Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 27 AS 2989/12
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 AS 8/15 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 5. November 2014 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Klägerin und Beschwerdeführerin begehrt die Zulassung der Berufung gegen ein Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau (SG) und die Durchführung des Berufungsverfahrens.
Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung der notwendigen Aufwendungen im Widerspruchsverfahren durch die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten streitig. Die Klägerin stellte bereits im November 2011 einen Antrag auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 28. November 2011 wegen übersteigenden Vermögens ab. Daraufhin stellte sie – mit Wirkung ab dem 1. Februar 2012 – erneut einen Leistungsantrag. Sie beziehe Arbeitslosengeld I in Höhe von 597,30 EUR monatlich. Sie verfüge nicht mehr über Vermögen und bewohne allein ein Einfamilienhaus.
Mit Bescheid vom 2. März 2012 lehnte der Beklagte den Leistungsantrag erneut ab. Auch ab Februar 2012 bestehe keine Hilfebedürftigkeit, da das bereinigte Einkommen von 547,88 EUR (nach Abzug der Versicherungspauschale und der monatlichen Beiträge zur Kfz-Haftpflichtversicherung) den Bedarf in Höhe von 511,56 EUR übersteige. Der Bedarf setze sich zusammen aus der Regelleistung in Höhe von 374,00 EUR und Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) in Höhe von insgesamt 137,56 EUR monatlich. Dabei berücksichtigte der Beklagte monatliche Zinsen für ein Immobiliendarlehen in Höhe von 31,33 EUR, die Heizkostenvorauszahlung in der belegten Höhe von 50,00 EUR sowie monatlich ein Zwölftel der jährlichen Betriebskosten des Eigenheims von 56,23 EUR.
Dagegen legte die Klägerin fristgerecht Widerspruch ein, den sie mit Schriftsatz vom 20. April 2014 begründete: Die Nebenkosten seien fehlerhaft berechnet, denn sie seien im Monat der Fälligkeit der jeweiligen Aufwendung zu berücksichtigen. Die vorgenommene Zwölftelung der Jahreskosten widerspreche dem Bedarfsdeckungsprinzip. Zudem legte sie die Jahresabrechnung ihres Gasversorgers vom 8. April 2012 für das Jahr 2011 vor. Danach waren im April 2012 eine Zahlung in Höhe von 135,13 EUR und ab Mai 2012 monatliche Vorauszahlungen in Höhe von 153,00 EUR zu leisten. Sie sei jedenfalls ab April 2012 hilfebedürftig.
Unter Einbeziehung der geänderten Aufwendungen für die Heizkosten bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 26. Juni 2012 für die Monate April bis Juni 2012 SGB II-Leistungen in Höhe von 13,09 EUR bzw. 30,35 EUR monatlich. Im Begleitschreiben vom selben Tag führte er aus, dem Widerspruch habe im vollen Umfang entsprochen werden können. Die im Widerspruchsverfahren entstandenen Aufwendungen könnten jedoch nicht erstattet werden, weil die entscheidungserheblichen Tatsachen von der Klägerin erst im Widerspruchsverfahren vorgetragen worden seien.
Mit Schreiben vom 11. Juli 2012 beantragte die Klägerin, die notwendigen Aufwendungen im Widerspruchsverfahren zu erstatten und die Hinzuziehung ihres Prozessbevollmächtigten für notwendig zu erklären. Dies legte der Beklagte als Widerspruch gegen die Kostenentscheidung aus, den er mit Widerspruchsbescheid vom 8. November 2012 zurückwies. Die Aufwendungen für das Vorverfahren seien nicht zu erstatten.
Dagegen hat die Klägerin fristgerecht beim SG Klage erhoben und ausgeführt, der Beklagte müsse die Aufwendungen für das Widerspruchsverfahren erstatten, denn er habe dem Widerspruch abgeholfen und nunmehr die monatlich tatsächlich anfallenden Aufwendungen für die KdU berücksichtigt. Der Ausgangsbescheid sei rechtswidrig gewesen, denn die Klägerin sei ab April 2012 hilfebedürftig.
Das SG hat auf die Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 22. Oktober 1987 (Az.: 12 RK 49/86, juris) und vom 12. Juni 2013 (Az.: B 14 AS 68/12 R, juris) hingewiesen. Es hat einen Erörterungstermin durchgeführt, in dem die Beteiligten auf eine mündliche Verhandlung verzichtet haben.
