Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 17 AL 8321/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 432/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29.11.2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist der Eintritt einer dreiwöchigen Sperrzeit wegen des Nicht-zustandekommens eines Beschäftigungsverhältnisses im Streit.
Der 1950 geborene Kläger hat bis zum 30.06.2004 bei der D. gearbeitet, zuletzt als "Werksbeauftragter Transportlogistik und Gegengeschäfte Nutzfahrzeuge". Aufgrund einer "Ausscheidensvereinbarung Frühpensionierung 2004" vom 09.10.2003 schied er zum 30.06.2004 aus dem Unternehmen aus. Auf seinen Antrag vom 08.04.2004 bewilligte ihm die Beklagte mit Bescheid vom 06.05.2004 ab dem 01.07.2004 Arbeitslosengeld.
Mit Schreiben vom 05.10.2004 bot die Beklagte dem Kläger eine Beschäftigung als Industriekaufmann bzw. Bürokaufmann bei der Firma M. in F. an. Die Tätigkeit umfasste die kaufmännische Sachbearbeitung und den Vertrieb, wobei neben einer abgeschlossenen kaufmännischen Ausbildung gute PC-Kenntnisse und Berufserfahrung im Vertrieb vorausgesetzt wurden. Das Gehalt für die Tätigkeit wurde als ortsüblich angegeben. Das Angebot war mit der Belehrung versehen, dass bei einer Ablehnung des Arbeitsangebotes ohne wichtigen Grund unter bestimmten Umständen eine Sperrzeit eintreten könne.
Der Kläger bewarb sich mit folgendem Anschreiben bei der benannten Firma:
"Sehr geehrter Herr B., über die Agentur für Arbeit E. wurde ich gebeten mich bei ihnen für eine Tätigkeit als Industriekaufmann in ihrer Geschäftsstelle in S. zu bewerben. Anbei erhalten Sie meinen Lebenslauf. Für weitere Fragen oder einem Vorstellungsgespräch stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung. Mit freundlichen Grüßen (Unterschrift des Klägers)"
Dem Schreiben war ein Lebenslauf (1 Blatt) beigefügt, in dem an letzter Stelle der Vermerk "seit 07.2004: Frühpensionär" enthalten war.
Die Firma teilte der Beklagten daraufhin am 13.10.2004 mit, dass der Bewerber für nicht geeignet gehalten werde, da er wegen der Angabe "Frühpensionär" in seiner Bewerbung nicht mehr arbeiten wolle.
Die Beklagte stellte daraufhin mit Bescheid vom 19.11.2004 den Eintritt einer Sperrzeit für die Dauer vom 9. - 29.10.2004 fest. Trotz Belehrung über die Rechtsfolgen habe der Kläger das Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses vereitelt, da er sich in dem Bewerbungsschreiben als Frühpensionär ausgegeben habe. Diese Arbeitsvereitelung stehe einer Arbeitsablehnung gleich. Die Sperrzeit umfasse das gesetzliche Mindestmaß von drei Wochen, da der Kläger nach Entstehung des Anspruchs auf Leistungen erstmalig eine Arbeit abgelehnt habe. Die Sperrzeit mindere den Anspruch auf Arbeitslosengeld um 21 Tage, §§ 128 und 144 Sozialgesetzbuch Buch III. (SGB III). Deswegen werde die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Dauer der Sperrzeit nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) aufgehoben. Der Kläger habe daher Arbeitslosengeld in Höhe von 1.304,10 Euro zu erstatten. Der Betrag werde gegen den laufenden Leistungsanspruch in Höhe von 217,35 Euro wöchentlich aufgerechnet.
Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, dass es sich bei dem Bescheid der Beklagten um ein Versehen handeln müsse. Eine Arbeitsvereitelung könne er in seinem Verhalten auch nach Durchsicht des Merkblattes der Beklagten nicht ableiten. Im Gegenteil sei er stets bemüht gewesen, seinen Verpflichtungen ordnungsgemäß nachzukommen. So habe er lediglich wahrheitsgemäß in der Bewerbung seinen jetzigen Status als Frühpensionär (unter Hinweis auf die "Ausscheidensvereinbarung zur Frühpensionierung 2004" mit der Firma D.) erwähnt. Darüber hinaus habe die Beklagte ihn vor ihrer Entscheidung nicht angehört. Er bitte darum, die Sperrzeit aufzuheben, da er auf das Geld angewiesen sei. Unabhängig davon werde er bei weiteren Bewerbungsschreiben, sofern die Beklagte daran Anstoß nehme, "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht" auf den Hinweis " Frühpensionär" verzichten.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 08.12.2004 als unbegründet zurück. Der Kläger habe die angebotene Beschäftigung zwar nicht ausdrücklich, jedoch durch schlüssiges Verhalten abgelehnt. Die Bewerbung entspreche nicht im Geringsten den Anforderungen bzw. dem Standard. Sie habe lediglich aus einem nichtssagenden Anschreiben und einem Kurzlebenslauf mit dem Hinweis auf den Status als Frühpensionär bestanden. Der Arbeitgeber habe zurecht den Eindruck gehabt, dass der Kläger bei Abgabe einer solchen Bewerbung nicht arbeitswillig sei.
Der Kläger hat am 16.12.2004 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Er verweist darauf, dass er hinsichtlich seines Status als "Frühpensionär" sich auf die mit der Firma D. geschlossene Ausscheidungsvereinbarung berufen könne, welche diesen Terminus ausdrücklich verwendet. Die Beklagte übersehe zudem, dass der potentielle Arbeitgeber selbstverständlich in einem Vorstellungsgespräch den "Status" des Klägers ab dem 01.07.2004 erfragt hätte und der Kläger auf die entsprechende Frage wahrheitsgemäß geantwortet hätte. Bis zum 03.12.2004 habe sich der Kläger im Übrigen 14 mal bei geeigneten Arbeitsgebern beworben, wobei lediglich zwei Bewerbungen auf Initiative der Beklagte zustande gekommen sein. Dies zeige, dass der Kläger sich aktiv um eine neue Arbeitsstelle beworben habe. Darüber hinaus könne der Kläger nicht dafür haftbar gemacht werden, dass es auf dem Arbeitsmarkt aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Gesamtsituation und aufgrund der demographischen Entwicklung eine entsprechende Praxis gebe, ältere Arbeitnehmer in den Vorruhestand zu schicken.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 29.11.2005 als unbegründet abgewiesen. Der Kläger habe das Arbeitsangebot der Beklagten ohne wichtigen Grund abgelehnt. Eine Ablehnung liege nämlich auch dann vor, wenn sich ein Arbeitsloser zwar bei einem Arbeitsgeber "bewerbe", Form oder Inhalt der Bewerbung jedoch unmissverständlich erkennen ließen, dass der Arbeitslose die angebotene Beschäftigung ablehne (unter Hinweis auf BSG Urteil vom 03.12.2003 - B 7 AL 106/02 R -). Dies sei dann der Fall, wenn jeder Arbeitgeber aufgrund des konkreten Bewerbungsschreibens allein wegen seines objektiven Inhaltes die Bewerbung von vornherein als unbeachtlich oder offensichtlich unernst gemeint behandele. Voraussetzung sei danach, dass Form oder Inhalt so abschreckend oder widersprüchlich seien, dass der Bewerber schon allein wegen des Schreibens für den Arbeitgeber aus der Auswahl ausscheiden müsse (unter Hinweis auf BSG a.a.O.). Dies sei vorliegend nach Auffassung der Kammer der Fall. Die schriftliche Bewerbung des Klägers habe lediglich aus einem drei Sätze umfassenden Anschreiben bestanden, wobei bereits der erste Satz darauf hinweise, dass die Bewerbung auf Aufforderung durch die Arbeitsagentur erfolge. Der zweite Satz verweise lediglich auf die Anlage und enthalte im dritten Satz einen grammatikalischen Fehler. In der Anlage befinde sich lediglich ein einziger Kurzlebenslauf mit der Angabe "seit 07/04 Frühpensionär". Diese Form der Bewerbung sei nicht geeignet, ein Interesse des Klägers an der offenen Stelle auszudrücken. Vielmehr vermittele er insbesondere die Angabe, seit Juli 2004 Frühpensionär zu sein, den Eindruck, dass der Kläger nicht mehr in das Arbeitsleben einzutreten wünsche, sondern dieses als abgeschlossen betrachte. Auch bei der Verpflichtung des Klägers, wahrheitsgemäße Angaben zu machen, habe dieser die Begrifflichkeit "Frühpensionär" nicht verwenden müssen.
