Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 13 AL 3424/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 3201/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21.06.2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) sowie die Pflicht der Beklagten zur Weiterzahlung von Alg im Streit.
Der 1948 geborenen Klägerin war durch die Beklagte Alg bis zum 31.08.2002 bewilligt worden, als diese am 28.08.2002 in Urlaub fuhr. In der Verwaltungsakte der Beklagten findet sich hierzu folgender Beratungsvermerk der Zeugin Göhringer (geborene Flohr) vom 20.08.2002: "Anruf eines Bekannten: möchte vom 28.08.02 bis 18.09.02 in Urlaub, über drei Wochen, soll deswegen nochmals persönlich herkommen. 20.08.02/2222/Flohr".
Die Beklagte schickte der Klägerin am 28.08.2002 eine Einladung zu einem Beratungsgespräch am 30.08.2002. Der Zeuge Döring, der Nachbar der Klägerin ist und während ihrer Urlaubsab-wesenheit ihre Post kontrollierte, rief daraufhin am 30.08.2002 bei der Beklagten an. Hierüber befindet sich folgender Beratungsvermerk in der Verwaltungsakte der Beklagten: "Anruf von Herrn Döring. Frau Sahan sei in Urlaub und könne zu dem Beratungsgespräch am 03.09.2002 nicht kommen. Herr Döring ist der Meinung, der Urlaub sei mit seinem Anruf vom 20.08.2002 genehmigt worden".
Die Beklagte hob mit Bescheid vom 04.09.2002 die Bewilligung von Alg mit Wirkung vom 28.08.2002 wegen der Ortsabwesenheit der Klägerin auf. Mit weiterem Bescheid vom 10.09.2002 forderte die Beklagte zu Unrecht gezahltes Alg für die Zeit vom 28.08.2002 bis zum 31.08.2002 in Höhe von 74,08 EUR zzgl. 22,74 EUR für den genannten Zeitraum gezahlter Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung von der Klägerin zurück. Im Widerspruchsverfahren meldete sich am 13.09.2002 der Sohn der Klägerin persönlich bei der Beklagten und äußerte sein Unver-ständnis darüber, dass der Urlaub nicht genehmigt worden sei. Hierbei ist der Sohn der Klägerin auf das Erfordernis der rechtzeitigen Arbeitslosmeldung der Klägerin hingewiesen worden.
Am 09.10.2002 meldete die Klägerin sich nach einer Erkrankung bei der Beklagten erneut ar-beitslos, woraufhin ihr ab dem 09.10.2002 erneut Alg bewilligt wurde.
Im Widerspruchsverfahren trug die Klägerin vor, dass der Zeuge Döring am 20.08.2002 der Be-klagten ihren Urlaub vom 28.08. bis zum 18.09.2002 telefonisch mitgeteilt habe. Die Zeugin Göhringer habe dabei gesagt, dass die Klägerin wahrscheinlich für den 18.09.2002 kein Alg be-käme, wenn sie erst an diesem Tag zurückkomme. Weitere Forderungen, insbesondere eine per-sönliche Erscheinungspflicht, seien der Klägerin nicht auferlegt worden. Dennoch habe die Be-klagte der Klägerin am 28.08.2002 eine Einladung zum 03.09.2002 geschickt. Insofern sich in den Akten der Beklagten anders lautende Beratungsvermerke befänden, seien diese unzutreffend.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.08.2003 wurde der Widerspruch der Klägerin als unbegrün-det zurückgewiesen. Hierbei ging die Beklagte davon aus, dass der Bescheid vom 10.09.2002 nach § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden ist. Die Klägerin habe sich ohne vorherige Zustimmung des Arbeitsamtes in der Türkei aufgehalten, weswegen sie den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes nicht zur Verfügung gestanden habe. Anhand der Hinweise in dem ihr ausgehändigten Merkblatt habe sie hierbei wissen müs-sen, dass ihr für die Zeit ihrer nicht genehmigten Ortsabwesenheit kein Anspruch auf Alg zuste-he. So habe die Klägerin vor Antritt ihres Urlaubs einen Bekannten bei der Beklagten anrufen lassen, der die Urlaubsabsicht der Klägerin mitgeteilt habe. Der Anrufer sei jedoch darauf hin-gewiesen worden, dass die Klägerin selbst vorsprechen müsse. Dennoch sei die Klägerin vor ihrer Abreise nicht mehr beim Arbeitsamt erschienen.
Die Klägerin hat am 25.09.2003 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben. Tatsächlich sei sie nicht aufgefordert worden, persönlich beim Arbeitsamt vorzusprechen. Der Zeuge Döring habe der Beklagten die Urlaubsabsicht mitgeteilt, woraufhin ihm von der Zeugin Göhringer le-diglich gesagt worden sei, dass vermutlich für den letzten Tag des Urlaubs, den 18.09.2002, kein Alg gezahlt werde. Als der Aufhebungsbescheid während des Urlaubs der Klägerin eingetroffen sei, habe der Zeuge Döring erneut bei der Beklagten angerufen. Nunmehr habe die Zeugin Göh-ringer erstmalig erklärt, sie habe die Klägerin aufgefordert, selbst noch einmal beim Arbeitsamt vorzusprechen.