Mit Urteil vom 5. November 2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Voraussetzungen von § 63 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) lägen nicht vor. Danach seien die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich sei. Maßgeblich sei dabei allein, ob der Widerspruch im Ergebnis tatsächlich erfolgreich sei. Es komme nicht darauf an, ob der Erfolg auf die inhaltliche Begründung des Widerspruchs zurückzuführen sei. Eine Kostenerstattung nach § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X scheide jedoch aus, wenn sich erst im Widerspruchsverfahren nachgereichte Unterlagen entscheidungserheblich auswirkten. Vorliegend habe die Klägerin nach Einlegung des Widerspruchs weitere Unterlagen vorgelegt. Kausal für die nachfolgende Bewilligung von SGB II-Leistungen – erst ab April 2012 – sei die Vorlage der Abrechnung des Gasversorgers gewesen. Habe jedoch der Widerspruchsführer aufgrund einer fehlenden Mitwirkung in dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren der Behörde keine andere Entscheidungsmöglichkeit gelassen, und hole er die ihm obliegende Mitwirkung erst im Vorverfahren nach, scheide eine Kostenerstattung aus. Das SG hat die Berufung nicht zugelassen.
Gegen das ihr am 4. Dezember 2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 5. Januar 2015, einem Montag, Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung eingelegt. Sie hat ausgeführt, das Urteil weiche von der vom SG selbst zitierten Rechtsprechung des BSG im Verfahren B 14 AS 68/12 R ab. Danach sei bei § 63 SGB X eine formale Betrachtungsweise geboten. Es sei das Widerspruchsbegehren mit dem Inhalt des Ausgangsbescheids zu vergleichen. Der Ausgangsbescheid sei rechtsfehlerhaft gewesen, weil die KdU in Höhe eines Zwölftels der Jahresaufwendungen berechnet worden seien. In der Abhilfeentscheidung habe der Beklagte nunmehr die tatsächlichen Aufwendungen nach Fälligkeit monatsgenau berücksichtigt. Dies wirke sich entscheidungserheblich aus. Fehlerhaft gehe das SG von der Ursächlichkeit einer nachgeholten Mitwirkungshandlung für die Abhilfeentscheidung aus. Die im Widerspruchsverfahren vorgelegte Abrechnung des Gasversorgers stamme vom 8. April 2012. Es sei eine Veränderung in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten.
Die Klägerin beantragt schriftlich,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 5. November 2014 zuzulassen und das Berufungsverfahren durchzuführen.
Der Beklagte beantragt schriftlich,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hat ausgeführt, der Ausgangsbescheid sei nicht rechtswidrig gewesen. Erst nach der Erhöhung der Heizkosten (Vorauszahlungen für Gas) habe sich ab April 2012 ein Leistungsanspruch ergeben. Eine Divergenz liege – wie auch die anderen Zulassungsgründe – nicht vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten ergänzend Bezug genommen. Die Unterlagen waren Gegenstand der Beratung des Senats.
II.
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 145 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegt worden. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Berufung gegen das Urteil vom 5. November 2014 zu Recht nicht zugelassen.
Gemäß § 144 Abs. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in einem Urteil des SG, wenn der Wert des Streitgegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Der Beschwerdewert beträgt vorliegend nach der Bezifferung der Klägerin im Erörterungstermin vom 22. September 2014 des SG 309,40 EUR. Dieser Betrag sind die ihr für die Beauftragung ihres Prozessbevollmächtigten im Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten der Rechtsverfolgung. Er überschreitet den Grenzwert nicht.
Die Berufung war auch nicht nach § 144 Abs. 2 SGG zuzulassen. Danach ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf diese Abweichung beruht oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Der Zulassungsgrund des § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG liegt nicht vor. Die Klägerin hat keinen Verfahrensfehler geltend gemacht.
