Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
7
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 12 SB 156/11
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 7 SB 12/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob die Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens aG (außergewöhnliche Gehbehinderung) vorliegen.
Bei dem am ... 1953 geborenen Kläger stellte der Beklagte mit Bescheid vom 14. Dezember 1992 einen Grad der Behinderung (GdB) von 80 sowie das Merkzeichen G (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) wegen einer Hüftendoprothese links, eines Wirbelsäulenleidens, einer Beinverkürzung und eines Leberleidens mit Komplikationen fest. Mit Neufeststellungsantrag vom 29. Juni 2006 machte der Kläger eine Verschlimmerung seiner Behinderungen aufgrund einer beidseitigen Hüftendoprothese geltend. Außerdem teilte er eine Beinverkürzung von 4,5 cm mit Muskelverschmächtigung, ein Wirbelsäulenleiden und Diabetes mellitus mit. Der Facharzt für Orthopädie Dr. B. berichtete im Juli 2006 über einen guten Sitz der beidseiten Hüftendoprothesen, ein Lendenwirbelsäulensyndrom und eine somatoforme Störung. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin H. diagnostizierte einen insulinpflichtigen Diabetes mellitus und eine im Jahr 1995 festgestellte Leberzirrhose (der Kläger sei trockener Alkoholiker). Unter Hinweis auf die erhobenen Laborbefunde teilte sie mit, derzeit bestünden keine Leberbeschwerden mehr. Mit Bescheid vom 22. Februar 2002 lehnte der Beklagte die Neufeststellung ab.
Mit Antrag vom 28. April 2010 begehrte der Kläger das Merkzeichen aG, weil er Wegstrecken über 200m nur noch unter Schmerzen zurücklegen könne. Der Beklagte holte zunächst einen Befundschein der Ärztin H. ein, die eine orthopädische Schuhversorgung mitteilte und Bewegungseinschränkungen der Hüftgelenke, einen Hallux valgus sowie einen beidseitigen Plattfuß diagnostizierte. Außerdem holte der Beklagte einen Befundschein des Facharztes für Orthopädie/Chirotherapie Dipl.-Med. B. vom 7. Juni 2010 ein, der über zeitweise Hüftgelenksbeschwerden berichtete. Der Kläger trage orthopädische Straßenschuhe und nutze einen Gehstock. Der ärztliche Dienst des Beklagten bewertete daraufhin die Behinderungen des Klägers weiterhin mit einem GdB von 80 (Leberleiden mit Komplikationen GdB 70, Funktionsminderung der Hüftgelenke in Folge Endoprothesenimplantation beidseits und Beinverkürzung links GdB 40, Diabetes mellitus GdB 30, Fußfehlform beidseits GdB 30, Bewegungseinschränkung des linken Kniegelenkes GdB 10, Wirbelsäulenleiden GdB 10). Das Merkzeichen sei aus den Befunden nicht ableitbar. Dem folgend lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 20. Juli 2010 den Antrag des Klägers ab.
Dagegen legte der Kläger am 3. August 2010 Widerspruch ein. Außerdem stellte er am 1. Dezember 2010 aufgrund eines Prostatakarzinoms einen Neufeststellungsantrag und beantragte nochmals das Merkzeichen aG. Aufgrund der Epikrise des Klinikums M. vom 29. November 2010 stellte der Beklagte mit Bescheid vom 9. März 2011 beim Kläger ab 1. Dezember 2010 einen GdB von 90 fest und lehnte die Feststellung des Merkzeichens aG erneut ab. Außerdem teilte er mit, dass dieser Bescheid gemäß § 86 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des anhängigen Vorverfahrens werde. Mit Widerspruchsbescheid vom 20. April 2011 stellte der Beklagte beim Kläger ab 1. Dezember 2010 einen GdB von 100 fest und wies den weitergehenden Widerspruch hinsichtlich des Merkzeichens zurück.
Am 23. Mai 2011 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) H. Klage erhoben und auf seine Einschränkungen im Bereich der Füße, der Hüfte, der Kniegelenke und die damit verbundenen Kraftminderungen verwiesen. Auch leide er an den Folgen des Prostatakarzinoms und an Diabetes mellitus. Zudem sei aufgrund seines fortschreitenden Alters eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes eingetreten. Dadurch werde seine Bewegungsfähigkeit weiter eingeschränkt. Er sei dauerhaft auf seinen Gehstock angewiesen und könne nur Gehstrecken von 200m schmerzfrei zurücklegen. Der Beklagte hat dem entgegengehalten, Alterserscheinungen könnten bei der Anerkennung von Behinderungen und Merkzeichen nicht berücksichtigt werden.
Das SG hat zunächst weitere Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt. Die Ärztin H. hat am 17. Februar 2013 über eine eingeschränkte Gehfähigkeit mit einem schaukelnden Gangbild aufgrund der Fußdeformität und der Beinlängendifferenz berichtet. Auch die Schrittlänge und das Tempo seien verkürzt. Der Kläger sei weiterhin auf einen Gehstock und orthopädische Schuhe angewiesen. Seine Gehfähigkeit sei aufgrund der Behinderungen aber nicht in ungewöhnlichem Maße und auf das Schwerste eingeschränkt. Die Ärztin hat darüber hinaus die Frage verneint, ob sich der Kläger aufgrund der Schwere der Erkrankung nur unter ebenso großen Anstrengungen wie Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außer Stande sind, ein Kunstbein zu tragen, oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, fortbewegen könne. Ohne Pausen sei er nach ihrer Einschätzung in der Lage, mehr als 100m zurückzulegen. Er sei auch nicht nahezu unfähig, sich selbst oder ohne fremde Hilfe außerhalb eines Fahrzeugs fortzubewegen. Dipl.-Med. B. hat mit Befundbericht vom 19. Februar 2013 auf die letztmalige Behandlung im Februar 2010 hingewiesen und ausgeführt, der Kläger könne mit einem Gehstock rechts laufen. Auch dieser Arzt hat die Frage verneint, ob sich der Kläger aufgrund der Schwere der Erkrankung nur unter ebenso großen Anstrengungen wie Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außer Stande sind, ein Kunstbein zu tragen, oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, fortbewegen könne. Auch nach seiner Einschätzung sei der Kläger nicht nahezu unfähig, sich selbst ohne fremde Hilfe außerhalb eines Fahrzeugs fortzubewegen. Der Facharzt für Orthopädie/Chirotherapie Dipl.-Med. K. hat am 10. Juni 2013 mitgeteilt, da sich der Kläger letztmalig im September 2012 in seiner Sprechstunde vorgestellt und die weiteren Termine abgesagt habe, könne er die spezifischen Befundfragen nicht beantworten.