Dieser Begriff sei kein Fachbegriff, sondern drücke vielmehr aus, dass bereits eine Rente bzw. Pension bezogen wird und jedenfalls keine Berufstätigkeit mehr gesucht werde. Nur weil mit dem früheren Arbeitgeber eine Vereinbarung mit dem Begriff "Frühpensionierung" verwendet worden sei, sei es nicht erforderlich gewesen diesen Begriff auch im Rahmen einer Bewerbung für ein neues Arbeitsverhältnis zu verwenden; im Gegenteil sei dies sogar offensichtlich unangebracht gewesen. Nach dem Eindruck, den die Kammer im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom Kläger gewonnen habe, sei dem Kläger dies auch durchaus bewusst gewesen. So habe er insbesondere eingeräumt, dass diese Angabe durchaus auch nach seiner Ansicht zumindest Anlass zu Nachfragen eines potentiellen Arbeitsgeber gebe. Das Verhalten des Klägers sei auch grob fahrlässig gewesen, weil die geschilderten Zusammenhänge für den Kläger ohne weiteres erkennbar gewesen sein. Das Urteil des SG wurde dem Klägerbevollmächtigten am 16.01.2006 zugestellt.
Der Klägerbevollmächtigte hat am 26.01.2006 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt, mit der er seinen Rechtsstandpunkt weiter verfolgt. Der Kläger habe den Begriff "Frühpensionär" von seinem Arbeitsgeber übernommen und sei dabei davon ausgegangen, dass dies ein gängiger und insbesondere unproblematischer Begriff sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29.11.2005 und den Bescheid der Beklagten vom 19.11.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.12.2004 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für rechtmäßig.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Akten des Sozialgerichts und die Akte des Landessozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143 f. Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung ist nicht begründet.
Der Senat konnte nach § 124 Abs. 2 SGG mit dem Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Das SG hat die anzuwendenden Rechtsvorschriften benannt und zutreffend dargelegt, dass im vorliegenden Fall die von der Beklagten festgestellte Sperrzeit eingetreten ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf diese Ausführungen, denen er sich ausdrücklich anschließt, Bezug, § 153 Abs. 2 SGG.
Ergänzend ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die vom Kläger gerügte Unterlassung seiner Anhörung vor dem Erlass des Sperrzeitbescheides vom 19.11.2004 durch das anschließend durchgeführte Widerspruchsverfahren geheilt worden ist, § 24 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X.
In der Sache ist festzustellen, dass der Kläger in seinem umstrittenen Bewerbungsschreiben entgegen seiner Auffassung keine vollständig richtigen Angaben gemacht hat. Der Verwendung des Begriffs "Frühpensionär" lässt sich entnehmen, dass der Kläger für sich einen allgemein anerkannten Status als Frührentner in Anspruch nahm, der nicht mehr am Arbeitsleben teilzunehmen beabsichtigte. Dies ergibt sich bereits aus dem Begriff "Frühpensionär" selbst und wird dadurch bestätigt, dass die Fa. M. von einem fehlenden Arbeitswillen ausgegangen ist.
Diese Bezeichnung war aber insofern unzutreffend, als die vorliegende Frühpensionierungsvereinbarung alleine das Verhältnis des Klägers zu der D. betraf. Im Verhältnis zu der Bundesagentur für Arbeit war der damals erst 54 Jahre alte Kläger verpflichtet, sich als Voraussetzung für den Bezug von Arbeitslosengeld für ihm zumutbare Arbeiten zur Verfügung zu stellen. Die Regelung des § 428 SGB III, die älteren Arbeitslosen den Bezug von Arbeitslosengeld unter erleichterten Voraussetzungen hinsichtlich ihrer Verfügbarkeit ermöglicht, war auf den Kläger nicht anwendbar, weil er das 58. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte.
Der Kläger konnte sich daher allenfalls relativ gesehen im Verhältnis zu der D. als Frühpensionär bezeichnen, da er ansonsten dieselben Pflichten wie jeder normale Arbeitslose hatte. Dass der Kläger nun aber die Bezeichnung "Frühpensionär" verabsolutierte und obendrein auch noch in einem Bewerbungsschreiben verwendete, kann bei Kenntnis der Gesamtumstände nicht anders ausgelegt werden, als dass ein Arbeitswille fehlte.
