S 12 KA 1080/06

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 1080/06
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 40/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat dem Beklagten die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten und trägt die Gerichtskosten. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten noch um eine Honorarberichtigung wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise im Bereich des Gesamtfallwertes in den drei Quartalen I bis III/03 in Höhe von insgesamt 17.346,52 Euro.

Der Kläger ist seit 1979 als Zahnarzt zur vertragszahnärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen.

In den vier Quartalen I bis IV/03 ergaben sich folgende Abrechnungswerte des Klägers (in nachfolgender Tabelle abgekürzt als VZA) im Vergleich mit den Abrechnungswerten der hessischen Vertragszahnärzte (VG):

Quartal Fallzahl Pkte. pro Fall Mehrkosten pro Fall in Punkten In % I/2003 VZA- 531 131 51 63,8
VG- 478 80
II/2003 VZA- 461 121 46 61,3
VG- 465 75
III/2003 VZA- 575 119 44 58,7
VG- 474 75
IV/2003 VZA- 630 87 19 27,9
VG- 594 68

Nach einem Auswahlverfahren bzw. für das Quartal III/03 auf Antrag der Verbände der Krankenkassen führte der Prüfungsausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen in Hessen – Kammer III - eine Wirtschaftlichkeitsprüfung der Quartale I bis IV/03 durch. Der Prüfungsausschuss lud den Kläger zu einer Prüfsitzung, an der er teilnahm.

Mit Bescheid vom 27.10.2004, ausgefertigt am 21.03.2005, setzte der Prüfungsausschuss für die streitbefangenen Quartale eine Gesamthonorarberichtigung in Höhe von 21.956,02 EUR fest, die er mit Rücksicht auf die HVM-Einbehalte für das Jahr 2003 auf 19.878,98 EUR reduzierte. Er kürzte den Gesamtfallwert auf das 1,4-fache des Gesamtfallwerts der Vergleichsgruppe. Im Einzelnen nahm er folgende Honorarreduzierungen (ohne Rücksicht auf die HVM-Einbehalte für das Jahr 2003 vor:

I/03 um 8.692,40 EUR
II/03 um 6.346,71 EUR
III/03 um 6.916,91 EUR

Im Ergebnis gestand der Prüfungsausschuss dem Kläger für alle streitbefangenen Quartale jeweils den 1,4-fachen Fallwert zu.

Hiergegen legten der Kläger am 12.04.2005 und die beigeladenen Verbände der Krankenkassen am 29.03.2005 Widerspruch ein.

Der Kläger führte aus, die eingeräumte Toleranz von 40 % werde seinen Praxisbesonderheiten – chirurgische Maßnahmen sowie für das Quartal IV/03 den Bereich der PAR-Behandlungen - nicht gerecht. Die endodontischen Leistungen habe der Prüfungsausschuss als wirtschaftlich bezeichnet; die Mehraufwendungen seien herauszurechnen. Auch weise der Beschluss erhebliche Begründungsmängel auf.

Die beigeladenen Verbände der Krankenkassen wiesen auf die Überschreitungswerte des Klägers und als unwirtschaftlich anzusehende Mehrkosten in Höhe von 49.917,06 EUR hin.

Der Beklagte lud den Kläger unter Datum vom 10.05.2006 zu einer weiteren Prüfsitzung für den 19.07.2006 unter Beifügung einer Patientenliste. Der Kläger nahm an der Prüfsitzung teil.