Es besteht auch keine Divergenz im Sinne von § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG. Die von der Klägerin geltend gemachte Abweichung der erstinstanzlichen Entscheidung vom Urteil des BSG vom 12. Juni 2013 (Az.: B 14 AS 68/12 R) liegt nicht vor. Insoweit ist es nicht relevant, dass die vorgenannte Entscheidung vom SG in seinem Urteil nicht aufgeführt worden ist. Maßgeblich kommt es darauf an, ob ein abstrakter Rechtssatz der anzufechtenden Entscheidung von einem der Entscheidung des genannten Gerichts (hier des BSG) zu entnehmenden abstrakten Rechtssatz abweicht. Erst wenn das SG seiner Entscheidung einen mit einer Entscheidung des BSG nicht übereinstimmenden Rechtssatz zugrunde gelegt hat und dadurch eine die Entscheidung tragende Rechtsansicht entwickelt, die der Rechtsauffassung des BSG im Grundsätzlichen widerspricht (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 160 RN 14), liegt Divergenz vor. Ein Rechtsirrtum im Einzelfall, wie eine fehlerhafte Subsumtion oder eine unzutreffende Beurteilung oder das Übersehen einer Rechtsfrage, genügt nicht. Dementsprechend handelt es sich auch nicht um eine nach § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG beachtliche Abweichung, wenn das SG einem vom BSG aufgestellten Rechtssatz folgen will, diesen aber missversteht, in seiner Tragweite verkennt oder sonst Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Einzelfall nicht übernimmt. Andererseits muss die einen Widerspruch im Grundsätzlichen enthaltende Abweichung nicht unbedingt bewusst oder gewollt sein; es genügt die objektive Abweichung. Ob es sich um eine objektive Abweichung oder aber um einen Rechtsirrtum im Einzelfall handelt, hängt davon ab, ob ein die Entscheidung tragender Rechtssatz entwickelt worden ist.
In der genannten Entscheidung vom 12. Juni 2013 (Az.: B 14 AS 68/12 R) hat das BSG ausgeführt, Aufwendungen für ein Widerspruchsverfahren seien nur zu erstatten sind, soweit der Widerspruch erfolgreich gewesen ist (RN 15). Eine Kostenerstattung komme nur im Umfang des jeweiligen Erfolgs in Betracht (RN 18). Insoweit liege auch § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X das "Obsiegens- und Unterliegensprinzip" zugrunde (RN 19). Die Kostenquote richte sich nach dem Verhältnis des Erfolgs zum Misserfolg. Es sei unerheblich, aus welchen Gründen der Widerspruch Erfolg hatte. Insoweit seien eine formale Betrachtung und ein Vergleich des mit dem Widerspruch begehrten mit dem Inhalt des Widerspruchs- bzw. Abhilfebescheids geboten (RN 21). Allerdings enthält diese Entscheidung keine tragenden Rechtssätze zur Kausalität von Widerspruch und Erfolg, denn im zugrundeliegenden Sachverhalt ging es allein um die Bildung einer Kostenquote nach einem bereits feststehenden Teilerfolg des Widerspruchs und entsprechender Kostengrundentscheidung.
Im vorliegenden Verfahren indes geht es um die Kausalität des Widerspruchs für den Erfolg ("Abhilfeentscheidung") als Voraussetzung für die begehrte Kostengrundentscheidung. Insoweit hat das SG zutreffend auf die diesbezügliche Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 21. Juli 1992 (Az.: RA 20/91, juris, RN 17 ff.) zurückgegriffen, die – anders als die vorgenannte Entscheidung – Ausführungen zur Kausalität enthält. Danach ist "Erfolg" iSv § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X, soweit dem Widerspruch stattgegeben wird. Auf die Gründe für die Stattgabe komme es grundsätzlich nicht an (RN 18). Zusätzlich sei jedoch zu berücksichtigen, dass ein Widerspruch nur dann erfolgreich im Sinne der Vorschrift sein könne, wenn zwischen dem Rechtsbehelf und der begünstigenden Entscheidung eine ursächliche Verknüpfung im Rechtssinne bestehe. Der Erfolg eines Widerspruchs sei insbesondere dann zweifelhaft, wenn nach dem konkreten Sachverhalt ein anderer Umstand als der Widerspruch dem Erfolg rechtlich zurechenbar wäre (RN 19). Eine solche andere kausale Verknüpfung liege beispielsweise vor, wenn eine vorangegangene Verletzung der Mitwirkungspflichten im Rahmen des Widerspruchsverfahrens durch Nachreichen von Unterlagen beseitigt werde (RN 20). Eine nachfolgende "Abhilfe" mittels Bescheid sei dann kein Erfolg des Widerspruchs, sondern Ergebnis der nachträglichen Erfüllung von Mitwirkungspflichten.
