S 12 KA 487/06 ER

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 487/06 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Im einstweiligen Anordnungsverfahren muss offen bleiben, ob ein Honorarverteilungsvertrag von den Vorgaben des Bewertungsausschusses im Beschluss vom 29.10.2004, der Nephrologen von der Bildung von Regelleistungsvolumina ausgenommen hat, abweichen kann.
2. Ein Anordnungsgrund für die vorläufige Auszahlung eines höheren Honorars bzw. höherer Abschlagszahlungen ist jedenfalls dann nicht glaubhaft gemacht, wenn eine Gemeinschaftspraxis mit zwei Vertragsärzten im Saldo im Monat ohne Berücksichtigung privatärztlicher Tätigkeit einen Überschuss vor Steuern von 7.504,08 Euro bzw. pro Behandler von 3.752,04 Euro erzielt.
3. Im Hinblick auf die Vorläufigkeit einer Regelung ist der Streitwert in einem einstweiligen Anordnungsverfahren, in dem ein höheres Honorar bzw. höhere Abschlagszahlungen begehrt werden, auf die möglichen Zinskosten, ca. 10 % pro Jahr, für die Dauer des Hauptsacheverfahrens – mit der Dauer für das Verwaltungsverfahren noch insgesamt ca. 1 Jahr – festzusetzen.
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 22.03.2006 wird zurückgewiesen.

2. Die Antragstellerin hat der Antragsgegnerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten und trägt die Gerichtskosten.

3. Der Streitwert wird auf 8.168,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines einstweiligen Anordnungsverfahrens um die Höhe der Abschlagszahlungen seit Juli 2005.

Die Antragstellerin ist eine Gemeinschaftspraxis zweier Vertragsärzte. Dr. E. ist als Internist und Nephrologe seit dem Quartal IV/03 zur vertragsärztlichen Versorgung und mit einem Versorgungsauftrag zur nephrologischen Betreuung mit Dialyse nach der Anlage 9.1 zu den Bundesmantelverträgen mit Praxissitz in E. zugelassen. Er ist in Kooperation mit der Stiftung P. tätig. Dr. H. ist als Internist und Nephrologe seit dem Quartal III/05 zur vertragsärztlichen Versorgung im Wege des Sonderbedarfs zugelassen und seitdem mit Dr. E. in Gemeinschaftspraxis tätig. Seit Ende 2005 unterhält die Gemeinschaftspraxis eine genehmigte Zweigpraxis in W. Im Gebäude, in dem die Gemeinschaftspraxis sitzt, führt weiter Herr Dr. El. eine vertragsärztliche internistische Praxis. Er hatte ebf. einen Versorgungsauftrag zur nephrologischen Betreuung mit Dialyse, den er mit Ablauf des Quartals IV/04 aufgab. Bis dahin führte Dr. E. eine Praxisgemeinschaft mit ihm.

Am 22.03.2005 beantragte die Antragstellerin das einstweilige Anordnungsverfahren. Mit dem Antrag beantragte Dr. E. zugleich ein einstweiliges Anordnungsverfahren bzgl. des Zeitraums Januar bis Juni 2005, das die Kammer mit Beschluss vom 12. Mai 2006 abgetrennt hat und das unter dem Az.: S 12 KA 763/06 ER geführt wird.

