L 6 U 335/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 4 U 457/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 335/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 9. Dezember 2003 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Im Streit steht die Anerkennung von Berufskrankheiten nach Nr. 2108 bis 2110 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) sowie die Gewährung einer Verletztenrente.

Der 1943 geborene Kläger arbeitete nach einer Lehre als Bäcker ab 1957 in verschiedenen Berufsfeldern, seit Mai 1971 im Wesentlichen als Fahrer, davon auf Baustellen vom 20. November 1978 bis 25. September 1980 bei der Firma B., vom 3. November 1980 bis 23. Dezember 1980 bei der Firma O. und vom 1. April 1981 bis 20. Dezember 1999 bei der H. GmbH & Co. KG. Seit Mai 2003 bezieht der Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Mit Schreiben vom 17. Januar 2002 wandte er sich an die Beklagte und bat, den bei ihm festgestellten Schaden der Lendenwirbelsäule (Bandscheibenvorfall) als Berufskrankheit festzustellen und zu entschädigen.

Die Beklagte nahm daraufhin Ermittlungen auf. Im Fragebogen zur Wirbelsäulenerkrankung erklärte der Kläger unter dem 2. Februar 2002, er habe vor etwa 10 Jahren das erste Mal Wirbelsäulenbeschwerden gehabt, die sich vor allem beim Aufstehen nach dem Sitzen gezeigt hätten. Seitdem leide er regelmäßig unter entsprechenden Beschwerden. Er sei 1997 wegen eines Herzinfarkts von der Tätigkeit eines Lkw-Fahrers auf die eines Baggerfahrers auf der Bauschuttdeponie gewechselt, eine Entlastung der Wirbelsäule (WS) sei dadurch aber nicht erfolgt. Im August 1998 habe er dann auf Anraten des Kardiologen seine berufliche Tätigkeit beendet. Er legte ergänzend den Arztbrief des Radiologen Dr. O. vom 4. Oktober 2001 vor. Danach bestehe ein großer, raumfordernder, medianer, deszendierender Bandscheibenvorfall in Höhe L3/4 , eine leichte Diskopathie in dieser Höhe sowie eine flache, rechts mediolaterale Bandscheibenprotrusion bei L 5/S 1 bei Osteochondrose. Die Beklagte zog einen Untersuchungsbericht ihres Arbeitsmedizinischen Dienstes vom 25. Februar 1997, das Vorerkrankungsverzeichnis bei der Krankenkasse und ärztliche Unterlagen bei der Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg (LVA) bzgl. der Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bei und holte den Befundbericht des Facharztes für Orthopädie/Rheumatologie H. vom 10. März 2002 ein, dem Arztbriefe vom 14. Juli 1997 und 27. März 2001 beigefügt waren. In seinem orthopädischen Zusatzgutachten für die LVA diagnostizierte der Facharzt für Orthopädie Dr. C. am 10. Mai 2001, beim Kläger bestehe ein rezidivierendes Lumbalsyndrom bei Wirbelsäulenfehlstellung, eine Rückenmuskelinsuffizienz, eine dorsale Osteochondrose L 4/5, ein rezidivierendes Cervikalsyndrom bei muskulärer Insuffizienz sowie anamnestisch ein Supraspinatus-Syndrom links.

Die H. GmbH & Co. KG gab in dem ihr von der Beklagten übersandten Fragebogen unter dem 20. März 2002 an, der Kläger sei vom 7. April 1981 bis 20. Dezember 1999 für sie tätig gewesen. Er habe bis 8. April 1997 als Lkw-Fahrer Klasse II gearbeitet, danach sei er als Radladerfahrer (Marke Komatsu) auf einer Deponie tätig gewesen.