Mit Beschluss vom 19.07.2006, ausgefertigt am 07.12.2006 und dem Kläger am 08.12.2006 zugestellt, wies der Beklagte den Widerspruch der beigeladenen Verbände der Krankenkassen zurück und gab dem Widerspruch des Klägers teilweise statt. Er setzte eine Gesamthonorarberichtigung wiederum in Höhe von 21.956,02 EUR fest, die er mit Rücksicht auf die HVM-Einbehalte für das Jahr 2003 aber auf 17.346,52 EUR reduzierte. Zur Begründung führte er aus, er habe einen statistischen Kostenvergleich vorgenommen. Die Grenze zur unwirtschaftlichen Behandlungsweise sehe man im Bereich des Gesamtfallwertes bei einer Überschreitung von 40 %. Die Abrechnungswerte der Klägerin legten daher eine unwirtschaftliche Behandlungsweise nahe. Im Ergebnis hätten Praxisbesonderheiten sowie Unterschiede in der Praxisstruktur, die geeignet gewesen wären, den ausgewiesenen Mehraufwand in seinem gesamten Umfang zu rechtfertigen, nicht festgestellt werden können. Eine exemplarische Überprüfung der Behandlungsfälle habe gezeigt, dass die die Vorgehensweise des Klägers sowohl unter dem Gesichtspunkt der Systematik als auch vom Umfang her nicht mit dem Gebot eines wirtschaftlichen Vorgehens als vereinbar angesehen werde. Der Beklagte hat dies im Einzelnen ausgeführt. Insoweit wird auf Bl. 5 bis 8 des Beschlusses Bezug genommen. Weiter führte der Beklagte aus, auch die Vergleichsgruppe arbeite seit Jahrzehnten zahnerhaltend. Der Praxisstandort des Klägers stelle kein unterversorgtes Gebiet dar. Auch die Vergleichsgruppe erbringe konservierende Begleitleistungen zu genehmigten Hauptleistungen. Eine signifikant erhöhte Anzahl an Sanierungsfällen habe er nicht feststellen können. Allein aus der Nationalität könne ebenso wenig wie aufgrund des Alters nicht auf einen besonderen Behandlungsbedarf geschlossen werden. Nach Abwägung aller Gesichtspunkte habe er eine Kürzung wie die Vorinstanz auf den 1,4-fachen Vergleichswert für erforderlich gehalten. Es verbleibe daher bei der Honorarkürzung des Prüfungsausschusses. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Sozialgerichts Frankfurt habe man den sich daraus ergebenen Berichtigungsbetrag verringert, soweit für den Prüfzeitraum Einbehalte auf der Grundlage des Honorarverteilungsmaßstabs einschließlich der Degressionsregelungen erfolgt seien.

Hiergegen hat der Kläger am 22.12.2006 die Klage erhoben. Er trägt vor, es seien zu niedrige Toleranzen gewährt worden. Der Beschluss weise erhebliche Begründungsmängel auf. Darin heiße es, die Mehrfachabrechnung der Nr. 8 sei nicht nachvollziehbar; andererseits werde jedoch auf die Notwendigkeit von Verlaufskontrollen hingewiesen. Weshalb mehrere Füllungen an einem Zahn nicht möglich sein sollten, sei nicht nachvollziehbar. Hinsichtlich der Nr. 23 fehle jede Bezugnahme auf konkrete Belegfälle. Der Prüfungsausschuss habe die Qualität seiner endodontischen Maßnahmen bestätigt. Leistungen nach Nr. 28 müssten nicht zwingend in Ausnahmefällen am selben Tag zum Abschluss kommen. Bei Wurzelbehandlungen richte sich die Wahl der Einleitungsmaßnahme nach der Vitalität des Zahnes, worauf der Zahnarzt keinen Einfluss habe. Die Nr. 105 sei mit 8 Punkten geringer bewertet als die Nr. 38 (10 Punkte), weshalb eine Unwirtschaftlichkeit der häufigeren Abrechnung nicht erkennbar sei. Die Einzelabrechnungen der Nr. 105 und 107 lägen unterhalb der Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis und rechtfertigten daher keine Kürzung in der strittigen Höhe. Die PAR-Behandlungen rechtfertigten Mehraufwendungen. Allein für das Quartal IV/03 betrage der Mehraufwand 2.016 Punkte. Chirurgische Maßnahmen wirkten einschließlich der Begleitleistungen fallwerterhöhend, was unberücksichtigt geblieben sei.

Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Beschlusses des Beklagten vom 19.07.2006 den Beklagten zu verpflichten, seinen Widerspruch unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Der Beklagte und die Beigeladenen zu 1) bis 8) beantragen übereinstimmend,
die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verweist auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid und trägt ergänzend vor, der Kläger verkenne die Struktur einer statistischen Vergleichsprüfung. Die Belegfallprüfung habe nur erläuternden Charakter. Er habe darauf hingewiesen, dass Praxisbesonderheiten oder Kompensation für Einsparungen nicht vorlägen. Im Bereich der PAR-Behandlungen sei kein Umfang feststellbar gewesen, der eine Praxisbesonderheit hätte begründen können.

Die Beigeladenen zu 2) und 4) schließen sich den Ausführungen des Beklagten an. Die übrigen Beigeladenen haben sich schriftsätzlich nicht geäußert.

Mit Beschluss vom 29.12.2006 hat die Kammer die Beiladung ausgesprochen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat in der Besetzung mit einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragszahnärzte und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragszahnarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Beschluss vom 19.07.2006 ist rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Neubescheidung seines Widerspruchs gegen den Bescheid des Prüfungsausschusses vom 27.10.2004 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Die Klage war daher abzuweisen.

Im System der gesetzlichen Krankenversicherung nimmt der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Arzt - Vertragsarzt - die Stellung eines Leistungserbringers ein. Er versorgt die Mitglieder der Krankenkassen mit ärztlichen Behandlungsleistungen, unterfällt damit auch und gerade dem Gebot, sämtliche Leistungen im Rahmen des Wirtschaftlichen zu erbringen. Leistungen, die für die Erzielung des Heilerfolges nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, darf er nach dem hier anzuwendenden Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch, Gesetzliche Krankenversicherung (§ 12 Abs. 1 SGB V) nicht erbringen.

Rechtsgrundlage für Honorarkürzungen wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise ist § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V in der maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 19. Dezember 2001 (BGBl I 3773).

Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten beurteilt. Nach den hierzu von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen ist die statistische Vergleichsprüfung die Regelprüfmethode. Die Abrechnungswerte des Arztes werden mit denjenigen seiner Fachgruppe – bzw. mit denen einer nach verfeinerten Kriterien gebildeten engeren Vergleichsgruppe - im selben Quartal verglichen. Ergänzt durch die sog. intellektuelle Betrachtung, bei der medizinisch-ärztliche Gesichtspunkte berücksichtigt werden, ist dies die Methode, die typischerweise die umfassendsten Erkenntnisse bringt. Ergibt die Prüfung, dass der Behandlungsaufwand des Arztes je Fall bei dem Gesamtfallwert, bei Sparten- oder bei Einzelleistungswerten in offensichtlichem Missverhältnis zum durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe steht, d. h., ihn in einem Ausmaß überschreitet, das sich im Regelfall nicht mehr durch Unterschiede in der Praxisstruktur oder in den Behandlungsnotwendigkeiten erklären lässt, hat das die Wirkung eines Anscheinsbeweises der Unwirtschaftlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 16.07.2003 - Az: B 6 KA 45/02 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 3 = Breith 2004, 13, zitiert nach juris, Rdnr. 17 m. w. N.).

