L 10 U 1744/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 10 U 1879/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 1744/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts vom Freiburg 26. März 2004 abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Weitergewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls streitig.

Der am 1946 geborene Kläger war bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand am 11. August 2002 als selbstständiger Schornsteinfegermeister (zuletzt nur aufsichtsführend) tätig und bei der Beklagten unfallversichert. Seit 1995 bezieht er Rente wegen Berufsunfähigkeit. Er stürzte am 22. Oktober 2001 auf dem Weg vom Auto zur Werkstatt, fiel auf das linke Kniegelenk und verdrehte sich dabei den linken Fuß. Kernspintomografisch ergab sich eine frische Fraktur des medialen Kahnbeins (Os naviculare) mit Gelenkbeteiligung (Bericht der Chirurgen Drs. W. und T. vom 12. November 2001). Chefarzt Prof. Dr. We. , Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik L. , teilte mit Schreiben vom 14. März 2002 mit, dass die vom Kläger vorgebrachten, in unregelmäßigen Abständen auftretenden erheblichen stechenden Schmerzen weder gemessen noch anderweitig objektiviert werden könnten.

Mit Bescheid vom 3. Mai 2002 und Widerspruchsbescheid vom 14. Juni 2002 stellte die Südwestliche Bau-Berufsgenossenschaft, Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Verletztengeldzahlung mit Ablauf des 10. Mai 2002 ein.

Der Kläger hat hiergegen am 3. Juli 2002 Klage bei dem Sozialgericht Freiburg erhoben.

Während des Klageverfahrens hat Dr. M.-F. , Chirurgische Klinik am Kreiskrankenhaus A. , das erste Rentengutachten erstattet (Untersuchungstag 11. Juni 2002). Darin sind als wesentliche Unfallfolgen ein Zustand nach Fraktur des Kahnbeins links medialseitig mit beginnender Arthrose des Talonaviculargelenks und Arthrose der Gelenke zwischen Keilbein (Os cuneiforme) I und II sowie II und III beschrieben worden. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) ist mit 20 v. H. ab dem voraussichtlichen Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit am 2. August 2002 bis zum Ablauf des dritten Unfalljahres eingeschätzt worden. Nach dem Zusatzgutachten von Dr. W. und Dr. A. , Klinikum O. , bestünden auf neurologischem Fachgebiet keine unfallbedingten Schäden und keine MdE. Der Orthopäde Dr. M. , Beratungsarzt der Südwestlichen Bau-Berufsgenossenschaft, hat hierzu ausgeführt, die beschriebenen Befunde mit einer geringfügigen Einschränkung der Beweglichkeit im oberen und unteren Sprunggelenk bei seitengleicher Muskulatur und seitengleicher Fußsohlenbeschwielung sowie der posttraumatischen Arthrose bedingten lediglich eine MdE um 10 v. H.

Dr. W. , Chefarzt der Chirurgischen Klinik am Kreiskrankenhaus A. , hat als sachverständiger Zeuge vor dem Sozialgericht angegeben, eine am 14. Mai 2002 veranlasste Kontroll-Kernspintomografie habe einen Reizzustand im Bereich der linken Fußwurzel ohne Nachweis eines fortbestehenden Knochenbruches (das heiße, der Knochenbruch sei fest verheilt) sowie eine diskrete Arthrose im Gelenk zwischen Sprung- und Kahnbein in der linken Fußwurzel ergeben. Ein Computertomogramm vom 19. Juni 2002 habe zusätzlich die Diagnosen von geringen umschriebenen Arthrosen im Gelenk zwischen den Knochen Keilbein I und II, II und III ergeben, die mit umschriebenen posttraumatischen Veränderungen aufgrund des Verlaufes vereinbar, aber auch durch vorbestehende degenerativen Veränderungen erklärbar wären. Der Kläger sei weiterhin unfallbedingt arbeitsunfähig.