Die Antragstellerin trägt vor, die Einzelpraxis habe stets etwa 30 Dialysepatienten betreut. Nach Aufgabe des Versorgungsauftrags durch Dr. El., der ebf. etwa 30 Dialysepatienten betreut habe, habe Dr. E. dessen Patienten in Abstimmung mit der Antragsgegnerin weiter versorgt. Wegen der Qualitätssicherungsvereinbarung habe er sich um einen Praxispartner bemüht, was zur Zulassung des Dr. H. geführt habe. Diese besondere Situation sei bei den Honorarzahlungen nicht berücksichtigt worden. Trotz der erbrachten Mehrleistungen durch die Teilpraxisübernahme, die Situation der "jungen Praxis" und der aus Sicherstellungsgründen notwendigen Erweiterung der Praxis um einen weiteren Partner seien die Honorarberechnungen auf der Grundlage der Abrechnungen der entsprechenden Referenzquartale der Jahre 2002, 2003 und 2004 erstellt worden. Als Folge bestehe nur eine Wachstumsmöglichkeit von 2 %. Dies gefährde ihre wirtschaftliche Existenz nachhaltig. Der Praxisbetrieb mit zwei Nephrologen basiere auf Einnahmen von etwa 60.000 Euro im Quartal. Die zugestandenen 43.000 Euro seien absolut nicht auskömmlich. Aus den Sachleistungen gemäß Nr. 40800 EBM 2000 plus könnten zusätzliche Wirtschaftlichkeitsreserven nicht erschlossen werden, da diese über die Stiftung P. erbracht und abgerechnet würden. Gegen die Honorarbescheide für die Quartale I/05 bis seien Widersprüche eingelegt worden. Im Quartal I/05 sei das ursprüngliche Regelleistungsvolumen, das zu einem anerkannten Honorar von 69,01 % geführt habe, mit Bescheid vom 01.12.2005 um 458.640 Punkte erhöht worden. Bei einem Punktwert von 3,32 Cent hätte zum bereits auf 43.358,87 Euro festgesetzten Honorar die Nachvergütung 15.558,84 Euro betragen müssen. Als Nachzahlung habe die Antragsgegnerin aber lediglich den Betrag in Höhe von 7.937,54 Euro angegeben, dessen Berechnung nicht nachvollziehbar sei. Die Regelung im Quartal I/05 müsse auch auf das Quartal II/05 übertragen werden. Nach dem Honorarbescheid erhalte er bei 472 Fällen ein Honorar von 46.143,87 Euro. Die Einbeziehung der Nephrologie mit Dialyse in die Regelleistungsvolumina begegne grundsätzlichen Bedenken. Die Vorgaben des Bewertungsausschusses durch dessen Beschluss vom 29.10.2004 seien verbindlich. Die Antragsgegnerin könne hiervon nicht abweichen. Dieser habe die Nephrologen von der Bildung von Regelleistungsvolumina ausgenommen. In Ziff. 4.1 werde eine Vorabvergütung vorgesehen. Es würden nicht die Besonderheiten des Versorgungsauftrags "Nephrologie" berücksichtig werden. Mit den Regelleistungsvolumina solle eine Mengenbegrenzung bei gleichzeitiger Wahrung der Ergebnisqualität erreicht werden. Dies sei im Bereich Nephrologie bereits durch die Festlegung einer Arzt-Patienten-Relation und einer besonderen Bedarfsprüfung erreicht worden. Bei 39 Dialysebehandlungen eines Patienten im Quartal, die jeweils nach Nr. 13610 EBM 2000 plus mit 400 Punkten abgerechnet werde, ergebe sich eine notwendige Punktanforderung von 16.000 Punkten. Die ärztlichen Leistungen des Versorgungsauftrages müssten auch vorgehalten werden. Die maximale Fallpunktzahl von 4.000 Punkten sei deshalb unzureichend. Es müsse eine extrabudgetäre oder Vorabvergütung erfolgen. Die bisherige Regelung führe zur Ungleichbehandlung. Der erst im November 2005 veröffentlichte Honorarverteilungsvertrag hätte nicht rückwirkend in Kraft treten dürfen. Durch den Beschluss des Bewertungsausschusses vom 29.10.2004 sei ein Vertrauen entstanden, nicht weiteren Begrenzungen ausgesetzt zu werden. Die Veröffentlichung im Info.doc 2/2005 vom März 2005 habe nur die Grundzüge der Neuregelung enthalten. Nicht nachvollziehbar sei, dass die sog. Dialyseinstitute nicht in die Regelungen zu den Regelleistungsvolumina einbezogen würden. In Hessen gebe es 16 Institute und 27 nephrologische Praxen. Zudem sei der Punktwert für die Institute höher. Hierin liege ein Verstoß gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit. Es hätte ferner die Härtefallregelung angewandt werden müssen. Nach dieser fände ein Ausgleich bei einem Fallwertverlust von mehr als 5 % statt. Maßgeblich sei wegen der besonderen Situation auf das Nettohonorar für das Quartal I/05 in Höhe von 58.917,73 Euro abzustellen. Das Honorar im Quartal II/05 hätte daher um 12.000 Euro höher sein müssen. Im Quartal III/05 zeichne sich ab, dass die Antragsgegnerin ebenso wie im Quartal II/05 verfahren werde. Ein Antrag auf Sonderregelung des Regelleistungsvolumens ab dem Quartal II/05 sei im Wesentlichen durch Bescheid vom 02.11.2005 abgelehnt worden. Der hiergegen mit Schreiben vom 07.12.2005 eingelegte Widerspruch sei noch nicht beschieden worden. Die Honorarmindereinnahmen könne die Praxis auf Dauer nicht verkraften. Wegen ihrer existentiellen Notsituation müsse die finanzielle Ausstattung der Praxis schon vor einer Entscheidung in der Hauptsache erfolgen. Bei Aufgabe des zweiten Behandlers wäre eine Versorgung nicht mehr gewährleistet. Auch nach den weiteren Zahlungen der Antragsgegnerin ergebe sich für das Quartal I/05 ein Fehlbetrag von 8.000 Euro. Im Quartal II/05 sei die Situation unterschiedlich hierzu. Ein endgültiger Honorarbescheid sei nicht ergangen, die Antragsgegnerin habe angekündigt, die Honorarbescheide für die Quartale II und III/05 müssten alle korrigiert werden. Das Quartal II/05 sei daher noch nicht abgerechnet. Bei den meisten übrigen nephrologischen Praxen sei die Härtefallregelung zur Anwendung gekommen. Die Härtefallregelung müsse die besondere Situation der Praxis berücksichtigen. Diese Überlegungen würden auch sinngemäß für die Folgequartale gelten. Zum Anordnungsgrund wurde eine Erklärung des Dr. E. nebst einer Aufstellung der Steuerberater H. und S. zu den Praxisunkosten mit Datum vom 09.05.2006 zur Gerichtsakte gereicht.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr rückwirkend ab dem Quartal III/05 bis zur rechtkräftigen Entscheidung in den Hauptsacheverfahren mindestens 5.000,00 Euro monatlich (im Voraus) zusätzlich als Abschlagszahlungen zu zahlen bzw. die dem entsprechende Differenz zu bereits geleisteten Abschlags- oder Restzahlungen nachzuzahlen,
hilfsweise,
die Zahlung von Abschlagszahlungen für noch nicht durch Bescheid abgerechnete Quartale (III/05 ff.) anzuordnen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.

Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.

Sie ist der Auffassung, für den in der Hauptsache verfolgten Anspruch fehle es an einem Anordnungsanspruch, da insoweit offensichtlich keine Erfolgsaussicht bestehe. Das Begehren einer rückwirkenden Erhöhung der Abschlagszahlungen sei unzulässig, da es sich auf bereits abgewickelte und erledigte Sachverhalte beziehe. Für das Quartal I/05 habe sie drei Abschlagszahlungen in Höhe von jeweils 8.000 Euro und im Mai 2005 eine Restzahlung von 17.764,58 Euro sowie mit Bescheid vom 07.03.2006 die Nachvergütung von 7.937,54 Euro geleistet. Für das Quartal II/05 habe sie drei Abschlagszahlungen in Höhe von wiederum jeweils 8.000 Euro und im Dezember 2005 eine Restzahlung von 14.288,16 Euro sowie eine Nachzahlung hierzu im Hinblick auf die Neuberechnung gem. Ziff. 7.5 des Honorarverteilungsvertrages in Höhe von weiteren 2.871,13 Euro, ferner im Januar 2006 noch eine korrigierte Restzahlung von zusätzlichen 3.807,59 Euro geleistet. Ab 01.07.2005 leiste sie monatliche Abschlagszahlungen von 12.000 Euro. Für das Quartal III/05 habe sie im Januar 2006 eine Restzahlung von 5.008,30 Euro geleistet. Für das Quartal IV/05 werde sie am 27. April einen Abschlag auf die Restzahlung in Höhe von 9.900 Euro leisten. Für eine Übertragung der Anpassung aus dem Quartal I/05 auf das Quartal II/05 oder III/05 habe keine Veranlassung bestanden, da ab 01.04.2005 der neue Honorarverteilungsvertrag gelte. Nach diesem würden alle tatsächlich behandelten Patienten von vornherein berücksichtigt. Eine Bezugnahme auf ein früheres Quartal erfolge nicht. Es fehle auch an einem Anordnungsgrund.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte verwiesen.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 22. März 2006 ist grundsätzlich zulässig, aber unbegründet.

Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag einen Erlass einer einstweiligen Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 S. 1 u. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG). Es müssen ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht werden (§ 920 Zivilprozessordnung i. V. m. § 86b Abs. 2 S. 4 SGG).

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war im Hauptantrag abzuweisen.

Ein Anordnungsanspruch ist nach Aktenlage gegenwärtig als offen anzusehen.

Ein Anordnungsanspruch ist zu verneinen, soweit die Antragstellerin auf die Abschlagszahlungen abstellt. Nach LZ 8.3 Abs. 1 Honorarverteilungsvertrag sind diese am zu erwartenden Honorar zu orientieren. Soweit die Antragsgegnerin etwa ¼ des zu erwartenden Honorars als monatliche Abschlagszahlung leistet, ist dies nicht zu beanstanden.

Soweit die Antragstellerin letztlich einen höheren Honoraranspruch geltend macht, der lediglich bereits jetzt über höhere Abschlagszahlungen zu realisieren sei, ist ein Anordnungsanspruch offen. Der Vortrag der Antragstellerin ist insoweit zutreffend, als sie vorträgt, der Honorarverteilungsvertrag ab dem Quartal II/05 beachte nicht die Vorgaben des Bewertungsausschusses durch dessen Beschluss vom 29.10.2004.

Es ist aber einem Hauptsacheverfahren, so im Rahmen des Verfahrens mit Az.: S 12 KA 747/06, soweit dieses nach Erlass eines Widerspruchbescheides weiterbetrieben wird, oder im Anfechtungs- und Verpflichtungsverfahren hinsichtlich der Honorarbescheide ab dem Quartal II/05, vorbehalten, die Frage zu prüfen, ob in dem Honorarverteilungsvertrag von den Vorgaben des Bewertungsausschusses abgewichen werden konnte.

Aber selbst bei Rechtswidrigkeit der Honorarverteilungsregelungen der Antragsgegnerin wäre nicht ersichtlich, welcher Honoraranspruch der Antragstellerin tatsächlich zusteht.