Die beiden BSG-Entscheidungen stehen nur scheinbar in einem offenen Widerspruch (vgl.: Klaus, juris PR-SozR 16/2014 Anm. 6). Indes ist von der grundsätzlich gebotenen pauschalen Betrachtung bei Anwendung der Kostenerstattungsregel des § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X, die in beiden Entscheidungen des BSG herausgestellt wird, dann eine Ausnahme zu machen, wenn der Erfolg nicht auf der Erhebung des Widerspruchs beruht, (vgl.: Roos in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 63 RN 18).
Auf der Grundlage dieser beiden Entscheidungen des BSG hat das SG seine Entscheidung getroffen und ausgeführt, vorliegend beruhe die Abhilfeentscheidung auf einer Änderung der Sachlage (Erhöhung der Heizkosten ab April 2012). Aufgrund der nachgereichten weiteren Unterlagen (Jahresabrechnung des Gasversorgers) durch die Klägerin sei die Abhilfeentscheidung erlassen worden, die daher kein Erfolg des Widerspruchs darstelle.
Damit weicht das SG nicht von der skizzierten Rechtsprechung des BSG auf der Grundlage der beiden Entscheidungen ab. Soweit es im Urteil – nach Auffassung der Klägerin – möglicherweise fehlerhaft davon ausgegangen ist, die im Widerspruchsverfahren vorgelegte Jahresabrechnung hätte bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegt werden können, handelt es sich um einen Subsumtionsfehler, der im Rahmen des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG unbeachtlich ist (vgl. Leitherer, a.a.O., § 160 RN 14). Das SG hat insoweit jedoch keine die Entscheidung tragende von der Rechtsprechung des BSG abweichende Rechtsansicht entwickelt.
Auch der Zulassungsgrund des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG liegt nicht vor. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Sie wirft keine bislang ungeklärten Rechtsfragen auf, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Dem Urteil lässt sich keine verallgemeinerungsfähige und klärungsbedürftige Rechtsfrage entnehmen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, die das SG auf der Grundlage der gesetzlichen Vorschriften und unter Anwendung der dazu ergangenen obergerichtlichen Rechtsprechung getroffen hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar, § 177 SGG.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Klägerin und Beschwerdeführerin begehrt die Zulassung der Berufung gegen ein Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau (SG) und die Durchführung des Berufungsverfahrens.
Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung der notwendigen Aufwendungen im Widerspruchsverfahren durch die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten streitig. Die Klägerin stellte bereits im November 2011 einen Antrag auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 28. November 2011 wegen übersteigenden Vermögens ab. Daraufhin stellte sie – mit Wirkung ab dem 1. Februar 2012 – erneut einen Leistungsantrag. Sie beziehe Arbeitslosengeld I in Höhe von 597,30 EUR monatlich. Sie verfüge nicht mehr über Vermögen und bewohne allein ein Einfamilienhaus.
Mit Bescheid vom 2. März 2012 lehnte der Beklagte den Leistungsantrag erneut ab. Auch ab Februar 2012 bestehe keine Hilfebedürftigkeit, da das bereinigte Einkommen von 547,88 EUR (nach Abzug der Versicherungspauschale und der monatlichen Beiträge zur Kfz-Haftpflichtversicherung) den Bedarf in Höhe von 511,56 EUR übersteige. Der Bedarf setze sich zusammen aus der Regelleistung in Höhe von 374,00 EUR und Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) in Höhe von insgesamt 137,56 EUR monatlich. Dabei berücksichtigte der Beklagte monatliche Zinsen für ein Immobiliendarlehen in Höhe von 31,33 EUR, die Heizkostenvorauszahlung in der belegten Höhe von 50,00 EUR sowie monatlich ein Zwölftel der jährlichen Betriebskosten des Eigenheims von 56,23 EUR.
Dagegen legte die Klägerin fristgerecht Widerspruch ein, den sie mit Schriftsatz vom 20. April 2014 begründete: Die Nebenkosten seien fehlerhaft berechnet, denn sie seien im Monat der Fälligkeit der jeweiligen Aufwendung zu berücksichtigen. Die vorgenommene Zwölftelung der Jahreskosten widerspreche dem Bedarfsdeckungsprinzip. Zudem legte sie die Jahresabrechnung ihres Gasversorgers vom 8. April 2012 für das Jahr 2011 vor. Danach waren im April 2012 eine Zahlung in Höhe von 135,13 EUR und ab Mai 2012 monatliche Vorauszahlungen in Höhe von 153,00 EUR zu leisten. Sie sei jedenfalls ab April 2012 hilfebedürftig.
