gesichtspunkt rechnen und von sich aus alles unternehmen, damit ihrem Vortrag ggf. auch in tatsächlicher Hinsicht gefolgt werden kann.
2. Im Regelfall begründet die – auch vermehrte - Abrechnung von Zahnersatz-Fällen keine Praxisbesonderheit bei der Abrechnung konservierend-chirurgischer Leistungen, da ZE-Fälle auch als Behandlungsfälle in die Statistik der konservierend-chirurgischen Behandlung eingehen und Begleitleistungen der ZE-Fälle nicht notwendig zu erhöhten durchschnittlichen Kosten führen.
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat dem Beklagten die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten und trägt die Gerichtskosten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um eine Honorarberichtigung wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise im Bereich des Gesamtfallwertes in den vier Quartalen I und II/00 und I/01 in Höhe von insgesamt 9.263,92 Euro (18.118,65 DM).

Der Kläger ist seit 1990 als Zahnarzt zur vertragszahnärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A. zugelassen.

In den streitbefangenen Quartalen und dem Quartal III/04 ergaben sich folgende Abrechnungswerte des Klägers (in nachfolgender Tabelle abgekürzt als VZA) im Vergleich mit den Abrechnungswerten der hessischen Vertragszahnärzte (VG):

Quartal Fallzahl Pkte. pro Fall Mehrkosten pro Fall in Pkte. In %
I/2000 VZA- 271 132 50 61
VG- 466 82
II/2000 VZA- 238 124 48 63
VG- 451 76
I/2001 VZA- 281 121 40 49
VG- 473 81
III/2001 VZA- 259 92 15 20
VG- 452 77

Nach einem Auswahlverfahren führte der Prüfungsausschuss V der Zahnärzte und Krankenkassen - Hessen - eine Wirtschaftlichkeitsprüfung der streitbefangenen Quartale durch. Der Prüfungsausschuss lud den Kläger zu einer Prüfsitzung, an der er teilnahm.

Mit Bescheid vom 05.06.2002 setzte der Prüfungsausschuss für die streitbefangenen Quartale eine Gesamthonorarberichtigung in Höhe von 18.125,10,63 EUR fest, die er mit Rücksicht auf die HVM-Einbehalte für das Jahr 2000 auf 18.118,65 DM (9.263,92 EUR) reduzierte. Er kürzte den Gesamtfallwert auf das 1,4-fache des Gesamtfallwerts der Vergleichsgruppe. Im Einzelnen nahm er folgende Honorarreduzierungen vor:

I/00 um 7.485,12 DM
II/I00 um 6.947,62 DM
I/01 um 3.692,36 DM

Im Ergebnis gestand der Prüfungsausschuss dem Kläger für alle streitbefangenen Quartale jeweils den 1,4-fachen Fallwert zu.

Hiergegen legte der Kläger am 19. November 2002 Widerspruch ein. Prüfanträge seien nunmehr formfehlerhaft. Seine geringen Fallzahlen müssten durch größere Toleranzen ausgeglichen werden. Die durchgesprochenen Einzelfälle, auf die er weiter einging, seien kein Indiz für eine unwirtschaftliche Behandlung. Hierzu nahm er im Einzelnen Stellung zu den Komplexen Vitalitätsproben, Medikamentöse Einlagen, CP/P, Unvollstädige Wurzelfüllung, Dreifache Wurzelfüllung, Trepanation, Aufbaufüllung, Exc1, bMF, Zahnsteinentfernung/Mundbehandlung, sK. Das Verhältnis bMF und Cp/P zu den Füllungen sei unproblematisch.