Der Technische Aufsichtsdienst, Technischer Aufsichtsbeamter (TAB) Dipl.-Ing. A. ermittelte in einer persönlichen Befragung des Klägers weitere Daten zu dessen beruflichen Tätigkeiten. Er führte in seinem Bericht vom 5. Juli 2002 u.a. aus, der Kläger sei von April 1981 bis Februar 1997 als Lkw-Fahrer mit dem Beliefern von Baustellen mit Baumaterialien und Baugeräten tätig gewesen. Von 1992 bis 1994 habe er in den Wintermonaten zusätzlich etwa 4 Stunden täglich über 5 Monate hinweg Schneeräumdienste ausgeführt. Von April 1997 bis August 1999 sei er als Radladerführer und Baggerführer in einer Bauschuttdeponie eingesetzt gewesen. Der Kläger habe mit Sicherheit im Laufe seiner beruflichen Tätigkeit auch wirbelsäulenbelastende Tätigkeiten im Sinne der Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV ausgeübt, insbesondere bei verschiedenen Firmen bis 1981. Danach habe er Hebe- und Tragetätigkeiten von mehr als 25 kg nur noch bei Bedarf ausgeübt, z.B. beim Be- und Entladen. Solche Tätigkeiten seien zwar mit einer gewissen Regelmäßigkeit angefallen, allerdings nicht in der überwiegenden Zahl der Arbeitsschichten und nicht in mehr als einem Drittel der täglichen Arbeitszeit. Damit sei der Kläger ab 1981 nicht in einer gefährdenden Tätigkeit im Sinne der BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV tätig gewesen. Wirbelsäulengefährdende Tätigkeiten im Sinne der BK nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV habe er während seiner beruflichen Tätigkeit nicht ausgeübt. Im Hinblick auf die BK nach Nr. 2110 der Anlage zur BKV müsse seine überwiegende Tätigkeit als Lkw-Fahrer berücksichtigt werden, jedoch auch die als Baumaschinenführer auf der Bauschuttdeponie. Es werde zwar bei dieser Tätigkeit die Beurteilungsschwingstärke erreicht. Allerdings liege die Gesamtdosis bei Dv = 78 x 10³ und damit weit unter dem Gesamtdosisrichtwert von 580 x 10³. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK nach Nr. 2110 der Anlage zur BKV lägen damit ebenfalls nicht vor. Dem Bericht beigefügt war eine Berechnung der Gesamtbelastung, ausgehend von Erfahrungswerten und Messungen an bestimmten Fahrzeugen. Ergänzend nahm TAB A. mit Schreiben vom 7. August 2002 nochmals Stellung zu den arbeitstechnischen Voraussetzungen bezüglich der BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV unter Vorlage einer tabellarischen Darstellung der relevanten Hebe- und Tragebelastungen für das gesamte Berufsleben des Klägers (ab 7. November 1957). Danach hätten insgesamt 1,65 Gefährdungsjahre vorgelegen.

Mit Schreiben vom 9. Juli 2002 zeigte die H. GmbH & Co. KG das Vorliegen einer Berufskrankheit beim Kläger an.

Der Staatliche Gewerbearzt Dr. K. schlug unter dem 2. September 2002 eine BK nach den Nr. 2108, 2109 oder 2110 der Anlage zur BKV nicht zur Anerkennung vor, da die haftungsbegründende Kausalität nicht habe wahrscheinlich gemacht werden können.

Mit Bescheid vom 20. September 2002 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK sowie die Gewährung von Leistungen nach § 3 BKV ab. Der Kläger habe wirbelsäulengefährdende Tätigkeiten im Sinne der BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV nur in der Zeit vom 17. Juli bis 13. Dezember 1963, vom 8. September 1964 bis 16. Juli 1965, vom 17. März bis 9. Juni 1969 und vom 10. Mai bis 7. Juli 1971 ausgeübt, gefährdende Tätigkeiten im Sinne der BK nach Nr. 2110 der Anlage zur BKV nur vom 15. Juni 1962 bis 15. Juni 1963, so dass nicht von einer langjährigen gefährdenden Tätigkeit ausgegangen werden könne. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen würden daher für keine der geltend gemachten BKn vorliegen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch, der vom Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 28. Januar 2003 zurückgewiesen wurde.

Dagegen erhob der Kläger am 24. Februar 2003 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG), im Wesentlichen mit der Begründung, er habe langjährig belastende Tätigkeiten ausgeübt, die auch für seine Erkrankung ursächlich seien. Das SG befragte den Kläger schriftlich nach den von ihm verrichteten Tätigkeiten und wies die Klage durch Urteil vom 9. Dezember 2003 wegen fehlender arbeitstechnischer Voraussetzungen für die Anerkennung der Erkrankungen als BK ab.