Unter Einbeziehung der geänderten Aufwendungen für die Heizkosten bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 26. Juni 2012 für die Monate April bis Juni 2012 SGB II-Leistungen in Höhe von 13,09 EUR bzw. 30,35 EUR monatlich. Im Begleitschreiben vom selben Tag führte er aus, dem Widerspruch habe im vollen Umfang entsprochen werden können. Die im Widerspruchsverfahren entstandenen Aufwendungen könnten jedoch nicht erstattet werden, weil die entscheidungserheblichen Tatsachen von der Klägerin erst im Widerspruchsverfahren vorgetragen worden seien.
Mit Schreiben vom 11. Juli 2012 beantragte die Klägerin, die notwendigen Aufwendungen im Widerspruchsverfahren zu erstatten und die Hinzuziehung ihres Prozessbevollmächtigten für notwendig zu erklären. Dies legte der Beklagte als Widerspruch gegen die Kostenentscheidung aus, den er mit Widerspruchsbescheid vom 8. November 2012 zurückwies. Die Aufwendungen für das Vorverfahren seien nicht zu erstatten.
Dagegen hat die Klägerin fristgerecht beim SG Klage erhoben und ausgeführt, der Beklagte müsse die Aufwendungen für das Widerspruchsverfahren erstatten, denn er habe dem Widerspruch abgeholfen und nunmehr die monatlich tatsächlich anfallenden Aufwendungen für die KdU berücksichtigt. Der Ausgangsbescheid sei rechtswidrig gewesen, denn die Klägerin sei ab April 2012 hilfebedürftig.
Das SG hat auf die Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 22. Oktober 1987 (Az.: 12 RK 49/86, juris) und vom 12. Juni 2013 (Az.: B 14 AS 68/12 R, juris) hingewiesen. Es hat einen Erörterungstermin durchgeführt, in dem die Beteiligten auf eine mündliche Verhandlung verzichtet haben.
Mit Urteil vom 5. November 2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Voraussetzungen von § 63 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) lägen nicht vor. Danach seien die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich sei. Maßgeblich sei dabei allein, ob der Widerspruch im Ergebnis tatsächlich erfolgreich sei. Es komme nicht darauf an, ob der Erfolg auf die inhaltliche Begründung des Widerspruchs zurückzuführen sei. Eine Kostenerstattung nach § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X scheide jedoch aus, wenn sich erst im Widerspruchsverfahren nachgereichte Unterlagen entscheidungserheblich auswirkten. Vorliegend habe die Klägerin nach Einlegung des Widerspruchs weitere Unterlagen vorgelegt. Kausal für die nachfolgende Bewilligung von SGB II-Leistungen – erst ab April 2012 – sei die Vorlage der Abrechnung des Gasversorgers gewesen. Habe jedoch der Widerspruchsführer aufgrund einer fehlenden Mitwirkung in dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren der Behörde keine andere Entscheidungsmöglichkeit gelassen, und hole er die ihm obliegende Mitwirkung erst im Vorverfahren nach, scheide eine Kostenerstattung aus. Das SG hat die Berufung nicht zugelassen.
Gegen das ihr am 4. Dezember 2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 5. Januar 2015, einem Montag, Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung eingelegt. Sie hat ausgeführt, das Urteil weiche von der vom SG selbst zitierten Rechtsprechung des BSG im Verfahren B 14 AS 68/12 R ab. Danach sei bei § 63 SGB X eine formale Betrachtungsweise geboten. Es sei das Widerspruchsbegehren mit dem Inhalt des Ausgangsbescheids zu vergleichen. Der Ausgangsbescheid sei rechtsfehlerhaft gewesen, weil die KdU in Höhe eines Zwölftels der Jahresaufwendungen berechnet worden seien. In der Abhilfeentscheidung habe der Beklagte nunmehr die tatsächlichen Aufwendungen nach Fälligkeit monatsgenau berücksichtigt. Dies wirke sich entscheidungserheblich aus. Fehlerhaft gehe das SG von der Ursächlichkeit einer nachgeholten Mitwirkungshandlung für die Abhilfeentscheidung aus. Die im Widerspruchsverfahren vorgelegte Abrechnung des Gasversorgers stamme vom 8. April 2012. Es sei eine Veränderung in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten.
