Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 1057/06
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 31/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 2/10 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Nr. 6.1 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM 2005 ist insofern rechtswidrig und nichtig, als die Bestimmung den Arzt mit einer Doppelqualifikation (hier: Neurologie und Augenheilkunde), mit der er auch zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist, hinsichtlich der Abrechnung des Ordinationskomplexes auf den Versorgungsauftrag auf der Grundlage der Arztabrechnungsnummer beschränkt.
1. Unter Aufhebung des Bescheides vom 10.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.11.2006 wird die Beklagte verurteilt, der Klägerin eine Genehmigung zur Abrechnung des neurologischen Ordinationskomplexes nach den Nummern 16210 bis 16212 EBM 2005 ab dem Quartal I/06 und ff. zu erteilen.
2. Die Beklagte hat die Verfahrenskosten zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Genehmigung zur Abrechnung des neurologischen Ordinationskomplexes nach den Nrn. 12210 bis 16212 EBM 2005 für die Quartale ab I/06 ff.
Die Klägerin mit einer sog. Doppelqualifikation ist seit September 1993 als Fachärztin für Augenheilkunde und Fachärztin für Neurologie zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen.
Am 03.04.2006 erhob die Klägerin Einspruch gegen die Abrechnung des Quartals II/05. Zur Begründung führte sie aus, im Rahmen der Besitzstandswahrung beantrage sie, wieder den neurologischen Ordinationskomplex abrechnen zu können. Sie sei bundesweit die einzige niedergelassene Neuroophthalmologin. Es entspreche nicht dem Grundgesetz, ihr die Möglichkeit der freien Berufswahl in dieser Form zu nehmen und ihre ganz besondere Spezialisierung einfach zu streichen. Ein Patient mit einer neuroophthalmologischen Erkrankung bedürfe einer das Vielfache betragenden Zeit für Diagnostik, Anamneseerhebung und eines wesentlich höheren Zeitaufwands für persönliche Gespräche.
Mit Bescheid vom 10.07.2006 wies die Beklagte den Antrag zurück. Den Antrag der Klägerin wertete sie als Antrag auf Genehmigung zur Abrechnung des neurologischen Ordinationskomplexes nach den Nrn. 16210 bis 16212 EBM 2005. Zur Begründung führte Sie aus, gemäß ihres Zulassungsstatus könne die Klägerin nur die in den Kapiteln 6 und 16 des EBM 2005 genannten fachgruppenspezifischen Leistungen sowie die in den Präambeln der Kapitel 6.1 und 16.1 genannten Leistungen außerhalb der fachgruppenspezifischen Kapitel erbringen und abrechnen, wenn sie die entsprechenden Qualifikationsvoraussetzungen erfülle. Die Nrn. 16210 bis 10212 EBM 2005 könne sie weiterhin abrechnen, allerdings nur nach den Nrn. 06110 und 06112 EBM 2005 des entsprechenden fachgruppenspezifischen Kapitels. Ursächlich hierfür sei, dass nach den allgemeinen Bestimmungen des EBM 2005 der anzusetzende Ordinationskomplex grundsätzlich nach dem Versorgungsauftrag (Identifikation über die Arztabrechnungsnummer) richtet. Insoweit könne von der Klägerin nur der Ordinationskomplex des Kapitels 6 EBM 2005 berechnet werden.
Hiergegen legte die Klägerin am 11.08.2006 Widerspruch ein. Darin führte sie aus, wie ihren bisherigen Abrechnungen zu entnehmen sei, habe sie zum Beispiel im Falle einer Bindehautentzündung natürlich nur die hierfür relevanten Ziffern der Augenheilkunde in Abrechnung gebracht. Bei einem Bandscheibenvorfall im Lendensäulenbereich rechne sie keine augenärztlichen Ziffern ab. Die Untersuchungsleistung sei auf die Beschwerden in der unteren Körperhälfte beschränkt, und daher rechne sie nur neurologische Ziffern ab. Bei einer länger bestehenden Kopfschmerzsymptomatik oder Amaurosis fugax Attacken müssten natürlich beide Fachbereiche abgeklärt werden. Wenn die Beklagte unter Hinweis auf ihre Stempelnummer sie allein auf die augenärztlichen Ordinationsziffern hinweise, werde sie offiziell zur Falschabrechnung aufgefordert. Sie beantrage, dass sie die indikationsabhängig tatsächlich erbrachten Leistungen und Beratungen mit den der Diagnose entsprechenden Ziffern zur Abrechnung bringen könne.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.11.