Die Beklagte hat in ihrer Klageentgegnung vorgetragen, dass Vermerke in den Beratungsunter-lagen im Nachhinein weder geändert noch gelöscht werden könnten. Die Beklagte verwies au-ßerdem auf einen früheren Vorgang, bei dem der Sohn der Klägerin bereits vor einem Urlaub der Klägerin auf die Meldepflicht der Klägerin hingewiesen worden sei. Daraufhin sei diese auch, so wie es den Vorschriften entspreche, am 06.12.2001 beim Arbeitsamt erschienen und habe den geplanten Urlaub auch persönlich und vor Antritt des Urlaubs beantragt. Insofern sei davon aus-zugehen, dass der Klägerin das Erfordernis einer persönlichen und vorherigen Vorsprache für die Genehmigung von Urlaub bei dem nunmehr streitbefangenen, späteren Vorfall bekannt gewesen sei.
Das SG hat am 15.06.2004 einen Termin zur Beweisaufnahme durchgeführt, bei dem die Zeugen Arnold Döring und Stefanie Göhringer (geborene Flohr) vernommen wurden. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift des Sozialgerichts vom 15.06.2004 Bezug genommen. Der Zeuge Dö-ring sagte unter anderem aus, dass er für die Klägerin vor deren Urlaubsantritt bei der Beklagten angerufen habe und dass man ihm lediglich gesagt habe, dass für den letzten Tag des Urlaubs gegebenenfalls kein Alg bezahlt werde. Für ihn sei daraufhin die Sache erledigt gewesen und klar gewesen, dass die Klägerin nicht mehr bei der Beklagten vorzusprechen habe. Ungefähr 4 Wochen später sei er nach Eintreffen des Aufhebungsbescheides selbst mit dem Sohn der Klä-gerin bei der Beklagten gewesen, um den Sachverhalt zu klären. Daraufhin habe die Zeugin Göhringer gesagt, dass Arbeitslose nicht telefonisch Urlaub beantragen könnten oder sich ab-melden könnten. Die Zeugin Göhringer sagte u. a. aus, dass sie an das erste Telefonat mit dem Zeugen Döring keine Erinnerung mehr habe, da es sich um einen alltäglichen Vorgang gehandelt habe. An die Vorsprache des Zeugen Döring mit dem Sohn der Klägerin erinnere sie sich noch, und auch daran, dass gegensätzliche Erinnerungen an das erste Telefongespräch Thema des Ge-sprächs gewesen seien. Sie habe ihren Beratungsvermerk unmittelbar nach dem Telefonat ge-macht.
Das SG hat mit Urteil vom 21.06.2005 den Bescheid der Beklagten vom 10.09.2002 in der Ges-talt des Widerspruchsbescheides vom 22.08.2003 aufgehoben und die Klage im Übrigen abge-wiesen, wobei es sich zur Begründung zum Teil auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid bezog. Der Bescheid vom 04.09.2002 über die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld sei rechtmäßig, da eine vorherige Zustimmung der Beklagten zu der ab dem 28.08.2002 eingetre-tenen Ortsabwesenheit der Klägerin nicht vorgelegen habe. Die Zeugin Göhringer habe glaub-haft bekundet, dass sie davon ausgehe, die Inhalte ihrer Beratungsvermerke seien zutreffend. Sie habe auch nachvollziehbar ausgeschlossen, dem Zeugen Döring gesagt zu haben, dass eine per-sönliche Vorsprache der Klägerin nicht notwendig sei. Zwar seien die Aussagen des Zeugen Dö-ring nicht unglaubhaft, jedoch halte das Gericht es mit dem Prozessbevollmächtigten der Kläge-rin für durchaus vorstellbar, dass es zwischen der Zeugin Göhringer und dem Zeugen Döring zu einem Missverständnis gekommen sei, indem beide aneinander vorbei geredet hätten. Die Be-klagte sei jedoch nicht berechtigt gewesen, die Erstattung des Alg für die Zeit vom 28.08. bis 31.08.2002 einschließlich der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 96,82 EUR geltend zu machen. Aufgrund der vom Zeugen Döring erhaltenen Informationen habe die Klägerin nicht mehr davon ausgehen müssen, dass ihr Alg zu Unrecht gewährt worden sei. Für das Gericht stehe nach der Aussage des Zeugen Döring fest, dass sie ihrer Mitteilungspflicht nachgekommen sei. Das Urteil des SG wurde dem Bevollmächtigten der Klägerin am 27.09.2004 zugestellt.