In diesem Zusammenhang musste dem Kläger bei Verwendung der Bezeichnung "Frühpensionär" auch deutlich sein, dass ein potentieller Arbeitgeber hierdurch abgeschreckt würde. Dieser Eindruck eines potentiellen Arbeitgebers musste durch das äußerst kurze und daher unmotiviert und lustlos wirkende Anschreiben an die Fa. M. verstärkt werden. Dieses Anschreiben enthält zudem mehrere Fehler, da neben dem vom SG benannten Beugefehler im dritten Satz des Schreibens fälschlich im ersten Satz des Schreibens die Wörter "ihnen" und "ihrer" klein geschrieben werden. Letztgenannter Fehler ist für die Besetzung einer Stelle im kaufmännischen Bereich nicht tragbar, zumal die Großschreibung der Anrede und Possessivpronomen im Schriftverkehr einen Ausdruck der Höflichkeit darstellt. Bezeichnenderweise drückt der Kläger sich in seinem Widerspruch vom 24.11.2004 wesentlich flüssiger und gewählter sowie ohne grobe Rechtschreibfehler aus.
Insgesamt ließen damit Form und Inhalt der Bewerbung unmissverständlich erkennen, dass der Kläger die angebotene Beschäftigung ablehnte (vgl. das vom SG zitierte Urteil des BSG vom 03.12.2003 - B 7 AL 106/02 R -). Der Senat ist daher bei einer Würdigung des Gesamtsachverhalts davon überzeugt, dass das vorliegende "Bewerbungsschreiben" nicht nur ungeschickt oder unbeholfen formuliert war, sondern bewusst eine Ablehnung bei dem potentiellen Arbeitgeber provozieren sollte. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass dem Kläger aufgrund seiner langen Berufstätigkeit im kaufmännischen Bereich die Gepflogenheiten und Erwartungen bei Stellenbewerbungen geläufig waren. Der Kläger wäre aus diesen Gründen auch in der Lage gewesen, eine ordnungsgemäße Bewerbung zu schreiben, die bei einem potentiellen Arbeitgeber nicht von vornherein auf Ablehnung gestoßen wäre und vielleicht sogar Interesse hervorgerufen hätte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist der Eintritt einer dreiwöchigen Sperrzeit wegen des Nicht-zustandekommens eines Beschäftigungsverhältnisses im Streit.
Der 1950 geborene Kläger hat bis zum 30.06.2004 bei der D. gearbeitet, zuletzt als "Werksbeauftragter Transportlogistik und Gegengeschäfte Nutzfahrzeuge". Aufgrund einer "Ausscheidensvereinbarung Frühpensionierung 2004" vom 09.10.2003 schied er zum 30.06.2004 aus dem Unternehmen aus. Auf seinen Antrag vom 08.04.2004 bewilligte ihm die Beklagte mit Bescheid vom 06.05.2004 ab dem 01.07.2004 Arbeitslosengeld.
Mit Schreiben vom 05.10.2004 bot die Beklagte dem Kläger eine Beschäftigung als Industriekaufmann bzw. Bürokaufmann bei der Firma M. in F. an. Die Tätigkeit umfasste die kaufmännische Sachbearbeitung und den Vertrieb, wobei neben einer abgeschlossenen kaufmännischen Ausbildung gute PC-Kenntnisse und Berufserfahrung im Vertrieb vorausgesetzt wurden. Das Gehalt für die Tätigkeit wurde als ortsüblich angegeben. Das Angebot war mit der Belehrung versehen, dass bei einer Ablehnung des Arbeitsangebotes ohne wichtigen Grund unter bestimmten Umständen eine Sperrzeit eintreten könne.
Der Kläger bewarb sich mit folgendem Anschreiben bei der benannten Firma:
"Sehr geehrter Herr B., über die Agentur für Arbeit E. wurde ich gebeten mich bei ihnen für eine Tätigkeit als Industriekaufmann in ihrer Geschäftsstelle in S. zu bewerben. Anbei erhalten Sie meinen Lebenslauf. Für weitere Fragen oder einem Vorstellungsgespräch stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung. Mit freundlichen Grüßen (Unterschrift des Klägers)"
Dem Schreiben war ein Lebenslauf (1 Blatt) beigefügt, in dem an letzter Stelle der Vermerk "seit 07.2004: Frühpensionär" enthalten war.