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. In den Bescheidgründen führte sie aus, der angegriffene Antragsbescheid sei rechtmäßig. Er beruhe auf der Grundlage wirksamer Regelungen in Form der seit dem 01.04.2005 geltenden Gebührenordnungsbestimmungen. Die Bestimmungen des EBM 2005 beinhalteten eine fachgruppenspezifische Abrechungssystematik. Zugleich sei in den Präambeln der einzelnen Kapitel zusätzlich niedergelegt worden, dass grundsätzlich ausschließlich die dort genannten Leistungen außerhalb des fachgruppenspezifischen Kapitels zur Abrechnung kommen könnten. Ausschlaggebend sei deshalb die fachgruppenspezifische Zuordnung der Leistungen. Gemäß ihres Zulassungsstatus könne die Klägerin die in den Kapiteln 6 und 16 genannten augenärztlichen bzw. neurologischen Leistungen des EBM 2005 sowie die in den Präambeln der Kapitel 6.1 und 16.1 genannten Leistungen außerhalb des fachgruppenspezifischen Kapitels erbringen und abrechnen, wenn sie die entsprechenden Qualifikationsvoraussetzungen erfülle. Gemäß Ziffer 6.1 der allgemeinen Bestimmungen des EBM 2005 richte sich für einen Vertragsarzt, der seine Tätigkeit unter mehreren Gebietsbezeichnungen ausübe, der Ordinationskomplex nach dem Versorgungsauftrag (Identifikation über die Arztabrechnungsnummer), mit der er zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sei. Danach könne von der Klägerin nur der Ordinationskomplex des Kapitels 6 EBM 2005 berechnet werden. Dies gelte auch dann, wenn es sich um einen Behandlungsfall handele, bei dem neurologische Leistungen erbracht und abgerechnet würden. Im Hinblick auf die eindeutigen Bestimmungen des EBM 2005, die im übrigen mit Art. 12 des Grundgesetzes im Einklang stünden, könne von einer Aufforderung zur Falschabrechnung nicht die Rede sein. Soweit die Klägerin auf den Aspekt der Besitzstandswahrung hinweise, sei anzumerken, dass sie neurologische Leistungen weiterhin abrechen könne. Soweit sie den neurologischen Ordinationskomplex abgerechnet habe, könne hieraus kein Vertrauen entstehen. Vertrauen könne nur solange bestehen, bis darauf hingewiesen werde, dass für die Zukunft die Verwaltungspraxis geändert werde, hier also allenfalls bis zur Einführung des EBM 2005 zum 01.04.2005. Aus dem Umstand, dass die Klägerin über einen längeren Zeitraum berechtigt gewesen sei, vorgenannte Leistungen abzurechnen, erwachse kein Recht, auch in der Zukunft entsprechend abrechnen zu dürfen.
Hiergegen hat die Klägerin am 15.12.2006 die Klage erhoben. Ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen trägt sie vor, der EBM 2005 berücksichtige nicht ihre besondere Facharztkombination. Es bedürfe einer verfassungskonformen Auslegung.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 10.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.11.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr die Abrechnung des neurologischen Ordinationskomplexes nach Ziffern 16210 bis 16212 EBM 2005 für die Quartale I/06 und ff. zu genehmigen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, die Abrechnungsnummer bei Vertragsärzten mit mehreren Gebietsbezeichnungen werde grundsätzlich über den Schwerpunkt der vertragsärztlichen Tätigkeit bestimmt. Im Falle der Klägerin liege der Schwerpunkt im Bereich der Augenheilkunde. Ein Wechsel der Arztnummer erscheine nicht sachgerecht. Sie könne dann die Ziffern 06210, 06211 und 06212 nicht abrechnen. Im Ergebnis stehe die Klägerin besser. Die Ziffern 06210 und 06211 würden zwar eine unwesentlich geringere Punktzahl aufweisen, dafür liege die Ziffer 06212 mit 465 Punkten weit über der Ziffer 16212 mit lediglich 420 Punkten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Die zulässige Klage ist begründet.
Der angefochtene Bescheid vom 10.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.11.2006 ist rechtswidrig. Er war daher aufzuheben. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung zur Abrechnung des neurologischen Ordinationskomplexes nach Ziffern 16210 bis 16212 EBM 2005 für die Quartale I/06 und ff.
Nach dem ab 01.04.2005 geltenden EBM 2005 sind die abrechnungsfähigen Leistungen drei Bereichen zugeordnet: arztgruppenübergreifenden allgemeinen Leistungen, arztgruppenspezifischen Leistungen und arztgruppenübergreifenden speziellen Leistungen. Arztgruppenspezifische Leistungen unterteilen sich in Leistungen des hausärztlichen und des fachärztlichen Versorgungsbereichs. In den arztgruppenspezifischen Kapiteln bzw. Abschnitten sind entweder durch Aufzählung der Leistungspositionen in den jeweiligen Präambeln oder Auflistung im Kapitel bzw. Abschnitt alle von einer Arztgruppe berechnungsfähigen Leistungen angegeben. Arztgruppenspezifische Leistungen können nur von den in der Präambel des entsprechenden Kapitels bzw. Abschnitts genannten Vertragsärzten, die die dort aufgeführten Kriterien erfüllen, berechnet werden (Abschnitt I 1.2.2 EBM 2005). Abrechnungsfähige Leistungen, deren Berechnung an ein Gebiet, einen Schwerpunkt (Teilgebiet), eine Zusatzbezeichnung oder sonstige Kriterien gebunden ist, setzen das Führen der Bezeichnung, die darauf basierende Zulassung und/oder die Erfüllung der Kriterien voraus (vgl. Abschnitt I 1.2 bis 1.5 EBM 2005).