Die Klägerin hat am 02.08.2005 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Die Bewertung der Zeugenaussagen durch das SG sei in sich widersprüchlich und basiere auf Vermutungen. Das Gericht vermute ein Missverständnis zwischen den beiden Zeugen, obwohl sich dies aus dem Beweisergebnis nicht zwingend ergebe. Es sei nicht auszuschließen, dass die Zeugin vermeint-lich eine Aussage für die Urlaubsabwesenheit gegeben habe, während sie davon ausgehe, dies nicht getan zu haben. Insofern läge der Irrtum alleine bei der Beklagten und ihrer Mitarbeiterin, jedoch nicht bei dem Zeugen. Aufgrund der beiden Zeugenaussagen sei nicht nachvollziehbar, wo der entsprechende Irrtum in der Kommunikation gelegen habe. Es stelle sich deshalb allein die Frage, zu welchen Lasten dieser Irrtum gereichen müsse. Da die Beklagte die Leistungen nur dann nicht erbringen könne, wenn sie selbst die Zusage nicht erteilt habe, obliege ihr grundsätz-lich die Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen für die Leistung von Alg nicht vorgelegen hätten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21.06.2005 aufzuheben, soweit die Klage abgewiesen worden sei, und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 04.09.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.08.2003 zu verurteilen, ihr Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01.09.2002 bis zum 08.10.2002 im gesetzlichen Umfang zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das Urteil des SG für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, die Akten des SG sowie die Akten des Landes-sozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143 f. SGG zulässige Berufung der Klägerin ist zum Teil begründet.
Das SG hat die Aussagen der Zeugen Göhringer und Döring in überzeugender Weise dahinge-hend gewürdigt, dass wohl bei dem Telefonat am 20.08.2002 am ehesten von einem Missver-ständnis zwischen den beiden hinsichtlich der Genehmigung des Urlaubs auszugehen ist.
Allerdings ergeben sich hieraus zum Teil andere rechtliche Konsequenzen, als das SG entschie-den hat. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der rechtliche Standpunkt des Klägerbevollmächtigten, der Beklagten obliege die Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Alg nicht vorgelegen hätten, zum Teil zutrifft.
Die Bewilligung von Alg ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, dessen Aufhebung bei einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse sich nach der Vorschrift des § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) richtet. Innerhalb dieser Vorschrift ist maßgeblich danach zu unterschei-den, ob eine Aufhebung für die Zukunft (§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X) oder für die Vergangenheit (§ 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X) erfolgt. Im Falle einer Aufhebung für die Vergangenheit bzw. ab Änderung der Verhältnisse gilt ein besonderer Vertrauensschutz, was auch Bedeutung für den vorliegenden Rechtstreit hat.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X in der seit dem 01.01.2001 geltenden Fassung ist ein Verwal-tungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Ände-rung eintritt. Nach Absatz 1 Satz 2 der Vorschrift soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit
1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, 2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, 3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsakts Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder 4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maß verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Hierbei hat die Beklagte beim Vorliegen der Voraussetzungen von § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X kein Ermessen auszuüben, weil § 330 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in der vom 01.01.2002 bis zum 31.12.2002 geltenden Fassung vorsieht, dass beim Vorliegen der in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X genannten Voraussetzungen der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben ist.
Eine wesentliche Änderung ist vorliegend dadurch eingetreten, dass die Klägerin ab dem 28.08.2002 verreist war und den Vermittlungsbemühungen der Beklagten nicht mehr zeitnah zur Verfügung stand, vgl. § 119 Abs. 3 SGB III in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung. So-weit die Verfügbarkeit des § 119 Abs. 3 SGB III in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung den Aufenthalt des Versicherten an seinem Wohnsitz erfordert, wird dies durch die aufgrund der Ermächtigung in § 152 SGB III erlassene Erreichbarkeits-Anordnung (EAO) vom 23.10.1997 (ANBA 1997, 1685) in der Fassung der Änderungsanordnung vom 16.11.2001 (ANBA 2001, 1476) näher konkretisiert. Grundsätzlich hat der Arbeitslose nach § 1 Satz 2 EAO sicherzustel-len, dass die Arbeitsagentur ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhn-lichen Aufenthalt unter der von ihm benannten Anschrift (Wohnung) durch Briefpost erreichen kann. Über Ausnahmen von diesem Grundsatz entscheidet das Arbeitsamt nach Abs. 2 der Vor-schrift im Rahmen der nachfolgenden Vorschriften, wobei es sich von dem Ziel leiten lassen soll, den Arbeitslosen beruflich einzugliedern und Leistungsmissbrauch zu vermeiden.