Schließlich hat das SG das fachorthopädische Sachverständigengutachten des Prof. Dr. R., Universitätsklinikum H./S., vom 12. August 2013 eingeholt. Danach sei der Kläger mit orthopädischen Schuhen und einem linksseitigen Verkürzungsausgleich von 4,5 cm versorgt. Mit zwei Unterarmstützen habe sich ein langsames Dreipunkt-Gangbild mit stelzenartiger Benutzung des linken Beins gezeigt. Der Kläger habe angegeben, unter Zuhilfenahme von zwei Unterarmstützen müsse er nach 50 bis 60m eine Pause machen. Das sei eine Kombination aus Schmerzen, Luft- und Atemnot. Heben und Tragen könne er nicht. Auch habe er Schwierigkeiten beim Ein- und Aussteigen aus dem PKW. Dies könne er nur bei vollständig geöffneter Fahrertür, weil er auf dem linken Bein nicht stehen könne. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass der Kläger am Begutachtungstag in seiner Begleitung größere Wegstrecken als 30m mit einer dann einzulegenden Pause zurückgelegt habe. Zwar sei die Gehfähigkeit durch die Beweglichkeits- und Belastungseinschränkungen am linken Hüftgelenk eingeschränkt (Streckung/Beugung 0/0/90 bzw. 0/20/70 Grad nach der Neutral-Null-Methode) und darüber hinaus durch die Beinverkürzung und die Muskelminderung beeinträchtigt. Der Kläger gehöre aber nach seiner Einschätzung nicht zu einer in der Versorgungsmedizin-Verordnung beispielhaft aufgeführten Gruppen von schwerbehinderten Menschen, denen regelbeispielhaft das Merkzeichen aG zu gewähren sei. Er sei auch diesem Personenkreis nicht gleichzustellen. Insbesondere lägen auch keine wesentlichen Funktionsminderungen der Wirbelsäule, des linken Kniegelenks und der Füße vor, die in der Gesamtschau das Merkzeichen aG rechtfertigen könnten.
Der Kläger hat ergänzend am 4. November 2013 auf die bei ihm diagnostizierte Lungenerkrankung (COPD - chronic obstructive pulmonary disease) hingewiesen. Diese Erkrankung habe erhebliche Auswirkungen auf seine Leistungsfähigkeit und schränke seine Gehfähigkeit erheblich ein.
Mit Urteil vom 11. Dezember 2013 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung auf die Feststellungen und Einschätzungen des Sachverständigen verwiesen. Diesen sei auch unter Berücksichtigung der geltend gemachten Lungenfunktionsstörung zu folgen. Der Kläger trage selbst vor, er könne eine Strecke von 200m zurücklegen. Dies spreche gegen eine außergewöhnliche Gehbehinderung. Auch die Befunde der Hausärztin H. ließen keinen Rückschluss auf eine relevante Lungenfunktionseinschränkung zu. Aufgrund der Diagnose COPD könne gegenwärtig noch nicht beurteilt werden, ob es sich um ein dauerhaftes Lungenleiden handele.
Gegen das ihm am 13. Januar 2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13. Februar 2014 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt und auf die Behandlung der Lungenerkrankung durch Dr. L. hingewiesen. Er habe lediglich ein Restgehvermögen und ihm sei unzumutbar, längere Wege zu Fuß zurückzulegen. Seine Gehfähigkeit betrage keine 100m. Er müsse nach 50 bis 60m eine Pause einlegen, da er wegen der Kombination von Schmerz-, Luft- und Atemnot nicht weiter gehen könne. Auch bei der Begutachtung habe er lediglich eine Strecke von ca. 30m alleine ohne Hilfe zurücklegen können.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 11. Dezember 2013 aufzuheben, die Bescheide des Beklagten vom 20. Juli 2010 und 9. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. April 2011 aufzuheben, soweit darin das Merkzeichen aG abgelehnt wurde, und den Beklagten zu verpflichten, bei ihm ab 28. April 2010 die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Nach seiner Ansicht werde seine bisherige Rechtsauffassung, wonach die Voraussetzungen für eine außergewöhnliche Gehbehinderung beim Kläger nicht vorliegen, auch durch die weitere Sachaufklärung bestätigt.
Der Senat hat einen Befundbericht des Pneumologen Dr. L. (Diakoniewerk H.) vom 22. Juli 2014 eingeholt, der über Behandlungen des Klägers zwischen dem 31. Juli 2013 und 16. Juli 2014 berichtet hat. Der Kläger habe ihm Atemnot, zunehmende Luftnot bei körperlicher Belastung, vor allem beim Treppensteigen und einer Gehstrecke von mehr als 50m, geschildert. Der Arzt hat eine COPD Schweregrad 0 bis 1 mit stabilen Lungenfunktionsbefunden und einer im Wesentlichen stabilen Gehstrecke diagnostiziert. Es bestehe insgesamt eine diskrete Einschränkung der Lungenfunktion. Der Kläger sei nicht auf einen Rollstuhl angewiesen, er benutze einen Gehstock. Er benötige eine Pause nach 80m und drei Pausen bei 250m. In Anlage hat Dr. L. die im D.-krankenhaus H. durchgeführten 6-Minuten-Gehtests seinem Befundbericht beigelegt. Am 15. August 2013 hat der Kläger danach eine Gehstrecke von 280m mit drei Pausen, am 9. Oktober 2013 von 280m mit einer Pause, am 5. März 2014 von 200m mit fünf Pausen und am 16. Juli 2014 von 240m mit drei Pausen und mit einem Gehstock rechts zurückgelegt. Dabei habe er Beschweren durch zunehmende Luftnot gezeigt. Dipl.-Med. K. hat mit Befundbericht vom 8. Dezember 2014 berichtet, der Kläger benutze zur Fortbewegung einen Gehstock. Mit einer Pause nach 50m könne er 200m mit einem kleinschrittigen, unsicheren Gangbild zurücklegen. Insgesamt sei es zu einer kontinuierlichen Verschlechterung der Gehfähigkeit mit zunehmenden Schmerzen gekommen. Der Arzt hat folgende Diagnosen gestellt: Coxalgien beidseits nach Hüft-TEP beidseits, Gonalgien beidseits bei Gonarthrose, chronisches lumbosacrales Schmerzsyndrom bei BWK 12 Fraktur, Bandscheibenschaden L5/S1, Facettenarthropathie und Fehlstatik, erhebliche Gangstörung bei Paraparese linkes Bein nach kindlicher Enzephalitis, Beinverkürzung links von 4,5 cm.
Mit prüfärztlicher Stellungnahme vom 23. September 2014 hat der Beklagte vorgetragen, aus den Befundberichten des Diakoniewerks gehe eine geringe Einschränkung der Lungenfunktion hervor, die mit einem GdB von 20 berücksichtigt werden könne. Bei den mehrfach durchgeführten Gehtests habe der Kläger Strecken von mehr als 200m mit Hilfe eines Handstocks bewältigt, so dass die Voraussetzungen für das Merkzeichen aG nicht vorlägen.