Bei den von der Klägerin begehrten Leistungen nach Kapitel 16 EBM 2005 (Neurologische und neurochirurgische Leistungen) handelt es sich um arztgruppenspezifische Leistungen. Sie sind Teil des fachärztlichen Versorgungsbereichs nach Abschnitt IIIb. Die in Kapitel 16 EBM 2005 aufgeführten Leistungen können u. a. von Fachärzten für Neurologie abgerechnet werden (Präambel 16.1 EBM 2005). Aufgrund ihres Zulassungsstatus erfüllt die Klägerin diese Voraussetzungen. Sie ist aber zugleich auch als Fachärztin für Augenheilkunde zugelassen. Bezüglich des Ordinationskomplexes bestimmt Nr. 6.1 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM 2005, dass für einen Vertragsarzt, der seine Tätigkeit unter mehreren Gebietsbezeichnungen ausübt, sich die Höhe des Ordinationskomplexes nach dem Versorgungsauftrag (Identifikation über die Arztabrechnungsnummer) richtet, mit dem er zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist, sofern in den Präambeln der arztgruppenspezifischen Kapitel nichts anderes bestimmt ist. Mangels einer weiteren Bestimmung in den Präambeln der arztgruppenspezifischen Kapitel geht die Beklagte daher auf der Grundlage des EBM 2005 davon aus, dass die Klägerin nur den Ordinationskomplex nach Kapitel 6 EBM 2005 abrechnen kann. Die Beklagte hat insofern die Bestimmungen des EBM 2005 zutreffend angewandt. Nach den Bestimmungen des EBM 2005 kann eine Genehmigung für die von der Klägerin begehrten Leistungen nicht erteilt werden. Bei den Bewertungsmaßstäben handelt es sich um Normsetzung durch Vertrag (vgl. BSG, Urteil vom 9. Dezember 2004, Az: B 6 KA 44/03 R, SozR 4-2500 § 72 Nr. 2 = BSGE 94, 50 = GesR 2005, 307 = MedR 2005, 538 = Breith 2005, 817, juris Rdnr. 78). Die Beklagte ist hieran gebunden (vgl. § 81 Abs. 3 Nr. 1 SGB V).
Nr. 6.1 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM 2005 ist aber insofern rechtswidrig und nichtig, als die Bestimmung den Arzt mit einer Doppelqualifikation, mit der er auch zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist, hinsichtlich der Abrechnung des Ordinationskomplexes auf den Versorgungsauftrag auf der Grundlage der Arztabrechnungsnummer beschränkt.
Es fehlt zunächst an einer Regelung, nach welchen Kriterien bei einer Doppelqualifikation die Arztabrechnungsnummer vergeben wird bzw. eine Beschränkung auf die Abrechnung des Ordinationskomplexes nach einem Fachgebiet erfolgt. Im EBM 2005 werden keine Regelungen getroffen, die die Zuordnung einer Ärztin mit Doppelzulassung bzw. der von ihr erbrachten Leistungen regelt. Die Kammer hält dies für rechtswidrig.
Die Zuordnung zu einem Fachgebiet mit der Folge, nur einen Ordinationskomplex abrechnen zu können, ist eine wesentliche Regelung, die nur in der Form einer rechtlichen Regelung ergehen kann. Die Verwaltungspraxis der Beklagten, eine Zuordnung nach dem Schwerpunkt der Praxis bzw. der Abrechnungsnummer vorzunehmen, ist ohne die erforderliche Rechtsgrundlage ergangen und damit rechtswidrig. Dies verstößt auch gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit. Dies ist von der Kammer hinsichtlich der Honorarverteilung bereits mit Urteil vom 19.07.2006 – S 12 KA 45/05 – www.sozialgerichtsbarkeit.de (Berufung eingelegt bei dem LSG Hessen, Az.: L 4 KA 55/06) festgestellt worden (ebs. LSG Hessen, Urt. v. 09.08.2006 – L 4 KA 7/05 – www.sozialgerichtsbarkeit.de; SG Frankfurt a. M., Urt. v. 06.10.2004 – S 27 KA 3096/03 ; SG Dresden, Urt. v. 17.12.2003 – S 15 KA 378/02 - www.sozialgerichtsbarkeit.de).
Die Entscheidung eines in zwei Fachgebieten zugelassenen Vertragsarztes, seine Tätigkeit schwerpunktmäßig auf ein Fachgebiet auszurichten und im anderen Fachgebiet nur gelegentlich tätig zu werden, ist Teil seiner durch Art 12 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Berufsausübungsfreiheit. Vergütungsbeschränkende Regelungen, die in diese Entscheidung und die davon geprägte Struktur der vertragsärztlichen Praxis eingreifen, bedürfen einer hinreichenden normativen Grundlage. Diese muss nicht im Gesetz selbst enthalten sein. (vgl. BSG, Urteil vom 20. Januar 1999, Az: B 6 KA 78/97 R, SozR 3-2500 § 87 Nr. 20, hier zitiert nach juris, Rdnr. 15; s. a. BSG, Urteil vom 26. Januar 2000, Az: B 6 KA 53/98 R, SozR 3-2500 § 95 Nr. 22).
Die Beschränkung auf die Abrechenbarkeit des Ordinationskomplexes eines Fachgebietes bei einer Doppelzulassung kann auch nicht mit Gründen der Verwaltungspraktikabilität gerechtfertigt werden. Dem steht bereits die grundrechtliche Gewährleistung der freien Berufsausübung entgegen. Zum anderen ist nicht ersichtlich, weshalb unterschiedliche Ordinationskomplexe nicht auch ohne Verwaltungsmehraufwand abgerechnet werden können, soweit in der Praxis Patienten mit Beschwerden aus unterschiedlichen Fachgebieten behandelt werden.