Diese Vorschriften lauten wie folgt:
§ 2 Aufenthalt innerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs Der Arbeitslose kann sich vorübergehend auch von seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Auf-enthalt entfernen, wenn 1. er dem Arbeitsamt rechtzeitig seine Anschrift für die Dauer der Abwesenheit mitgeteilt hat, 2. er auch an seinem vorübergehenden Aufenthaltsort die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 erfüllen kann und 3. er sich im Nahbereich des Arbeitsamtes aufhält. Zum Nahbereich gehören alle Orte in der Umgebung des Arbeitsamtes, von denen aus der Arbeitslose erforderlichenfalls in der Lage wäre, das Arbeitsamt täglich ohne unzumutbaren Aufwand zu errei-chen. § 3 Aufenthalt außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs (1) Erfüllt der Arbeitslose nicht die Voraussetzungen des § 2 Nrn. 1 bis 3, steht dies der Verfüg-barkeit bis zu drei Wochen im Kalenderjahr nicht entgegen, wenn das Arbeitsamt vorher seine Zustimmung erteilt hat. In den ersten drei Monaten der Arbeitslosigkeit soll das Arbeitsamt die Zustimmung nur in begründeten Ausnahmefällen erteilen. Die Zustimmung darf jeweils nur er-teilt werden, wenn durch die Zeit der Abwesenheit die berufliche Eingliederung nicht beeinträch-tigt wird. (2) Abs. 1 ist entsprechend anzuwenden 1. bei Teilnahme des Arbeitslosen an einer ärztlich verordneten Maßnahme der medizi-nischen Vorsorge oder Rehabilitation, 2. bei Teilnahme des Arbeitslosen an einer Veranstaltung, die staatspolitischen, kirchli-chen oder gewerkschaftlichen Zwecken dient oder sonst im öffentlichen Interesse liegt. Der Arbeitslose muss sicherstellen, dass er während der Teilnahme werktäg-lich persönlich unter der dem Arbeitsamt benannten Anschrift durch Briefpost er-reichbar ist; er muss die Teilnahme jederzeit abbrechen können und sich vor der Teilnahme für den Fall der beruflichen Eingliederung glaubhaft zum jederzeitigen Abbruch bereit erklärt haben, 3. bei Ausübung einer ehrenamtlichen Tätigkeit. (3) In Fällen außergewöhnlicher Härten, die aufgrund unvorhersehbarer und für den Arbeitslo-sen unvermeidbarer Ereignisse entstehen, kann die Drei-Wochenfrist nach Abs. 1 und 2 vom Arbeitsamt tageweise, höchstens um drei Tage verlängert werden. (4) Abs. 1 und 2 finden keine Anwendung, wenn sich der Arbeitslose zusammenhängend länger als sechs Wochen außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereiches aufhalten will. § 4 Sonderfälle In Fällen des § 428 und 429 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch beträgt die Frist nach § 3 Abs. 1 siebzehn Wochen. In besonderen Fällen kann der Zeitraum nach Satz 1 mit Zustimmung des Arbeitsamtes im notwendigen Umfang überschritten werden. Das Arbeitsamt kann den Ar-beitslosen aus gegebenem Anlass in der Verlängerungszeit vorladen. Der Vorladung ist inner-halb eines Zeitraums von vier Wochen Folge zu leisten.
Ein Aufenthalt im Nahbereich nach § 2 EAO lag nicht vor. Auch die Voraussetzungen eines Sonderfalles nach § 4 EAO sind nicht erkennbar. Damit war nach § 3 Abs. 1 und 3 EAO die vor-herige Zustimmung des Arbeitsamtes vor dem Antritt des Urlaubs erforderlich, die jedoch nicht erteilt worden ist. Auch der Senat hält es für am wahrscheinlichsten, dass insofern ein Missver-ständnis zwischen den Zeugen bei ihrem Telefongespräch am 20.08.2002 entstanden ist. Hierbei kommt es entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten nicht darauf an, dass die wider-sprüchlichen Zeugenaussagen auch anders gedeutet werden können, da der Senat das Vorliegen eines Missverständnisses - insoweit in Übereinstimmung mit dem SG - für weitaus am wahr-scheinlichsten hält. Dem Klägerbevollmächtigten ist jedenfalls insoweit zuzustimmen, dass sich insoweit abschließende Klarheit nicht mehr gewinnen lässt, weil beide Zeugen in sich schlüssig und ohne weitere Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Aussage das damalige Telefongespräch un-terschiedlich schildern.
Beim Vorliegen eines Missverständnisses ist jedoch davon auszugehen, dass die Zustimmung zu der Ortsabwesenheit der Klägerin tatsächlich nicht erteilt worden ist. Demnach war die Beklagte nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, die Bewilligung von Alg für die Zukunft aufzuheben. Eine Aufhebung "für die Zukunft" war mit Bescheid vom 04.09.2002 frühestens ab dem 05.09.2002 (Donnerstag) möglich (vgl. BSGE 62,103, wonach die Zukunft insoweit erst mit dem Tag der Zustellung des Aufhebungsbescheides und nicht mit dem Erlassdatum des Bescheides beginnt). Die Aufhebung der Bewilligung von Alg konnte daher nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X erst wirksam mit Wirkung vom 05.09.2002 ausgesprochen wer-den.
Eine Aufhebung der Bewilligung zu einem früheren Zeitpunkt wäre nur unter den engeren Vor-aussetzungen nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X (s.o.) möglich gewesen. In Betracht kommen inso-fern nur § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 4 SGB X, die indes eine grobe Fahrlässigkeit der Klä-gerin voraussetzen. Hierzu hat das SG zutreffend festgestellt, dass eine grobe Fahrlässigkeit nicht angenommen werden kann, da bei einem Missverständnis zwischen den Zeugen davon auszugehen ist, dass der Zeuge Döring der Klägerin mitgeteilt hat, ihre urlaubsbedingte Ortsab-wesenheit sei genehmigt worden. Der Bescheid der Beklagten vom 04.09.2002 war daher inso-weit abzuändern, als hierin eine Aufhebung der Bewilligung von Alg auch für die Zeit vom 28.08.2002 bis zum 04.09.2002 vorgenommen wurde.
Nicht zu prüfen war, ob das SG den Erstattungsbescheid vom 10.09.2002 zu Recht aufgehoben hat, da insofern nur die Beklagte durch das Urteil des SG beschwert ist und diese keine Berufung oder Anschlussberufung eingelegt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass nur eine geringfügige Korrektur des SG-Urteils veranlasst war.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) sowie die Pflicht der Beklagten zur Weiterzahlung von Alg im Streit.