Der Beklagte lud den Kläger unter Datum vom 15.11.2004 zu einer weiteren Prüfsitzung für den 08.12.2004 unter Beifügung einer Patientenliste mit der Bitte, bei Nichtteilnahme die angeforderten Unterlagen bis zum 29.11.2004 zu übersenden. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers bestätigte mit Empfangsbekenntnis vom 17.11.2004 die Ladung und kreuzte das Feld, wonach er teilnehmen werde, an. Mit Telefax vom 23.11.2004 beantragte der Prozessbevollmächtigte die Verlegung, weil dem Kläger eine bereits langfristig geplante Verpflichtung die Teilnahme unmöglich mache. Unter Datum vom 24.11.2004 bat der Beklagte um Präzisierung des Verlegungsantrages. Am 07.12.2004 bat die prozessbevollmächtigte Rechtsanwältin Frau W. telefonisch um Übersendung der PAR- und ZE-Statistiken. Die Nachfrage nach der Terminswahrnehmung seitens der Sachbearbeiterin der Beklagten nach einem Aktenvermerk ergab, dass der Kläger gesundheitliche Probleme habe und sie nicht wisse, ob er am Termin erscheinen werde. Möglicherweise nehme sie den Termin auch alleine wahr oder es erscheine niemand. Mit Telefax vom 07.12.2004 beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers erneut die Verlegung, weil der Kläger aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sei, an der Sitzung teilzunehmen. Er wolle aber von seinem Recht auf persönliche Anhörung Gebrauch machen, weshalb auch die Bevollmächtigten nicht teilnähmen. Er reichte eine ärztliche Bescheinigung der Praxis Dipl. med. D. vom 06.12.2004 zur Verwaltungsakte. Darin wird Folgendes ausgeführt:

"wir berichten über o. g. Patienten, der sich in unserer Behandlung befindet. Der Patient ist aus medizinischen Gründen z. Zt. nicht in der Lage, sich psychischen Stresssituationen auszusetzen. Diese würden sich negativ auf den Verlauf seiner Krankheit, deren Diagnostik zur Zeit noch weitergeführt wird, auswirken. Der Patient ist außerstande, einer aufregenden psychischen Situation adäquat gegenüberzustehen."