Gegen das am 16. Januar 2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26. Januar 2004 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, er habe nicht nur, wie vom SG insoweit zu Recht ausgeführt, bei den von ihm verrichteten Montagetätigkeiten schwere Lasten auf der Schulter getragen, sondern auch beim Be- und Entladen während seiner Tätigkeit als Fahrer, was bis dahin von ihm anders dargestellt worden sei. Gerade als Bierfahrer und bei seiner Tätigkeit als Fahrer für eine Fertighausfirma seien entsprechende Tragetätigkeiten in mehr als der Hälfte der Arbeitsschichten angefallen. Auch sei sicherlich die Schwingungsbelastung höher als vom SG seiner Entscheidung zugrundegelegt. Die Ermittlung der Belastungszahlen für die BK nach Nr. 2108 habe der TAB nur für den Baubereich nach Messungen durchgeführt. Ansonsten beruhten diese auf Schätzungen, so dass sie nicht geeignet seien, als Berechnungsgrundlage der Gesamtbelastungsdosis zu dienen.

Der Kläger beantragt, teilweise sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 9. Dezember 2003 sowie den Bescheid vom 20. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Januar 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nrn. 2108, 2109 oder 2110 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung Verletztenrente nach einer MdE um wenigstens 20 vom Hundert (v.H.) zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist zur Begründung im wesentlichen auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidungen.