Mit Bescheid vom 27. September 2002 hat die Südwestliche Bau-Berufsgenossenschaft die Gewährung einer Rente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 22. Oktober 2001 abgelehnt und dabei in der Rechtsmittelbelehrung darauf hingewiesen, dass der Bescheid nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens werde. Der Kläger hat sich (mit am 24. Oktober 2002 beim Sozialgericht eingegangenem Schriftsatz) auch gegen diesen Bescheid gewandt.

Prof. Dr. R. , leitender Arzt der Orthopädie und orthopädischen Rheumatologie des Klinikums O. , hat zusammen mit Oberarzt Dr. Sch. für das Sozialgericht ein Gutachten (Untersuchungstag: 22. April 2003) mit nachfolgender Ergänzung erstattet. Danach sei es durch den Unfall zu einer posttraumatischen Talonaviculargelenksarthrose sowie einer Aggrivierung der vorbestehenden Fußwurzelarthrosen (Talocalcanealarthrose, Tarsometatarsalgelenksarthrosen) und seit dem ersten Rentengutachten zu einer Verschlechterung des Gangbildes gekommen, mit einer nach Zeitabschnitten gestaffelten MdE, endgültig um 20 v. H.

Die Südwestliche Bau-Berufsgenossenschaft hat mit Bescheid vom 12. September 2003 die Kostenübernahme für Maßnahmen der physikalischen Therapie abgelehnt.

Mit Urteil vom 26. März 2004 hat das Sozialgericht den Bescheid vom 27. September 2002 aufgehoben und die Südwestliche Bau-Berufsgenossenschaft verurteilt, dem Kläger nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen aufgrund des Unfalls vom 22. Oktober 2001 Verletztenrente auf Dauer nach einer MdE um 20 v. H. zu zahlen. Es hat sich im Wesentlichen der Beurteilung von Prof. Dr. R. und dem ersten Rentengutachten angeschlossen. Im Übrigen (nach dem Klageantrag: hinsichtlich der Aufhebung des Bescheids vom 3. Mai 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juni 2002 und der Gewährung von Verletztengeld sowie hinsichtlich der Aufhebung des Bescheids vom 12. September 2003) ist die Klage abgewiesen worden, weil die weitere Arbeitsunfähigkeit nicht mehr unfallbedingt gewesen sei.

Die Südwestliche Bau-Berufsgenossenschaft hat gegen das ihr am 21. April 2004 zugestellte Urteil am 5. Mai 2004 Berufung eingelegt.

Prof. Dr. S. , Chirurgische Universitätsklinik U. , hat für den Senat ein Gutachten unter Berücksichtigung eines Röntgenbefundes von Prof. Dr. B. erstattet. Danach bestehe eine erhebliche Belastungsminderung des linken Beines und eine nahezu völlige Versteifung des oberen und unteren Sprunggelenks links, welche der Kläger bei der Untersuchung demonstriere, wobei sich allerdings durch die Funktionszeichen des linken Beines und die Röntgenbilder des Sprunggelenkes und der Fußwurzel diese erhebliche Funktionsstörung nicht objektivieren lasse. Die überprüften Befunde zwischen dem 16. März 2002 und dem 26. Juni 2003 würden auf eine endgradige Funktionsstörung des oberen und unteren Sprunggelenkes mit ausreichender Belastbarkeit des linken Beines für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt hindeuten. Der Kläger habe am 22. Oktober 2001 mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Kahnbeinbruch erlitten, der jetzt aber ohne Verformung und ohne Stufenbildung verheilt sei. Es sei bei dem Bruch vom 22. Oktober 2001 zu einer Schädigung des Bandapparates an der linken Fußwurzel gekommen. Gewisse Beschwerden, die der Kläger anlässlich der Begutachtung geäußert habe (geäußert worden sind im Wesentlichen Trittunsicherheit und Schmerzen), seien im Unfallzusammenhang zu sehen, nicht aber die demonstrierte aktive Versteifung des oberen und unteren Sprunggelenks und die erhebliche Schmerzhaftigkeit im Fußwurzelbereich links. Die von Dr. M.-F. , Dr. W. , Prof. Dr. R. und Dr. Sch. angenommene posttraumatische Arthrose sei nach dem Röntgenbefund von Prof. Dr. B. nicht objektivierbar. Die Unfallfolgen rechtfertigten eine MdE um 10 v. H.; eine Einschätzung mit 20 v. H. oder höher ließe sich aufgrund der erhobenen Befunde nicht objektivieren.