Der Anspruch eines Vertragsarztes auf Vergütung ist nach dem Sozialgesetzbuch, 5. Buch, gesetzliche Krankenversicherung – SGB V auf die Teilnahme an der Honorarverteilung beschränkt, nicht jedoch auf eine bestimmte Vergütung einzelner Leistungen zu bestimmten Werten bzw. Punktwerten. Die Kasseärztliche Vereinigung verteilt die Gesamtvergütungen an die Vertragsärzte; in der vertragsärztlichen Versorgung verteilt sie die Gesamtvergütung getrennt für die Bereiche der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung. Sie wendet dabei ab dem 1. Juli 2004 den mit den Landesverbänden der Krankenkassen und mit den Verbänden der Ersatzkassen erstmalig bis zum 30.04.2004 gemeinsam und einheitlich zu vereinbarenden Verteilungsmaßstab an; für die Vergütung der im 1. und 2. Quartal 2004 erbrachten vertragsärztlichen Leistungen wird der am 31.12.2003 geltende Honorarverteilungsmaßstab angewandt (§ 85 Abs. 4 S. 1 und 2 SGB V). Ein weiter gehender Honoraranspruch folgt auch nicht aus § 72 Abs. 2 SGB V bzw. aus § 2 Abs. 1 Buchst. a der Satzung der Beklagten. Nach § 72 Abs. 2 SGB V ist die vertragsärztliche Versorgung im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Richtlinien der Bundesausschüsse durch schriftliche Verträge der KVen mit den Verbänden der Krankenkassen so zu regeln, dass (auch) die ärztlichen Leistungen angemessen vergütet werden. Aus dieser Bestimmung kann ein subjektives Recht des einzelnen Vertragsarztes auf höheres Honorar für ärztliche Tätigkeiten erst dann in Betracht kommen, wenn durch eine zu niedrige Vergütung ärztlicher Leistungen das vertragsärztliche Versorgungssystem als Ganzes oder zumindest in Teilbereichen, etwa in einer Arztgruppe, und als Folge davon auch die berufliche Existenz der an dem Versorgungssystem teilnehmenden Vertragsärzte gefährdet wird. Bei einer zu niedrigen Bewertung lediglich einzelner Leistungen oder Leistungskomplexe ist dies regelmäßig nicht der Fall (so zuletzt Bundessozialgericht (BSG), Urt. v. 09.12.2004 – B 6 KA 44/03 R -, Urteilsumdruck S. 49 f. m. w. N.).

Bei Rechtswidrigkeit der Honorarverteilungsregelungen der Antragsgegnerin hätte die Antragstellerin daher lediglich einen Anspruch auf Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts, da nicht ersichtlich ist, aus welchen Gründen sich nur eine mögliche Regelung durch die für den Honorarverteilungsmaßstab zuständigen Vertragspartner ergeben würde. Dabei kann dahinstehen, ob der Auffassung des LSG Brandenburg zu folgen ist, wonach die Gültigkeit einer Norm, im konkreten Fall des als Satzung ergangenen Honorarverteilungsmaßstabs der Kassenärztlichen Vereinigung, grundsätzlich nicht Gegenstand einer Prüfung in einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sein könne, wobei dahinstehen könne, ob dies etwa in Evidenzfällen der Rechtswidrigkeit des HVM keine Geltung beanspruchen dürfe (vgl. LSG Brandenburg, Beschl. v. 30.09.2003 – L 5 B 82/03 KA ER -; ebs. bereits LSG Berlin, Beschl. v. 25.03.1997 - L 7 Ka-SE 7/97 - Breith 1997, 830; zur Überprüfung eines Gefahrentarifs vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 09.01.2003 – 2 L ER-U 46/02 – juris; SG Hamburg, Beschl. v. 18.09.2002 – S 36 U 257/02 ER – juris; aus der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung vgl. VG Gera, Beschl. v. 28.01.2002 - 5 E 960/01 – juris (m.w.N.), wonach im Eilverfahren grundsätzlich von der Gültigkeit der einem Abgabenbescheid zugrundeliegenden Satzungsnorm auszugehen sei, es sei denn, dass deren Nichtigkeit offensichtlich sei, d.h. auch ohne tiefere Überprüfung auf der Hand liege.). Die Kammer kann dies dahingestellt sein lassen, da vorliegend ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht worden ist.

Die Antragstellerin hat einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht.

Ein Anordnungsgrund für vergangene Zeiträume scheidet aus. Grundsätzlich kann eine vorläufige Regelung nach § 87b Abs. 2 SGG nur für die Zukunft wirken. Ein Anordnungsgrund bei Geldleistungen liegt für die Vergangenheit im Regelfall nicht vor (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl. 2004, § 87b, Rdnr. 28).