Nach Nr. 4.2 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM 2005 kann der Ordinations- oder Konsiliarkomplex nur von den in der Präambel der entsprechenden arztgruppenspezifischen oder arztgruppenübergreifenden Kapitel genannten Leistungserbringern beim ersten persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt im Quartal berechnet werden. Er ist nur einmal im Behandlungsfall berechnungsfähig (kurativ-ambulant) und umfasst die in Anhang 1 aufgeführten Leistungen. Bei einer ambulanten und stationären (belegärztlichen) Behandlung in demselben Quartal ist der Ordinationskomplex zweimal berechnungsfähig (jeweils kurativ-ambulant und kurativ-stationär). Eine Berechnung von Ordinations- und Konsiliarkomplex in demselben Behandlungsfall ist nicht möglich. Bei einer in demselben Behandlungsfall erfolgten Berechnung der Leistung nach Nr. 01210 (Ordinationskomplex im organisierten Notfalldienst) ist für die gleichzeitige Berechnung des Ordinationskomplexes mindestens ein weiterer persönlicher kurativer Arzt-Patienten-Kontakt außerhalb des organisierten ärztlichen Not(fall)dienstes notwendig. Bei Überweisungen zur Durchführung von Auftragsleistungen (Indikations- oder Definitionsauftrag gemäß § 24 Abs. 3 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) bzw. § 27 Abs. 3 Arzt-/Ersatzkassenvertrag (EKV) an nicht ausschließlich auftragnehmende Ärzte gemäß § 13 Abs. 4 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) bzw. § 7 Abs. 4 Arzt-/ Ersatzkassenvertrag (EKV)) ist der Ordinationskomplex nicht berechnungsfähig. Bei mehr als einer Inanspruchnahme des Arztes an demselben Tag kann nur dann der Konsultationskomplex zusätzlich zum Ordinationskomplex oder der Konsultationskomplex mehr als einmal berechnet werden, wenn die Inanspruchnahmen durch die Beschaffenheit der Erkrankung geboten waren (Uhrzeitangaben).
Weshalb darüber hinaus eine Beschränkung auf den Ordinationskomplex erfolgen muss, erschließt sich der Kammer nicht. Hinzu kommt, dass bei fachgebietsübergreifenden Gemeinschaftspraxen eine Beschränkung auf ein bestimmtes Fachgebiet nicht erfolgt, die Höhe des Ordinationskomplexes zudem aus einem Mittelwert berechnet wird. So bestimmt Nr. 5.1 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM 2005, dass die Höhe des Ordinationskomplexes von Gemeinschaftspraxen und medizinischen Versorgungszentren als arithmetischer Mittelwert der Punktzahlen der Ordinationskomplexe der in der Gemeinschaftspraxis oder dem medizinischen Versorgungszentrum vertretenen Ärzte berechnet wird.
Die Kammer brauchte in diesem Verfahren nicht zu entscheiden, ob insofern nicht auch eine Benachteiligung der Ärzte mit Doppelqualifikation gegenüber fachgebietsübergreifenden Gemeinschaftspraxen liegt, als letztere nach der genannten Bestimmung einen Zuschlag zum Ordinationskomplex erhalten. So gilt für diese Gemeinschaftspraxen, medizinische Versorgungszentren und Praxen mit angestellten Ärzten die Regelung, dass die abzurechnende Punktzahl des Ordinationskomplexes unter Berücksichtigung eines Aufschlags von 60 Punkten für arztgruppen- und schwerpunktgleiche Gemeinschaftspraxen und Praxen mit angestellten Ärzten, 15 Punkten je in einer arztgruppen- oder schwerpunktübergreifenden Gemeinschaftspraxis oder einem medizinischen Versorgungszentrum repräsentiertem Fachgebiet oder Schwerpunkt, jedoch mindestens 60 Punkten und höchstens 105 Punkten errechnet wird. Soweit dadurch dem Umstand des breiteren Leistungsumfangs und des damit meist einhergehenden größeren Umfang der Vorhaltung von Praxismitteln Rechnung getragen wird, da der Ordinationskomplex auch bei fachgebietsübergreifender Behandlung nur einmal im Quartal je Behandlungsfall abgerechnet werden kann, so gelten diese Besonderheiten auch für die Praxis einer Ärztin mit Doppelqualifikation. Die Beschränkung auf einen Ordinationskomplex, die hier für beide Fachgebiete der Klägerin als obligaten Leistungsinhalt lediglich einen persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt beinhalten, bedeutet im Ergebnis, dass aber auch kumulativ die fakultativen Leistungsinhalte beider Fachgebiete mit dem Ordinationskomplex abgegolten sind. Diese Frage konnte aber hier dahinstehen, da die Höhe des Ordinationskomplexes nicht Gegenstand des Verfahrens war.
