L 1 R 173/17 B ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 8 R 226/17 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 173/17 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 26. April 2017 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auf 3.022,38 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten in der Hauptsache über eine Beitragsnachforderung in Höhe von 12.089,52 EUR einschließlich Säumniszuschlägen in Höhe von 3.146,50 EUR.

Der Antragsteller (im Folgenden: Ast.) war Inhaber des Fliesenlegerbetriebes ... Er beschäftigte in seinem Betrieb vom 15. Juni 2009 bis zum 31. Dezember 2012 T. K. und vom 1. März bis zum 30. September 2013 D. A., beide 1978 geboren. Ausweislich des Arbeitsvertrages vom 18. Juni 2009 war T. K. ab dem 15. Juni 2009 als Bauhelfer eingestellt. Die Tätigkeit umfasste schwerpunktmäßig alle Tätigkeiten, die zum Betriebsablauf gehören (§1). Eine monatliche Vergütung in Höhe von 165,00 EUR war vereinbart (§ 2). Die regelmäßige Arbeitszeit betrug 14,5 Stunden wöchentlich (§ 3). Ausweislich des Teilzeit-Arbeitsvertrages vom 25. Februar 2013 war D. A. vom 1. März 2013 als Bauhelfer für die Tätigkeit "Zuarbeiten Fliesenlegerhandwerk" eingestellt (1.). Die wöchentliche Arbeitszeit betrug 25 Stunden (2.a). Die monatliche Brutto-Vergütung betrug insgesamt 460,00 EUR (6.a).

Mit Schreiben vom 4. Dezember 2014 hörte die Antragsgegnerin (im Folgenden: Ag.) den Ast. nach der am 29. Oktober 2014 erfolgten Betriebsprüfung dazu an, dass beabsichtigt sei, für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis zum 30. September 2013 Nachforderungen zur Sozialversicherung in Höhe von insgesamt 12.089,52 EUR zu erheben. In der Nachforderung seien Säumniszuschläge in Höhe von 3.146,50 EUR enthalten. Der Mindestlohn im Bauhauptgewerbe sei für T. K. und D. A. unterschritten worden. Der Ast. habe Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 22. Dezember 2014.

Der Ast. führte am 23. Dezember 2014 dazu aus, die vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit sei nicht überschritten worden. Stundenzettel seien allerdings von beiden Arbeitnehmern nicht geführt worden. Diese hätten jedoch hauptsächlich Arbeiten auf dem Firmengelände verrichtet. Er selbst habe sämtliche Arbeiten auf den Baustellen selbst erledigt. Die von den Arbeitnehmern überwiegend vorgenommenen Arbeiten (Rasenpflege des 2000 m² großen Grundstücks, Heckenpflege, Bäume fällen, Wurzeln entfernen, Laubarbeiten, Hofreinigung, Winterräumungsdienst) seien keinesfalls dem Bauhauptgewerbe zuzuordnen und unterlägen damit auch nicht dem Bautarifvertrag. Im Übrigen seien bei der letzten Betriebsprüfung den Zeitraum vom 1. Juni 2006 bis zum 31. Dezember 2009 betreffend keine Beanstandungen erhoben worden. Er habe sich deshalb darauf verlassen können, dass der Arbeitsvertrag des T. K. nicht gegen geltendes Recht verstoße und insbesondere nicht gegen den tariflich vereinbarten Mindestlohn. Der Ast. fügte u.a. Lohnkonten betreffend D. A. (Berufsbezeichnung Bauhelfer, Tätigkeitsmerkmal 331012212) und betreffend T. K. (Berufsbezeichnung Hilfsarbeiter, Tätigkeitsmerkmal 331013212) bei.

Mit Bescheid vom 19. März 2015 forderte die Ag. die durch die Unterschreitung des Mindestlohns im Baugewerbe zu wenig entrichteten Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen in Höhe von 12.089,52 EUR einschließlich 3.146,50 EUR Säumniszuschläge nach. T. K. übersteige durch die Berücksichtigung des geltenden Mindestlohns für das Baugewerbe die Geringfügigkeitsgrenze von 400,00 EUR im Monat regelmäßig. Er unterliege daher der Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung. Die durch die Unterschreitung des Mindestlohns im Baugewerbe für T. K. und D. A. im Prüfzeitraum zu wenig entrichteten Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen würden nachberechnet. Die für T. K. bereits für die Minijobzentrale nachgewiesenen Pauschalbeiträge und Umlagen würden hierbei berücksichtigt und mit der sich ergebenden Nachforderung verrechnet.