Der Senat hat Prof. Dr. Dr. mult. H., Chefarzt der Orthopädischen Abteilung der Fachkliniken H. I und II mit der Erstellung eines fachorthopädischen Gutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 21. Oktober 2004 führt er aus, beim Kläger seien keine schwerwiegenden Bandscheibenveränderungen im Bereich der HWS festzustellen. Im Falle einer berufsbedingten Erkrankung der HWS-Bandscheiben wären an der HWS multisegmental degenerative Aufbrauchschäden zu fordern, die die Altersnorm deutlich übersteigen müssten. Dies sei beim Kläger nicht einmal im Ansatz der Fall. Im Bereich der Brustwirbelsäule (BWS) bestehe eine leichtergradige skoliotische und hyperkyphotische Fehlhaltung. Die bildgebende Diagnostik habe daneben geringgradige osteochondrotische Veränderungen im mittleren und unteren Bereich bei normaler Weite der Zwischenwirbelräume ergeben, ohne dass von einer Bandscheibenerkrankung im Bereich der BWS gesprochen werden könne. Im Bereich der LWS hat Prof. Dr. Dr. mult. H. einen älteren lumbalen Bandscheibenvorfall L 3/4 median ohne wesentliche physiologische Ausfallsymptomatik sowie muskuläre Fehlfunktionen mit lokalem unteren LWS-Syndrom bei lumbaler Fehlstatik mit reaktiven links-muskulären Fehlfunktionen festgestellt. Als Argument für eine berufliche Verursachung der Erkrankungen führt Prof. Dr. Dr. mult. H. das Vorliegen eines Bandscheibenschadens im Segment L 3/4, geringgradig auch im Segment L 4/5, das Bestehen eines symptomfreien Intervalls zwischen der erstmaligen Aufnahme wirbelsäulenbelastender Tätigkeiten und der Entstehung von Beschwerden sowie das Fehlen konkurrierender Störungen an. Gegen eine berufliche Verursachung spreche, dass schwerwiegende degenerative Veränderungen der gesamten Rumpfwirbelsäule nicht zu erkennen seien. Es gebe auch keine belastungsadaptiven Veränderungen wie typische knöcherne Ausziehungen im Bereich der ligamentären Bandansätze, es liege eine völlig atypische Verteilung der nur geringfügig vorhandenen degenerativen Veränderungen vor. Eine konkurrierende Störung im Sinne einer Bogenschlussstörung in Höhe S 1 und Wachstumsstörungen im oberen Bereich der LWS seien ebenfalls zu beachten. In einer Gesamtschau liege daher die haftungsausfüllende Kausalität für die Anerkennung der BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV nicht vor, ebenso wenig für eine BK nach Nr. 2110 der Anlage zur BKV. Als Gesundheitsstörungen diagnostizierte er einen Verdacht auf Periarthropathie rechte Schulter, ein funktionelles mittleres und unteres HWS-Syndrom bei nur geringfügigen degenerativen Bandscheibenveränderungen, eine mäßiggradige thorakale Fehlstatik mit reaktiven muskulären Fehlfunktionen ohne Funktionsbeeinträchtigung, ein rezidivierendes lokales unteres LWS-Syndrom bei WS-Fehlhaltung und reaktiver muskulärer Dysfunktion, einen kernspintomographisch gesicherten Bandscheibenvorfall in Höhe L 3/4 ohne aktuelle klinische Relevanz, insbesondere ohne neurologische Ausfallsymptomatik, eine geringfügige Funktionsbeeinträchtigung des rechten Knies sowie eine ausgeprägte Neurodermitis im Bereich beider Beine, rechtsbetont. Keine dieser Erkrankungen sei allerdings durch eine berufliche Belastung verursacht, so dass auch keine BK vorliege.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Gericht Dr. B., Facharzt für Orthopädie, mit der Erstellung eines fachorthopädischen Gutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 23. April 2005 führt er als Erkrankungen ein lokales Lumbalsyndrom mit geringen bis mäßigen Funktionsstörungen bei kernspintomographisch gesichertem Bandscheibenvorfall in Höhe L 3/4 ohne entsprechende klinische Symptomatik, insbesondere ohne Nervenwurzelkompressionszeichen sowie ein lokales Zervikalsyndrom mit gering bis mäßigen Funktionsstörungen ohne neurologische Nervenwurzelkompressionssymptomatik auf. Beim Kläger würden die Veränderungen der Wirbelkörper in der HWS und BWS nicht hinter denen der LWS zurücktreten bzw. seien altersdurchschnittlich ausgeprägt. Im Bereich der LWS seien die bandscheibenbedingten Veränderungen auf ein Segment beschränkt und ausschließlich radiologisch. Es habe auch keine Begleitspondylose in nicht erkrankten Segmenten festgestellt werden können. Obwohl anlagebedingte konkurrierende Faktoren nicht in erheblichem Umfang vorlägen, sei im Hinblick darauf, dass der magnetresonanztomographisch nachgewiesene Vorfall bei L 3/4 ohne klinische Entsprechung sei und weil die degenerativen Veränderungen der LWS das Altersgemäße nicht überschritten, davon auszugehen, dass die Gesundheitsstörungen nicht durch die berufliche Belastung verursacht seien, so dass keine BK vorliege.

Der Senat hat den Beteiligten mitgeteilt, es komme die Möglichkeit in Betracht, die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte. Die Beteiligten haben Gelegenheit erhalten, zu dieser Verfahrensweise Stellung zu nehmen

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheiden, weil er eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, nachdem die Beteiligten Gelegenheit erhalten hatten, sich hierzu zu äußern und die Entscheidung einstimmig ergeht.

Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet.

Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente.

Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch [(SGB VII)]. Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII).

Nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV stellen bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren, Berufskrankheiten dar.

In Nr. 2109 sind als Berufskrankheiten aufgeführt bandscheibenbedingte Erkrankungen der HWS durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.

Nach Nr. 2110 sind Berufskrankheiten bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS durch langjährige, vorwiegend vertikale Einwirkungen von Ganzkörperschwingungen im Sitzen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.

Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente, wobei die Folgen eines Versicherungsfalls nur zu berücksichtigen sind, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um mindestens 10 v.H. mindern (§ 56 Abs. 1 Sätze 2 und 3 SGB VII). Dabei richtet sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d.h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSGE 1, 174, 178; BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22).