Am 8. April 2015 hat eine nichtöffentliche Sitzung des Senats stattgefunden. In dieser hat der Kläger ausgeführt, er könne nicht verstehen, wie die Ärzte über Wegstrecken von 200m berichten könnten. Er gehe zu Hause bis zum Müll, das seien ca. 50m. Dann müsse er erst einmal eine Pause einlegen, um dann wieder zurückzulaufen. Dafür brauche er dreimal so lange wie ein gesunder Mensch.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegte und gemäß § 143 SGG auch statthafte Berufung des Klägers ist unbegründet.
Die angefochtenen Bescheide und das Urteil des SG Halle sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG, denn er ist seit der Antragstellung am 28. April 2010 bis zum Tag der mündlichen Verhandlung nicht außergewöhnlich gehbehindert.
Anspruchsgrundlage für die begehrte Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG ist § 69 Abs. 4 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IX). Danach stellen die zuständigen Behörden die gesundheitlichen Merkmale fest, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen für schwerbehinderte Menschen sind. Zu diesen Merkmalen gehört auch die außergewöhnliche Gehbehinderung im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) oder entsprechender straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften, für die in den Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen aG einzutragen ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 SchwbAwV). Diese Feststellung zieht straßenverkehrsrechtlich die Gewährung von Parkerleichterungen im Sinne von § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO nach sich, wobei Ausgangspunkt für die Feststellung der außergewöhnlichen Gehbehinderung die in der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO) enthaltenen Regelungen sind. Nach Abschnitt II Nr. 1 VwV-StVO zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO sind als schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung solche Personen anzusehen, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können. Dazu zählen Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen, oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, sowie andere schwerbehinderte Menschen, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch aufgrund von Erkrankungen, dem vorstehenden Personenkreis gleichzustellen sind. Ein Betroffener ist gleichzustellen, wenn seine Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und er sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die in Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 erster Halbsatz VwV-StVO zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO aufgeführten schwerbehinderten Menschen oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann (vgl. BSG, Urteil vom 29. März 2007, B 9 a SB 5/05 R, juris). Entscheidend ist dabei nicht, über welche Gehstrecken ein schwerbehinderter Mensch sich außerhalb seines Kraftfahrzeuges zumutbar noch bewegen kann, sondern, unter welchen Bedingungen ihm dies nur noch möglich ist: nämlich nur noch mit fremder Hilfe oder mit großer Anstrengung. Wer diese Voraussetzungen - praktisch von den ersten Schritten außerhalb seines Kraftfahrzeuges an - erfüllt, qualifiziert sich für den entsprechenden Nachteilsausgleich auch dann, wenn er gezwungenermaßen auf diese Weise längere Wegstrecken zurücklegt (vgl. BSG, Urteil vom 10. Dezember 2002, B 9 SB 7/01 R, juris, sowie ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. nur Urteil vom 25. September 2012, L 7 SB 29/10, juris).
Ob bei der Prüfung des Vorliegens einer außergewöhnlichen Gehbehinderung ergänzend die im Wesentlichen inhaltsgleichen Bestimmungen in Teil D, Nr. 3 der Anlage zu § 2 der seit dem 1. Januar 2009 geltenden Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 in ihrer jeweils geltenden Fassung heranzuziehen sind, kann dahinstehen. Denn ungeachtet der Frage, ob die Regelungen der VersMedV zum Merkzeichen aG rechtswirksam erlassen worden sind (verneinend: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Juli 2010, L 8 SB 3119/08, juris), liegen die gesundheitlichen Voraussetzungen für den von dem Kläger begehrten Nachteilsausgleich unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Regelungen nicht vor.
Der Kläger gehört nicht zum ausdrücklich genannten Personenkreis der außergewöhnlich Gehbehinderten. Auch eine Gleichstellung des Klägers mit dem vorgenannten Personenkreis ist nicht möglich. Sein Gehvermögen ist nicht in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt bzw. er kann sich nicht nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die in der straßenverkehrsrechtlichen Verwaltungsvorschrift bzw. in der Anlage zu § 2 VersMedV genannten Personen oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen. Weder die orthopädischen noch die internistischen Leiden des Klägers rechtfertigen die Feststellung des Merkzeichens aG. Das ergibt sich aus den übereinstimmenden Einschätzungen des Sachverständigen Prof. Dr. R., der Hausärztin H., des Orthopäden Dipl.-Med. B. und der Prüfärzte des Beklagten. Diese haben auf Grundlage der objektiven medizinischen Befunde mit nachvollziehbarer Begründung die Voraussetzungen des Merkzeichens aG übereinstimmend verneint. Dem schließt sich der Senat an.
Die vorhandenen orthopädischen Behinderungen erschweren zwar die Gehfähigkeit des Klägers. So hat Prof. Dr. R. über ein langsames Dreipunkt-Gangbild mit stelzenartiger Benutzung des linken Beins berichtet. Doch rechtfertigen die verbundenen Beweglichkeits- und Belastungseinschränkungen der Hüftgelenke unter Berücksichtigung der Beinverkürzung und der Muskelminderung nicht die Feststellung einer außergewöhnlich schweren Gehbehinderung im Sinne des Merkzeichens aG. Weitere sich auf die Gehfähigkeit auswirkende orthopädische Funktionseinschränkungen liegen nach dem Gutachten des Prof. Dr. R. vom 12. August 2013 nicht vor. Insbesondere konnte er keine GdB-relevante Funktionsminderungen der Wirbelsäule, des linken Kniegelenks und der Füße feststellen. Auch die von Dipl.-Med. K. am 8. Dezember 2014 angegebenen Diagnosen zeigen keine maßgebliche Veränderung des Gesundheitszustandes seit der Begutachtung durch Prof. Dr. R. Gegen eine wesentliche Veränderung der orthopädischen Beeinträchtigungen spricht schließlich die unregelmäßige Wahrnehmung von fachärztlichen Behandlungsterminen.
Auch die Lungenfunktionseinschränkung des Klägers aufgrund der Erkrankung an COPD, die dieser im Berufungsverfahren in den Mittelpunkt seiner gesundheitlichen Beschwerden gerückt hat, führt nicht zur Feststellung des Merkzeichens aG. Denn dies würde eine Lungenfunktionseinschränkung schweren Grades (d.h. Einzel-GdB von 80 bis 100) voraussetzen (vgl. Versorgungsmedizinische Grundsätze, Teil D, Nr. 3c). Davon ist nach Teil B, Nr. 8.3 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze erst auszugehen, wenn Atemnot bereits bei leichtester Belastung oder in Ruhe (statische und dynamische Messwerte der Lungenfunktionsprüfung um mehr als zwei Drittel niedriger als die Sollwerte, respiratorische Globalinsuffizienz) eintritt. Nach dem Befundbericht des Dr. L. vom 22. Juli 2014 leidet der Kläger an einer COPD Schweregrad 0 bis 1 mit stabilen Lungenfunktionsbefunden. Die damit verbundene Lungenfunktionseinschränkung ist nach seiner Befunderhebung aber diskret, sodass weder allein aufgrund der Lungenfunktionseinschränkung noch in Kombination mit den orthopädischen Erkrankungen auf eine außergewöhnliche Gehbehinderung geschlossen werden kann.