Die Firma teilte der Beklagten daraufhin am 13.10.2004 mit, dass der Bewerber für nicht geeignet gehalten werde, da er wegen der Angabe "Frühpensionär" in seiner Bewerbung nicht mehr arbeiten wolle.
Die Beklagte stellte daraufhin mit Bescheid vom 19.11.2004 den Eintritt einer Sperrzeit für die Dauer vom 9. - 29.10.2004 fest. Trotz Belehrung über die Rechtsfolgen habe der Kläger das Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses vereitelt, da er sich in dem Bewerbungsschreiben als Frühpensionär ausgegeben habe. Diese Arbeitsvereitelung stehe einer Arbeitsablehnung gleich. Die Sperrzeit umfasse das gesetzliche Mindestmaß von drei Wochen, da der Kläger nach Entstehung des Anspruchs auf Leistungen erstmalig eine Arbeit abgelehnt habe. Die Sperrzeit mindere den Anspruch auf Arbeitslosengeld um 21 Tage, §§ 128 und 144 Sozialgesetzbuch Buch III. (SGB III). Deswegen werde die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Dauer der Sperrzeit nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) aufgehoben. Der Kläger habe daher Arbeitslosengeld in Höhe von 1.304,10 Euro zu erstatten. Der Betrag werde gegen den laufenden Leistungsanspruch in Höhe von 217,35 Euro wöchentlich aufgerechnet.
Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, dass es sich bei dem Bescheid der Beklagten um ein Versehen handeln müsse. Eine Arbeitsvereitelung könne er in seinem Verhalten auch nach Durchsicht des Merkblattes der Beklagten nicht ableiten. Im Gegenteil sei er stets bemüht gewesen, seinen Verpflichtungen ordnungsgemäß nachzukommen. So habe er lediglich wahrheitsgemäß in der Bewerbung seinen jetzigen Status als Frühpensionär (unter Hinweis auf die "Ausscheidensvereinbarung zur Frühpensionierung 2004" mit der Firma D.) erwähnt. Darüber hinaus habe die Beklagte ihn vor ihrer Entscheidung nicht angehört. Er bitte darum, die Sperrzeit aufzuheben, da er auf das Geld angewiesen sei. Unabhängig davon werde er bei weiteren Bewerbungsschreiben, sofern die Beklagte daran Anstoß nehme, "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht" auf den Hinweis " Frühpensionär" verzichten.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 08.12.2004 als unbegründet zurück. Der Kläger habe die angebotene Beschäftigung zwar nicht ausdrücklich, jedoch durch schlüssiges Verhalten abgelehnt. Die Bewerbung entspreche nicht im Geringsten den Anforderungen bzw. dem Standard. Sie habe lediglich aus einem nichtssagenden Anschreiben und einem Kurzlebenslauf mit dem Hinweis auf den Status als Frühpensionär bestanden. Der Arbeitgeber habe zurecht den Eindruck gehabt, dass der Kläger bei Abgabe einer solchen Bewerbung nicht arbeitswillig sei.