Der 1948 geborenen Klägerin war durch die Beklagte Alg bis zum 31.08.2002 bewilligt worden, als diese am 28.08.2002 in Urlaub fuhr. In der Verwaltungsakte der Beklagten findet sich hierzu folgender Beratungsvermerk der Zeugin Göhringer (geborene Flohr) vom 20.08.2002: "Anruf eines Bekannten: möchte vom 28.08.02 bis 18.09.02 in Urlaub, über drei Wochen, soll deswegen nochmals persönlich herkommen. 20.08.02/2222/Flohr".
Die Beklagte schickte der Klägerin am 28.08.2002 eine Einladung zu einem Beratungsgespräch am 30.08.2002. Der Zeuge Döring, der Nachbar der Klägerin ist und während ihrer Urlaubsab-wesenheit ihre Post kontrollierte, rief daraufhin am 30.08.2002 bei der Beklagten an. Hierüber befindet sich folgender Beratungsvermerk in der Verwaltungsakte der Beklagten: "Anruf von Herrn Döring. Frau Sahan sei in Urlaub und könne zu dem Beratungsgespräch am 03.09.2002 nicht kommen. Herr Döring ist der Meinung, der Urlaub sei mit seinem Anruf vom 20.08.2002 genehmigt worden".
Die Beklagte hob mit Bescheid vom 04.09.2002 die Bewilligung von Alg mit Wirkung vom 28.08.2002 wegen der Ortsabwesenheit der Klägerin auf. Mit weiterem Bescheid vom 10.09.2002 forderte die Beklagte zu Unrecht gezahltes Alg für die Zeit vom 28.08.2002 bis zum 31.08.2002 in Höhe von 74,08 EUR zzgl. 22,74 EUR für den genannten Zeitraum gezahlter Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung von der Klägerin zurück. Im Widerspruchsverfahren meldete sich am 13.09.2002 der Sohn der Klägerin persönlich bei der Beklagten und äußerte sein Unver-ständnis darüber, dass der Urlaub nicht genehmigt worden sei. Hierbei ist der Sohn der Klägerin auf das Erfordernis der rechtzeitigen Arbeitslosmeldung der Klägerin hingewiesen worden.
Am 09.10.2002 meldete die Klägerin sich nach einer Erkrankung bei der Beklagten erneut ar-beitslos, woraufhin ihr ab dem 09.10.2002 erneut Alg bewilligt wurde.
Im Widerspruchsverfahren trug die Klägerin vor, dass der Zeuge Döring am 20.08.2002 der Be-klagten ihren Urlaub vom 28.08. bis zum 18.09.2002 telefonisch mitgeteilt habe. Die Zeugin Göhringer habe dabei gesagt, dass die Klägerin wahrscheinlich für den 18.09.2002 kein Alg be-käme, wenn sie erst an diesem Tag zurückkomme. Weitere Forderungen, insbesondere eine per-sönliche Erscheinungspflicht, seien der Klägerin nicht auferlegt worden. Dennoch habe die Be-klagte der Klägerin am 28.08.2002 eine Einladung zum 03.09.2002 geschickt. Insofern sich in den Akten der Beklagten anders lautende Beratungsvermerke befänden, seien diese unzutreffend.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.08.2003 wurde der Widerspruch der Klägerin als unbegrün-det zurückgewiesen. Hierbei ging die Beklagte davon aus, dass der Bescheid vom 10.09.2002 nach § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden ist. Die Klägerin habe sich ohne vorherige Zustimmung des Arbeitsamtes in der Türkei aufgehalten, weswegen sie den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes nicht zur Verfügung gestanden habe. Anhand der Hinweise in dem ihr ausgehändigten Merkblatt habe sie hierbei wissen müs-sen, dass ihr für die Zeit ihrer nicht genehmigten Ortsabwesenheit kein Anspruch auf Alg zuste-he. So habe die Klägerin vor Antritt ihres Urlaubs einen Bekannten bei der Beklagten anrufen lassen, der die Urlaubsabsicht der Klägerin mitgeteilt habe. Der Anrufer sei jedoch darauf hin-gewiesen worden, dass die Klägerin selbst vorsprechen müsse. Dennoch sei die Klägerin vor ihrer Abreise nicht mehr beim Arbeitsamt erschienen.
Die Klägerin hat am 25.09.2003 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben. Tatsächlich sei sie nicht aufgefordert worden, persönlich beim Arbeitsamt vorzusprechen. Der Zeuge Döring habe der Beklagten die Urlaubsabsicht mitgeteilt, woraufhin ihm von der Zeugin Göhringer le-diglich gesagt worden sei, dass vermutlich für den letzten Tag des Urlaubs, den 18.09.2002, kein Alg gezahlt werde. Als der Aufhebungsbescheid während des Urlaubs der Klägerin eingetroffen sei, habe der Zeuge Döring erneut bei der Beklagten angerufen. Nunmehr habe die Zeugin Göh-ringer erstmalig erklärt, sie habe die Klägerin aufgefordert, selbst noch einmal beim Arbeitsamt vorzusprechen.