Auch unter Berücksichtigung der weiteren Erkrankungen des Klägers (Leberleiden, Diabetes mellitus, Prostataerkrankung) kann nicht das Merkzeichen aG festgestellt werden. Ein Zusammenhang zwischen diesen Erkrankungen und der eingeschränkten Gehfähigkeit des Klägers ist nicht erkennbar und wird in keiner der zahlreichen medizinischen Unterlagen auch nur ansatzweise in Erwägung gezogen.
Da keine bei dem Kläger bestehende Erkrankung den objektiven Rückschluss auf eine außergewöhnliche Gehbehinderung zulässt, kann auch dahingestellt bleiben, ob die vom Kläger angegebene Wegstrecke (nur 50m) die Feststellung des Merkzeichens aG rechtfertigt. Letztlich spricht auch gegen eine auf das Schwerste eingeschränkte Gehfähigkeit, dass der Kläger lediglich bei der Untersuchung durch Prof. Dr. R. Unterarmstützen benutzt hat, sonst aber nur einen Gehstock einsetzt. Dieser Umstand steht auch einer maßgeblichen Verschlechterung seines Gesundheitszustande seit der gutachtlichen Untersuchung entgegen, da er insbesondere bei den gesamten späteren Gehtests im D.-krankenhaus lediglich einen Gehstock benutzt hat. Schließlich ist der Kläger selbst nach seinem Vortrag nicht vom ersten Schritt an außergewöhnlich gehbehindert, sondern muss erst nach 50 bis 60m wegen der Kombination von Schmerz-, Luft- und Atemnot eine Pause einlegen. Dem entsprachen im Wesentlichen auch die Beobachtungen von Prof. Dr. R. am Begutachtungstag, die Gehtests im D.-krankenhaus H. und die Angaben der behandelnden Ärzte des Klägers.
Dem Senat ist durchaus bewusst, dass der Kläger behinderungsbedingte Schwierigkeiten beim Ein- und Aussteigen aus dem PKW hat und ein großer Öffnungswinkel der Fahrertür erforderlich ist, wodurch das Ein- und Aussteigen in engen Parklücken zusätzlich erschwert oder sogar unmöglich ist. Auch durch diese erschwerenden Umstände ist aber noch nicht die Zuerkennung des Merkzeichens aG gerechtfertigt. Das BSG hat in einem vergleichbaren Fall – in dem ein Kläger nur ein- und aussteigen konnte, wenn die Wagentür vollständig geöffnet war – (Urteil vom 3. Februar 1988, 9/9a RVs 19/86 = SozR 3870 § 3 Nr. 28) entschieden, dass das Merkzeichen aG allein aus diesem Grund nicht zuerkannt werden kann. Der Gesetzgeber hat durch die Formulierung in § 3 Abs. 1 Nr. 1 der SchwbAwV insoweit straßenverkehrsrechtliche Vorschriften für maßgeblich erklärt. Zum Ausgleich von Nachteilen beim Ein- und Aussteigen hat der Bundesminister für Verkehr die Ausnahmegenehmigung nicht geschaffen. Sie ist vielmehr dazu gedacht, den Schwerbehinderten mit dem PKW möglichst nahe an sein jeweiliges Ziel fahren zu lassen. Der Nachteilsausgleich soll allein die neben der Personenkraftwagenbenutzung unausweichlich anfallende tatsächliche Wegstrecke soweit wie möglich verkürzen. Dies bedeutet zugleich, dass der Personenkreis eng zu fassen ist. Denn mit der Ausweitung des Personenkreises steigt die Anzahl der Benutzer. Diesem Umstand kann mit einer Vermehrung entsprechender Parkplätze nur begrenzt begegnet werden, denn mit jeder Vermehrung der Parkflächen wird dem gesamten Personenkreis eine durchschnittlich längere Wegstrecke zugemutet, weil ortsnaher Parkraum nicht beliebig geschaffen werden kann. Dieser besondere Bedarf des Klägers an einer weit geöffneten Fahrer- oder Beifahrertür wird jedoch in erster Linie durch die besondere Beschaffenheit des Parkraums und nicht durch die eingeschränkte Gehfähigkeit verursacht (vgl. dazu LSG B., Urteil vom 20. April 2004 L 13 SB 30/03, juris). Bloße Schwierigkeiten beim Verlassen des Kraftfahrzeuges bleiben für die Feststellung des Merkzeichens aG ohne Bedeutung (BSG, Urteil vom 5. Juli 2007, B 9/9a SB 5/06 R Rdnr. 21, juris). Diese sind im Übrigen auch von der Art und Ausstattung des Fahrzeuges abhängig (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 29. Februar 2012, L 16 SB 151/11, juris). Der Senat hält diese Rechtsprechung für zutreffend und schließt sich ihr in ständiger Rechtsprechung an (vgl. nur Urteil vom 25. September 2012, L 7 SB 29/10, juris).
Darüber hinaus hätte der Kläger die Möglichkeit, durch Benutzung eines Fahrzeugs mit Schiebetür auf der Fahrerseite die Schwierigkeiten beim Ein- und Aussteigen zu umgehen. Fahrzeuge mit Schiebetür auf der Fahrerseite sind zwar ab Werk kaum verfügbar (vgl. bis 2009 z.B. Peugeot 1007), jedoch ist ein Umbau sonstiger Wagen durch Spezialfirmen möglich und kann unter bestimmten Voraussetzungen auch von der Sozialversicherung oder der Sozialhilfe finanziert werden. Im Gegensatz zu Schwerstgehbehinderten könnte der Kläger durch die Wahl eines Fahrzeugs mit Schiebetüren bzw. einen entsprechenden Umbau viele Probleme beim Aus- und Einsteigen vollständig lösen (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 29. Februar 2012, L 16 SB 151/11, juris).
Insgesamt sind die vorliegenden Gehbehinderungen des Klägers in ihren Auswirkungen nicht mit denen vergleichbar, für die nach Abschnitt II Nr. 1 VwV-StVO zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO eine außergewöhnliche Gehbehinderung anzunehmen ist, sodass die Berufung zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 SGG nicht gegeben sind.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob die Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens aG (außergewöhnliche Gehbehinderung) vorliegen.