Aufgrund der Nichtigkeit der Nr. 6.1 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM 2005 verbleibt es bei der Abrechnungsfähigkeit aller Leistungen nach beiden Fachgebieten (Nr. 6.2 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM 2005). Zur Klarstellung ist die Beklagte aber verpflichtet, eine entsprechende – feststellende - Genehmigung zu erteilen. Diese bedeutet aber nicht, dass der Ordinationskomplex in einem Behandlungsfall aus beiden Fachgebieten abgerechnet werden könnte. Insofern gilt weiterhin die Regelung nach Nr. 4.2 Satz 2 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM 2005.
Im Ergebnis war der Klage daher stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Die Beklagte hat die Verfahrenskosten zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Genehmigung zur Abrechnung des neurologischen Ordinationskomplexes nach den Nrn. 12210 bis 16212 EBM 2005 für die Quartale ab I/06 ff.
Die Klägerin mit einer sog. Doppelqualifikation ist seit September 1993 als Fachärztin für Augenheilkunde und Fachärztin für Neurologie zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen.
Am 03.04.2006 erhob die Klägerin Einspruch gegen die Abrechnung des Quartals II/05. Zur Begründung führte sie aus, im Rahmen der Besitzstandswahrung beantrage sie, wieder den neurologischen Ordinationskomplex abrechnen zu können. Sie sei bundesweit die einzige niedergelassene Neuroophthalmologin. Es entspreche nicht dem Grundgesetz, ihr die Möglichkeit der freien Berufswahl in dieser Form zu nehmen und ihre ganz besondere Spezialisierung einfach zu streichen. Ein Patient mit einer neuroophthalmologischen Erkrankung bedürfe einer das Vielfache betragenden Zeit für Diagnostik, Anamneseerhebung und eines wesentlich höheren Zeitaufwands für persönliche Gespräche.
Mit Bescheid vom 10.07.2006 wies die Beklagte den Antrag zurück. Den Antrag der Klägerin wertete sie als Antrag auf Genehmigung zur Abrechnung des neurologischen Ordinationskomplexes nach den Nrn. 16210 bis 16212 EBM 2005. Zur Begründung führte Sie aus, gemäß ihres Zulassungsstatus könne die Klägerin nur die in den Kapiteln 6 und 16 des EBM 2005 genannten fachgruppenspezifischen Leistungen sowie die in den Präambeln der Kapitel 6.1 und 16.1 genannten Leistungen außerhalb der fachgruppenspezifischen Kapitel erbringen und abrechnen, wenn sie die entsprechenden Qualifikationsvoraussetzungen erfülle. Die Nrn. 16210 bis 10212 EBM 2005 könne sie weiterhin abrechnen, allerdings nur nach den Nrn. 06110 und 06112 EBM 2005 des entsprechenden fachgruppenspezifischen Kapitels. Ursächlich hierfür sei, dass nach den allgemeinen Bestimmungen des EBM 2005 der anzusetzende Ordinationskomplex grundsätzlich nach dem Versorgungsauftrag (Identifikation über die Arztabrechnungsnummer) richtet. Insoweit könne von der Klägerin nur der Ordinationskomplex des Kapitels 6 EBM 2005 berechnet werden.
Hiergegen legte die Klägerin am 11.08.2006 Widerspruch ein. Darin führte sie aus, wie ihren bisherigen Abrechnungen zu entnehmen sei, habe sie zum Beispiel im Falle einer Bindehautentzündung natürlich nur die hierfür relevanten Ziffern der Augenheilkunde in Abrechnung gebracht. Bei einem Bandscheibenvorfall im Lendensäulenbereich rechne sie keine augenärztlichen Ziffern ab. Die Untersuchungsleistung sei auf die Beschwerden in der unteren Körperhälfte beschränkt, und daher rechne sie nur neurologische Ziffern ab. Bei einer länger bestehenden Kopfschmerzsymptomatik oder Amaurosis fugax Attacken müssten natürlich beide Fachbereiche abgeklärt werden. Wenn die Beklagte unter Hinweis auf ihre Stempelnummer sie allein auf die augenärztlichen Ordinationsziffern hinweise, werde sie offiziell zur Falschabrechnung aufgefordert. Sie beantrage, dass sie die indikationsabhängig tatsächlich erbrachten Leistungen und Beratungen mit den der Diagnose entsprechenden Ziffern zur Abrechnung bringen könne.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.11.