Oberarzt Dr. D. , Bundeswehrkrankenhaus U. , hat in seinem für den Senat erstatteten radiologischen Gutachten, dem alle verfügbaren Röntgen-, Computer- und Kernspintomografieaufnahmen zugrunde lagen, lediglich eine unfallbedingte minimale Degeneration (Arthrose) zwischen Kahn- und Keilbein feststellen können. Entgegen Prof. Dr. R. sei das Talonaviculargelenk von der Fraktur überhaupt nicht betroffen gewesen, zudem seien die Abnutzungserscheinungen dort allenfalls altersentsprechend. Die Beurteilung der Röntgenaufnahmen durch Prof. Dr. S. sei korrekt; seine Argumentation sei sachlich, gründlich und berücksichtige sämtliche Umstände.

Auf Hinweis des Senats hat die Beklagte den Widerspruchsbescheid vom 22. Februar 2006 erlassen, mit dem sie den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 27. September 2002 zurückgewiesen hat.

Die Beklagte beantragt (sachdienlich gefasst),

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 26. März 2004 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst),

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen und auch den Widerspruchsbescheid vom 22. Februar 2006 aufzuheben.

Er stützt sich weiterhin auf die Gutachten von Prof. Dr. R. und Dr. M.-F ... Das Gutachten von Dr. D. , gegen das im Einzelnen Einwendungen erhoben werden, sei nicht verwertbar. Der Zustand seines Fußes verschlechtere sich weiter. Er sei als Berufsschornsteinfegermeister besonders beruflich betroffen, da er nicht mehr sicher auf Dächern und Leitern steigen könne.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats sowie auf den beigezogenen medizinischen Teil der Renten- und Rehabilitationsakten des Klägers bei der Deutschen Rentenversicherung - Baden-Württemberg - Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung der Beklagten, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist begründet.

Streitgegenstand ist, nachdem nur die Beklagte Berufung eingelegt hat, die Gewährung von Verletztenrente, zu der das Sozialgericht die Beklagte verurteilt hat. Diese Verurteilung ist zu Unrecht erfolgt, denn der Kläger kann in der Zeit nach dem Ende seines Anspruchs auf Verletztengeld (§ 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII), also ab dem 11. Mai 2002 (Bescheid vom 3. Mai 2002), keine Verletztenrente beanspruchen. Auch der nach § 96 Abs. 1 SGG einbezogene Widerspruchsbescheid vom 22. Februar 2006, den die Beklagte erlassen hat, um etwaige Zweifel im Hinblick auf die Einbeziehung des Bescheids vom 27. September 2002 nach § 96 Abs. 1 SGG auszuräumen, ist rechtmäßig. Der Kläger kann daher seine Aufhebung nicht beanspruchen; insoweit entscheidet der Senat auf Klage.

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 SGB VII Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente. Versicherungsfälle sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 2 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern.

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.

Der streitgegenständliche Arbeitsunfall hat zu einer für die Zeit ab dem 11. Mai 2002 konsolidierten Fraktur des medialen Kahnbeins mit Gelenkbeteiligung geführt, die eine MdE unter 20 v. H. bedingt. Dies ergibt sich aus den gerichtlichen Gutachten von Prof. Dr. S. und Dr. D. , die den Senat überzeugen und denen er sich deswegen anschließt.