Die Prüfsitzung fand am 08.12.2004 ohne Teilnahme des Klägers oder eines von ihm Bevollmächtigten statt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 08.12.2004, ausgefertigt am 26.04. und dem Kläger am 27.04.2005 zugestellt, wies der Beklagte den Verlegungsantrag ab und wies den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er aus, ein Termin könne nur aus erheblichen Gründen aufgehoben oder verlegt werden. Erhebliche Gründe lägen jedoch nur dann vor, wenn die Verhinderung der Terminswahrnehmung unverschuldet sei. Gründe einer schuldlosen Verhinderung der Terminswahrnehmung seien nicht ersichtlich. Dem Schreiben der Ärzte sei wenig Greifbares zu entnehmen. Wäre die darin genannte Erkrankung wirklich so schwerwiegend gewesen, dass sie tatsächlich einer Teilnahme an der Sitzung entgegengestanden hätte, wäre mit Sicherheit auch der erste Verlegungsantrag bereits hierauf gestützt worden. Hier sei die Verlegung jedoch mit einer langfristig geplanten Verpflichtung des Klägers begründet worden, nicht mit einer krankheitsbedingten Verhinderung. Bereits aus diesem Umstand bestünden erhebliche Zweifel an einer Verhandlungsunfähigkeit, nachdem bereits zuvor darauf hingewiesen worden sei, dass der erste Verlegungsantrag bislang zu unsubstantiiert gewesen sei. Spätestens danach wären entsprechende Angaben notwendig gewesen. Die Erkrankung müsse sich auch schlüssig aus dem vorgelegten Attest entnehmen lassen. Die Bescheinigung müsse so substantiiert sein, dass Entscheidungsträger auf ihrer Grundlage in der Lage seien, die Frage der behaupteten Verhandlungsunfähigkeit selbst zu beurteilen. Exemplarisch werde auf einen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.05.2001 Bezug genommen. Eine Rücksprache mit der Beigeladenen zu 1) habe ergeben, dass der Kläger auch seiner Behandlungstätigkeit nachgegangen sei. Der Widerspruch sei im Übrigen unbegründet. Bei den nicht notwendigen Anträgen handele es sich um eine Anregung zur Durchführung von Wirtschaftlichkeitsprüfverfahren. Er habe einen statistischen Kostenvergleich vorgenommen. Die Grenze zur unwirtschaftlichen Behandlungsweise sehe man im Bereich des Gesamtfallwertes bei einer Überschreitung von 40 %. Die Abrechnungswerte der Klägerin legten daher eine unwirtschaftliche Behandlungsweise nahe. Im Ergebnis hätten Praxisbesonderheiten sowie Unterschiede in der Praxisstruktur, die geeignet gewesen wären, den ausgewiesenen Mehraufwand in seinem gesamten Umfang zu rechtfertigen, nicht festgestellt werden können. Man habe ferner die Abrechnung mit Blickrichtung auf die gegenüber der Vergleichsgruppe geringere Fallzahl und das daraus sich möglicherweise ergebende erhöhte Zeitpotenzial für die Versorgung der Patienten beleuchtet. Generell könne das hiermit verbundene Argument einer schnellen Durchsanierung auch nur dann Bedeutung erlangen, sofern ein erhöhter Sanierungsbedarf zu verzeichnen sei. Ein dahingehend großes Ausmaß habe nicht festgestellt werden können. Aufgrund der flächendeckenden Zahnarztversorgung stelle X. kein zahnärztlich unterversorgtes Gebiet dar. Im Übrigen sei jede zahnärztliche Praxis darauf ausgerichtet, eine zügige Therapie durchzuführen. Eine exemplarische Überprüfung der Behandlungsfälle habe gezeigt, dass die die Vorgehensweise des Klägers sowohl unter dem Gesichtspunkt der Systematik als auch vom Umfang her nicht mit dem Gebot eines wirtschaftlichen Vorgehens als vereinbar angesehen werde. Der Beklagte hat dies im Einzelnen ausgeführt. Insoweit wird auf Bl. 7 bis 9 des Widerspruchbescheides Bezug genommen. Weiter führte der Beklagte aus, zwar habe der Kläger auf prothetischem Sektor und im Bereich der systematischen PAR-Behandlungen größtenteils weniger Fälle als die Vergleichsgruppe zur Abrechnung gebracht. Berücksichtige man jedoch, dass die Patientenzahl der Praxis gegenüber der Vergleichsgruppe kleiner sei und lege man darüber hinaus die in diesen Bereichen abgerechnete Punktzahl pro Fall zu Grunde, so zeige sich, dass im Ergebnis auch hier keine Einsparungen zu verzeichnen seien. Im Übrigen arbeite auch die Vergleichsgruppe zahnerhaltend. Nach Abwägung aller Gesichtspunkte habe er eine Kürzung auf den 1,4-fachen Vergleichswert für erforderlich gehalten. Es verbleibe daher bei der Honorarkürzung des Prüfungsausschusses. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Sozialgerichts Frankfurt habe man den sich daraus ergebenen Berichtigungsbetrag verringert, soweit für den Prüfzeitraum Einbehalte auf der Grundlage des Honorarverteilungsmaßstabs erfolgt seien. Dies habe den festgesetzten Betrag ergeben.

Hiergegen hat der Kläger am 23.05.2005 die Klage erhoben. Er trägt vor, dem Verlegungsantrag nicht stattgegeben zu haben, sei rechtsfehlerhaft. Er sei nicht in der Lage gewesen, den Termin wahrzunehmen. Bei Verlegung hätte er auch die Unterlagen vorlegen können. Die geringeren Fallzahlen hätten zwangsläufig Auswirkungen auf die Fallkosten. Die Begründung erschöpfe sich in der Wiederholung der Begründung des Prüfungsausschusses. Er habe bereits mit der Widerspruchsbegründung vorgetragen, dass in vom Prüfungsausschuss genannten Fällen konkrete Gründe für die Abrechnung der Nr. A1 vor der Nr. 01 bestanden habe. Auch bezüglich der Nr. 8 werde nicht auf seine Begründung eingegangen. Ebenso erschöpften sich die Ausführungen der Beklagten zur Nr. 13d in der allgemeinen Wiederholung von Abrechnungsbestimmungen und pauschalen Behauptungen. Das Verhältnis zwischen Überkappungen und Füllungen bewege sich bei durchschnittlich 1: 3,9 und weise damit grundsätzlich auf eine wirtschaftliche Behandlungsweise hin. Für die Einleitung einer Wurzelkanalbehandlung habe ihm eine Röntgenaufnahme vorgelegen. Die dringende Behandlungsbedürftigkeit sei dokumentiert. Er sei in der Vergangenheit wegen des Komplexes Wurzelbehandlungen viermal zu einer Wirtschaftlichkeitsprüfung geladen worden. Jedes Mal sei ihm eine korrekte Behandlungsweise konstatiert worden. Es gebe Ausnahmen zur Regel, nach der die Nr. 28 eine Wurzelfüllung in derselben Sitzung nach sich ziehen solle. Auch hinsichtlich der übrigen Beanstandungen setze sich der Beklagten nicht mit seiner Widerspruchsbegründung auseinander.

Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 08.12.2004 den Beklagten zu verpflichten, seinen Widerspruch unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Der Beklagte und die Beigeladenen zu 1) bis 8) beantragen übereinstimmend,
die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verweist auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid und trägt ergänzend vor, eine unverschuldete Verhinderung an der Terminswahrnehmung habe nicht vorgelegen. Auch das Bundessozialgericht gehe von einer statistischen Vergleichbarkeit aus, wenn in der geprüften Praxis eine Mindestquote von 20% der Fallzahlen der Vergleichsgruppe erreicht sei. Der Kläger habe zur Sitzung weder Dokumentationsunterlagen noch Röntgenaufnahmen vorgelegt. Der Beklagte habe daher lediglich zu jedem auf der Behandlungsfallliste genannten Fall die vorliegenden Abrechnungsscheine unter Zuhilfenahme der Statistiken auswerten können. Das Ergebnis der Auswertung habe er im Bescheid niedergelegt. Ein weiteres Eingehen auf das Vorbringen des Klägers sei dann nicht möglich gewesen. Auch in der Vergangenheit seien Hinweise und Absetzungen in Einzelfällen zu Bereichen ausgesprochen worden, die auch jetzt benannt worden seien. Insbesondere seien in den Vorbescheiden zum Wurzelbehandlungskomplex hinsichtlich der Abrechnung von Wurzelaufbereitungen im Notdienst, der Dokumentation und zur Häufigkeit der Abrechnung der Nr. 34 (Med) Hinweise erteilt worden. Im übrigen habe er keine Einzelfallprüfung vorgenommen. Er habe darauf hingewiesen, dass Praxisbesonderheiten oder Kompensation für Einsparungen nicht vorlägen.

Die Beigeladenen zu 2) und 3) schließen sich den Ausführungen des Beklagten an.

Mit Beschluss vom 25.05.2005 hat die Kammer die Beiladung ausgesprochen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin aus den Kreisen der Vertragszahnärzte und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragszahnarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Widerspruchsbescheid vom 08.12.2004 ist rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben. Der Kläger hat keinen Anspruch Neubescheidung seines Widerspruchs gegen den Bescheid des Prüfungsausschusses vom 05.06.2002. Die Klage war daher abzuweisen.

Im System der gesetzlichen Krankenversicherung nimmt der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Arzt - Vertragsarzt - die Stellung eines Leistungserbringers ein. Er versorgt die Mitglieder der Krankenkassen mit ärztlichen Behandlungsleistungen, unterfällt damit auch und gerade dem Gebot, sämtliche Leistungen im Rahmen des Wirtschaftlichen zu erbringen. Leistungen, die für die Erzielung des Heilerfolges nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, darf er nach dem hier anzuwendenden Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch, Gesetzliche Krankenversicherung (§ 12 Abs. 1 SGB V) nicht erbringen.