Bei dem am ... 1953 geborenen Kläger stellte der Beklagte mit Bescheid vom 14. Dezember 1992 einen Grad der Behinderung (GdB) von 80 sowie das Merkzeichen G (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) wegen einer Hüftendoprothese links, eines Wirbelsäulenleidens, einer Beinverkürzung und eines Leberleidens mit Komplikationen fest. Mit Neufeststellungsantrag vom 29. Juni 2006 machte der Kläger eine Verschlimmerung seiner Behinderungen aufgrund einer beidseitigen Hüftendoprothese geltend. Außerdem teilte er eine Beinverkürzung von 4,5 cm mit Muskelverschmächtigung, ein Wirbelsäulenleiden und Diabetes mellitus mit. Der Facharzt für Orthopädie Dr. B. berichtete im Juli 2006 über einen guten Sitz der beidseiten Hüftendoprothesen, ein Lendenwirbelsäulensyndrom und eine somatoforme Störung. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin H. diagnostizierte einen insulinpflichtigen Diabetes mellitus und eine im Jahr 1995 festgestellte Leberzirrhose (der Kläger sei trockener Alkoholiker). Unter Hinweis auf die erhobenen Laborbefunde teilte sie mit, derzeit bestünden keine Leberbeschwerden mehr. Mit Bescheid vom 22. Februar 2002 lehnte der Beklagte die Neufeststellung ab.
Mit Antrag vom 28. April 2010 begehrte der Kläger das Merkzeichen aG, weil er Wegstrecken über 200m nur noch unter Schmerzen zurücklegen könne. Der Beklagte holte zunächst einen Befundschein der Ärztin H. ein, die eine orthopädische Schuhversorgung mitteilte und Bewegungseinschränkungen der Hüftgelenke, einen Hallux valgus sowie einen beidseitigen Plattfuß diagnostizierte. Außerdem holte der Beklagte einen Befundschein des Facharztes für Orthopädie/Chirotherapie Dipl.-Med. B. vom 7. Juni 2010 ein, der über zeitweise Hüftgelenksbeschwerden berichtete. Der Kläger trage orthopädische Straßenschuhe und nutze einen Gehstock. Der ärztliche Dienst des Beklagten bewertete daraufhin die Behinderungen des Klägers weiterhin mit einem GdB von 80 (Leberleiden mit Komplikationen GdB 70, Funktionsminderung der Hüftgelenke in Folge Endoprothesenimplantation beidseits und Beinverkürzung links GdB 40, Diabetes mellitus GdB 30, Fußfehlform beidseits GdB 30, Bewegungseinschränkung des linken Kniegelenkes GdB 10, Wirbelsäulenleiden GdB 10). Das Merkzeichen sei aus den Befunden nicht ableitbar. Dem folgend lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 20. Juli 2010 den Antrag des Klägers ab.
Dagegen legte der Kläger am 3. August 2010 Widerspruch ein. Außerdem stellte er am 1. Dezember 2010 aufgrund eines Prostatakarzinoms einen Neufeststellungsantrag und beantragte nochmals das Merkzeichen aG. Aufgrund der Epikrise des Klinikums M. vom 29. November 2010 stellte der Beklagte mit Bescheid vom 9. März 2011 beim Kläger ab 1. Dezember 2010 einen GdB von 90 fest und lehnte die Feststellung des Merkzeichens aG erneut ab. Außerdem teilte er mit, dass dieser Bescheid gemäß § 86 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des anhängigen Vorverfahrens werde. Mit Widerspruchsbescheid vom 20. April 2011 stellte der Beklagte beim Kläger ab 1. Dezember 2010 einen GdB von 100 fest und wies den weitergehenden Widerspruch hinsichtlich des Merkzeichens zurück.
Am 23. Mai 2011 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) H. Klage erhoben und auf seine Einschränkungen im Bereich der Füße, der Hüfte, der Kniegelenke und die damit verbundenen Kraftminderungen verwiesen. Auch leide er an den Folgen des Prostatakarzinoms und an Diabetes mellitus. Zudem sei aufgrund seines fortschreitenden Alters eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes eingetreten. Dadurch werde seine Bewegungsfähigkeit weiter eingeschränkt. Er sei dauerhaft auf seinen Gehstock angewiesen und könne nur Gehstrecken von 200m schmerzfrei zurücklegen. Der Beklagte hat dem entgegengehalten, Alterserscheinungen könnten bei der Anerkennung von Behinderungen und Merkzeichen nicht berücksichtigt werden.
Das SG hat zunächst weitere Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt. Die Ärztin H. hat am 17. Februar 2013 über eine eingeschränkte Gehfähigkeit mit einem schaukelnden Gangbild aufgrund der Fußdeformität und der Beinlängendifferenz berichtet. Auch die Schrittlänge und das Tempo seien verkürzt. Der Kläger sei weiterhin auf einen Gehstock und orthopädische Schuhe angewiesen. Seine Gehfähigkeit sei aufgrund der Behinderungen aber nicht in ungewöhnlichem Maße und auf das Schwerste eingeschränkt. Die Ärztin hat darüber hinaus die Frage verneint, ob sich der Kläger aufgrund der Schwere der Erkrankung nur unter ebenso großen Anstrengungen wie Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außer Stande sind, ein Kunstbein zu tragen, oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, fortbewegen könne. Ohne Pausen sei er nach ihrer Einschätzung in der Lage, mehr als 100m zurückzulegen. Er sei auch nicht nahezu unfähig, sich selbst oder ohne fremde Hilfe außerhalb eines Fahrzeugs fortzubewegen. Dipl.-Med. B. hat mit Befundbericht vom 19. Februar 2013 auf die letztmalige Behandlung im Februar 2010 hingewiesen und ausgeführt, der Kläger könne mit einem Gehstock rechts laufen. Auch dieser Arzt hat die Frage verneint, ob sich der Kläger aufgrund der Schwere der Erkrankung nur unter ebenso großen Anstrengungen wie Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außer Stande sind, ein Kunstbein zu tragen, oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, fortbewegen könne. Auch nach seiner Einschätzung sei der Kläger nicht nahezu unfähig, sich selbst ohne fremde Hilfe außerhalb eines Fahrzeugs fortzubewegen. Der Facharzt für Orthopädie/Chirotherapie Dipl.-Med. K. hat am 10. Juni 2013 mitgeteilt, da sich der Kläger letztmalig im September 2012 in seiner Sprechstunde vorgestellt und die weiteren Termine abgesagt habe, könne er die spezifischen Befundfragen nicht beantworten.