Für die Gewährung einer Rente wegen einer BK ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein. Für die Beurteilung des Zusammenhangs zwischen schädigender Einwirkung und Erkrankung gilt bei einer Berufskrankheit ebenso wie beim Arbeitsunfall die Theorie der wesentlichen Bedingung. Danach genügt abweichend von einer naturwissenschaftlich-philosophischen Kausalitätsbetrachtung nach der Bedingungs- und Äquivalenztheorie nicht jedes Glied in einer Ursachenkette, um die Verursachung zu bejahen, weil dies zu einem unendlichen Ursachenzusammenhang führt. Als kausal und im Sozialrecht erheblich werden vielmehr nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zu dem Gesundheitsschaden zu dessen Eintritt "wesentlich" beigetragen haben. Das heißt, dass nicht jeder Gesundheitsschaden, der durch ein Ereignis naturwissenschaftlich verursacht wird, im Sozialrecht als Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit anerkannt wird, sondern nur derjenige, der "wesentlich" durch das Ereignis verursacht wurde. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besonderen Beziehungen der Ursache zum Eintritt des Gesundheitsschadens abgeleitet werden (so schon BSGE 1, 72, 76; 1, 150; 13, 175).

Es kann vorliegend offen gelassen werden, ob die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung der geklagten Beschwerden als BK, d.h. die haftungsbegründende Kausalität, erfüllt ist. Denn jedenfalls fehlt es an der haftungsausfüllenden Kausalität zwischen einer - insoweit unterstellten - bandscheibenschädigenden beruflichen Belastung und vorhandenen Gesundheitsstörungen bzw., soweit die BK nach Nr. 2109 im Streit steht, bereits am Nachweis eines der BK nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV entsprechenden Krankheitsbildes.

Eine BK nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV kann nicht zur Anerkennung kommen. Es ist bereits zweifelhaft, ob beim Kläger überhaupt eine bandscheibenbedingte Erkrankung der HWS vorliegt. Prof. Dr. Dr. mult. H. hat in Übereinstimmung mit Dr. B. im Bereich der HWS einen weitgehend unauffälligen Befund mit unbeeinträchtigter Funktionalität erhoben. Lediglich röntgenologisch konnten ganz geringfügige degenerative Veränderungen in den Segmenten C 3/4 und C 4/5 erkannt werden, deren Ausmaß jedoch noch nicht einmal die Alternorm erreicht. Daher dürfte es bereits an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der HWS fehlen. Doch selbst unterstellt, eine bandscheibenbedingte Erkrankung der HWS läge vor, wären mit Blick auf das Verteilmuster der Schäden - insoweit eine berufliche Verursachung unterstellt - globale schwerwiegende Aufbrauchschäden der HWS multisegmental zu erwarten, die die Altersnorm deutlich übersteigen und darauf beruhend auch Schmerzbilder erzeugen würden. Dies ist beim Kläger jedoch nicht der Fall. Daher wäre, selbst eine Erkrankung der HWS unterstellt, jedenfalls die haftungsausfüllende Kausalität nicht wahrscheinlich zu machen. Zudem wäre äußerst zweifelhaft, ob der Kläger durch die Beeinträchtigung im Bereich der HWS auch zur Unterlassung aller insoweit gefährdenden Tätigkeiten gezwungen war, was ebenfalls zur Erfüllung der Anerkennungsvoraussetzungen erforderlich wäre.

Es liegt aber auch keine BK nach Nr. 2108 oder 2110 der Anlage zur BKV vor, da zwar bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS vorliegen, die haftungsausfüllende Kausalität aber nicht wahrscheinlich ist.

Als Gesundheitsstörungen im Bereich der LWS liegt lediglich ein kernspintomographisch nachgewiesener älterer lumbaler Bandscheibenvorfall im Segment C 3/4 ohne wesentliche physiologische Ausfallsymptomatik vor. Es bestehen daneben muskuläre Fehlfunktionen mit einem lokalen unteren LWS-Syndrom bei lumbaler Fehlstatik mit reaktiven links-muskulären Fehlfunktionen.