Von welchem Grenzwert an ein offensichtliches Missverhältnis anzunehmen ist, entzieht sich einer allgemein verbindlichen Festlegung (vgl. BSG, Urteil vom 15.03.1995 - Az: 6 RKa 37/93, BSGE 76, 53 = SozR 3 2500 § 106. Nr. 26 = NZS 1996, 33 = NJW 1996, 2448 = USK 9573, juris Rdnr. 18). Nach der Rechtsprechung des BSG liegt zwischen dem Bereich der normalen Streuung, der Überschreitungen um bis zu ca. 20 % erfasst, und der Grenze zum sog. offensichtlichen Missverhältnis der Bereich der Übergangszone. Die Grenze zum sog. offensichtlichen Missverhältnis hat das BSG früher bei einer Überschreitung um ca. 50 % angenommen. Seit längerem hat es - unter bestimmten Voraussetzungen - niedrigere Werte um ca. 40 % ausreichen lassen. Die Prüfgremien haben einen Beurteilungsspielraum, die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis höher oder niedriger festzulegen. Vor diesem Hintergrund hat das BSG es nicht ausgeschlossen, dass Überschreitungen um 42, 38, 33 und 31 % möglicherweise dem Bereich des sog. offensichtlichen Missverhältnisses zugeordnet werden können (vgl. BSG, Urteil vom 06.09.2000 - Az: B 6 KA 24/99 R, SozR 3-2500 § 106 Nr. 50 = USK 2000-171, juris Rdnr. 24). Bei Arztgruppen mit engem Leistungsspektrum darf eine Grenzziehung bei Überschreitungen der Durchschnittswerte der Vergleichsgruppe um +40 % oder weniger vorgenommen werden (vgl. BSG, Urteil vom 16.07.2003 - Az: B 6 KA 45/02 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 3 = Breith 2004, 13, juris Rdnr. 26). Bei einer Arztgruppe mit einem engen Leistungsspektrum, das gegen größere Unterschiede bei den durchschnittlichen Fallkosten der einzelnen Praxen spricht, ist es unter Umständen zu vertreten, die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bereits bei einer Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts um 40 % festzusetzen (vgl. BSG, Urteil vom 02.06.1987 - Az: 6 RKa 23/86, aaO., juris Rdnr. 23).

Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass es sich bei den Zahnärzten um eine inhomogene Arztgruppe handeln könnte und deshalb Veranlassung bestünde, der Verwaltung eine Sachaufklärung in dieser Richtung aufzugeben. Berücksichtigt man, dass es auch in der Zahnheilkunde und den angrenzenden ärztlichen Bereichen besondere Fach(zahn)ärzte für Spezialgebiete gibt, die besondere Fachgruppen bilden (Fachzahnärzte für Kieferorthopädie, Gebietsärzte für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie), und ein großer Teil der zahnärztlichen Leistungen aus der (nachträglichen) Wirtschaftlichkeitsprüfung herausgenommen ist, so bleiben im Wesentlichen lediglich die in Teil 1 des Bema aufgeführten "konservierenden und chirurgischen Leistungen und Röntgenleistungen" als Prüfungsgegenstand übrig. Da ferner in der Zahnheilkunde generell die Erhaltung der Zähne vorrangiges Behandlungsziel ist, kann angenommen werden, dass die allgemeinen Zahnarztpraxen in etwa einen gleichen Behandlungsbedarf zu befriedigen haben (vgl. BSG, Urteil vom 02.06.1987 - Az: 6 RKa 23/86, SozR 2200 § 368n Nr. 48 = BSGE 62, 24 = SGb 1988, 549 = USK 87212, juris Rdnr. 20).