Schließlich hat das SG das fachorthopädische Sachverständigengutachten des Prof. Dr. R., Universitätsklinikum H./S., vom 12. August 2013 eingeholt. Danach sei der Kläger mit orthopädischen Schuhen und einem linksseitigen Verkürzungsausgleich von 4,5 cm versorgt. Mit zwei Unterarmstützen habe sich ein langsames Dreipunkt-Gangbild mit stelzenartiger Benutzung des linken Beins gezeigt. Der Kläger habe angegeben, unter Zuhilfenahme von zwei Unterarmstützen müsse er nach 50 bis 60m eine Pause machen. Das sei eine Kombination aus Schmerzen, Luft- und Atemnot. Heben und Tragen könne er nicht. Auch habe er Schwierigkeiten beim Ein- und Aussteigen aus dem PKW. Dies könne er nur bei vollständig geöffneter Fahrertür, weil er auf dem linken Bein nicht stehen könne. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass der Kläger am Begutachtungstag in seiner Begleitung größere Wegstrecken als 30m mit einer dann einzulegenden Pause zurückgelegt habe. Zwar sei die Gehfähigkeit durch die Beweglichkeits- und Belastungseinschränkungen am linken Hüftgelenk eingeschränkt (Streckung/Beugung 0/0/90 bzw. 0/20/70 Grad nach der Neutral-Null-Methode) und darüber hinaus durch die Beinverkürzung und die Muskelminderung beeinträchtigt. Der Kläger gehöre aber nach seiner Einschätzung nicht zu einer in der Versorgungsmedizin-Verordnung beispielhaft aufgeführten Gruppen von schwerbehinderten Menschen, denen regelbeispielhaft das Merkzeichen aG zu gewähren sei. Er sei auch diesem Personenkreis nicht gleichzustellen. Insbesondere lägen auch keine wesentlichen Funktionsminderungen der Wirbelsäule, des linken Kniegelenks und der Füße vor, die in der Gesamtschau das Merkzeichen aG rechtfertigen könnten.
Der Kläger hat ergänzend am 4. November 2013 auf die bei ihm diagnostizierte Lungenerkrankung (COPD - chronic obstructive pulmonary disease) hingewiesen. Diese Erkrankung habe erhebliche Auswirkungen auf seine Leistungsfähigkeit und schränke seine Gehfähigkeit erheblich ein.
Mit Urteil vom 11. Dezember 2013 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung auf die Feststellungen und Einschätzungen des Sachverständigen verwiesen. Diesen sei auch unter Berücksichtigung der geltend gemachten Lungenfunktionsstörung zu folgen. Der Kläger trage selbst vor, er könne eine Strecke von 200m zurücklegen. Dies spreche gegen eine außergewöhnliche Gehbehinderung. Auch die Befunde der Hausärztin H. ließen keinen Rückschluss auf eine relevante Lungenfunktionseinschränkung zu. Aufgrund der Diagnose COPD könne gegenwärtig noch nicht beurteilt werden, ob es sich um ein dauerhaftes Lungenleiden handele.
Gegen das ihm am 13. Januar 2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13. Februar 2014 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt und auf die Behandlung der Lungenerkrankung durch Dr. L. hingewiesen. Er habe lediglich ein Restgehvermögen und ihm sei unzumutbar, längere Wege zu Fuß zurückzulegen. Seine Gehfähigkeit betrage keine 100m. Er müsse nach 50 bis 60m eine Pause einlegen, da er wegen der Kombination von Schmerz-, Luft- und Atemnot nicht weiter gehen könne. Auch bei der Begutachtung habe er lediglich eine Strecke von ca. 30m alleine ohne Hilfe zurücklegen können.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 11. Dezember 2013 aufzuheben, die Bescheide des Beklagten vom 20. Juli 2010 und 9. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. April 2011 aufzuheben, soweit darin das Merkzeichen aG abgelehnt wurde, und den Beklagten zu verpflichten, bei ihm ab 28. April 2010 die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Nach seiner Ansicht werde seine bisherige Rechtsauffassung, wonach die Voraussetzungen für eine außergewöhnliche Gehbehinderung beim Kläger nicht vorliegen, auch durch die weitere Sachaufklärung bestätigt.
Der Senat hat einen Befundbericht des Pneumologen Dr. L. (Diakoniewerk H.) vom 22. Juli 2014 eingeholt, der über Behandlungen des Klägers zwischen dem 31. Juli 2013 und 16. Juli 2014 berichtet hat. Der Kläger habe ihm Atemnot, zunehmende Luftnot bei körperlicher Belastung, vor allem beim Treppensteigen und einer Gehstrecke von mehr als 50m, geschildert. Der Arzt hat eine COPD Schweregrad 0 bis 1 mit stabilen Lungenfunktionsbefunden und einer im Wesentlichen stabilen Gehstrecke diagnostiziert. Es bestehe insgesamt eine diskrete Einschränkung der Lungenfunktion. Der Kläger sei nicht auf einen Rollstuhl angewiesen, er benutze einen Gehstock. Er benötige eine Pause nach 80m und drei Pausen bei 250m. In Anlage hat Dr. L. die im D.-krankenhaus H. durchgeführten 6-Minuten-Gehtests seinem Befundbericht beigelegt. Am 15. August 2013 hat der Kläger danach eine Gehstrecke von 280m mit drei Pausen, am 9. Oktober 2013 von 280m mit einer Pause, am 5. März 2014 von 200m mit fünf Pausen und am 16. Juli 2014 von 240m mit drei Pausen und mit einem Gehstock rechts zurückgelegt. Dabei habe er Beschweren durch zunehmende Luftnot gezeigt. Dipl.-Med. K. hat mit Befundbericht vom 8. Dezember 2014 berichtet, der Kläger benutze zur Fortbewegung einen Gehstock. Mit einer Pause nach 50m könne er 200m mit einem kleinschrittigen, unsicheren Gangbild zurücklegen. Insgesamt sei es zu einer kontinuierlichen Verschlechterung der Gehfähigkeit mit zunehmenden Schmerzen gekommen. Der Arzt hat folgende Diagnosen gestellt: Coxalgien beidseits nach Hüft-TEP beidseits, Gonalgien beidseits bei Gonarthrose, chronisches lumbosacrales Schmerzsyndrom bei BWK 12 Fraktur, Bandscheibenschaden L5/S1, Facettenarthropathie und Fehlstatik, erhebliche Gangstörung bei Paraparese linkes Bein nach kindlicher Enzephalitis, Beinverkürzung links von 4,5 cm.
Mit prüfärztlicher Stellungnahme vom 23. September 2014 hat der Beklagte vorgetragen, aus den Befundberichten des Diakoniewerks gehe eine geringe Einschränkung der Lungenfunktion hervor, die mit einem GdB von 20 berücksichtigt werden könne. Bei den mehrfach durchgeführten Gehtests habe der Kläger Strecken von mehr als 200m mit Hilfe eines Handstocks bewältigt, so dass die Voraussetzungen für das Merkzeichen aG nicht vorlägen.