Rechtsgrundlage für Honorarkürzungen wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise ist § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes v. vom 22. Dezember 1999 (BGBl I 2626). Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten beurteilt. Nach den hierzu von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen ist die statistische Vergleichsprüfung die Regelprüfmethode. Die Abrechnungswerte des Arztes werden mit denjenigen seiner Fachgruppe – bzw. mit denen einer nach verfeinerten Kriterien gebildeten engeren Vergleichsgruppe - im selben Quartal verglichen. Ergänzt durch die sog. intellektuelle Betrachtung, bei der medizinisch-ärztliche Gesichtspunkte berücksichtigt werden, ist dies die Methode, die typischerweise die umfassendsten Erkenntnisse bringt. Ergibt die Prüfung, dass der Behandlungsaufwand des Arztes je Fall bei dem Gesamtfallwert, bei Sparten- oder bei Einzelleistungswerten in offensichtlichem Missverhältnis zum durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe steht, d. h., ihn in einem Ausmaß überschreitet, das sich im Regelfall nicht mehr durch Unterschiede in der Praxisstruktur oder in den Behandlungsnotwendigkeiten erklären lässt, hat das die Wirkung eines Anscheinsbeweises der Unwirtschaftlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 16. Juli 2003 - Az: B 6 KA 45/02 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 3 = Breith 2004, 13, zitiert nach juris, Rdnr. 17 m. w. N.).

Von welchem Grenzwert an ein offensichtliches Missverhältnis anzunehmen ist, entzieht sich einer allgemein verbindlichen Festlegung (vgl. BSG, Urteil vom 15.03.1995 - Az: 6 RKa 37/93, BSGE 76, 53 = SozR 3 2500 § 106. Nr. 26 = NZS 1996, 33 = NJW 1996, 2448 = USK 9573, juris Rdnr. 18). Nach der Rechtsprechung des BSG liegt zwischen dem Bereich der normalen Streuung, der Überschreitungen um bis zu ca. 20 % erfasst, und der Grenze zum sog. offensichtlichen Missverhältnis der Bereich der Übergangszone. Die Grenze zum sog. offensichtlichen Missverhältnis hat das BSG früher bei einer Überschreitung um ca. 50 % angenommen. Seit längerem hat es - unter bestimmten Voraussetzungen - niedrigere Werte um ca. 40 % ausreichen lassen. Die Prüfgremien haben einen Beurteilungsspielraum, die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis höher oder niedriger festzulegen. Vor diesem Hintergrund hat das BSG es nicht ausgeschlossen, dass Überschreitungen um 42, 38, 33 und 31 % möglicherweise dem Bereich des sog. offensichtlichen Missverhältnisses zugeordnet werden können (vgl. BSG, Urteil vom 06.09.2000 - Az: B 6 KA 24/99 R, SozR 3-2500 § 106 Nr. 50 = USK 2000-171, juris Rdnr. 24). Bei Arztgruppen mit engem Leistungsspektrum darf eine Grenzziehung bei Überschreitungen der Durchschnittswerte der Vergleichsgruppe um +40 % oder weniger vorgenommen werden (vgl. BSG, Urteil vom 16.07.2003 - Az: B 6 KA 45/02 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 3 = Breith 2004, 13, juris Rdnr. 26). Bei einer Arztgruppe mit einem engen Leistungsspektrum, das gegen größere Unterschiede bei den durchschnittlichen Fallkosten der einzelnen Praxen spricht, ist es unter Umständen zu vertreten, die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bereits bei einer Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts um 40 % festzusetzen (vgl. BSG, Urteil vom 02.06.1987 - Az: 6 RKa 23/86, aaO., juris Rdnr. 23).

Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass es sich bei den Zahnärzten um eine inhomogene Arztgruppe handeln könnte und deshalb Veranlassung bestünde, der Verwaltung eine Sachaufklärung in dieser Richtung aufzugeben. Berücksichtigt man, dass es auch in der Zahnheilkunde und den angrenzenden ärztlichen Bereichen besondere Fach(zahn)ärzte für Spezialgebiete gibt, die besondere Fachgruppen bilden (Fachzahnärzte für Kieferorthopädie, Gebietsärzte für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie), und ein großer Teil der zahnärztlichen Leistungen aus der (nachträglichen) Wirtschaftlichkeitsprüfung herausgenommen ist, so bleiben im Wesentlichen lediglich die in Teil 1 des Bema aufgeführten "konservierenden und chirurgischen Leistungen und Röntgenleistungen" als Prüfungsgegenstand übrig. Da ferner in der Zahnheilkunde generell die Erhaltung der Zähne vorrangiges Behandlungsziel ist, kann angenommen werden, dass die allgemeinen Zahnarztpraxen in etwa einen gleichen Behandlungsbedarf zu befriedigen haben (vgl. BSG, Urteil vom 02.06.1987 - Az: 6 RKa 23/86, SozR 2200 § 368n Nr. 48 = BSGE 62, 24 = SGb 1988, 549 = USK 87212, juris Rdnr. 20).