Maßgeblich kommt es daher allein darauf an, ob die wirtschaftliche Existenz der Praxis gegenwärtig oder in absehbarer Zukunft ernsthaft gefährdet ist und ob die Mitglieder der Antragstellerin noch in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

Ausweislich der Bescheinigung der Steuerberater ist buchtechnisch für das Quartal I/06 von Kosten in Höhe von 37.446,32 Euro auszugehen. Hiervon abzusetzen sind jedoch Abschreibungen (Inventar, Software, Praxiswert) in Höhe von 19.322,50 Euro, weil es sich nicht um tatsächliche Ausgaben, sondern lediglich um Buchwerte und steuerrechtlich relevante Werte handelt. Zu den verbleibenden Unkosten in Höhe von 18.123,82 Euro im Quartal oder monatlich in Höhe von 6.041,27 Euro kommen, wobei die Kammer von praxisbezogenen Aufwendungen ausgeht, Schuldzinsen in Höhe von 6.960 Euro im Halbjahr (ausgehend von den angegebenen Werten für Juli bis Dezember 2005) sowie weiteren Kosten von 1.767,92 Euro im Halbjahr bzw. zusammen 1.454,65 Euro monatlich. Abnutzungen für ein KfZ können wie Abschreibungen nicht berücksichtigt werden. Insgesamt ist daher von einer monatlichen Belastung der Antragstellerin in Höhe von 7.495,92 Euro auszugehen. Dem stehen monatliche Abschlagszahlungen seit 01.07.2005 in Höhe von 12.000 Euro entgegen Hinzu kommen nach den unbestrittenen Angaben der Antragsgegnerin die Restzahlungen für frühere Quartale, so im Dezember 2005 – für Herrn Dr. E. - eine Restzahlung von 14.288,16 Euro für das Quartal II/05 sowie eine Nachzahlung hierzu im Hinblick auf die Neuberechnung gem. Ziff. 7.5 des Honorarverteilungsvertrages in Höhe von weiteren 2.871,13 Euro, ferner im Januar 2006 noch eine korrigierte Restzahlung von zusätzlichen 3.807,59 Euro, ferner für das Quartal III/05 im Januar 2006 eine Restzahlung von 5.008,30 Euro und für das Quartal IV/05 am 27. April einen Abschlag auf die Restzahlung in Höhe von 9.900 Euro. In den Quartalen I und II/06 belaufen sich die Restzahlungen somit auf 8.815,89 Euro bzw. 9.900 Euro und somit durchschnittlich monatlich auf über 3000,00 Euro. Im Ergebnis stehen monatlichen Belastungen in Höhe von 7.495,92 Euro monatliche Einnahmen in Höhe von mehr als 15.000,00 Euro gegenüber, im Saldo wird ein Überschuss vor Steuern von 7.504,08 Euro bzw. pro Behandler von 3.752,04 Euro erzielt. Unberücksicht sind dabei die Einnahmen aus privatärztlicher Tätigkeit.

Die Antragstellerin begehrt letztlich die Garantie, dass für die Behandlung ihrer Patienten ein höheres Honorar von der Antragsgegnerin zu leisten ist. Eine solche Garantie ist aber im einstweiligen Anordnungsverfahren, selbst wenn eine Entscheidung im Sinne der Antragstellerin ergehen würde bzw. könnte, nicht möglich, da Entscheidungen im einstweiligen Anordnungsverfahren grundsätzlich nur vorläufig sind. Selbst wenn die Antragsgegnerin verpflichtet werden würde, der Antragstellerin bereits jetzt auf der Grundlage ihres Vortrages ein höheres Honorar zu bewilligen, so wäre die Antragstellerin bei einem Unterliegen in der Hauptsache rückleistungspflichtig. Dabei kann dahinstehen, ob insoweit ein Erstattungsanspruch nach allgemeinen Vorschriften der Antragsgegnerin besteht oder ob hier eine Schadensersatzverpflichtung der Antragstellerin nach § 945 ZPO i. V. m. § 86b Abs. 2 S. 4 SGG gelten würde. Erweist sich danach die Anordnung einer einstweiligen Verfügung als von Anfang an ungerechtfertigt, so ist die Partei, welche die Anordnung erwirkt hat, verpflichtet, dem Gegner den Schaden zu ersetzen, der ihm aus der Vollziehung der angeordneten Maßregel oder dadurch entsteht, dass er Sicherheit leistet, um die Vollziehung abzuwenden oder die Aufhebung der Maßregel zu erwirken.