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. In den Bescheidgründen führte sie aus, der angegriffene Antragsbescheid sei rechtmäßig. Er beruhe auf der Grundlage wirksamer Regelungen in Form der seit dem 01.04.2005 geltenden Gebührenordnungsbestimmungen. Die Bestimmungen des EBM 2005 beinhalteten eine fachgruppenspezifische Abrechungssystematik. Zugleich sei in den Präambeln der einzelnen Kapitel zusätzlich niedergelegt worden, dass grundsätzlich ausschließlich die dort genannten Leistungen außerhalb des fachgruppenspezifischen Kapitels zur Abrechnung kommen könnten. Ausschlaggebend sei deshalb die fachgruppenspezifische Zuordnung der Leistungen. Gemäß ihres Zulassungsstatus könne die Klägerin die in den Kapiteln 6 und 16 genannten augenärztlichen bzw. neurologischen Leistungen des EBM 2005 sowie die in den Präambeln der Kapitel 6.1 und 16.1 genannten Leistungen außerhalb des fachgruppenspezifischen Kapitels erbringen und abrechnen, wenn sie die entsprechenden Qualifikationsvoraussetzungen erfülle. Gemäß Ziffer 6.1 der allgemeinen Bestimmungen des EBM 2005 richte sich für einen Vertragsarzt, der seine Tätigkeit unter mehreren Gebietsbezeichnungen ausübe, der Ordinationskomplex nach dem Versorgungsauftrag (Identifikation über die Arztabrechnungsnummer), mit der er zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sei. Danach könne von der Klägerin nur der Ordinationskomplex des Kapitels 6 EBM 2005 berechnet werden. Dies gelte auch dann, wenn es sich um einen Behandlungsfall handele, bei dem neurologische Leistungen erbracht und abgerechnet würden. Im Hinblick auf die eindeutigen Bestimmungen des EBM 2005, die im übrigen mit Art. 12 des Grundgesetzes im Einklang stünden, könne von einer Aufforderung zur Falschabrechnung nicht die Rede sein. Soweit die Klägerin auf den Aspekt der Besitzstandswahrung hinweise, sei anzumerken, dass sie neurologische Leistungen weiterhin abrechen könne. Soweit sie den neurologischen Ordinationskomplex abgerechnet habe, könne hieraus kein Vertrauen entstehen. Vertrauen könne nur solange bestehen, bis darauf hingewiesen werde, dass für die Zukunft die Verwaltungspraxis geändert werde, hier also allenfalls bis zur Einführung des EBM 2005 zum 01.04.2005. Aus dem Umstand, dass die Klägerin über einen längeren Zeitraum berechtigt gewesen sei, vorgenannte Leistungen abzurechnen, erwachse kein Recht, auch in der Zukunft entsprechend abrechnen zu dürfen.
Hiergegen hat die Klägerin am 15.12.2006 die Klage erhoben. Ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen trägt sie vor, der EBM 2005 berücksichtige nicht ihre besondere Facharztkombination. Es bedürfe einer verfassungskonformen Auslegung.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 10.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.11.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr die Abrechnung des neurologischen Ordinationskomplexes nach Ziffern 16210 bis 16212 EBM 2005 für die Quartale I/06 und ff. zu genehmigen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, die Abrechnungsnummer bei Vertragsärzten mit mehreren Gebietsbezeichnungen werde grundsätzlich über den Schwerpunkt der vertragsärztlichen Tätigkeit bestimmt. Im Falle der Klägerin liege der Schwerpunkt im Bereich der Augenheilkunde. Ein Wechsel der Arztnummer erscheine nicht sachgerecht. Sie könne dann die Ziffern 06210, 06211 und 06212 nicht abrechnen. Im Ergebnis stehe die Klägerin besser. Die Ziffern 06210 und 06211 würden zwar eine unwesentlich geringere Punktzahl aufweisen, dafür liege die Ziffer 06212 mit 465 Punkten weit über der Ziffer 16212 mit lediglich 420 Punkten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Die zulässige Klage ist begründet.
Der angefochtene Bescheid vom 10.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.11.2006 ist rechtswidrig. Er war daher aufzuheben. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung zur Abrechnung des neurologischen Ordinationskomplexes nach Ziffern 16210 bis 16212 EBM 2005 für die Quartale I/06 und ff.
Nach dem ab 01.04.2005 geltenden EBM 2005 sind die abrechnungsfähigen Leistungen drei Bereichen zugeordnet: arztgruppenübergreifenden allgemeinen Leistungen, arztgruppenspezifischen Leistungen und arztgruppenübergreifenden speziellen Leistungen. Arztgruppenspezifische Leistungen unterteilen sich in Leistungen des hausärztlichen und des fachärztlichen Versorgungsbereichs. In den arztgruppenspezifischen Kapiteln bzw. Abschnitten sind entweder durch Aufzählung der Leistungspositionen in den jeweiligen Präambeln oder Auflistung im Kapitel bzw. Abschnitt alle von einer Arztgruppe berechnungsfähigen Leistungen angegeben. Arztgruppenspezifische Leistungen können nur von den in der Präambel des entsprechenden Kapitels bzw. Abschnitts genannten Vertragsärzten, die die dort aufgeführten Kriterien erfüllen, berechnet werden (Abschnitt I 1.2.2 EBM 2005). Abrechnungsfähige Leistungen, deren Berechnung an ein Gebiet, einen Schwerpunkt (Teilgebiet), eine Zusatzbezeichnung oder sonstige Kriterien gebunden ist, setzen das Führen der Bezeichnung, die darauf basierende Zulassung und/oder die Erfüllung der Kriterien voraus (vgl. Abschnitt I 1.2 bis 1.5 EBM 2005).