Am 8. April 2015 hat eine nichtöffentliche Sitzung des Senats stattgefunden. In dieser hat der Kläger ausgeführt, er könne nicht verstehen, wie die Ärzte über Wegstrecken von 200m berichten könnten. Er gehe zu Hause bis zum Müll, das seien ca. 50m. Dann müsse er erst einmal eine Pause einlegen, um dann wieder zurückzulaufen. Dafür brauche er dreimal so lange wie ein gesunder Mensch.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegte und gemäß § 143 SGG auch statthafte Berufung des Klägers ist unbegründet.
Die angefochtenen Bescheide und das Urteil des SG Halle sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG, denn er ist seit der Antragstellung am 28. April 2010 bis zum Tag der mündlichen Verhandlung nicht außergewöhnlich gehbehindert.
Anspruchsgrundlage für die begehrte Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG ist § 69 Abs. 4 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IX). Danach stellen die zuständigen Behörden die gesundheitlichen Merkmale fest, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen für schwerbehinderte Menschen sind. Zu diesen Merkmalen gehört auch die außergewöhnliche Gehbehinderung im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 14 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) oder entsprechender straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften, für die in den Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen aG einzutragen ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 SchwbAwV). Diese Feststellung zieht straßenverkehrsrechtlich die Gewährung von Parkerleichterungen im Sinne von § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO nach sich, wobei Ausgangspunkt für die Feststellung der außergewöhnlichen Gehbehinderung die in der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO) enthaltenen Regelungen sind. Nach Abschnitt II Nr. 1 VwV-StVO zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO sind als schwerbehinderte Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung solche Personen anzusehen, die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeuges bewegen können. Dazu zählen Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außerstande sind, ein Kunstbein zu tragen, oder nur eine Beckenkorbprothese tragen können oder zugleich unterschenkel- oder armamputiert sind, sowie andere schwerbehinderte Menschen, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch aufgrund von Erkrankungen, dem vorstehenden Personenkreis gleichzustellen sind. Ein Betroffener ist gleichzustellen, wenn seine Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und er sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die in Abschnitt II Nr. 1 Satz 2 erster Halbsatz VwV-StVO zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO aufgeführten schwerbehinderten Menschen oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen kann (vgl. BSG, Urteil vom 29. März 2007, B 9 a SB 5/05 R, juris). Entscheidend ist dabei nicht, über welche Gehstrecken ein schwerbehinderter Mensch sich außerhalb seines Kraftfahrzeuges zumutbar noch bewegen kann, sondern, unter welchen Bedingungen ihm dies nur noch möglich ist: nämlich nur noch mit fremder Hilfe oder mit großer Anstrengung. Wer diese Voraussetzungen - praktisch von den ersten Schritten außerhalb seines Kraftfahrzeuges an - erfüllt, qualifiziert sich für den entsprechenden Nachteilsausgleich auch dann, wenn er gezwungenermaßen auf diese Weise längere Wegstrecken zurücklegt (vgl. BSG, Urteil vom 10. Dezember 2002, B 9 SB 7/01 R, juris, sowie ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. nur Urteil vom 25. September 2012, L 7 SB 29/10, juris).
Ob bei der Prüfung des Vorliegens einer außergewöhnlichen Gehbehinderung ergänzend die im Wesentlichen inhaltsgleichen Bestimmungen in Teil D, Nr. 3 der Anlage zu § 2 der seit dem 1. Januar 2009 geltenden Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 in ihrer jeweils geltenden Fassung heranzuziehen sind, kann dahinstehen. Denn ungeachtet der Frage, ob die Regelungen der VersMedV zum Merkzeichen aG rechtswirksam erlassen worden sind (verneinend: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Juli 2010, L 8 SB 3119/08, juris), liegen die gesundheitlichen Voraussetzungen für den von dem Kläger begehrten Nachteilsausgleich unter Berücksichtigung aller in Betracht kommender Regelungen nicht vor.
Der Kläger gehört nicht zum ausdrücklich genannten Personenkreis der außergewöhnlich Gehbehinderten. Auch eine Gleichstellung des Klägers mit dem vorgenannten Personenkreis ist nicht möglich. Sein Gehvermögen ist nicht in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt bzw. er kann sich nicht nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die in der straßenverkehrsrechtlichen Verwaltungsvorschrift bzw. in der Anlage zu § 2 VersMedV genannten Personen oder nur noch mit fremder Hilfe fortbewegen. Weder die orthopädischen noch die internistischen Leiden des Klägers rechtfertigen die Feststellung des Merkzeichens aG. Das ergibt sich aus den übereinstimmenden Einschätzungen des Sachverständigen Prof. Dr. R., der Hausärztin H., des Orthopäden Dipl.-Med. B. und der Prüfärzte des Beklagten. Diese haben auf Grundlage der objektiven medizinischen Befunde mit nachvollziehbarer Begründung die Voraussetzungen des Merkzeichens aG übereinstimmend verneint. Dem schließt sich der Senat an.
Die vorhandenen orthopädischen Behinderungen erschweren zwar die Gehfähigkeit des Klägers. So hat Prof. Dr. R. über ein langsames Dreipunkt-Gangbild mit stelzenartiger Benutzung des linken Beins berichtet. Doch rechtfertigen die verbundenen Beweglichkeits- und Belastungseinschränkungen der Hüftgelenke unter Berücksichtigung der Beinverkürzung und der Muskelminderung nicht die Feststellung einer außergewöhnlich schweren Gehbehinderung im Sinne des Merkzeichens aG. Weitere sich auf die Gehfähigkeit auswirkende orthopädische Funktionseinschränkungen liegen nach dem Gutachten des Prof. Dr. R. vom 12. August 2013 nicht vor. Insbesondere konnte er keine GdB-relevante Funktionsminderungen der Wirbelsäule, des linken Kniegelenks und der Füße feststellen. Auch die von Dipl.-Med. K. am 8. Dezember 2014 angegebenen Diagnosen zeigen keine maßgebliche Veränderung des Gesundheitszustandes seit der Begutachtung durch Prof. Dr. R. Gegen eine wesentliche Veränderung der orthopädischen Beeinträchtigungen spricht schließlich die unregelmäßige Wahrnehmung von fachärztlichen Behandlungsterminen.
Auch die Lungenfunktionseinschränkung des Klägers aufgrund der Erkrankung an COPD, die dieser im Berufungsverfahren in den Mittelpunkt seiner gesundheitlichen Beschwerden gerückt hat, führt nicht zur Feststellung des Merkzeichens aG. Denn dies würde eine Lungenfunktionseinschränkung schweren Grades (d.h. Einzel-GdB von 80 bis 100) voraussetzen (vgl. Versorgungsmedizinische Grundsätze, Teil D, Nr. 3c). Davon ist nach Teil B, Nr. 8.3 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze erst auszugehen, wenn Atemnot bereits bei leichtester Belastung oder in Ruhe (statische und dynamische Messwerte der Lungenfunktionsprüfung um mehr als zwei Drittel niedriger als die Sollwerte, respiratorische Globalinsuffizienz) eintritt. Nach dem Befundbericht des Dr. L. vom 22. Juli 2014 leidet der Kläger an einer COPD Schweregrad 0 bis 1 mit stabilen Lungenfunktionsbefunden. Die damit verbundene Lungenfunktionseinschränkung ist nach seiner Befunderhebung aber diskret, sodass weder allein aufgrund der Lungenfunktionseinschränkung noch in Kombination mit den orthopädischen Erkrankungen auf eine außergewöhnliche Gehbehinderung geschlossen werden kann.