Ein statistischer Kostenvergleich kann dann nicht durchgeführt werden, wenn die Fallzahl des zu prüfenden Arztes so gering ist, als sie (Fall-)Zahlenbereiche unterschreitet, unterhalb derer ein statistischer Vergleich nicht mehr aussagekräftig ist. Die Prüfung nach Durchschnittswerten geht von der Grundannahme aus, dass es die Ärzte der Vergleichsgruppe unter Einbeziehung des geprüften Arztes im Durchschnitt mit dem gleichen Krankengut zu tun haben und deshalb im Durchschnitt aller Fälle in etwa die gleichen Behandlungskosten benötigen. Diese Annahme ist aber nur gerechtfertigt, wenn für den Vergleich einerseits eine hinreichend große Anzahl vergleichbarer Ärzte und andererseits bei dem zu prüfenden Arzt eine hinreichende Zahl von Behandlungsfällen zur Verfügung stehen Zwar ist es statistisch genauso wahrscheinlich wie unwahrscheinlich, dass der zu prüfende Arzt mit geringer Fallzahl dieselbe Patientenstruktur aufweist wie die Ärzte seiner Vergleichsgruppe, so dass die Relation von behandlungsintensiven und weniger aufwändigen Behandlungsfällen in kleinen Praxen nicht notwendig anders sein muss als bei großen. Eine in Relation zur Vergleichsgruppe besonders niedrige Fallzahl des zu prüfenden Arztes kann aber zur Folge haben, dass einzelne schwere, besonders aufwändige Behandlungsfälle den Fallwert des betroffenen Arztes überproportional in die Höhe treiben Deshalb ist zu verlangen, dass der mit einer sehr geringen Fallzahl einhergehenden Vergröberung des Aussagewerts der statistischen Vergleichsprüfung durch die Einführung einer Mindestquote der in die Prüfung einzubeziehenden Fälle zu begegnen ist. Dabei ist an ein objektives Kriterium, nämlich die durchschnittliche Fallzahl der Vergleichsgruppe anzuknüpfen. Die Beschränkung der Wirtschaftlichkeitsprüfung auf die Behandlungsfälle einer einzelnen Krankenkasse ist daher nur mit der Einschränkung zugelassen worden, dass diese mindestens 20 v. H. der Durchschnittsfallzahl der Fachgruppe ausmachen. Die Mindestquote von 20 % der Durchschnittsfallzahl der Vergleichsgruppe ist nicht nur bei der auf die Behandlungsfälle einer einzelnen Kasse beschränkten Prüfung zu beachten, sondern muss auch dann erreicht sein, wenn die Zahl der insgesamt vom zu prüfenden Arzt behandelten Patienten besonders niedrig ist. Soweit seit 1995 die Wirtschaftlichkeit der (nunmehr einheitlichen) vertragsärztlichen Versorgung für den (früheren) RVO-Kassen- und den Ersatzkassenbereich einheitlich geprüft wird, hat dies zur Folge, dass die in die Wirtschaftlichkeitsprüfung einzubeziehenden Behandlungsfälle nunmehr das gesamte Spektrum der vertragsärztlichen Tätigkeit des zu prüfenden Arztes abdecken und nicht mehr - wie zuvor - jeweils nur einen Teilbereich. Dies spricht dafür, die absoluten Fallzahlenuntergrenzen bei einer die gesamte vertragsärztliche Tätigkeit erfassenden Prüfung höher anzusetzen, als das bisher in besonderen Konstellationen für den einen oder anderen Kassenbereich für zulässig gehalten worden ist. Gegen eine starre Grenzziehung etwa bei 100 Fällen spricht, dass dann die Wirtschaftlichkeitsprüfung bei kleineren Arztpraxen aus solchen Arztgruppen, deren Durchschnittsfallzahlen unter 500 liegen, häufig nicht als statische Vergleichsprüfung durchgeführt werden könnte. Angesichts der ständig verbesserten statistischen Auswertung der Abrechnungen (z. B. Gewichtung des Rentneranteils, Beschränkung des Vergleichs auf Ärzte, die die fraglichen Leistungen abrechnen) ist es nicht gerechtfertigt, generell Ärzte mit Fallzahlen oberhalb der Grenze von 20 % des Durchschnitts von der Prüfung nach Durchschnittswerten auszunehmen, wenn ihre Fallzahl die absolute Grenze von 100 nicht erreicht (vgl. BSG, Urteil vom 09.09.1998 - Az: B 6 KA 50/97 R, SozR 3-2500 § 106 Nr. 45 = NZS 1999, 310 = Breith 1999, 664 = USK 98174, juris Rdnr. 15 bis 19).