Die Beklagte hat in ihrer Klageentgegnung vorgetragen, dass Vermerke in den Beratungsunter-lagen im Nachhinein weder geändert noch gelöscht werden könnten. Die Beklagte verwies au-ßerdem auf einen früheren Vorgang, bei dem der Sohn der Klägerin bereits vor einem Urlaub der Klägerin auf die Meldepflicht der Klägerin hingewiesen worden sei. Daraufhin sei diese auch, so wie es den Vorschriften entspreche, am 06.12.2001 beim Arbeitsamt erschienen und habe den geplanten Urlaub auch persönlich und vor Antritt des Urlaubs beantragt. Insofern sei davon aus-zugehen, dass der Klägerin das Erfordernis einer persönlichen und vorherigen Vorsprache für die Genehmigung von Urlaub bei dem nunmehr streitbefangenen, späteren Vorfall bekannt gewesen sei.
Das SG hat am 15.06.2004 einen Termin zur Beweisaufnahme durchgeführt, bei dem die Zeugen Arnold Döring und Stefanie Göhringer (geborene Flohr) vernommen wurden. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift des Sozialgerichts vom 15.06.2004 Bezug genommen. Der Zeuge Dö-ring sagte unter anderem aus, dass er für die Klägerin vor deren Urlaubsantritt bei der Beklagten angerufen habe und dass man ihm lediglich gesagt habe, dass für den letzten Tag des Urlaubs gegebenenfalls kein Alg bezahlt werde. Für ihn sei daraufhin die Sache erledigt gewesen und klar gewesen, dass die Klägerin nicht mehr bei der Beklagten vorzusprechen habe. Ungefähr 4 Wochen später sei er nach Eintreffen des Aufhebungsbescheides selbst mit dem Sohn der Klä-gerin bei der Beklagten gewesen, um den Sachverhalt zu klären. Daraufhin habe die Zeugin Göhringer gesagt, dass Arbeitslose nicht telefonisch Urlaub beantragen könnten oder sich ab-melden könnten. Die Zeugin Göhringer sagte u. a. aus, dass sie an das erste Telefonat mit dem Zeugen Döring keine Erinnerung mehr habe, da es sich um einen alltäglichen Vorgang gehandelt habe. An die Vorsprache des Zeugen Döring mit dem Sohn der Klägerin erinnere sie sich noch, und auch daran, dass gegensätzliche Erinnerungen an das erste Telefongespräch Thema des Ge-sprächs gewesen seien. Sie habe ihren Beratungsvermerk unmittelbar nach dem Telefonat ge-macht.
Das SG hat mit Urteil vom 21.06.2005 den Bescheid der Beklagten vom 10.09.2002 in der Ges-talt des Widerspruchsbescheides vom 22.08.2003 aufgehoben und die Klage im Übrigen abge-wiesen, wobei es sich zur Begründung zum Teil auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid bezog. Der Bescheid vom 04.09.2002 über die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld sei rechtmäßig, da eine vorherige Zustimmung der Beklagten zu der ab dem 28.08.2002 eingetre-tenen Ortsabwesenheit der Klägerin nicht vorgelegen habe. Die Zeugin Göhringer habe glaub-haft bekundet, dass sie davon ausgehe, die Inhalte ihrer Beratungsvermerke seien zutreffend. Sie habe auch nachvollziehbar ausgeschlossen, dem Zeugen Döring gesagt zu haben, dass eine per-sönliche Vorsprache der Klägerin nicht notwendig sei. Zwar seien die Aussagen des Zeugen Dö-ring nicht unglaubhaft, jedoch halte das Gericht es mit dem Prozessbevollmächtigten der Kläge-rin für durchaus vorstellbar, dass es zwischen der Zeugin Göhringer und dem Zeugen Döring zu einem Missverständnis gekommen sei, indem beide aneinander vorbei geredet hätten. Die Be-klagte sei jedoch nicht berechtigt gewesen, die Erstattung des Alg für die Zeit vom 28.08. bis 31.08.2002 einschließlich der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 96,82 EUR geltend zu machen. Aufgrund der vom Zeugen Döring erhaltenen Informationen habe die Klägerin nicht mehr davon ausgehen müssen, dass ihr Alg zu Unrecht gewährt worden sei. Für das Gericht stehe nach der Aussage des Zeugen Döring fest, dass sie ihrer Mitteilungspflicht nachgekommen sei. Das Urteil des SG wurde dem Bevollmächtigten der Klägerin am 27.09.2004 zugestellt.