Die Klägerin beantragt schriftlich,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 5. November 2014 zuzulassen und das Berufungsverfahren durchzuführen.
Der Beklagte beantragt schriftlich,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hat ausgeführt, der Ausgangsbescheid sei nicht rechtswidrig gewesen. Erst nach der Erhöhung der Heizkosten (Vorauszahlungen für Gas) habe sich ab April 2012 ein Leistungsanspruch ergeben. Eine Divergenz liege – wie auch die anderen Zulassungsgründe – nicht vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten ergänzend Bezug genommen. Die Unterlagen waren Gegenstand der Beratung des Senats.
II.
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 145 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegt worden. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Berufung gegen das Urteil vom 5. November 2014 zu Recht nicht zugelassen.
Gemäß § 144 Abs. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in einem Urteil des SG, wenn der Wert des Streitgegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Der Beschwerdewert beträgt vorliegend nach der Bezifferung der Klägerin im Erörterungstermin vom 22. September 2014 des SG 309,40 EUR. Dieser Betrag sind die ihr für die Beauftragung ihres Prozessbevollmächtigten im Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten der Rechtsverfolgung. Er überschreitet den Grenzwert nicht.
Die Berufung war auch nicht nach § 144 Abs. 2 SGG zuzulassen. Danach ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf diese Abweichung beruht oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Der Zulassungsgrund des § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG liegt nicht vor. Die Klägerin hat keinen Verfahrensfehler geltend gemacht.
Es besteht auch keine Divergenz im Sinne von § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG. Die von der Klägerin geltend gemachte Abweichung der erstinstanzlichen Entscheidung vom Urteil des BSG vom 12. Juni 2013 (Az.: B 14 AS 68/12 R) liegt nicht vor. Insoweit ist es nicht relevant, dass die vorgenannte Entscheidung vom SG in seinem Urteil nicht aufgeführt worden ist. Maßgeblich kommt es darauf an, ob ein abstrakter Rechtssatz der anzufechtenden Entscheidung von einem der Entscheidung des genannten Gerichts (hier des BSG) zu entnehmenden abstrakten Rechtssatz abweicht. Erst wenn das SG seiner Entscheidung einen mit einer Entscheidung des BSG nicht übereinstimmenden Rechtssatz zugrunde gelegt hat und dadurch eine die Entscheidung tragende Rechtsansicht entwickelt, die der Rechtsauffassung des BSG im Grundsätzlichen widerspricht (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 160 RN 14), liegt Divergenz vor. Ein Rechtsirrtum im Einzelfall, wie eine fehlerhafte Subsumtion oder eine unzutreffende Beurteilung oder das Übersehen einer Rechtsfrage, genügt nicht. Dementsprechend handelt es sich auch nicht um eine nach § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG beachtliche Abweichung, wenn das SG einem vom BSG aufgestellten Rechtssatz folgen will, diesen aber missversteht, in seiner Tragweite verkennt oder sonst Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Einzelfall nicht übernimmt. Andererseits muss die einen Widerspruch im Grundsätzlichen enthaltende Abweichung nicht unbedingt bewusst oder gewollt sein; es genügt die objektive Abweichung. Ob es sich um eine objektive Abweichung oder aber um einen Rechtsirrtum im Einzelfall handelt, hängt davon ab, ob ein die Entscheidung tragender Rechtssatz entwickelt worden ist.
In der genannten Entscheidung vom 12. Juni 2013 (Az.: B 14 AS 68/12 R) hat das BSG ausgeführt, Aufwendungen für ein Widerspruchsverfahren seien nur zu erstatten sind, soweit der Widerspruch erfolgreich gewesen ist (RN 15). Eine Kostenerstattung komme nur im Umfang des jeweiligen Erfolgs in Betracht (RN 18). Insoweit liege auch § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X das "Obsiegens- und Unterliegensprinzip" zugrunde (RN 19). Die Kostenquote richte sich nach dem Verhältnis des Erfolgs zum Misserfolg. Es sei unerheblich, aus welchen Gründen der Widerspruch Erfolg hatte. Insoweit seien eine formale Betrachtung und ein Vergleich des mit dem Widerspruch begehrten mit dem Inhalt des Widerspruchs- bzw. Abhilfebescheids geboten (RN 21). Allerdings enthält diese Entscheidung keine tragenden Rechtssätze zur Kausalität von Widerspruch und Erfolg, denn im zugrundeliegenden Sachverhalt ging es allein um die Bildung einer Kostenquote nach einem bereits feststehenden Teilerfolg des Widerspruchs und entsprechender Kostengrundentscheidung.