Ein statistischer Kostenvergleich kann dann nicht durchgeführt werden, wenn die Fallzahl des zu prüfenden Arztes so gering ist, als sie (Fall-)Zahlenbereiche unterschreitet, unterhalb derer ein statistischer Vergleich nicht mehr aussagekräftig ist. Die Prüfung nach Durchschnittswerten geht von der Grundannahme aus, dass es die Ärzte der Vergleichsgruppe unter Einbeziehung des geprüften Arztes im Durchschnitt mit dem gleichen Krankengut zu tun haben und deshalb im Durchschnitt aller Fälle in etwa die gleichen Behandlungskosten benötigen. Diese Annahme ist aber nur gerechtfertigt, wenn für den Vergleich einerseits eine hinreichend große Anzahl vergleichbarer Ärzte und andererseits bei dem zu prüfenden Arzt eine hinreichende Zahl von Behandlungsfällen zur Verfügung stehen Zwar ist es statistisch genauso wahrscheinlich wie unwahrscheinlich, dass der zu prüfende Arzt mit geringer Fallzahl dieselbe Patientenstruktur aufweist wie die Ärzte seiner Vergleichsgruppe, so dass die Relation von behandlungsintensiven und weniger aufwändigen Behandlungsfällen in kleinen Praxen nicht notwendig anders sein muss als bei großen. Eine in Relation zur Vergleichsgruppe besonders niedrige Fallzahl des zu prüfenden Arztes kann aber zur Folge haben, dass einzelne schwere, besonders aufwändige Behandlungsfälle den Fallwert des betroffenen Arztes überproportional in die Höhe treiben. Deshalb ist zu verlangen, dass der mit einer sehr geringen Fallzahl einhergehenden Vergröberung des Aussagewerts der statistischen Vergleichsprüfung durch die Einführung einer Mindestquote der in die Prüfung einzubeziehenden Fälle zu begegnen ist. Dabei ist an ein objektives Kriterium, nämlich die durchschnittliche Fallzahl der Vergleichsgruppe anzuknüpfen. Die Beschränkung der Wirtschaftlichkeitsprüfung auf die Behandlungsfälle einer einzelnen Krankenkasse ist daher nur mit der Einschränkung zugelassen worden, dass diese mindestens 20 v. H. der Durchschnittsfallzahl der Fachgruppe ausmachen. Die Mindestquote von 20 % der Durchschnittsfallzahl der Vergleichsgruppe ist nicht nur bei der auf die Behandlungsfälle einer einzelnen Kasse beschränkten Prüfung zu beachten, sondern muss auch dann erreicht sein, wenn die Zahl der insgesamt vom zu prüfenden Arzt behandelten Patienten besonders niedrig ist. Soweit seit 1995 die Wirtschaftlichkeit der (nunmehr einheitlichen) vertragsärztlichen Versorgung für den (früheren) RVO-Kassen- und den Ersatzkassenbereich einheitlich geprüft wird, hat dies zur Folge, dass die in die Wirtschaftlichkeitsprüfung einzubeziehenden Behandlungsfälle nunmehr das gesamte Spektrum der vertragsärztlichen Tätigkeit des zu prüfenden Arztes abdecken und nicht mehr - wie zuvor - jeweils nur einen Teilbereich. Dies spricht dafür, die absoluten Fallzahlenuntergrenzen bei einer die gesamte vertragsärztliche Tätigkeit erfassenden Prüfung höher anzusetzen, als das bisher in besonderen Konstellationen für den einen oder anderen Kassenbereich für zulässig gehalten worden ist. Gegen eine starre Grenzziehung etwa bei 100 Fällen spricht, dass dann die Wirtschaftlichkeitsprüfung bei kleineren Arztpraxen aus solchen Arztgruppen, deren Durchschnittsfallzahlen unter 500 liegen, häufig nicht als statische Vergleichsprüfung durchgeführt werden könnte. Angesichts der ständig verbesserten statistischen Auswertung der Abrechnungen (z. B. Gewichtung des Rentneranteils, Beschränkung des Vergleichs auf Ärzte, die die fraglichen Leistungen abrechnen) ist es nicht gerechtfertigt, generell Ärzte mit Fallzahlen oberhalb der Grenze von 20 % des Durchschnitts von der Prüfung nach Durchschnittswerten auszunehmen, wenn ihre Fallzahl die absolute Grenze von 100 nicht erreicht (vgl. BSG, Urteil vom 09.09.1998 - Az: B 6 KA 50/97 R, SozR 3-2500 § 106 Nr. 45 = NZS 1999, 310 = Breith 1999, 664 = USK 98174, juris Rdnr. 15 bis 19).

Unter Beachtung dieser Grundsätze ist der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden.

Der Bescheid ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden.

Durch die Ladung zur mündlichen Verhandlung des Beklagten, an der der Kläger teilgenommen hat, hat eine ausreichende Anhörung stattgefunden (§ 24 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch, Verwaltungsverfahren - SGB X). Eine Verpflichtung des Beklagten, alle sog. Belegfälle in der Prüfsitzung zu erörtern, besteht nicht. Die Belegfallprüfung dient im Rahmen der sog. intellektuellen Prüfung der Feststellung, ob die auf Unwirtschaftlichkeit hindeutenden Abrechnungswerte nicht durch Praxisbesonderheiten und kompensatorischen Ersparnisse ganz oder teilweise gerechtfertigt sind. Insofern besteht lediglich eine Mindestverpflichtung der Prüfgremien, bei Vorliegen eines offensichtlichen Missverhältnisses von Amts wegen nach Gründen für die hohen Abrechnungswerte zu suchen. Im Übrigen ist es Sache des Vertragszahnarztes, substantiiert den Anschein der Unwirtschaftlichkeit zu widerlegen.