Der Kläger hat am 16.12.2004 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Er verweist darauf, dass er hinsichtlich seines Status als "Frühpensionär" sich auf die mit der Firma D. geschlossene Ausscheidungsvereinbarung berufen könne, welche diesen Terminus ausdrücklich verwendet. Die Beklagte übersehe zudem, dass der potentielle Arbeitgeber selbstverständlich in einem Vorstellungsgespräch den "Status" des Klägers ab dem 01.07.2004 erfragt hätte und der Kläger auf die entsprechende Frage wahrheitsgemäß geantwortet hätte. Bis zum 03.12.2004 habe sich der Kläger im Übrigen 14 mal bei geeigneten Arbeitsgebern beworben, wobei lediglich zwei Bewerbungen auf Initiative der Beklagte zustande gekommen sein. Dies zeige, dass der Kläger sich aktiv um eine neue Arbeitsstelle beworben habe. Darüber hinaus könne der Kläger nicht dafür haftbar gemacht werden, dass es auf dem Arbeitsmarkt aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Gesamtsituation und aufgrund der demographischen Entwicklung eine entsprechende Praxis gebe, ältere Arbeitnehmer in den Vorruhestand zu schicken.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 29.11.2005 als unbegründet abgewiesen. Der Kläger habe das Arbeitsangebot der Beklagten ohne wichtigen Grund abgelehnt. Eine Ablehnung liege nämlich auch dann vor, wenn sich ein Arbeitsloser zwar bei einem Arbeitsgeber "bewerbe", Form oder Inhalt der Bewerbung jedoch unmissverständlich erkennen ließen, dass der Arbeitslose die angebotene Beschäftigung ablehne (unter Hinweis auf BSG Urteil vom 03.12.2003 - B 7 AL 106/02 R -). Dies sei dann der Fall, wenn jeder Arbeitgeber aufgrund des konkreten Bewerbungsschreibens allein wegen seines objektiven Inhaltes die Bewerbung von vornherein als unbeachtlich oder offensichtlich unernst gemeint behandele. Voraussetzung sei danach, dass Form oder Inhalt so abschreckend oder widersprüchlich seien, dass der Bewerber schon allein wegen des Schreibens für den Arbeitgeber aus der Auswahl ausscheiden müsse (unter Hinweis auf BSG a.a.O.). Dies sei vorliegend nach Auffassung der Kammer der Fall. Die schriftliche Bewerbung des Klägers habe lediglich aus einem drei Sätze umfassenden Anschreiben bestanden, wobei bereits der erste Satz darauf hinweise, dass die Bewerbung auf Aufforderung durch die Arbeitsagentur erfolge. Der zweite Satz verweise lediglich auf die Anlage und enthalte im dritten Satz einen grammatikalischen Fehler. In der Anlage befinde sich lediglich ein einziger Kurzlebenslauf mit der Angabe "seit 07/04 Frühpensionär". Diese Form der Bewerbung sei nicht geeignet, ein Interesse des Klägers an der offenen Stelle auszudrücken. Vielmehr vermittele er insbesondere die Angabe, seit Juli 2004 Frühpensionär zu sein, den Eindruck, dass der Kläger nicht mehr in das Arbeitsleben einzutreten wünsche, sondern dieses als abgeschlossen betrachte. Auch bei der Verpflichtung des Klägers, wahrheitsgemäße Angaben zu machen, habe dieser die Begrifflichkeit "Frühpensionär" nicht verwenden müssen.
Dieser Begriff sei kein Fachbegriff, sondern drücke vielmehr aus, dass bereits eine Rente bzw. Pension bezogen wird und jedenfalls keine Berufstätigkeit mehr gesucht werde. Nur weil mit dem früheren Arbeitgeber eine Vereinbarung mit dem Begriff "Frühpensionierung" verwendet worden sei, sei es nicht erforderlich gewesen diesen Begriff auch im Rahmen einer Bewerbung für ein neues Arbeitsverhältnis zu verwenden; im Gegenteil sei dies sogar offensichtlich unangebracht gewesen. Nach dem Eindruck, den die Kammer im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom Kläger gewonnen habe, sei dem Kläger dies auch durchaus bewusst gewesen. So habe er insbesondere eingeräumt, dass diese Angabe durchaus auch nach seiner Ansicht zumindest Anlass zu Nachfragen eines potentiellen Arbeitsgeber gebe. Das Verhalten des Klägers sei auch grob fahrlässig gewesen, weil die geschilderten Zusammenhänge für den Kläger ohne weiteres erkennbar gewesen sein. Das Urteil des SG wurde dem Klägerbevollmächtigten am 16.01.2006 zugestellt.
Der Klägerbevollmächtigte hat am 26.01.2006 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt, mit der er seinen Rechtsstandpunkt weiter verfolgt. Der Kläger habe den Begriff "Frühpensionär" von seinem Arbeitsgeber übernommen und sei dabei davon ausgegangen, dass dies ein gängiger und insbesondere unproblematischer Begriff sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29.11.2005 und den Bescheid der Beklagten vom 19.11.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.12.2004 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für rechtmäßig.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Akten des Sozialgerichts und die Akte des Landessozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143 f. Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung ist nicht begründet.
Der Senat konnte nach § 124 Abs. 2 SGG mit dem Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Das SG hat die anzuwendenden Rechtsvorschriften benannt und zutreffend dargelegt, dass im vorliegenden Fall die von der Beklagten festgestellte Sperrzeit eingetreten ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf diese Ausführungen, denen er sich ausdrücklich anschließt, Bezug, § 153 Abs. 2 SGG.