Die Kammer erkennt zwar das Bedürfnis der Antragstellerin an, hier aus ihrer Sicht Rechtssicherheit bzw. das ihr zustehende Honorar zu erlangen, weshalb sie nicht schon ein Rechtsschutzbedürfnis für dieses Antragsverfahren verneint hat. Sachlich sieht sie aber schon aus Rechtsgründen keine Möglichkeit, im einstweiligen Anordnungsverfahren letztlich verbindlich festzustellen, welche Honorarverteilungsregelung im Einzelnen zur Anwendung kommt bzw. welche dieser Regelungen möglicherweise rechtswidrig ist. Dies gilt insbesondere auch unter der Berücksichtigung eines Instanzenzuges in einem eventuellen Hauptsacheverfahren.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war aus den gleichen Gründen auch im Hilfsantrag abzuweisen.

Nach allem war der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung insgesamt abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 155 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den gesetzlichen Vorgaben.

Für das Klageverfahren gilt das Gerichtskostengesetz i. d. F. des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (Kostenrechtsmodernisierungsgesetz – KostRMoG) vom 05.05.2004, BGBl. I S. 718, da der Antrag nach dem 30.06.2004 anhängig wurde (vgl. § 72 Nr. 1 GKG). Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, was hier der Fall ist, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt (§ 63 Abs. 2 Satz 1 GKG). In Prozessverfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit wird die Verfahrensgebühr mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 GKG).

In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach den sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitwert für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5.000,00 Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG).

Im Hinblick auf die Vorläufigkeit einer Regelung ist der Streitwert auf die möglichen Zinskosten, ca. 10 % pro Jahr, für die Dauer des Hauptsacheverfahrens – mit der Dauer für das Verwaltungsverfahren noch insgesamt ca. 1 Jahr – festzusetzen. Die Gemeinschaftspraxis bzw. Dr. E. begehrt für das Quartal I/05 noch einen Betrag in Höhe der Differenz der erwarteten Nachvergütung in Höhe von 15.558,84 Euro des festgesetzten Betrages in Höhe von 7.937,54 Euro, also in Höhe von 7.621,30 Euro. Für das Quartal II/05 hat die Antragsgegnerin insgesamt 44.966,88 Euro festgesetzt. Die Antragstellerin macht geltend, sie benötige 60.000 Euro im Quartal, so dass letztlich weitere 15.000 Euro begehrt werden. Für das Quartal III/05 hat die Antragsgegnerin insgesamt 41.008,30 Euro festgesetzt, so dass die Mindestforderung von monatlich weiteren 5.000 Euro gilt; für das Quartal IV/05 sind bisher 45.900 Euro gezahlt worden, so dass weitere 14.100 Euro begehrt werden, für die Monate ab Januar 2006 monatlich weitere 5.000 Euro, somit für den Zeitraum bis April 2007 weitere 80.000 Euro. Für den Zeitraum bis Mai 2006 wären daher sofort 76.700 Euro auszuzahlen. 10 % (Zinskosten ein Jahr) hiervon sind 7.670 Euro. Für die Abschlagsbeträge Juni 2006 bis April 2007 sind ca. weitere 2.750 Euro Zinskosten (geschätzt: 10 % x 11 x 5.500 Euro x ½) zu veranschlagen. Insgesamt ergibt dies den Betrag von 10.430 Euro. Hiervon sind 2.262 Euro (10 % aus 22.621,30 Euro) auf den Zeitraum Januar bis Juni 2005 und somit auf das Verfahren mit Az.: S 12 KA 763/05 ER zu beziehen, 8.168 Euro auf das Verfahren mit Az.: S 12 KA 487/05 ER. Dies ergab den festgesetzten Wert.
Rechtskraft
Aus
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