Auch unter Berücksichtigung der weiteren Erkrankungen des Klägers (Leberleiden, Diabetes mellitus, Prostataerkrankung) kann nicht das Merkzeichen aG festgestellt werden. Ein Zusammenhang zwischen diesen Erkrankungen und der eingeschränkten Gehfähigkeit des Klägers ist nicht erkennbar und wird in keiner der zahlreichen medizinischen Unterlagen auch nur ansatzweise in Erwägung gezogen.
Da keine bei dem Kläger bestehende Erkrankung den objektiven Rückschluss auf eine außergewöhnliche Gehbehinderung zulässt, kann auch dahingestellt bleiben, ob die vom Kläger angegebene Wegstrecke (nur 50m) die Feststellung des Merkzeichens aG rechtfertigt. Letztlich spricht auch gegen eine auf das Schwerste eingeschränkte Gehfähigkeit, dass der Kläger lediglich bei der Untersuchung durch Prof. Dr. R. Unterarmstützen benutzt hat, sonst aber nur einen Gehstock einsetzt. Dieser Umstand steht auch einer maßgeblichen Verschlechterung seines Gesundheitszustande seit der gutachtlichen Untersuchung entgegen, da er insbesondere bei den gesamten späteren Gehtests im D.-krankenhaus lediglich einen Gehstock benutzt hat. Schließlich ist der Kläger selbst nach seinem Vortrag nicht vom ersten Schritt an außergewöhnlich gehbehindert, sondern muss erst nach 50 bis 60m wegen der Kombination von Schmerz-, Luft- und Atemnot eine Pause einlegen. Dem entsprachen im Wesentlichen auch die Beobachtungen von Prof. Dr. R. am Begutachtungstag, die Gehtests im D.-krankenhaus H. und die Angaben der behandelnden Ärzte des Klägers.
Dem Senat ist durchaus bewusst, dass der Kläger behinderungsbedingte Schwierigkeiten beim Ein- und Aussteigen aus dem PKW hat und ein großer Öffnungswinkel der Fahrertür erforderlich ist, wodurch das Ein- und Aussteigen in engen Parklücken zusätzlich erschwert oder sogar unmöglich ist. Auch durch diese erschwerenden Umstände ist aber noch nicht die Zuerkennung des Merkzeichens aG gerechtfertigt. Das BSG hat in einem vergleichbaren Fall – in dem ein Kläger nur ein- und aussteigen konnte, wenn die Wagentür vollständig geöffnet war – (Urteil vom 3. Februar 1988, 9/9a RVs 19/86 = SozR 3870 § 3 Nr. 28) entschieden, dass das Merkzeichen aG allein aus diesem Grund nicht zuerkannt werden kann. Der Gesetzgeber hat durch die Formulierung in § 3 Abs. 1 Nr. 1 der SchwbAwV insoweit straßenverkehrsrechtliche Vorschriften für maßgeblich erklärt. Zum Ausgleich von Nachteilen beim Ein- und Aussteigen hat der Bundesminister für Verkehr die Ausnahmegenehmigung nicht geschaffen. Sie ist vielmehr dazu gedacht, den Schwerbehinderten mit dem PKW möglichst nahe an sein jeweiliges Ziel fahren zu lassen. Der Nachteilsausgleich soll allein die neben der Personenkraftwagenbenutzung unausweichlich anfallende tatsächliche Wegstrecke soweit wie möglich verkürzen. Dies bedeutet zugleich, dass der Personenkreis eng zu fassen ist. Denn mit der Ausweitung des Personenkreises steigt die Anzahl der Benutzer. Diesem Umstand kann mit einer Vermehrung entsprechender Parkplätze nur begrenzt begegnet werden, denn mit jeder Vermehrung der Parkflächen wird dem gesamten Personenkreis eine durchschnittlich längere Wegstrecke zugemutet, weil ortsnaher Parkraum nicht beliebig geschaffen werden kann. Dieser besondere Bedarf des Klägers an einer weit geöffneten Fahrer- oder Beifahrertür wird jedoch in erster Linie durch die besondere Beschaffenheit des Parkraums und nicht durch die eingeschränkte Gehfähigkeit verursacht (vgl. dazu LSG B., Urteil vom 20. April 2004 L 13 SB 30/03, juris). Bloße Schwierigkeiten beim Verlassen des Kraftfahrzeuges bleiben für die Feststellung des Merkzeichens aG ohne Bedeutung (BSG, Urteil vom 5. Juli 2007, B 9/9a SB 5/06 R Rdnr. 21, juris). Diese sind im Übrigen auch von der Art und Ausstattung des Fahrzeuges abhängig (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 29. Februar 2012, L 16 SB 151/11, juris). Der Senat hält diese Rechtsprechung für zutreffend und schließt sich ihr in ständiger Rechtsprechung an (vgl. nur Urteil vom 25. September 2012, L 7 SB 29/10, juris).
Darüber hinaus hätte der Kläger die Möglichkeit, durch Benutzung eines Fahrzeugs mit Schiebetür auf der Fahrerseite die Schwierigkeiten beim Ein- und Aussteigen zu umgehen. Fahrzeuge mit Schiebetür auf der Fahrerseite sind zwar ab Werk kaum verfügbar (vgl. bis 2009 z.B. Peugeot 1007), jedoch ist ein Umbau sonstiger Wagen durch Spezialfirmen möglich und kann unter bestimmten Voraussetzungen auch von der Sozialversicherung oder der Sozialhilfe finanziert werden. Im Gegensatz zu Schwerstgehbehinderten könnte der Kläger durch die Wahl eines Fahrzeugs mit Schiebetüren bzw. einen entsprechenden Umbau viele Probleme beim Aus- und Einsteigen vollständig lösen (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 29. Februar 2012, L 16 SB 151/11, juris).
Insgesamt sind die vorliegenden Gehbehinderungen des Klägers in ihren Auswirkungen nicht mit denen vergleichbar, für die nach Abschnitt II Nr. 1 VwV-StVO zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO eine außergewöhnliche Gehbehinderung anzunehmen ist, sodass die Berufung zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 SGG nicht gegeben sind.
Rechtskraft
Aus
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SAN
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