Ergänzend ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die vom Kläger gerügte Unterlassung seiner Anhörung vor dem Erlass des Sperrzeitbescheides vom 19.11.2004 durch das anschließend durchgeführte Widerspruchsverfahren geheilt worden ist, § 24 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X.
In der Sache ist festzustellen, dass der Kläger in seinem umstrittenen Bewerbungsschreiben entgegen seiner Auffassung keine vollständig richtigen Angaben gemacht hat. Der Verwendung des Begriffs "Frühpensionär" lässt sich entnehmen, dass der Kläger für sich einen allgemein anerkannten Status als Frührentner in Anspruch nahm, der nicht mehr am Arbeitsleben teilzunehmen beabsichtigte. Dies ergibt sich bereits aus dem Begriff "Frühpensionär" selbst und wird dadurch bestätigt, dass die Fa. M. von einem fehlenden Arbeitswillen ausgegangen ist.
Diese Bezeichnung war aber insofern unzutreffend, als die vorliegende Frühpensionierungsvereinbarung alleine das Verhältnis des Klägers zu der D. betraf. Im Verhältnis zu der Bundesagentur für Arbeit war der damals erst 54 Jahre alte Kläger verpflichtet, sich als Voraussetzung für den Bezug von Arbeitslosengeld für ihm zumutbare Arbeiten zur Verfügung zu stellen. Die Regelung des § 428 SGB III, die älteren Arbeitslosen den Bezug von Arbeitslosengeld unter erleichterten Voraussetzungen hinsichtlich ihrer Verfügbarkeit ermöglicht, war auf den Kläger nicht anwendbar, weil er das 58. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte.
Der Kläger konnte sich daher allenfalls relativ gesehen im Verhältnis zu der D. als Frühpensionär bezeichnen, da er ansonsten dieselben Pflichten wie jeder normale Arbeitslose hatte. Dass der Kläger nun aber die Bezeichnung "Frühpensionär" verabsolutierte und obendrein auch noch in einem Bewerbungsschreiben verwendete, kann bei Kenntnis der Gesamtumstände nicht anders ausgelegt werden, als dass ein Arbeitswille fehlte.
In diesem Zusammenhang musste dem Kläger bei Verwendung der Bezeichnung "Frühpensionär" auch deutlich sein, dass ein potentieller Arbeitgeber hierdurch abgeschreckt würde. Dieser Eindruck eines potentiellen Arbeitgebers musste durch das äußerst kurze und daher unmotiviert und lustlos wirkende Anschreiben an die Fa. M. verstärkt werden. Dieses Anschreiben enthält zudem mehrere Fehler, da neben dem vom SG benannten Beugefehler im dritten Satz des Schreibens fälschlich im ersten Satz des Schreibens die Wörter "ihnen" und "ihrer" klein geschrieben werden. Letztgenannter Fehler ist für die Besetzung einer Stelle im kaufmännischen Bereich nicht tragbar, zumal die Großschreibung der Anrede und Possessivpronomen im Schriftverkehr einen Ausdruck der Höflichkeit darstellt. Bezeichnenderweise drückt der Kläger sich in seinem Widerspruch vom 24.11.2004 wesentlich flüssiger und gewählter sowie ohne grobe Rechtschreibfehler aus.
Insgesamt ließen damit Form und Inhalt der Bewerbung unmissverständlich erkennen, dass der Kläger die angebotene Beschäftigung ablehnte (vgl. das vom SG zitierte Urteil des BSG vom 03.12.2003 - B 7 AL 106/02 R -). Der Senat ist daher bei einer Würdigung des Gesamtsachverhalts davon überzeugt, dass das vorliegende "Bewerbungsschreiben" nicht nur ungeschickt oder unbeholfen formuliert war, sondern bewusst eine Ablehnung bei dem potentiellen Arbeitgeber provozieren sollte. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass dem Kläger aufgrund seiner langen Berufstätigkeit im kaufmännischen Bereich die Gepflogenheiten und Erwartungen bei Stellenbewerbungen geläufig waren. Der Kläger wäre aus diesen Gründen auch in der Lage gewesen, eine ordnungsgemäße Bewerbung zu schreiben, die bei einem potentiellen Arbeitgeber nicht von vornherein auf Ablehnung gestoßen wäre und vielleicht sogar Interesse hervorgerufen hätte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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