Unter Beachtung dieser Grundsätze ist der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden.

Der Bescheid ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden.

Durch die Ladung zur mündlichen Verhandlung des Beklagten hat - unabhängig von der Teilnahme des Klägers an dieser - eine ausreichende Anhörung stattgefunden (§ 24 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch, Verwaltungsverfahren - SGB X). Der Beklagte hat in nicht zu beanstandender Weise den Vertagungsantrag abgelehnt.

Die Rechtsprechung hat für Gerichtsverfahren – strengere Maßstäbe sind in keinem Fall an das Verwaltungsverfahren des Beklagten anzulegen - zur Glaubhaftmachung einer Verhandlungsunfähigkeit wegen Erkrankung (auch des Prozessbevollmächtigten) auf Einreichung eines Attests abgestellt, das eine Diagnose der Erkrankung enthält und aus dem sich die Verhandlungsunfähigkeit eindeutig und nachvollziehbar ergibt. Eine pauschale "Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zur Vorlage beim Arbeitgeber" hat es nicht als ausreichend angesehen (vgl. BFH, Beschluss vom 4. August 2005, Az: I B 219/04, juris Rdnr. 6 m. w. N.). Insbesondere wenn der Antrag auf Terminsverlegung "in letzter Minute" gestellt wird, müssen die Beteiligten mit einer Prüfung ihres Antrags unter jedem in Frage kommenden Gesichtspunkt rechnen und von sich aus alles unternehmen, damit ihrem Vortrag ggf. auch in tatsächlicher Hinsicht gefolgt werden kann. Notwendig ist in derartigen eiligen Fällen daher entweder die Vorlage eines ärztlichen Attestes, aus dem sich eindeutig die Verhandlungsunfähigkeit des Beteiligten ergibt, oder zumindest eine so genaue Schilderung der Erkrankung samt Glaubhaftmachung, dass das Gericht selbst beurteilen kann, ob die Erkrankung so schwer ist, dass ein Erscheinen zum Termin nicht erwartet werden (vgl. BFH, Beschluss vom 10. März 2005, Az: IX B 171/03, juris Rdnr. 4 m. w. N.).

Im Ergebnis hat der Beklagte auf der Grundlage dieser Rechtsprechung den Verlegungsantrag gewürdigt und insbesondere auf die Widersprüchlichkeit, Verspätung und fehlende Präzisierung hingewiesen Zu berücksichtigen ist auch, dass der Kläger zunächst unter Hinweis auf einen anderen Termin versucht hat, eine Vertagung zu erreichen und auf die Bitte nach Präzisierung der Vertagungsgründe nicht reagiert hat, also offensichtlich eine Vertagung nicht mehr verfolgt hat. Erst später, als er kurzfristig nochmals bat, den Termin zu verlegen, hat er Krankheitsgründe geltend gemacht. Unter diesen Umständen eines kurzfristigen Vertagungsantrages kommt einem ärztlichen Attest, das wie hier recht allgemein gehalten ist und von konkreten Schilderungen der Auswirkungen auf die Verhandlungsfähigkeit absieht, ein geringer Beweiswert zu. Im Übrigen hat der Kläger selbst in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, an jenem Tag in seiner Praxis gearbeitet zu haben.