Die Klägerin hat am 02.08.2005 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Die Bewertung der Zeugenaussagen durch das SG sei in sich widersprüchlich und basiere auf Vermutungen. Das Gericht vermute ein Missverständnis zwischen den beiden Zeugen, obwohl sich dies aus dem Beweisergebnis nicht zwingend ergebe. Es sei nicht auszuschließen, dass die Zeugin vermeint-lich eine Aussage für die Urlaubsabwesenheit gegeben habe, während sie davon ausgehe, dies nicht getan zu haben. Insofern läge der Irrtum alleine bei der Beklagten und ihrer Mitarbeiterin, jedoch nicht bei dem Zeugen. Aufgrund der beiden Zeugenaussagen sei nicht nachvollziehbar, wo der entsprechende Irrtum in der Kommunikation gelegen habe. Es stelle sich deshalb allein die Frage, zu welchen Lasten dieser Irrtum gereichen müsse. Da die Beklagte die Leistungen nur dann nicht erbringen könne, wenn sie selbst die Zusage nicht erteilt habe, obliege ihr grundsätz-lich die Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen für die Leistung von Alg nicht vorgelegen hätten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21.06.2005 aufzuheben, soweit die Klage abgewiesen worden sei, und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 04.09.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.08.2003 zu verurteilen, ihr Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01.09.2002 bis zum 08.10.2002 im gesetzlichen Umfang zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das Urteil des SG für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, die Akten des SG sowie die Akten des Landes-sozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143 f. SGG zulässige Berufung der Klägerin ist zum Teil begründet.
Das SG hat die Aussagen der Zeugen Göhringer und Döring in überzeugender Weise dahinge-hend gewürdigt, dass wohl bei dem Telefonat am 20.08.2002 am ehesten von einem Missver-ständnis zwischen den beiden hinsichtlich der Genehmigung des Urlaubs auszugehen ist.
Allerdings ergeben sich hieraus zum Teil andere rechtliche Konsequenzen, als das SG entschie-den hat. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der rechtliche Standpunkt des Klägerbevollmächtigten, der Beklagten obliege die Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Alg nicht vorgelegen hätten, zum Teil zutrifft.
Die Bewilligung von Alg ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, dessen Aufhebung bei einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse sich nach der Vorschrift des § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) richtet. Innerhalb dieser Vorschrift ist maßgeblich danach zu unterschei-den, ob eine Aufhebung für die Zukunft (§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X) oder für die Vergangenheit (§ 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X) erfolgt. Im Falle einer Aufhebung für die Vergangenheit bzw. ab Änderung der Verhältnisse gilt ein besonderer Vertrauensschutz, was auch Bedeutung für den vorliegenden Rechtstreit hat.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X in der seit dem 01.01.2001 geltenden Fassung ist ein Verwal-tungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Ände-rung eintritt. Nach Absatz 1 Satz 2 der Vorschrift soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit
1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, 2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, 3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsakts Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder 4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maß verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Hierbei hat die Beklagte beim Vorliegen der Voraussetzungen von § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X kein Ermessen auszuüben, weil § 330 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in der vom 01.01.2002 bis zum 31.12.2002 geltenden Fassung vorsieht, dass beim Vorliegen der in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X genannten Voraussetzungen der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben ist.
Eine wesentliche Änderung ist vorliegend dadurch eingetreten, dass die Klägerin ab dem 28.08.2002 verreist war und den Vermittlungsbemühungen der Beklagten nicht mehr zeitnah zur Verfügung stand, vgl. § 119 Abs. 3 SGB III in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung. So-weit die Verfügbarkeit des § 119 Abs. 3 SGB III in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung den Aufenthalt des Versicherten an seinem Wohnsitz erfordert, wird dies durch die aufgrund der Ermächtigung in § 152 SGB III erlassene Erreichbarkeits-Anordnung (EAO) vom 23.10.1997 (ANBA 1997, 1685) in der Fassung der Änderungsanordnung vom 16.11.2001 (ANBA 2001, 1476) näher konkretisiert. Grundsätzlich hat der Arbeitslose nach § 1 Satz 2 EAO sicherzustel-len, dass die Arbeitsagentur ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhn-lichen Aufenthalt unter der von ihm benannten Anschrift (Wohnung) durch Briefpost erreichen kann. Über Ausnahmen von diesem Grundsatz entscheidet das Arbeitsamt nach Abs. 2 der Vor-schrift im Rahmen der nachfolgenden Vorschriften, wobei es sich von dem Ziel leiten lassen soll, den Arbeitslosen beruflich einzugliedern und Leistungsmissbrauch zu vermeiden.