In dem dagegen erhobenen Widerspruch, mit dem er gleichzeitig die Aussetzung der Vollziehung des Bescheides beantragte, verwies der Ast. auf die Ausführungen in seiner Stellungnahme zum Anhörungsschreiben vom 18. Dezember 2014. Zudem machte er geltend, der Bescheid vom 19. März 2015 leide an einem Formmangel, da er weder eine Unterschrift trage noch den Bearbeiter ausweise, der für den Erlass des Bescheides verantwortlich sei. Es handele sich zudem nicht um einen individuellen Bescheid. Ferner bestehe kein Anspruch auf Zahlung von Säumniszuschlägen. Er habe unverschuldet keine Kenntnis von der Beitragspflicht gehabt.

Mit Schreiben vom 23. April 2015 setzte die Antragsgegnerin den Vollzug der Beitragsforderung in voller Höhe bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens, verbunden mit der Auflage zur Verzinsung der Beitragsforderung aus, sofern der Widerspruch zurückzuweisen sei bzw. eine Rücknahme des Widerspruchs erfolge. Im Widerspruchsverfahren erteilten D. A. und T. K. mit Schreiben vom 29. bzw. 31. Mai 2015 Auskunft über den Aufgabenbereich und den Umfang ihrer Tätigkeit bei dem Ast.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. August 2015 wies die Ag. den Widerspruch als unbegründet zurück. Ergänzend teilte sie mit, bei einem schriftlichen Verwaltungsakt, der mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen werde, könnten gem. § 33 Abs. 5 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) abweichend von Abs. 3 SGB X Unterschrift und Namenswiedergabe fehlen.

Hiergegen hat der Ast. am 21. September 2015 Klage beim Sozialgericht Halle erhoben und gleichzeitig den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gestellt. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ist vom Sozialgericht versehentlich erst am 19. April 2017 als solcher eingetragen worden. Der Ast. hat geltend gemacht, dass nicht nur der Bescheid vom 19. März 2015, sondern auch der Widerspruchsbescheid vom 19. August 2015 nichtig sei. Beide Bescheide trügen weder eine Unterschrift noch wiesen sie den Bearbeiter aus. Die Ag. könne aus diesen Bescheiden keine Ansprüche gegen ihn geltend machen. Ausweislich der Mitteilung der Handwerkskammer Halle (Saale) vom 31. Oktober 2004 sei er bei der Eröffnung seiner Firma in das Verzeichnis handwerksähnlicher Gewerbe eingetragen worden. Er sei deshalb davon ausgegangen, dass die Regelungen des Bauhauptgewerbes für ihn nicht gelten würden. Er habe ferner keinesfalls den Mindestlohn des geltenden Tarifvertrages bewusst unterschritten. Er sei nicht einmal davon ausgegangen, dass der Tarifvertrag für ihn und seine Angestellten zur Anwendung komme. Seine Arbeiten seien nicht dem Bauhauptgewerbe zuzuordnen und damit erst recht nicht die Hilfsarbeiten der Angestellten. Da er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht gehabt habe, bestehe kein Anspruch auf Säumniszuschläge. Im Übrigen sei der Anspruch auf Nachzahlung der Sozialversicherungsbeiträge verwirkt. Mit Schreiben vom 19. April 2010 habe ihn die Ag. anlässlich einer Betriebsprüfung am 19. April 2010 den Prüfzeitraum vom 1. Juni 2006 bis zum 31. Dezember 2009 betreffend davon in Kenntnis gesetzt, dass die durchgeführte stichprobenweise Überprüfung keine Beanstandungen im Sinne der Sozialversicherung ergeben habe. Insoweit genieße er Vertrauensschutz. Ihn treffe deswegen auch kein Verschulden. Darüber hinaus sei der geltend gemachte Anspruch verwirkt. Da er keine Firma mehr habe, sei es ihm schließlich nicht möglich, die Beiträge zu zahlen.

Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 26. April 2017 den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage abgelehnt. An der Rechtmäßigkeit des Bescheides der Ag. vom 19. März 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 2015 bestünden keine ernsthaften Zweifel. Der beanstandete Widerspruchsbescheid sei nicht nichtig. Das Fehlen eigenhändiger Unterschriften der Mitglieder des Widerspruchsausschusses auf dem Widerspruchsbescheid begründe keine formelle Rechtswidrigkeit im Sinne von § 33 SGB X, erst recht keinen zur Nichtigkeit führenden besonders schwerwiegenden Fehler. Es könne offen bleiben, ob es sich bei dem angefochtenen Widerspruchsbescheid um einen Verwaltungsakt handele, welcher mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen worden sei. Der Widerspruchsbescheid sei schriftlich erlassen worden, lasse als Absender ohne weiteres die erlassende Behörde erkennen und gebe auf Seite 6 auch die Namen der Mitglieder des entscheidenden Widerspruchsausschusses und damit auch den Namen der Mitarbeiterin wieder, welche als Vertreterin des Direktoriums der Ag. an der Entscheidung beteiligt gewesen sei. Der Widerspruchsbescheid entspreche den Anforderungen des § 33 Abs. 3 Satz 1 SGB X in Verbindung mit § 85 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Ferner bestehe keine aus der Bestandskraft der Prüfmitteilung der Ag. vom 19. April 2010 abgeleitete Bindungswirkung, die einer Erhebung der streitigen Beiträge entgegenstünde. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), zuletzt im Urteil vom 18. November 2015 (B 12 R 7/14 R), vermittle die frühere "beanstandungsfrei" verlaufene Betriebsprüfung dem Ast. keinen "Bestandsschutz" gegenüber einer neuerlichen Beitragsforderung, die der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide entgegenstehen könnte. Diese entfalte auch aus sonstigen Gründen keine Bindungswirkung und vermittle dem Ast. keinen Bestandsschutz gegenüber einer Beitragsforderung, etwa aus Gründen der Verwirkung oder des Vertrauensschutzes (unter Hinweis auf das Urteil des BSG vom 30. Oktober 2013 - B 12 AL 2/11 R).

Der Ausgang des Hauptsacheverfahrens sei bezüglich der Frage, ob der Ast. im Prüfzeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 30. September 2013 einen Betrieb unterhalten habe, welcher dem Geltungsbereich der Tarifverträge zur Regelung der Mindestlöhne im Baugewerbe in den neuen Bundesländern unterfiele, allenfalls als offen anzusehen. Erfasst würden alle gewerblichen Arbeitnehmer mit versicherungspflichtiger Beschäftigung. Der Sachvortrag der Ag. sei zunächst schlüssig und ausreichend, als die vorgetragenen Tatsachen den Schluss zuließen, der Betrieb des Ast. werde vom betrieblichen Geltungsbereich des Bauhauptgewerbes erfasst. In den Gehaltsabrechnungen und den Meldungen zur Sozialversicherung seien für beide Arbeitnehmer die Tätigkeitsschlüssel 331012212 – Beschäftigung als Fliesenleger – verwendet worden. Dafür sprächen auch die Tätigkeitsbeschreibungen in den Arbeitsverträgen. Eine abschließende Beurteilung dazu sei im Hauptsacheverfahren geboten. Auch die Festsetzung von Säumniszuschlägen lasse weder dem Grunde noch der Höhe nach Rechtsfehler zulasten des Ast. erkennen. Dieser habe nicht glaubhaft machen können, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht gehabt habe. Ein Arbeitgeber dürfe sich regelmäßig in Zweifelsfällen nicht mit eigenen subjektiven Einschätzungen der Rechtslage begnügen. Bei Zweifeln über die Rechtslage seien Erkundigungen einzuziehen. Im Übrigen zeichne sich schon der eigene Vortrag des Ast. durch durchgreifende Widersprüchlichkeiten aus. Dieser habe zunächst vorgetragen, er habe gewusst, dass die von ihm verrichteten Arbeiten unter das Bauhauptgewerbe fielen. Aufgrund der Eintragung in das Verzeichnis handwerksähnlicher Betriebe sei er – bewusst – davon ausgegangen, er unterfiele nun doch nicht mehr dem Tarifvertrag. Andererseits trage er auch vor, er sei nicht einmal davon ausgegangen, dass der Tarifvertrag für ihn und seine Angestellten zur Anwendung komme. Schließlich habe der Ast. nichts dazu vorgetragen, dass die Vollziehung für ihn eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Gegen den ihm am 26. April 2017 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 22. Mai 2017 Beschwerde beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt. Er nimmt Bezug auf den Vortrag beim Sozialgericht und rügt erneut das Fehlen der Unterschrift der Ag. auf dem Widerspruchsbescheid. Es liege damit kein formwirksamer gültiger Verwaltungsakt, sondern lediglich ein Entwurf des Verwaltungsaktes ohne rechtliche Bedeutung vor. Zudem sei die Antrag der Ag. vom 16. Juni 2017, eingegangen beim LSG am 5. Juli 2017, unwirksam gestellt worden. Es fehle auch dort die Unterschrift. Für das schuldhaft amtspflichtwidrige und gesetzesuntreue Verhalten der Ag. durch die Unterlassung der Anwendung des ab 1. September 2009 geltenden TV - Mindestlohns bei der vorangegangenen Betriebsprüfung werde er nun unverschuldet und rechtsunwissend mit einem Entwurf eines belastenden Verwaltungsaktes zur Kasse gebeten. Darüber hinaus könne er nicht ausschließen, dass die Ag. bewusst gehandelt habe, in der Absicht, zukünftige Einnahmen in Form von Sozialabgaben und Säumniszuschlägen zu sichern bzw. Beitragsausfälle durch die Verhinderung ansonsten sich aus wirtschaftlichen Gründen aufdrängender Kündigungen zu verhindern. Im Übrigen sei ihm durch das schuldhaft amtspflichtwidrige und gesetzesuntreue Verhalten der Ag. ein Vermögenschaden von hohem Ausmaß zugeführt worden. Er sei im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als ob die Auskunft in dem Prüfbescheid vom 19. April 2010 richtig erteilt worden wäre.