Bei den von der Klägerin begehrten Leistungen nach Kapitel 16 EBM 2005 (Neurologische und neurochirurgische Leistungen) handelt es sich um arztgruppenspezifische Leistungen. Sie sind Teil des fachärztlichen Versorgungsbereichs nach Abschnitt IIIb. Die in Kapitel 16 EBM 2005 aufgeführten Leistungen können u. a. von Fachärzten für Neurologie abgerechnet werden (Präambel 16.1 EBM 2005). Aufgrund ihres Zulassungsstatus erfüllt die Klägerin diese Voraussetzungen. Sie ist aber zugleich auch als Fachärztin für Augenheilkunde zugelassen. Bezüglich des Ordinationskomplexes bestimmt Nr. 6.1 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM 2005, dass für einen Vertragsarzt, der seine Tätigkeit unter mehreren Gebietsbezeichnungen ausübt, sich die Höhe des Ordinationskomplexes nach dem Versorgungsauftrag (Identifikation über die Arztabrechnungsnummer) richtet, mit dem er zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist, sofern in den Präambeln der arztgruppenspezifischen Kapitel nichts anderes bestimmt ist. Mangels einer weiteren Bestimmung in den Präambeln der arztgruppenspezifischen Kapitel geht die Beklagte daher auf der Grundlage des EBM 2005 davon aus, dass die Klägerin nur den Ordinationskomplex nach Kapitel 6 EBM 2005 abrechnen kann. Die Beklagte hat insofern die Bestimmungen des EBM 2005 zutreffend angewandt. Nach den Bestimmungen des EBM 2005 kann eine Genehmigung für die von der Klägerin begehrten Leistungen nicht erteilt werden. Bei den Bewertungsmaßstäben handelt es sich um Normsetzung durch Vertrag (vgl. BSG, Urteil vom 9. Dezember 2004, Az: B 6 KA 44/03 R, SozR 4-2500 § 72 Nr. 2 = BSGE 94, 50 = GesR 2005, 307 = MedR 2005, 538 = Breith 2005, 817, juris Rdnr. 78). Die Beklagte ist hieran gebunden (vgl. § 81 Abs. 3 Nr. 1 SGB V).
Nr. 6.1 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM 2005 ist aber insofern rechtswidrig und nichtig, als die Bestimmung den Arzt mit einer Doppelqualifikation, mit der er auch zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist, hinsichtlich der Abrechnung des Ordinationskomplexes auf den Versorgungsauftrag auf der Grundlage der Arztabrechnungsnummer beschränkt.
Es fehlt zunächst an einer Regelung, nach welchen Kriterien bei einer Doppelqualifikation die Arztabrechnungsnummer vergeben wird bzw. eine Beschränkung auf die Abrechnung des Ordinationskomplexes nach einem Fachgebiet erfolgt. Im EBM 2005 werden keine Regelungen getroffen, die die Zuordnung einer Ärztin mit Doppelzulassung bzw. der von ihr erbrachten Leistungen regelt. Die Kammer hält dies für rechtswidrig.
Die Zuordnung zu einem Fachgebiet mit der Folge, nur einen Ordinationskomplex abrechnen zu können, ist eine wesentliche Regelung, die nur in der Form einer rechtlichen Regelung ergehen kann. Die Verwaltungspraxis der Beklagten, eine Zuordnung nach dem Schwerpunkt der Praxis bzw. der Abrechnungsnummer vorzunehmen, ist ohne die erforderliche Rechtsgrundlage ergangen und damit rechtswidrig. Dies verstößt auch gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit. Dies ist von der Kammer hinsichtlich der Honorarverteilung bereits mit Urteil vom 19.07.2006 – S 12 KA 45/05 – www.sozialgerichtsbarkeit.de (Berufung eingelegt bei dem LSG Hessen, Az.: L 4 KA 55/06) festgestellt worden (ebs. LSG Hessen, Urt. v. 09.08.2006 – L 4 KA 7/05 – www.sozialgerichtsbarkeit.de; SG Frankfurt a. M., Urt. v. 06.10.2004 – S 27 KA 3096/03 ; SG Dresden, Urt. v. 17.12.2003 – S 15 KA 378/02 - www.sozialgerichtsbarkeit.de).
Die Entscheidung eines in zwei Fachgebieten zugelassenen Vertragsarztes, seine Tätigkeit schwerpunktmäßig auf ein Fachgebiet auszurichten und im anderen Fachgebiet nur gelegentlich tätig zu werden, ist Teil seiner durch Art 12 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Berufsausübungsfreiheit. Vergütungsbeschränkende Regelungen, die in diese Entscheidung und die davon geprägte Struktur der vertragsärztlichen Praxis eingreifen, bedürfen einer hinreichenden normativen Grundlage. Diese muss nicht im Gesetz selbst enthalten sein. (vgl. BSG, Urteil vom 20. Januar 1999, Az: B 6 KA 78/97 R, SozR 3-2500 § 87 Nr. 20, hier zitiert nach juris, Rdnr. 15; s. a. BSG, Urteil vom 26. Januar 2000, Az: B 6 KA 53/98 R, SozR 3-2500 § 95 Nr. 22).
Die Beschränkung auf die Abrechenbarkeit des Ordinationskomplexes eines Fachgebietes bei einer Doppelzulassung kann auch nicht mit Gründen der Verwaltungspraktikabilität gerechtfertigt werden. Dem steht bereits die grundrechtliche Gewährleistung der freien Berufsausübung entgegen. Zum anderen ist nicht ersichtlich, weshalb unterschiedliche Ordinationskomplexe nicht auch ohne Verwaltungsmehraufwand abgerechnet werden können, soweit in der Praxis Patienten mit Beschwerden aus unterschiedlichen Fachgebieten behandelt werden.