Der Beklagte hat auch sein Ergebnis ausreichend begründet. Im Hinblick auf das Vorliegen eines sog. offensichtlichen Missverhältnisses und eines statistischen Kostenvergleichs war er nicht gehalten, zu Ausführungen zu Einzelfällen Stellung zu nehmen. Der Beklagte hat einen statistischen Kostenvergleich vorgenommen. Er hat zudem über fast vier engzeilig beschriebene Seiten (Blatt 5 bis 8 des angefochtenen Beschlusses) weitere Ausführungen zur systematischen Behandlungsweise, zu Leistungen nach Nr. 8 (ViPr), zu Füllungsmaßnahmen nach Nr. 13a-13d (F1 – F4), zu Leistungen nach Nr. 23 (Ekr), zur Endodontie (Wurzelkanalbehandlung) und zu Leistungen nach Nrn. 105 (Mu) gemacht. Soweit der Kläger die Ausführungen des Beklagten zur Mehrfachabrechnung der Nr. 8 und der Notwendigkeit von Verlaufskontrollen als widersprüchlich ansieht, so hat die fachkundig mit einem Zahnarzt besetzte Kammer bereits in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, die Notwendigkeit von Verlaufskontrollen stelle sich im Regelfall nach Cp- und P-Maßnahmen. Demgegenüber ist die Vitalitätsprüfung nach Nr. 8 nach Möglichkeit in einer Sitzung vorzunehmen. Der Beklagte hat ferner im Einzelnen dargelegt, weshalb im Regelfall mehrere Füllungen an einem Zahn nicht abrechenbar sind. Es hätte insofern dem Kläger oblegen, im Einzelnen darzulegen, weshalb ihm dies bei einer Vielzahl von Fällen nicht möglich gewesen war und weshalb er deshalb einen signifikant von der Vergleichsgruppe abweichenden Versorgungsbedarf bei seinen Patienten vorgefunden hat. Hinsichtlich der Nr. 23 (Ekr) konnte eine ausdrückliche Bezugnahme auf konkrete Belegfälle in den Bescheidgründen unterbleiben, da der Beklagte insoweit auf die Besprechung exemplarischer Belegfälle verweist und der Kläger die Besprechung selbst nicht bestreitet. Von daher ist der Bescheid insgesamt ausreichend begründet.

Der Beklagte hat auch die Absetzungsfrist für den Bescheid von fünf Monaten eingehalten.

Der angefochtene Bescheid ist auch in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden.

Der Beklagte hat den Kläger mit den Abrechnungswerten aller hessischen Vertragszahnärzte verglichen. Dies war nicht zu beanstanden, da die Mitglieder der Klägerin ebenfalls als Vertragszahnärzte in Hessen zugelassen und als solche tätig sind. Soweit der Beklage Honorarberichtigungen wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise vorgenommen hat, war nicht zu beanstanden, dass er vom Vorliegen eines sog. offensichtlichen Missverhältnisses bei einer Überschreitung des Gesamtfallwertes von 40 % ausging. Dies steht im Einklang mit der bereits zitierten Rechtsprechung des BSG. Von daher vermochte die Kammer dem Einwand des Klägers, es seien zu niedrige Toleranzen gewährt worden, nicht zu folgen.