Prof. Dr. S. hat keine erheblichen funktionellen Einschränkungen, vielmehr nur endgradige Bewegungseinschränkungen feststellen können. Dem folgt der Senat, nicht den gegensätzlichen Bewertungen von Prof. Dr. R. , Dr. W. und Dr. M ...

Der Senat kann sich insbesondere nicht vom Vorliegen einer unfallbedingten posttraumatischen Arthrose des Talonaviculargelenks sowie im Bereich der Fußwurzel (Talocalcanealarthrose, Tarsometatarsalgelenksarthrosen) überzeugen, die - etwa über eine erhöhte Schmerzhaftigkeit - zu weiteren funktionellen Einschränkungen führen könnte. Nach dem Gutachten von Dr. D. war das Talonaviculargelenk vom Unfall nicht betroffen; etwaige insoweit feststellbare Veränderungen können damit nicht Unfallfolge sein. Veränderungen im Beeich der Os cuneiforme I bis III sind nur geringgradig, altersentsprechend und können daher nicht als Hinweis auf eine beginnende posttraumatische Arthrose gewertet werden. Denn Dr. D. hat bei einer Analyse der vorliegenen Aufnahmen nicht mehr als altersentsprechende Verhältnisse feststellen können, wenn man diese an den klassischen radiologischen Arthrosezeichen (Gelenkspaltverschmächtigung, Konturunregelmäßigkeiten der Gelenkkanten, Mehrsklerosierung der beteiligten Gelenkflächen, knöcherne Anbauten an Gelenkrändern, subchondrale Zystenbildung) misst. Dies steht im Einklang mit der Computertomografie vom 19. Juni 2002, die Prof. Dr. S. und Dr. D. vorlag. Dr. W. hat die dort festgestellten geringen Veränderungen dem Arbeitsunfall zugeordnet, andererseits auch vorbestehende degenerativen Veränderungen als Ursache für möglich gehalten.

Die vom Kläger gegen das Gutachten von Dr. D. vorgebrachten Einwendungen überzeugen nicht. Die Befundung der vorliegenden Aufnahmen ist allein gutachtliche Aufgabe und durch die röntgenologische Sachkunde gedeckt. Soweit von orthopädischer Seite auf Grund der bildgebenden Verfahren abweichende Diagnosen gestellt worden sind, geht die radiologische Bewertung vor.

Die Feststellungen Prof. Dr. S. s und Dr. D. s werden weder durch das vom Kläger vorgelegte Gutachten von Dr. M. , Arzt für Innere Medizin, Klinische Begutachtungsstation der Deutschen Rentenversicherung - Baden-Württemberg (damals: LVA Baden-Württemberg), vom 13. Januar 2003 (u. a. Bewegungseinschränkung im linken Sprunggelenk und als Diagnose u. a. eine postraumatische Arthrose des Talonavikulargelenks links) noch durch den vom Kläger vorgelegten Bescheid des Versorgungsamts Freiburg vom 21. März 2003 über die Ablehnung eines Antrags auf Neufeststellung des GdB (hier relevante Funktionsbeeinträchtigungen: Funktionsbehinderung des linken Sprunggelenkes nach Kahnbeinbruch linker Fuß, Funktionsstörungen durch Fußfehlform, Funktionsstörungen durch Zehenfehlform), den vorläufigen Zwischenbericht der Fachklinik Johannesbad vom 24. Februar 2005 (Aufenthalt des Klägers vom 26. Januar bis 20. Februar 2005; Hauptdiagnose: posttraumatische sekundäre Talonaviculararthrose links sowie auch begleitende Tarsometatarsal- und Talocalcanealgelenksarthorsen mit Teilankylose bei Zustand nach Navicularrefraktur links) oder den vom Kläger zuletzt vorgelegten Nachschaubericht von den Drs. W. und T. vom 21. Juli 2005 (Befund: Zunahme der Sklerosierung in der Gelenkfläche des Kahnbeins und des Talocalcanelagelenks) in Frage gestellt, die allesamt keine eigenständige Begründung für die Diagnose einer posttraumatischen Arthrose in den beschriebenen Bereichen gegeben, sondern diese Diagnose allein übernommen und die Beschwerden des Klägers darauf zurückgeführt haben. Nicht übersehen werden darf, dass bereits im Gutachten von Prof. Dr. We. , aber auch bei Prof. Dr. S. Verdeutlichungstendenzen des Klägers dokumentiert sind. Aus dem gleichen Grund kann der Senat auch nicht den Gutachten von Dr. M.-F. und Prof. Dr. R. folgen. Letzteres wird auch dadurch entwertet, dass der MdE-Einschätzung die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)" zugrunde gelegt worden sind, die für die gesetzliche Unfallversicherung keine Anwendung finden. Die Unfallfolgen sind auch nicht der auslösende Faktor für das von der Krankenkasse gewährte Heilverfahren.