Nach Nr. 4.2 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM 2005 kann der Ordinations- oder Konsiliarkomplex nur von den in der Präambel der entsprechenden arztgruppenspezifischen oder arztgruppenübergreifenden Kapitel genannten Leistungserbringern beim ersten persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt im Quartal berechnet werden. Er ist nur einmal im Behandlungsfall berechnungsfähig (kurativ-ambulant) und umfasst die in Anhang 1 aufgeführten Leistungen. Bei einer ambulanten und stationären (belegärztlichen) Behandlung in demselben Quartal ist der Ordinationskomplex zweimal berechnungsfähig (jeweils kurativ-ambulant und kurativ-stationär). Eine Berechnung von Ordinations- und Konsiliarkomplex in demselben Behandlungsfall ist nicht möglich. Bei einer in demselben Behandlungsfall erfolgten Berechnung der Leistung nach Nr. 01210 (Ordinationskomplex im organisierten Notfalldienst) ist für die gleichzeitige Berechnung des Ordinationskomplexes mindestens ein weiterer persönlicher kurativer Arzt-Patienten-Kontakt außerhalb des organisierten ärztlichen Not(fall)dienstes notwendig. Bei Überweisungen zur Durchführung von Auftragsleistungen (Indikations- oder Definitionsauftrag gemäß § 24 Abs. 3 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) bzw. § 27 Abs. 3 Arzt-/Ersatzkassenvertrag (EKV) an nicht ausschließlich auftragnehmende Ärzte gemäß § 13 Abs. 4 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) bzw. § 7 Abs. 4 Arzt-/ Ersatzkassenvertrag (EKV)) ist der Ordinationskomplex nicht berechnungsfähig. Bei mehr als einer Inanspruchnahme des Arztes an demselben Tag kann nur dann der Konsultationskomplex zusätzlich zum Ordinationskomplex oder der Konsultationskomplex mehr als einmal berechnet werden, wenn die Inanspruchnahmen durch die Beschaffenheit der Erkrankung geboten waren (Uhrzeitangaben).
Weshalb darüber hinaus eine Beschränkung auf den Ordinationskomplex erfolgen muss, erschließt sich der Kammer nicht. Hinzu kommt, dass bei fachgebietsübergreifenden Gemeinschaftspraxen eine Beschränkung auf ein bestimmtes Fachgebiet nicht erfolgt, die Höhe des Ordinationskomplexes zudem aus einem Mittelwert berechnet wird. So bestimmt Nr. 5.1 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM 2005, dass die Höhe des Ordinationskomplexes von Gemeinschaftspraxen und medizinischen Versorgungszentren als arithmetischer Mittelwert der Punktzahlen der Ordinationskomplexe der in der Gemeinschaftspraxis oder dem medizinischen Versorgungszentrum vertretenen Ärzte berechnet wird.
Die Kammer brauchte in diesem Verfahren nicht zu entscheiden, ob insofern nicht auch eine Benachteiligung der Ärzte mit Doppelqualifikation gegenüber fachgebietsübergreifenden Gemeinschaftspraxen liegt, als letztere nach der genannten Bestimmung einen Zuschlag zum Ordinationskomplex erhalten. So gilt für diese Gemeinschaftspraxen, medizinische Versorgungszentren und Praxen mit angestellten Ärzten die Regelung, dass die abzurechnende Punktzahl des Ordinationskomplexes unter Berücksichtigung eines Aufschlags von 60 Punkten für arztgruppen- und schwerpunktgleiche Gemeinschaftspraxen und Praxen mit angestellten Ärzten, 15 Punkten je in einer arztgruppen- oder schwerpunktübergreifenden Gemeinschaftspraxis oder einem medizinischen Versorgungszentrum repräsentiertem Fachgebiet oder Schwerpunkt, jedoch mindestens 60 Punkten und höchstens 105 Punkten errechnet wird. Soweit dadurch dem Umstand des breiteren Leistungsumfangs und des damit meist einhergehenden größeren Umfang der Vorhaltung von Praxismitteln Rechnung getragen wird, da der Ordinationskomplex auch bei fachgebietsübergreifender Behandlung nur einmal im Quartal je Behandlungsfall abgerechnet werden kann, so gelten diese Besonderheiten auch für die Praxis einer Ärztin mit Doppelqualifikation. Die Beschränkung auf einen Ordinationskomplex, die hier für beide Fachgebiete der Klägerin als obligaten Leistungsinhalt lediglich einen persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt beinhalten, bedeutet im Ergebnis, dass aber auch kumulativ die fakultativen Leistungsinhalte beider Fachgebiete mit dem Ordinationskomplex abgegolten sind. Diese Frage konnte aber hier dahinstehen, da die Höhe des Ordinationskomplexes nicht Gegenstand des Verfahrens war.
Aufgrund der Nichtigkeit der Nr. 6.1 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM 2005 verbleibt es bei der Abrechnungsfähigkeit aller Leistungen nach beiden Fachgebieten (Nr. 6.2 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM 2005). Zur Klarstellung ist die Beklagte aber verpflichtet, eine entsprechende – feststellende - Genehmigung zu erteilen. Diese bedeutet aber nicht, dass der Ordinationskomplex in einem Behandlungsfall aus beiden Fachgebieten abgerechnet werden könnte. Insofern gilt weiterhin die Regelung nach Nr. 4.2 Satz 2 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM 2005.
Im Ergebnis war der Klage daher stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
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