Als unerheblich sah die Kammer auch den Einwand des Klägers an, der Prüfungsausschuss habe die Qualität seiner endodontischen Maßnahmen bestätigt. Diese Feststellung des Prüfungsausschusses ist ohne weitere Substantiierung. Demgegenüber hat der Beklagte ausführlich dargelegt, dass die röntgenologischen Anforderungen nicht immer beachtet würden, dass nach einer indirekten Überkappung im zeitlichen Zusammenhang eine Wurzelkanalbehandlung erfolgte, dass Wurzelbehandlungen, welche mittels Vitalexstirpation eingeleitet wurden, vereinzelt nicht am selben Tag zum Abschluss kamen. Soweit der Beklagte als weiteren Grund für eine Unwirtschaftlichkeit vermutet, dass in einigen Fällen die Leistung nach Nr. 28 (VitE) zur Abrechnung gelangte, obgleich unter Berücksichtigung der vorliegenden Röntgenaufnahmen des Öfteren eher die Leistung nach Nr. 31 (Trep) anzusetzen gewesen wäre, vermochte dies die fachkundig besetzte Kammer nicht zu beanstanden. Die vom Beklagten aufbereitete Anzahlstatistik zeigt ein Verhältnis der Leistung nach Nr. 31 (Trep) zu den Leistungen nach Nr. 28 (VitE) von etwa 1: 4 bis 1: 5; demgegenüber liegt das Verhältnis bei der Vergleichsgruppe bei etwa 1:1,6. Dies und die hohen, vom Beklagten angeführten Überschreitungswerten der Leistungen nach Nr. 28 (VitE) waren auch für die Kammer nicht nachvollziehbar, insbesondere weshalb gerade an vitalen Zähnen Maßnahmen, die letztlich auch zum Absterben des Zahnes führen, in einem solchen Umfang notewendig gewesen sein sollen. Es hätte dem Kläger oblegen, dies im Einzelnen darzulegen. Soweit die Beklagte darauf hinweist, Maßnahmen der Mundbehandlungen seien z. T. eher dem Bereich der Nachbehandlung zuzuordnen, wird letztlich dargelegt, dass der Leistungsinhalt nicht vollständig erbracht wird, ohne dass deshalb bereits eine Leistung nach Nr. 38 (N) erbracht worden ist. Von daher ist es unerheblich, dass die Leistung nach Nr. 105 geringer bewertet ist als die Leistung nach Nr. 38. Der Kläger verkennt auch, dass der Beklagte trotz Hinweises auf Einzelleistungen einen Kostenvergleich ausschließlich des Gesamtfallwertes vorgenommen hat. Von daher sah die Kammer auch den Einwand des Klägers, die Einzelabrechnungen der Nr. 105 und 107 lägen unterhalb der Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis und rechtfertigten daher keine Kürzung in der strittigen Höhe, als unerheblich an. Im Übrigen werden auch diese Leistungen überdurchschnittlich abgerechnet. Die PAR-Behandlungen rechtfertigten entgegen der Behauptung des Klägers keine Mehraufwendungen. Der Kläger bezieht sich für einen Mehraufwand lediglich auf das Quartal IV/03, das aber nicht streitbefangen ist, da für dieses Quartal keine Kürzung ausgesprochen wurde. In den streitbefangenen Quartalen liegen aber zum einen keine erhöhte Fallzahlen im PAR-Bereich vor. Auch ist der Kammer zum anderen nicht ersichtlich, weshalb die Begleitleistungen der PAR-Behandlungen herausgerechnet werden sollten. Diese Patienten gehen im Rahmen der Vorbereitungsmaßnahmen gleichfalls in die Statistik für konservierende-chirurgische Maßnahmen ein und begründen nicht zwingend einen erhöhten Versorgungsbedarf, da die PAR-Behandlungen selbst nicht in die Statistik eingehen. Schließlich vermochte die Kammer auch nicht dem Einwand, chirurgische Maßnahmen wirkten einschließlich der Begleitleistungen fallwerterhöhend, folgen, da die Abrechnungswerte des Klägers keinen besonderen chirurgischen Mehraufwand erkennen lassen. Von daher vermochte die Kammer auch nicht dem Vortrag des Klägers zu folgen, die Beklagte habe seine Praxisbesonderheiten nicht berücksichtigt. Solche sind weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Nach allem war der angefochtene Widerspruchsbescheid rechtmäßig und nicht aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsge-richtsordnung. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
Rechtskraft
Aus
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