Eine andere Bewertung der MdE ist auch nicht unter Berücksichtigung einer vom Kläger geltend gemachten besonderen beruflichen Betroffenheit im Sinne des § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII zu rechtfertigen. Danach werden bei der Bemessung der Minderung der Erwerbsfähigkeit Nachteile berücksichtigt, die die Versicherten dadurch erleiden, dass sie bestimmte von ihnen erworbene besondere berufliche Kenntnisse und Erfahrungen infolge des Versicherungsfalls nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfang nutzen können, soweit solche Nachteile nicht durch sonstige Fähigkeiten, deren Nutzung ihnen zugemutet werden kann, ausgeglichen werden.

Der Senat vermag nicht zu erkennen, dass die Ausübung des Berufs eines Schornsteinfegermeisters aufgrund der Dauer oder Intensität oder auch auf Grund besonderer Begabung oder Ähnlichem nicht nur ein spezielles Fachwissen, sondern auch besondere Fähigkeiten und Fertigkeiten vermittelt hat, die die Stellung des Klägers im Erwerbsleben wesentlich begünstigt haben (Ricke in: Kasseler Kommentar, § 56 Rdnr. 29 mit Nachweisen zur Rechtsprechung des BSG). Außerdem ist nicht nachgewiesen, dass der Kläger gerade erst wegen der Unfallfolgen seinen Beruf aufgeben musste und in den Ruhestand versetzt wurde oder er insoweit zumindest beeinträchtigt worden ist. Zwar hat das Landratsamt Ortenaukreis die Versetzung des Klägers als Bezirkschornsteinfegermeister in den Ruhestand im Bescheid vom 2. August 2005 auf das erste Rentengutachten von Dr. M.-F. und die dort - zu Recht - angenommene Einschränkung hinsichtlich des Besteigens von Leitern und Dächern gestützt. Jedoch bezog der Kläger bereits vor dem Arbeitsunfall Rente wegen Berufsunfähigkeit. Aus den Rehabilitationsakten der Deutschen Rentenversicherung - Baden-Württemberg ist ersichtlich, dass er dort umfangreiche Erkrankungen des internistischen und orthopädischen Fachgebiets geltend machte, insbesondere Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten. Anlässlich der Begutachtung für den Rentenversicherungsträger am 21. September 1994 gab der Kläger gleichwohl an, er könne noch Tätigkeiten einer Aufsichtsführung in seinem Beruf leisten. Dabei schlossen die Einschränkungen der vollen Gebrauchsfähigkeit beider Arme/Hände in Verbindung mit einem chronischen HWS- und Schulter-Arm-Syndrom schon 1995 das Klettern auf Leitern und Dächern aus (Reha-Bericht der E.-Fachklinik vom 31. Mai 1995). Dies ist durch die Unfallfolgen nicht (weiter) beeinträchtigt worden. Im Ergebnis beruht die Versetzung in den Ruhestand somit nicht auf einer durch den Unfall weiter eingeschränkten Leistungsfähigkeit, sondern auf der entsprechenden Antragstellung des Klägers.

Auf die Berufung der Beklagten ist das Urteil des Sozialgerichts abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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