Diese Vorschriften lauten wie folgt:
§ 2 Aufenthalt innerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs Der Arbeitslose kann sich vorübergehend auch von seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Auf-enthalt entfernen, wenn 1. er dem Arbeitsamt rechtzeitig seine Anschrift für die Dauer der Abwesenheit mitgeteilt hat, 2. er auch an seinem vorübergehenden Aufenthaltsort die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 erfüllen kann und 3. er sich im Nahbereich des Arbeitsamtes aufhält. Zum Nahbereich gehören alle Orte in der Umgebung des Arbeitsamtes, von denen aus der Arbeitslose erforderlichenfalls in der Lage wäre, das Arbeitsamt täglich ohne unzumutbaren Aufwand zu errei-chen. § 3 Aufenthalt außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs (1) Erfüllt der Arbeitslose nicht die Voraussetzungen des § 2 Nrn. 1 bis 3, steht dies der Verfüg-barkeit bis zu drei Wochen im Kalenderjahr nicht entgegen, wenn das Arbeitsamt vorher seine Zustimmung erteilt hat. In den ersten drei Monaten der Arbeitslosigkeit soll das Arbeitsamt die Zustimmung nur in begründeten Ausnahmefällen erteilen. Die Zustimmung darf jeweils nur er-teilt werden, wenn durch die Zeit der Abwesenheit die berufliche Eingliederung nicht beeinträch-tigt wird. (2) Abs. 1 ist entsprechend anzuwenden 1. bei Teilnahme des Arbeitslosen an einer ärztlich verordneten Maßnahme der medizi-nischen Vorsorge oder Rehabilitation, 2. bei Teilnahme des Arbeitslosen an einer Veranstaltung, die staatspolitischen, kirchli-chen oder gewerkschaftlichen Zwecken dient oder sonst im öffentlichen Interesse liegt. Der Arbeitslose muss sicherstellen, dass er während der Teilnahme werktäg-lich persönlich unter der dem Arbeitsamt benannten Anschrift durch Briefpost er-reichbar ist; er muss die Teilnahme jederzeit abbrechen können und sich vor der Teilnahme für den Fall der beruflichen Eingliederung glaubhaft zum jederzeitigen Abbruch bereit erklärt haben, 3. bei Ausübung einer ehrenamtlichen Tätigkeit. (3) In Fällen außergewöhnlicher Härten, die aufgrund unvorhersehbarer und für den Arbeitslo-sen unvermeidbarer Ereignisse entstehen, kann die Drei-Wochenfrist nach Abs. 1 und 2 vom Arbeitsamt tageweise, höchstens um drei Tage verlängert werden. (4) Abs. 1 und 2 finden keine Anwendung, wenn sich der Arbeitslose zusammenhängend länger als sechs Wochen außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereiches aufhalten will. § 4 Sonderfälle In Fällen des § 428 und 429 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch beträgt die Frist nach § 3 Abs. 1 siebzehn Wochen. In besonderen Fällen kann der Zeitraum nach Satz 1 mit Zustimmung des Arbeitsamtes im notwendigen Umfang überschritten werden. Das Arbeitsamt kann den Ar-beitslosen aus gegebenem Anlass in der Verlängerungszeit vorladen. Der Vorladung ist inner-halb eines Zeitraums von vier Wochen Folge zu leisten.
Ein Aufenthalt im Nahbereich nach § 2 EAO lag nicht vor. Auch die Voraussetzungen eines Sonderfalles nach § 4 EAO sind nicht erkennbar. Damit war nach § 3 Abs. 1 und 3 EAO die vor-herige Zustimmung des Arbeitsamtes vor dem Antritt des Urlaubs erforderlich, die jedoch nicht erteilt worden ist. Auch der Senat hält es für am wahrscheinlichsten, dass insofern ein Missver-ständnis zwischen den Zeugen bei ihrem Telefongespräch am 20.08.2002 entstanden ist. Hierbei kommt es entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten nicht darauf an, dass die wider-sprüchlichen Zeugenaussagen auch anders gedeutet werden können, da der Senat das Vorliegen eines Missverständnisses - insoweit in Übereinstimmung mit dem SG - für weitaus am wahr-scheinlichsten hält. Dem Klägerbevollmächtigten ist jedenfalls insoweit zuzustimmen, dass sich insoweit abschließende Klarheit nicht mehr gewinnen lässt, weil beide Zeugen in sich schlüssig und ohne weitere Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Aussage das damalige Telefongespräch un-terschiedlich schildern.
Beim Vorliegen eines Missverständnisses ist jedoch davon auszugehen, dass die Zustimmung zu der Ortsabwesenheit der Klägerin tatsächlich nicht erteilt worden ist. Demnach war die Beklagte nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, die Bewilligung von Alg für die Zukunft aufzuheben. Eine Aufhebung "für die Zukunft" war mit Bescheid vom 04.09.2002 frühestens ab dem 05.09.2002 (Donnerstag) möglich (vgl. BSGE 62,103, wonach die Zukunft insoweit erst mit dem Tag der Zustellung des Aufhebungsbescheides und nicht mit dem Erlassdatum des Bescheides beginnt). Die Aufhebung der Bewilligung von Alg konnte daher nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X erst wirksam mit Wirkung vom 05.09.2002 ausgesprochen wer-den.
Eine Aufhebung der Bewilligung zu einem früheren Zeitpunkt wäre nur unter den engeren Vor-aussetzungen nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X (s.o.) möglich gewesen. In Betracht kommen inso-fern nur § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 4 SGB X, die indes eine grobe Fahrlässigkeit der Klä-gerin voraussetzen. Hierzu hat das SG zutreffend festgestellt, dass eine grobe Fahrlässigkeit nicht angenommen werden kann, da bei einem Missverständnis zwischen den Zeugen davon auszugehen ist, dass der Zeuge Döring der Klägerin mitgeteilt hat, ihre urlaubsbedingte Ortsab-wesenheit sei genehmigt worden. Der Bescheid der Beklagten vom 04.09.2002 war daher inso-weit abzuändern, als hierin eine Aufhebung der Bewilligung von Alg auch für die Zeit vom 28.08.2002 bis zum 04.09.2002 vorgenommen wurde.
Nicht zu prüfen war, ob das SG den Erstattungsbescheid vom 10.09.2002 zu Recht aufgehoben hat, da insofern nur die Beklagte durch das Urteil des SG beschwert ist und diese keine Berufung oder Anschlussberufung eingelegt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass nur eine geringfügige Korrektur des SG-Urteils veranlasst war.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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