Prof. Dr. Dr. mult. H. und Dr. B. haben übereinstimmend diesen Zustand der LWS des Klägers beschrieben. Diese befindet sich in nahezu lotgerechtem Aufbau. Nur die Lordose ist übersteigert, insbesondere aufgrund einer deutlichen Fehlhaltung des Kreuzbeins mit Anteklinationshaltung des Beckens in Zusammenhang mit einer bestehenden Bauchdeckenadipositas. Ansonsten bestehen lediglich muskuläre Verspannungen linkslumbal bis zum thorakolumbalen Übergang ohne radikuläre Symptomatik. Aus den aktenkundigen Kernspinaufnahmen geht darüber hinaus - wie dargelegt - ein isolierter Bandscheibenschaden in Höhe L 3/4 mit medianer Protrusion hervor. Dieser ist jedoch ohne Ausfallsymptomatik. Die übrigen Bandscheibenetagen sind unauffällig. Die Zwischenwirbelräume sind normal hoch, es besteht keine wesentliche Signalabschwächung. Die geringfügigen Pelottierungen auf diskaler Ebene im unteren LWS-Bereich sind normentsprechend. Lediglich das Bandscheibensegment L 4/5 zeigte - so Prof. Dr. Dr. mult. H. - geringfügige osteochondrotische Veränderungen in Gestalt angedeuteter Höhenminderung der Zwischenwirbelräume. Die tatsächlichen degenerativen Veränderungen dieser Etage reichen aber nicht einmal an die Altersnorm heran.

Zwar ist damit tatsächlich ein Bandscheibenschaden im Segment L 3/4, geringgradig auch im Segment L 4/5 nachgewiesen. Die haftungsausfüllende Kausalität ist jedoch weder für die BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV noch für die BK nach Nr. 2110 der Anlage zur BKV mit der erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit nachzuweisen.

Gegen eine Verursachung dieser Veränderungen durch Belastungen im Sinne der BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV spricht schon deren Ausmaß, da sie nicht einmal das alterstypische Ausmaß degenerativer Veränderungen erreichen. Darüber hinaus fehlt es an belastungsadaptiven Veränderungen, wie z.B. typischen Ausziehungen im Bereich der ligamentären Bandansätze oder verstärkten osteochondrotischen Reaktionen aufgrund des erhöhten lokalen axialen Belastungsdrucks. Zudem ist bei speziell berufsbedingten Überlastungen der lumbalen Bandscheibenstruktur durch Heben und Tragen schwerer Lastgewichte eine Zunahme degenerativer Aufbraucherscheinungen der großen Wirbelsegmente von kranial nach kaudal zu erwarten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das präsakrale Bandscheibensegment durch die axiale Belastung mehr gefordert wird als die oberen lumbalen Elemente. Beim Kläger liegt jedoch auch insoweit eine völlig atypische Verteilung der insgesamt nur geringfügigen degenerativen Veränderungen vor. Es handelt sich im Wesentlichen um eine monosegmentale Störung, die zudem das hauptbelastete präsakrale Element - sowohl radiologisch als auch kernspintomographisch nachgewiesen - völlig unbeeinträchtigt lässt. Darüber hinaus sind die tatsächlich fassbaren osteochondrotischen Veränderungen, die Ausdruck einer Bandscheibendegeneration sein könnten, im mittleren und unteren BWS-Segment ausgeprägter als im LWS-Bereich. Nicht zuletzt liegen auch Wachstumsstörungen im oberen Bereich der LWS im Sinne leichter keilförmiger Deformierungen der Wirbelkörper als Residuen einer Scheuermann´schen Erkrankung vor, die eine gewisse lokale Bandscheibenschwäche erklären können, wobei offen gelassen werden kann, ob dieser Umstand als konkurrierende Ursache im Verhältnis zur möglichen beruflichen Verursachung gesehen werden kann, da bereits, wie dargestellt, aus anderen Gesichtspunkten die haftungsausfüllende Kausalität nicht wahrscheinlich und eine BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV damit nicht anzuerkennen ist.

Gegen eine Verursachung der Veränderungen im Bereich der LWS durch Belastungen im Sinne der BK nach Nr. 2110 der Anlage zur BKV spricht auch hier das Fehlen hierfür typischer belastungsabhängiger Veränderungen in Gestalt schwerwiegender spondylarthrotischer Veränderungen von kranial nach kaudal abnehmend.

Da das SG die Klage somit, wenn auch mit anderer Begründung, zu Recht abgewiesen hat, war auch die Berufung zurückzuweisen.

Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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