Der Ast. beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 26. April 2017 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Ag. vom 19. März 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 2015 anzuordnen.

Die Ag. beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend.

Die AOK Sachsen-Anhalt hat mit Schreiben vom 15. November 2017 für den Fall, dass kein Ausgleich der Forderung erfolgten sollte, für den 29. November 2017 die Pfändung angekündigt.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakte der Ag. Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung des Senats gewesen sind.

II.

Die zulässige Beschwerde des Ast. ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Voraussetzungen einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage zu Recht verneint.

Nach § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung entfällt nach § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei einer Entscheidung über die Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. In den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 4 SGG durch Beschluss die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. In entsprechender Anwendung der Regelung in § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG liegen die Voraussetzungen der Anordnung der aufschiebenden Wirkung vor, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Im Rahmen der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung ist für den Senat nicht erkennbar, dass die Beitragsforderung der Ag. offensichtlich rechtswidrig ist. Zur Begründung verweist der Senat nach § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts Halle in den Gründen des Beschlusses vom 26. April 2017, denen er sich nach eigener Überprüfung der Sach- und Rechtslage anschließt.

Aus dem Vorbringen des Ast. im Beschwerdeverfahren ergeben sich für den Senat keine neuen Erkenntnisse. Das Fehlen eigenhändiger Unterschriften der Mitglieder des Widerspruchsausschusses auf dem Widerspruchsbescheid vom 19. August 2015 begründet nicht einmal einen Formfehler. Es reicht aus, wenn der Widerspruchsbescheid die Namenswiedergabe der der an der Entscheidung über den Widerspruch beteiligten Personen enthält (vgl. LSG Baden- Württemberg, Urteile vom 29. Januar 2013 - L 9 R 3176/11 - und vom 6. März 2015 - L 4 R 2666/13 -). Das Sozialgericht hat zutreffend festgestellt, dass der Widerspruchsbescheid vom 19. August 2015 diesen Anforderungen genügt. Der Senat weist ferner darauf hin, dass die Beschwerdeerwiderung der Ag. vom 16. Juni 2017 im Original von dem Mitarbeiter der Ag. P. unterschrieben worden ist. Lediglich die Mehrausfertigungen tragen keine Unterschrift.

Wie bereits das Sozialgericht unter Verweis auf die Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 18. November 2015, B 12 R 7/14 R) zutreffend angeführt hat, entfaltet eine frühere "beanstandungsfrei" verlaufene Betriebsprüfung mit ihrer Schlussbesprechung und der in diesem Zusammenhang ergangene frühere Bescheid keine Bindungswirkung. Dem Ast. wird dadurch kein "Bestandsschutz" gegenüber einer neuerlichen Beitragsforderung, die der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide entgegenstehen könnte, vermittelt. Da auch bei "kleineren" Betrieben eine Betriebsprüfung auf Stichproben beschränkt bleiben darf (vgl. BSG, Urteil vom 30. Oktober 2013, B 12 AL 2/11 R), trifft die Ag. keine Verpflichtung, die versicherungsrechtlichen Verhältnisse (aller) Mitarbeiter vollständig zu beurteilen und die Meldungen und Beitragszahlungen eines Arbeitgebers in Bezug auf sämtliche Betriebsangehörige unter allen denkbaren Aspekten zu prüfen. Insoweit kommt es auf ein Verschulden der Ag., die bei einer vorangegangenen Prüfung die nicht erfolgte Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen nicht gerügt hat, nicht an.

Die nicht erfolgte Abführung der vollständigen Sozialversicherungsbeiträge kann nicht über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch korrigiert werden. Dieser ist nur auf die Herstellung eines gesetzmäßigen Zustandes gerichtet.

Die Kostengrundentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i § 52 Abs. 3 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Als Grundlage der Festsetzung hat der Senat, abweichend von der Streitwertfestsetzung des Sozialgerichts, ein Viertel der um die Säumniszuschläge ermäßigten streitigen Beitragsforderung angesetzt (vgl. z.B. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 17. Mai 2010 - L 3 R 408/09 B ER -).

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).

gez. Müller-Rivinius gez. Schäfer gez. Bullwan
Rechtskraft
Aus
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