Im vorliegenden Verfahren indes geht es um die Kausalität des Widerspruchs für den Erfolg ("Abhilfeentscheidung") als Voraussetzung für die begehrte Kostengrundentscheidung. Insoweit hat das SG zutreffend auf die diesbezügliche Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 21. Juli 1992 (Az.: RA 20/91, juris, RN 17 ff.) zurückgegriffen, die – anders als die vorgenannte Entscheidung – Ausführungen zur Kausalität enthält. Danach ist "Erfolg" iSv § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X, soweit dem Widerspruch stattgegeben wird. Auf die Gründe für die Stattgabe komme es grundsätzlich nicht an (RN 18). Zusätzlich sei jedoch zu berücksichtigen, dass ein Widerspruch nur dann erfolgreich im Sinne der Vorschrift sein könne, wenn zwischen dem Rechtsbehelf und der begünstigenden Entscheidung eine ursächliche Verknüpfung im Rechtssinne bestehe. Der Erfolg eines Widerspruchs sei insbesondere dann zweifelhaft, wenn nach dem konkreten Sachverhalt ein anderer Umstand als der Widerspruch dem Erfolg rechtlich zurechenbar wäre (RN 19). Eine solche andere kausale Verknüpfung liege beispielsweise vor, wenn eine vorangegangene Verletzung der Mitwirkungspflichten im Rahmen des Widerspruchsverfahrens durch Nachreichen von Unterlagen beseitigt werde (RN 20). Eine nachfolgende "Abhilfe" mittels Bescheid sei dann kein Erfolg des Widerspruchs, sondern Ergebnis der nachträglichen Erfüllung von Mitwirkungspflichten.
Die beiden BSG-Entscheidungen stehen nur scheinbar in einem offenen Widerspruch (vgl.: Klaus, juris PR-SozR 16/2014 Anm. 6). Indes ist von der grundsätzlich gebotenen pauschalen Betrachtung bei Anwendung der Kostenerstattungsregel des § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X, die in beiden Entscheidungen des BSG herausgestellt wird, dann eine Ausnahme zu machen, wenn der Erfolg nicht auf der Erhebung des Widerspruchs beruht, (vgl.: Roos in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 63 RN 18).
Auf der Grundlage dieser beiden Entscheidungen des BSG hat das SG seine Entscheidung getroffen und ausgeführt, vorliegend beruhe die Abhilfeentscheidung auf einer Änderung der Sachlage (Erhöhung der Heizkosten ab April 2012). Aufgrund der nachgereichten weiteren Unterlagen (Jahresabrechnung des Gasversorgers) durch die Klägerin sei die Abhilfeentscheidung erlassen worden, die daher kein Erfolg des Widerspruchs darstelle.
Damit weicht das SG nicht von der skizzierten Rechtsprechung des BSG auf der Grundlage der beiden Entscheidungen ab. Soweit es im Urteil – nach Auffassung der Klägerin – möglicherweise fehlerhaft davon ausgegangen ist, die im Widerspruchsverfahren vorgelegte Jahresabrechnung hätte bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegt werden können, handelt es sich um einen Subsumtionsfehler, der im Rahmen des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG unbeachtlich ist (vgl. Leitherer, a.a.O., § 160 RN 14). Das SG hat insoweit jedoch keine die Entscheidung tragende von der Rechtsprechung des BSG abweichende Rechtsansicht entwickelt.
Auch der Zulassungsgrund des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG liegt nicht vor. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Sie wirft keine bislang ungeklärten Rechtsfragen auf, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Dem Urteil lässt sich keine verallgemeinerungsfähige und klärungsbedürftige Rechtsfrage entnehmen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, die das SG auf der Grundlage der gesetzlichen Vorschriften und unter Anwendung der dazu ergangenen obergerichtlichen Rechtsprechung getroffen hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar, § 177 SGG.
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