Der Beklagte hat auch sein Ergebnis ausreichend begründet. Im Hinblick auf das Vorliegen eines sog. offensichtlichen Missverhältnisses und eines statistischen Kostenvergleichs war er nicht gehalten, zu Ausführungen zu Einzelfällen Stellung zu nehmen. Der Kläger verkennt, dass hier ein statistischer Kostenvergleich vorgenommen wurde. Er brauchte auch nicht in jedem Fall Bezug nehmen auf die Widerspruchbegründung bei Darlegung des Ergebnisses seiner Belegfallprüfung. Von daher ist der Bescheid ausreichend begründet.

Der Beklagte hat auch die Absetzungsfrist für den Bescheid von fünf Monaten eingehalten.

Der angefochtene Bescheid ist auch in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden.

Der Beklagte hat den Kläger mit den Abrechnungswerten aller hessischen Vertragszahnärzte verglichen. Dies war nicht zu beanstanden, da der Kläger ebenfalls als Vertragszahnarzt zugelassen und als solcher tätig ist. Soweit der Beklage Honorarberichtigungen wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise vorgenommen hat, war nicht zu beanstanden, dass er vom Vorliegen eines sog. offensichtlichen Missverhältnisses bei einer Überschreitung des Gesamtfallwertes von 40 % ausging. Dies steht im Einklang mit der bereits zitierten Rechtsprechung des BSG. Zutreffend hat der Beklagte darauf hingewiesen, dass die Praxis des Klägers trotz geringerer Fallzahl mit der Vergleichsgruppe statistisch verglichen werden kann, da seine Praxis in allen streitbefangenen Quartalen für die Durchführung einer statistischen Vergleichsprüfung hinreichend groß war.

Geringere Fallzahlen ermöglichen auch nicht ein "Durchsanieren" im Sinne einer Praxisbesonderheit. Eine Praxisbesonderheit liegt nur vor, wenn ein Patientengut zu behandeln ist, das einen im Vergleich zu den übrigen hessischen Zahnärzten wesentlich erhöhten Behandlungsbedarf hätte, wobei weiter zu unterstellen ist, dass es einer Praxis mit geringer Fallzahl möglich ist, diese Patienten sogleich, meist in einem Quartal zu behandeln. Nach Auffassung der fachkundig besetzten Kammer führt ein sog. "Durchsanieren" grundsätzlich nicht zu erhöhten Abrechnungswerten, da maßgeblich für den Umfang der notwendigen Behandlung ausschließlich der Befund bei den Patienten ist. Ein erhöhter Fallwert kann daher nur notwendig werden, wenn insgesamt die Patientenstruktur einer Praxis Patienten aufweist, die einer wesentlich umfangreicheren Behandlung als die Patienten der Vergleichsgruppe bedürfen. Der Kammer war nicht nachvollziehbar, weshalb gerade in der Praxis des Klägers, die dieser bereits seit 1990 führt, ein erhöhter Anteil sog. "sanierungsbedürftiger" Patienten hätte vorhanden gewesen sein sollen. Dies hat der Kläger auch im Verfahren nicht näher dargelegt.

Nicht zu folgen vermochte die Kammer dem Vortrag des Kläger, die ZE-Fälle bedeuteten eine Praxisbesonderheit. Der hier strittige konservierend-chirurgische Behandlungsbereich ist nicht Teil des ZE-Behandlungskomplexes, sondern kommt allenfalls im Rahmen einer Vorbehandlung oder von Begleitleistungen zur Anwendung. Auch ist der Umfang der ZE-Leistungen der Praxis des Klägers gegenüber der Vergleichsgruppe nicht signifikant überdurchschnittlich. Die Kammer geht aber vor allem davon aus, dass zum einen fast alle ZE-Fälle auch als Behandlungsfälle in die Statistik der konservierend-chirurgischen Behandlung eingehen und zum anderen, dass Begleitleistungen nicht notwendig zu erhöhten durchschnittlichen Kosten führen. ZE-Leistungen können auch im Ergebnis zu geringeren Kosten im Bereich der konservierend-chirurgischen Behandlung führen, indem z. B. bei einer Überkronung eine mehrflächige Füllung erspart wird.

Nach allem war der angefochtene Widerspruchsbescheid nicht aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
Rechtskraft
Aus
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